Virtuose romantische Musik für vier bzw. drei Hörner haben die Deutschen Naturhorn Solisten vor einigen Jahren bei Dabringhaus und Grimm vorgestellt. Die grandiose Aufnahme der Quartett- und Triosätze von Carl Oestreich (1800 bis 1840) ist nun wieder erhältlich.
Der Name dieses Komponisten ist wahrscheinlich nicht einmal allen Hornisten bekannt. Carl Wilhelm Eduard Oestreich stammte aus Spremberg, einem Städtchen in der Niederlausitz. Es wird vermutet, dass er in Dresden studiert hat, wo er dann wohl auch sein erstes Engagement bei der sächsischen Hofkapelle antrat. 1826 jedenfalls wurde er Hornist im Orchester der Oper in Frankfurt/Main. Er soll zudem auf eine längere Konzertreise durch Deutschland gegangen sein. Im Jahre 1832 wurde er aus gesundheitlichen Gründen pensioniert; woran Oestreich litt, ist nicht bekannt – belegt ist aber, dass er, nach langer Krankheit, bereits 1840 gestorben ist.
Seine Kompositionen sind in überwiegend in Frankfurt/Main entstanden. Wilhelms Bruns von den Deutschen Naturhorn Solisten berichtet im Beiheft zu dieser CD, dass „eine Fülle von Werken“ erhalten geblieben ist, ein Teil davon befindet sich heute in den Beständen der Stadt- und Uni- versitätsbibliothek Frankfurt. Neben den Quartetten und Trios, die auf dieser CD zu hören sind, liegen dort unter anderem Konzertstücke für ein oder zwei Hörner und Orchester, Kammermusiken und Märsche sowie Vokalwerke und eine Oper.
„Geht man mit einem Naturhorn unter dem Arm auf Entdeckungsreise durch die Bibliotheken dieser Welt, um Stücke für Hornduo, -trio oder -quartett zu finden, so muß man gerade bei den Werken des 19. Jahr- hunderts immmer wieder hinterfragen, ob diese Stücke noch für das Naturhorn, oder schon für das um 1815 entwickelte und sich langsam, aber stetig durchsetzende Ventilhorn geschrieben wurden“, schreibt Bruns. Er schildert im Beiheft sehr amüsant, welches Durcheinander dieser Übergangsprozess mit sich brachte.
Die Trios und Quartette von Carl Oestreich aber sind ganz eindeutig für Naturhorn entstanden – auch wenn die Musiker anfänglich daran zweifelten: „Bei der ersten Sichtung der Oestreich-Mikrofilme (..) beschlich uns alle zunächst der vage Verdacht, es könne sich (..) doch um Werke für Ventilhorn handeln“, meint Bruns. Diese Vermutung beseitigte aber ein Artikel aus dem Jahre 1830 in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, in dem ein Kritiker feststellt, ein Hornpart sei aufgrund der vielen Stopfnoten „ungewöhnlich schwierig auszuführen“ – auf einem Ventilhorn lasse sich dies sicherlich einfacher spielen. „Daß man bei so einer kritischen Äußerung eines Zeitgenossen mit einem nicht ganz leicht zu bewerkstelligenden Notentext zu rechnen hat, war uns schon klar, doch weckten einige unerhörte Passagen immer noch unsere Skepsis. Zu unrecht, wie sich herausstellte“, so der Hornist. „Doch sind uns noch niemals so ,verstopfte' Hornpartien wie diese untergekommen.“
Wilhelm Bruns, Oliver Kersken, Stefan Oetter, Christoph Moinian und Tilman Schärf haben sich an diese technisch höchst anspruchsvolle Musik gewagt – und begeistern mit ihrem Können. Die Deutschen Naturhorn Solisten spielen virtuos, dynamisch differenziert, absolut sauber in der Intonation, ohne den kleinsten Wackler, und mit einem verblüffend farbenreichen Hornton. Und Oestreichs Werke sind mit ihren jagdlich-volkstümlichen Anklängen und so mancher ironischen Wendung auch für den Zuhörer das reine Vergnügen. Bravi!
Sonntag, 31. Januar 2016
Hummel: Piano Sonatas, Volume 1 (Centaur)
Johann Nepomuk Hummel (1778 bis 1837), geboren in Bratislava, war der berühmteste Pianist seiner Zeit und außerdem ein überaus erfolgreicher Klavierlehrer. Zu seinen Schülern gehören Felix Mendelssohn Bartholdy, Ferdinand Hiller, Adolf Henselt, Friedrich Silcher und Sigismund Thalberg. Außerdem beeinflusste er den jungen Chopin, dessen Freund und Mentor er war.
Hummel kam als Kind nach Wien, weil sein Vater Kapellmeister an Emanuel Schikaneders Theater auf der Wieden wurde. Wolfgang Amadeus Mozart unterrichtete den Knaben kostenlos, und nahm ihn sogar für zwei Jahre in seinen Haushalt auf. Bereits als Teenager, von 1788 bis 1793, ging Johann Nepomuk Hummel mit seinem Vater auf Konzertreisen, die ihn bis nach Dänemark und England führten.
Wieder in Wien, erhielt Hummel Unterricht im Fach Komposition bei Johann Georg Albrechtsberger und Antonio Salieri. Auch Joseph Haydn schätzte und förderte Hummel; als Fürst Nikolaus II., ein großer Mäzen, nach 1803 in Esterházy Theater und Oper wieder etablierte, waren Haydn und Hummel dort für die Musik zuständig. Allerdings hatte sich der Fürst finanziell übernommen; er musste seine Hofhaltung drastisch verkleinern, und ging 1813 nach Italien.
Hummel heiratete 1813 in Wien die Sängerin Elisabeth Röckel, eine enge Vertraute Beethovens, die dieser auch gern zur Frau genommen hätte. Mit Beethoven war Hummel, bei allem Wettbewerb, offenbar befreundet; in späteren Jahren ließ er ihm immer wieder finanzielle Unterstützung zukommen. Zeitgenossen berichteten, dass Hummel generell sozial sehr engagiert und dabei sehr bescheiden war.
1816 ging Hummel als Hofkapellmeister nach Stuttgart, 1819 wurde er Hofkapellmeister in Weimar, wo er auch Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach unterrichtete, die spätere Königin von Preußen und deutsche Kaiserin. Er ging weiterhin auf Konzertreisen und komponierte. Hummel hat unter anderem sechs Klavierkonzerte, acht Klaviersonaten, diverse Klavier- und Kammermusik sowie Opern, Ballette und Singspiele und etliche geistliche Werke geschaffen. 1828 veröffentlichte Hummel eine Klavierschule, die dreibändige Ausführliche theoretisch-practische Anweisung zum Piano-Forte-Spiel.
Seine Musik ist heutzutage allerdings wenig zu hören. Die Auffassung, dass neben Mozart und Beethoven noch weitere Komponisten gearbeitet haben, die ebenfalls Interesse verdienen, setzt sich erst allmählich durch. Diese CD, auf der Antonio Pompa-Baldi drei der Klaviersonaten Hummels vorstellt, wird ganz sicher dazu beitragen. Denn die Musik des Komponi- sten ist elegant, abwechslungsreich und anspruchsvoll. Mittlerweile ist Teil 2 dieser Einspielung erschienen. Leider musiziert Pompa-Baldi auf einem Steinway D; ich bin fest davon überzeugt, dass Hummels Klavier- musik auf einem Hammerflügel noch wesentlich besser zur Wirkung kommt.
Hummel kam als Kind nach Wien, weil sein Vater Kapellmeister an Emanuel Schikaneders Theater auf der Wieden wurde. Wolfgang Amadeus Mozart unterrichtete den Knaben kostenlos, und nahm ihn sogar für zwei Jahre in seinen Haushalt auf. Bereits als Teenager, von 1788 bis 1793, ging Johann Nepomuk Hummel mit seinem Vater auf Konzertreisen, die ihn bis nach Dänemark und England führten.
Wieder in Wien, erhielt Hummel Unterricht im Fach Komposition bei Johann Georg Albrechtsberger und Antonio Salieri. Auch Joseph Haydn schätzte und förderte Hummel; als Fürst Nikolaus II., ein großer Mäzen, nach 1803 in Esterházy Theater und Oper wieder etablierte, waren Haydn und Hummel dort für die Musik zuständig. Allerdings hatte sich der Fürst finanziell übernommen; er musste seine Hofhaltung drastisch verkleinern, und ging 1813 nach Italien.
Hummel heiratete 1813 in Wien die Sängerin Elisabeth Röckel, eine enge Vertraute Beethovens, die dieser auch gern zur Frau genommen hätte. Mit Beethoven war Hummel, bei allem Wettbewerb, offenbar befreundet; in späteren Jahren ließ er ihm immer wieder finanzielle Unterstützung zukommen. Zeitgenossen berichteten, dass Hummel generell sozial sehr engagiert und dabei sehr bescheiden war.
1816 ging Hummel als Hofkapellmeister nach Stuttgart, 1819 wurde er Hofkapellmeister in Weimar, wo er auch Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach unterrichtete, die spätere Königin von Preußen und deutsche Kaiserin. Er ging weiterhin auf Konzertreisen und komponierte. Hummel hat unter anderem sechs Klavierkonzerte, acht Klaviersonaten, diverse Klavier- und Kammermusik sowie Opern, Ballette und Singspiele und etliche geistliche Werke geschaffen. 1828 veröffentlichte Hummel eine Klavierschule, die dreibändige Ausführliche theoretisch-practische Anweisung zum Piano-Forte-Spiel.
Seine Musik ist heutzutage allerdings wenig zu hören. Die Auffassung, dass neben Mozart und Beethoven noch weitere Komponisten gearbeitet haben, die ebenfalls Interesse verdienen, setzt sich erst allmählich durch. Diese CD, auf der Antonio Pompa-Baldi drei der Klaviersonaten Hummels vorstellt, wird ganz sicher dazu beitragen. Denn die Musik des Komponi- sten ist elegant, abwechslungsreich und anspruchsvoll. Mittlerweile ist Teil 2 dieser Einspielung erschienen. Leider musiziert Pompa-Baldi auf einem Steinway D; ich bin fest davon überzeugt, dass Hummels Klavier- musik auf einem Hammerflügel noch wesentlich besser zur Wirkung kommt.
Samstag, 30. Januar 2016
Field: Complete Nocturnes (MDG)
John Field (1782 bis 1837) ist der Erfinder des Nocturnes. Das Nachtstück, wie man es vielleicht übersetzen könnte, ist eine auskomponierte Traumlandschaft – pure musikalischer Poesie, und die romantische Form. Nicht nur Frédéric Chopin, auch viele andere Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Liszt, Gabriel Fauré oder Samuel Barber ließen sich davon inspirieren.
Der Ire John Field, geboren in Dub- lin, erhielt ersten Klavierunterricht bei seinem Großvater, einem Organisten. 1792 entschied sich sein Vater, ein Geiger, für eine Stelle in London, und so zog die Familie nach England. Dort setzte Field seine Ausbildung bei Muzio Clementi fort. 1794 gab er seine ersten Konzerte, und erhielt dafür viel Beifall. Als Gegenleistung für die Protektion durch den maestro spielte der junge Pianist die Klaviere seines Lehrers, der nicht nur ein versierter Musiker und Pädagoge, sondern obendrein ein cleverer Unternehmer war. Daher nahm Clementi 1802 seinen Schüler auch mit auf eine Konzertreise, die über Paris und Wien bis nach Russland führte. Dort blieb Field; er wurden in den Salons des russischen Adels herumgereicht, und war als Pianist, Komponist und Klavierlehrer gleichermaßen erfolg- reich. Allerdings konnte er mit Geld und Ruhm nichts anfangen. Anekdo- ten, die seine schlechten Manieren schildern, gibt es zur Genüge.
1831 reiste Field nach London, zur medizinischen Behandlung und um seine Mutter wiederzusehen. Er kam gerade zum richtigen Zeitpunkt, um seinen einstigen Lehrer Clementi und die Mutter zu Grabe zu tragen. In London und auch in Frankreich machte er sich aber, bei aller Brillanz an den Tasten, durch sein Benehmen unmöglich; er reiste weiter nach Italien, was in seinem Zustand eine Qual gewesen sein muss. Beethoven erlebte ihn 1835, auf der Rückreise nach Russsland, bei einem Aufenthalt in Wien, und notierte: „Field verdient viel Geld durch Lektionen, jedoch hat er nie welches, weil er alles in Champagner und Wein vertrinkt.“ Und weder in London noch in Neapel konnten ihm die Ärzte helfen; zum Sitzen benötigte Field daher ein Spezialkissen, ähnlich einem Schwimmring. Der Musiker erlag schließlich, nach langem Leiden, 1837 in Moskau einer Lungenent- zündung.
Field schrieb neben den Nocturnes, die ihn zu einer Legende machten, auch noch jede Menge andere Klavierstücke sowie sieben Klavierkon- zerte. Stefan Irmer hat bei Dabringhaus und Grimm nun sämtliche Nocturnes auf zwei CD zusammengefasst. Der Pianist hat schon mehrfach in Einspielungen Pretiosen vorgestellt, die selten zu hören sind – Rossinis Sünden des Alters beispielsweise oder Klaviermusik von Sigismund Thalberg. Er unterrichtet seit 2013 als Professor für Liedgestaltung an der Musikhochschule Köln.
Mit den mitunter zahlreichen Versionen, in denen die Nocturnes kursie- ren, hat sich Irmer gründlich auseinandergesetzt. „Man kann davon ausgehen, daß jede Druckfassung ein vorläufiges Ergebnis ständigen Veränderns und Ausprobierens war“, schreibt der Pianist im Beiheft zur CD. „Viele der Stücke wurden über einen Zeitraum von Jahrzehnten immer wieder in neuen, teils sehr veränderten Fassungen publiziert, jede davon bis ins Detail penibel redigiert. Der Grund war nicht, vermeintli- che frühere kompositorische Schwächen aus dem Blickwinkel einer zwischenzeitlich erworbenen künstlerischen Reife auszumerzen, sondern immer wieder neuartige Perspektiven auf ein und dasselbe Stück zu eröffnen.“ Irmers Einspielung basiert auf der 1997 in der Reihe Musica Britannica erschienenen Urtextausgabe. Wo sie unterschiedliche Fassungen enthält, hat der Pianist beide eingespielt, so bei den Nocturnes 8 und 10. Außerdem ordnet die Edition auch sechs weitere Kompositionen den Nocturnes zu, obwohl sie andere Titel haben; auch sie sind auf den beiden CD zu hören.
Stefan Irmer geht aber noch einen Schritt weiter: „Fields aus dem Geist der Improvisation geborene Kompositionspraxis inspirierte mich dazu, bei einigen seiner Stücke selbst Hand anzulegen“, erläutert der er. „Die Bearbeitungen von insgesamt sechs seiner Nocturnes unter dem Titel ,Playing with Field' transferieren Themen, Ausschnitte oder auch ganze Kompositionen in die musikalischen Idiome der Jazz- und Tangomusik. Dabei bleiben Melodik, Harmonik und Taktstruktur weitgehend unangetastet. Sie werden lediglich als Improvisationsvorlage genutzt, wobei nie der Blick auf die Originale verstellt wird. Ich hoffe, dass sich mein vergnügen an diesen mit einem Augenzwinkern daherkommenden Metamorphosen auch auf den Zuhörer überträgt.“
Der Ire John Field, geboren in Dub- lin, erhielt ersten Klavierunterricht bei seinem Großvater, einem Organisten. 1792 entschied sich sein Vater, ein Geiger, für eine Stelle in London, und so zog die Familie nach England. Dort setzte Field seine Ausbildung bei Muzio Clementi fort. 1794 gab er seine ersten Konzerte, und erhielt dafür viel Beifall. Als Gegenleistung für die Protektion durch den maestro spielte der junge Pianist die Klaviere seines Lehrers, der nicht nur ein versierter Musiker und Pädagoge, sondern obendrein ein cleverer Unternehmer war. Daher nahm Clementi 1802 seinen Schüler auch mit auf eine Konzertreise, die über Paris und Wien bis nach Russland führte. Dort blieb Field; er wurden in den Salons des russischen Adels herumgereicht, und war als Pianist, Komponist und Klavierlehrer gleichermaßen erfolg- reich. Allerdings konnte er mit Geld und Ruhm nichts anfangen. Anekdo- ten, die seine schlechten Manieren schildern, gibt es zur Genüge.
1831 reiste Field nach London, zur medizinischen Behandlung und um seine Mutter wiederzusehen. Er kam gerade zum richtigen Zeitpunkt, um seinen einstigen Lehrer Clementi und die Mutter zu Grabe zu tragen. In London und auch in Frankreich machte er sich aber, bei aller Brillanz an den Tasten, durch sein Benehmen unmöglich; er reiste weiter nach Italien, was in seinem Zustand eine Qual gewesen sein muss. Beethoven erlebte ihn 1835, auf der Rückreise nach Russsland, bei einem Aufenthalt in Wien, und notierte: „Field verdient viel Geld durch Lektionen, jedoch hat er nie welches, weil er alles in Champagner und Wein vertrinkt.“ Und weder in London noch in Neapel konnten ihm die Ärzte helfen; zum Sitzen benötigte Field daher ein Spezialkissen, ähnlich einem Schwimmring. Der Musiker erlag schließlich, nach langem Leiden, 1837 in Moskau einer Lungenent- zündung.
Field schrieb neben den Nocturnes, die ihn zu einer Legende machten, auch noch jede Menge andere Klavierstücke sowie sieben Klavierkon- zerte. Stefan Irmer hat bei Dabringhaus und Grimm nun sämtliche Nocturnes auf zwei CD zusammengefasst. Der Pianist hat schon mehrfach in Einspielungen Pretiosen vorgestellt, die selten zu hören sind – Rossinis Sünden des Alters beispielsweise oder Klaviermusik von Sigismund Thalberg. Er unterrichtet seit 2013 als Professor für Liedgestaltung an der Musikhochschule Köln.
Mit den mitunter zahlreichen Versionen, in denen die Nocturnes kursie- ren, hat sich Irmer gründlich auseinandergesetzt. „Man kann davon ausgehen, daß jede Druckfassung ein vorläufiges Ergebnis ständigen Veränderns und Ausprobierens war“, schreibt der Pianist im Beiheft zur CD. „Viele der Stücke wurden über einen Zeitraum von Jahrzehnten immer wieder in neuen, teils sehr veränderten Fassungen publiziert, jede davon bis ins Detail penibel redigiert. Der Grund war nicht, vermeintli- che frühere kompositorische Schwächen aus dem Blickwinkel einer zwischenzeitlich erworbenen künstlerischen Reife auszumerzen, sondern immer wieder neuartige Perspektiven auf ein und dasselbe Stück zu eröffnen.“ Irmers Einspielung basiert auf der 1997 in der Reihe Musica Britannica erschienenen Urtextausgabe. Wo sie unterschiedliche Fassungen enthält, hat der Pianist beide eingespielt, so bei den Nocturnes 8 und 10. Außerdem ordnet die Edition auch sechs weitere Kompositionen den Nocturnes zu, obwohl sie andere Titel haben; auch sie sind auf den beiden CD zu hören.
Stefan Irmer geht aber noch einen Schritt weiter: „Fields aus dem Geist der Improvisation geborene Kompositionspraxis inspirierte mich dazu, bei einigen seiner Stücke selbst Hand anzulegen“, erläutert der er. „Die Bearbeitungen von insgesamt sechs seiner Nocturnes unter dem Titel ,Playing with Field' transferieren Themen, Ausschnitte oder auch ganze Kompositionen in die musikalischen Idiome der Jazz- und Tangomusik. Dabei bleiben Melodik, Harmonik und Taktstruktur weitgehend unangetastet. Sie werden lediglich als Improvisationsvorlage genutzt, wobei nie der Blick auf die Originale verstellt wird. Ich hoffe, dass sich mein vergnügen an diesen mit einem Augenzwinkern daherkommenden Metamorphosen auch auf den Zuhörer überträgt.“
Freitag, 29. Januar 2016
Sokolov - Schubert // Beethoven (Deutsche Grammophon)
Grigory Sokolov hat weitere Auf- nahmen für eine Veröffentlichung freigegeben. Auf CD 1 sind die vier populären Impromptus D 899 sowie die Drei Klavierstücke D 946 aus dem letzten Lebensjahr von Franz Schubert zu hören, aufgezeichnet bei einem Konzert im Mai 2013 in Warschau. Auch die zweite CD enthält einen Live-Mitschnitt, von einem Konzert im August 2013 in Salzburg. Hier spielt der Pianist die Hammerklavier-Sonate op. 106 von Ludwig van Beethoven, nebst Zuga- ben – fünf kleinen Charakterstücken von Jean-Philippe Rameau und dem Intermezzo in b-Moll op. 117 Nr. 2 von Johannes Brahms.
Sokolov erweist sich erneut als ein Meister des großen Spannungsbogens. Die Musikstücke Schuberts beispielsweise spielt er erstaunlich flott, zwar durchaus poetisch, aber frei von aller Sentimentalität. Statt romantischer Behaglichkeit zeigt er Abgründe und Ausweglosigkeit. Er setzt geradezu ruppige Akzente, und bremst vor so manchem Harmoniewechsel mit einem extremen Rubato ab, wie man es lange nicht mehr gehört hat. Dennoch passt am Ende alles zusammen; nichts wirkt gewollt oder aufgesetzt – und was Sokolov aus den Noten zu Tage bringt, das lässt einen Schubert neu hören.
Beethovens monumentale Hammerklavier-Sonate wiederum spielt der russische Pianist nicht wuchtig-heroisch, sondern schlicht, bedächtig und gänzlich ohne Pathos. Er stellt die Form in den Vordergrund, und arbeitet mit großer Sorgfalt eine Fülle von Details heraus. So vermeidet er den Eindruck des Kolossalen; das Werk erweist sich, wie Sokolov es liest, als erstaunlich feingliedrig und durchaus traditionsbezogen. Man höre nur die irrwitzige Fuge im letzten Satz – Sokolov musiziert stets überlegt und überlegen, alles ist wohlgeordnet, und es gibt keinen einzigen Moment, in dem er nicht die Strukturen ebenso wie den Klang im Griff hätte. Höhepunkt der Aufnahme ist aber der dritte Satz, Adagio sostenuto, von dem man gar nicht genug bekommen kann. Mehr als 20 magische Minuten schenkt der Pianist hier seinem Publikum – ich mag es nicht beschreiben; man muss es gehört haben, sonst glaubt man nicht, dass so etwas möglich ist. Ob die Sonate länger dauert, ob das Tempo langsamer ist als bei den berühmten Kollegen – diese Frage ist doch vollkommen unerheblich angesichts der Klarheit und Abgeklärtheit dieser Interpre- tation.
Als Zugabe spielt Grigory Sokolov fünf kurze Stücke von Jean-Philippe Rameau. Dabei demonstriert der Pianist nicht nur seine Virtuosität in rasanten Läufen, Trillern und wilden Sprüngen. Sie sind ihm nicht Selbstzweck, sondern Gestaltungsmittel. Rameaus Miniaturen haben, darauf weist der Komponist hin, das Ziel „peindre les passions“ – und daran arbeitet Sokolov mit großer Hingabe. Er gestaltet Les Tourbillons, die Wirbelwinde, ebenso sorgsam wie Les Tendres Plaintes, die zärtlichen Klagen, oder Les Sauvages, die Wilden. Nichts ist hier Zufall, und am Ende wird alles Ausdruck.
Als Schlusswort wählte der Pianist Brahms' b-Moll-Intermezzo – herb, sperrig, unmissverständlich. Man muss Sokolov sehr dankbar dafür sein, dass man dank dieser Aufnahmen seiner Kunst nun auch folgen kann, wenn man keine Gelegenheit hat, eines seiner Konzerte zu besuchen. Es lohnt sich, denn dieser Pianist ist ein Solitär: Grigory Sokolov ist auf der Suche nach der musikalischen Wahrheit, und geht diesen Weg kompro- misslos. Gott sei Dank.
Sokolov erweist sich erneut als ein Meister des großen Spannungsbogens. Die Musikstücke Schuberts beispielsweise spielt er erstaunlich flott, zwar durchaus poetisch, aber frei von aller Sentimentalität. Statt romantischer Behaglichkeit zeigt er Abgründe und Ausweglosigkeit. Er setzt geradezu ruppige Akzente, und bremst vor so manchem Harmoniewechsel mit einem extremen Rubato ab, wie man es lange nicht mehr gehört hat. Dennoch passt am Ende alles zusammen; nichts wirkt gewollt oder aufgesetzt – und was Sokolov aus den Noten zu Tage bringt, das lässt einen Schubert neu hören.
Beethovens monumentale Hammerklavier-Sonate wiederum spielt der russische Pianist nicht wuchtig-heroisch, sondern schlicht, bedächtig und gänzlich ohne Pathos. Er stellt die Form in den Vordergrund, und arbeitet mit großer Sorgfalt eine Fülle von Details heraus. So vermeidet er den Eindruck des Kolossalen; das Werk erweist sich, wie Sokolov es liest, als erstaunlich feingliedrig und durchaus traditionsbezogen. Man höre nur die irrwitzige Fuge im letzten Satz – Sokolov musiziert stets überlegt und überlegen, alles ist wohlgeordnet, und es gibt keinen einzigen Moment, in dem er nicht die Strukturen ebenso wie den Klang im Griff hätte. Höhepunkt der Aufnahme ist aber der dritte Satz, Adagio sostenuto, von dem man gar nicht genug bekommen kann. Mehr als 20 magische Minuten schenkt der Pianist hier seinem Publikum – ich mag es nicht beschreiben; man muss es gehört haben, sonst glaubt man nicht, dass so etwas möglich ist. Ob die Sonate länger dauert, ob das Tempo langsamer ist als bei den berühmten Kollegen – diese Frage ist doch vollkommen unerheblich angesichts der Klarheit und Abgeklärtheit dieser Interpre- tation.
Als Zugabe spielt Grigory Sokolov fünf kurze Stücke von Jean-Philippe Rameau. Dabei demonstriert der Pianist nicht nur seine Virtuosität in rasanten Läufen, Trillern und wilden Sprüngen. Sie sind ihm nicht Selbstzweck, sondern Gestaltungsmittel. Rameaus Miniaturen haben, darauf weist der Komponist hin, das Ziel „peindre les passions“ – und daran arbeitet Sokolov mit großer Hingabe. Er gestaltet Les Tourbillons, die Wirbelwinde, ebenso sorgsam wie Les Tendres Plaintes, die zärtlichen Klagen, oder Les Sauvages, die Wilden. Nichts ist hier Zufall, und am Ende wird alles Ausdruck.
Als Schlusswort wählte der Pianist Brahms' b-Moll-Intermezzo – herb, sperrig, unmissverständlich. Man muss Sokolov sehr dankbar dafür sein, dass man dank dieser Aufnahmen seiner Kunst nun auch folgen kann, wenn man keine Gelegenheit hat, eines seiner Konzerte zu besuchen. Es lohnt sich, denn dieser Pianist ist ein Solitär: Grigory Sokolov ist auf der Suche nach der musikalischen Wahrheit, und geht diesen Weg kompro- misslos. Gott sei Dank.
Donnerstag, 28. Januar 2016
Gassenhauer at Esterhazy Palace (Orlando Records)
In jene Tagen, als es noch kein Radio und vor allem auch keinen Fernseher gab, mussten sich die Leute etwas einfallen lassen, wenn sie Musik hören wollten. Der Adel ließ die hauseigenen Musiker aufspielen – oder aber er spielte selbst. Und mitunter gab es in den Privatgemä- chern der Herrschenden nicht nur ein Cembalo oder ein Pianoforte, sondern sogar eine Salonorgel. Im Schloss Esterházy beispielsweise existierte einst ein solches Instrument. Eine Inventarliste aus dem Jahre 1814 berichtet: „Eie große Orgel vom harten Holz mit schwarzen Frieseln auf Räder mit einem Pult zum Sperren und oben einer Doppeltür mit grünem Tapet überspannt.“
Im Wirtschaftsbereich des Weingutes wurde diese Orgel wiedergefunden, und in den Jahren 2008 bis 2013 durch den Orgelbaumeister Ferdinand Salomon und den Restaurator Albrecht Czernin wieder in einen Top-Zustand gebracht, so dass sie sogar gespielt werden kann. Wie diese Salonorgel klingt, das demonstriert diese hörenswerte CD. Organist Anton Holzapfel hat dafür ein ansprechendes Programm zusammengestellt. Gassenhauer freilich sind es nicht – aber gespielt wurde seinerzeit, was gerade populär war, was auch Tänze oder bekannte Melodien aus Opern mit einschloss.
„Was den wenigsten von uns bewusst ist: Die großen Klassiker wie Haydn, Mozart und Beethoven verbindet, dass sie alle im Laufe ihrer Karriere (auch) Organisten gewesen sind“, schreibt Holzapfel. „Ihre Improvisationen beim sonntäglichen Gottesdienst sind nicht doku- mentiert, doch andere ,Orgelkompositionen' sind von ihnen sehr wohl überliefert. Man baute damals kleine Orgelwerke in Spieluhren ein und vergnügte sich an eigens dafür komponierten Petitessen der größten Meister. Ein Haydn-Klingelton als Auftragswerk! Auch für Orgelwerke in einem Wachsfigurenkabinett (und dort verwendete größere Orgelwalzen) wurden Mozart und Beethoven verpflichtet.“
Einige dieser Kompositionen stellt Holzapfel in seinem Programm vor. Es beginnt mit einer der sechs Orgelsonaten, die Carl Philipp Emanuel Bach für Prinzessin Anna Amalie von Preußen, die jüngste Schwester Friedrichs II., geschrieben hat. Sie musizierte allerdings auf einer „richtigen“, zwei- manualigen Orgel mit Pedal. „Raritäten wie Variationen von Sigismund Ritter von Neukomm über eine Arie Haydns aus dem Oratorium ,Die Schöpfung', oder Variationen eines elsässischen Komponisten Martin Vogt (der auch in Wien auf der Walz war und in Salzburg bei Michael Haydn ausgebildet wurde) dokumentieren die mögliche Bandbreite des Repertoires, das man auf der Salonorgel gepflegt hat, Claviermusik in besten Sinne des Wortes“, so Holzapfel. Der Organist spielt mit Esprit und registriert gekonnt; man hört ihm gerne zu und fühlt sich in der Tat auch gut unterhalten. Eine gelungene Einspielung, und zugleich das spannende Porträt eines außergewöhnlichen Instrumentes.
Im Wirtschaftsbereich des Weingutes wurde diese Orgel wiedergefunden, und in den Jahren 2008 bis 2013 durch den Orgelbaumeister Ferdinand Salomon und den Restaurator Albrecht Czernin wieder in einen Top-Zustand gebracht, so dass sie sogar gespielt werden kann. Wie diese Salonorgel klingt, das demonstriert diese hörenswerte CD. Organist Anton Holzapfel hat dafür ein ansprechendes Programm zusammengestellt. Gassenhauer freilich sind es nicht – aber gespielt wurde seinerzeit, was gerade populär war, was auch Tänze oder bekannte Melodien aus Opern mit einschloss.
„Was den wenigsten von uns bewusst ist: Die großen Klassiker wie Haydn, Mozart und Beethoven verbindet, dass sie alle im Laufe ihrer Karriere (auch) Organisten gewesen sind“, schreibt Holzapfel. „Ihre Improvisationen beim sonntäglichen Gottesdienst sind nicht doku- mentiert, doch andere ,Orgelkompositionen' sind von ihnen sehr wohl überliefert. Man baute damals kleine Orgelwerke in Spieluhren ein und vergnügte sich an eigens dafür komponierten Petitessen der größten Meister. Ein Haydn-Klingelton als Auftragswerk! Auch für Orgelwerke in einem Wachsfigurenkabinett (und dort verwendete größere Orgelwalzen) wurden Mozart und Beethoven verpflichtet.“
Einige dieser Kompositionen stellt Holzapfel in seinem Programm vor. Es beginnt mit einer der sechs Orgelsonaten, die Carl Philipp Emanuel Bach für Prinzessin Anna Amalie von Preußen, die jüngste Schwester Friedrichs II., geschrieben hat. Sie musizierte allerdings auf einer „richtigen“, zwei- manualigen Orgel mit Pedal. „Raritäten wie Variationen von Sigismund Ritter von Neukomm über eine Arie Haydns aus dem Oratorium ,Die Schöpfung', oder Variationen eines elsässischen Komponisten Martin Vogt (der auch in Wien auf der Walz war und in Salzburg bei Michael Haydn ausgebildet wurde) dokumentieren die mögliche Bandbreite des Repertoires, das man auf der Salonorgel gepflegt hat, Claviermusik in besten Sinne des Wortes“, so Holzapfel. Der Organist spielt mit Esprit und registriert gekonnt; man hört ihm gerne zu und fühlt sich in der Tat auch gut unterhalten. Eine gelungene Einspielung, und zugleich das spannende Porträt eines außergewöhnlichen Instrumentes.
Dienstag, 26. Januar 2016
Thalberg: Opera Fantasies (Piano Classics)
Sigismund Thalberg kam 1812 in Pâquis bei Genf zur Welt; er war das uneheliche Kind von Baronin Maria Julia Wetzlar von Plankenstern und Fürst Franz Joseph von Dietrichstein, der neben anderen Titeln auch den eines Freiherrn von Thalberg führte. Er wuchs in Wien im Palais seines Vaters auf; seine Mutter soll eine exzellente Pianistin gewesen sein, und man darf auch vermuten, dass sie ihn unterrichtet hat. 1830 konzer- tierte er bereits in Berlin und in Leipzig; dort lernte er unter anderem Chopin, Felix Mendelssohn Barthol- dy und die zehnjährige Clara Wieck kennen. 1836 gab Thalberg sein erstes Solo-Konzert in Paris, wo er sehr gefeiert wurde.
1841 berichtete die Pianistin, mittlerweile Clara Schumann, in einer Tagebucheintragung: „Montags besuchte uns Thalberg, und spielte zum Entzücken schön auf meinem Pianoforte. Eine vollendetere Mechanik giebt es nicht, und seine Claviereffekte müssen oft die Kenner hinreißen. Ihm mißglückt kein Ton, seine Läufe kann man mit Perlenreihen ver- gleichen, seine Octaven sind die schönsten, die ich je gehört.“
Bereits 1828 veröffentlichte Thalberg sein Opus 1, eine Fantasie mit Variationen über Motive aus Webers Oper Euryanthe. Wie seinerzeit üblich, hat der Pianist auch komponiert – nicht zuletzt für seine eigenen Konzertprogramme – und dabei im romantischen Wettstreit um Virtuosität und Kreativität so manchen extravaganten Beitrag geleistet: Thalberg gilt als der Schöpfer des sogenannten Dritte-Hand-Effektes, bei dem eine Melodie von beiden Händen entwickelt wird, während gleichzeitig im Diskant Arpeggio-Figurationen erklingen, und im Bass Begleitakkorde. Dadurch entsteht der Eindruck, dass drei Hände gleichzeitig spielen – nichts für langsame Hirne und steife Finger! Nicht wenige Zeitgenossen Thalbergs hielten solche Werke für unspielbar.
Mark Viner hat diese Musik für sein Debütalbum ausgewählt. Der Pianist gilt als eines der größten britischen Klaviertalente. Er hat eine besondere Leidenschaft für ungewöhnliches Repertoire, was ihm 2012 den ersten Preis des Alkan-Zimmermann-Wettbewerbs einbrachte. Auf dieser CD ist er zu hören mit der Fantaisie sur des thèmes de l'opéra Moise de G. Rossini op. 33, der Grande Fantaisie sur La Sérénade et Le Menuet de Don Juan op. 42, dem Andante final de Lucia de Lammermoor op. 43, dem Grand Caprice sur des motifs de La Sonnambula de Bellini op. 46 und der Grande Fantaisie sur Don Pasquale op. 67 – sämtlich entstanden zwischen 1839 und 1844.
Viner präsentiert Thalbergs brillante Musik sehr ansprechend; die Oper als Gattung ist ohnehin eine ausgesprochen dankbare Fundgrube, wenn es darum geht, bekannte Melodien mit der gebotenen Theatralik zu insze- nieren, und dabei pianistische Höchstschwierigkeiten ebenso dezent wie wirkungsvoll unterzubringen. Viners Spiel merkt man aber an keiner Stelle an, welch enorme Anforderungen diese Werke an den Pianisten stellen. Der vielversprechende junge Pianist setzt ganz auf Ausdruck, und er macht mit dieser Aufnahme neugierig – nicht zuletzt auf mehr Thalberg.
1841 berichtete die Pianistin, mittlerweile Clara Schumann, in einer Tagebucheintragung: „Montags besuchte uns Thalberg, und spielte zum Entzücken schön auf meinem Pianoforte. Eine vollendetere Mechanik giebt es nicht, und seine Claviereffekte müssen oft die Kenner hinreißen. Ihm mißglückt kein Ton, seine Läufe kann man mit Perlenreihen ver- gleichen, seine Octaven sind die schönsten, die ich je gehört.“
Bereits 1828 veröffentlichte Thalberg sein Opus 1, eine Fantasie mit Variationen über Motive aus Webers Oper Euryanthe. Wie seinerzeit üblich, hat der Pianist auch komponiert – nicht zuletzt für seine eigenen Konzertprogramme – und dabei im romantischen Wettstreit um Virtuosität und Kreativität so manchen extravaganten Beitrag geleistet: Thalberg gilt als der Schöpfer des sogenannten Dritte-Hand-Effektes, bei dem eine Melodie von beiden Händen entwickelt wird, während gleichzeitig im Diskant Arpeggio-Figurationen erklingen, und im Bass Begleitakkorde. Dadurch entsteht der Eindruck, dass drei Hände gleichzeitig spielen – nichts für langsame Hirne und steife Finger! Nicht wenige Zeitgenossen Thalbergs hielten solche Werke für unspielbar.
Mark Viner hat diese Musik für sein Debütalbum ausgewählt. Der Pianist gilt als eines der größten britischen Klaviertalente. Er hat eine besondere Leidenschaft für ungewöhnliches Repertoire, was ihm 2012 den ersten Preis des Alkan-Zimmermann-Wettbewerbs einbrachte. Auf dieser CD ist er zu hören mit der Fantaisie sur des thèmes de l'opéra Moise de G. Rossini op. 33, der Grande Fantaisie sur La Sérénade et Le Menuet de Don Juan op. 42, dem Andante final de Lucia de Lammermoor op. 43, dem Grand Caprice sur des motifs de La Sonnambula de Bellini op. 46 und der Grande Fantaisie sur Don Pasquale op. 67 – sämtlich entstanden zwischen 1839 und 1844.
Viner präsentiert Thalbergs brillante Musik sehr ansprechend; die Oper als Gattung ist ohnehin eine ausgesprochen dankbare Fundgrube, wenn es darum geht, bekannte Melodien mit der gebotenen Theatralik zu insze- nieren, und dabei pianistische Höchstschwierigkeiten ebenso dezent wie wirkungsvoll unterzubringen. Viners Spiel merkt man aber an keiner Stelle an, welch enorme Anforderungen diese Werke an den Pianisten stellen. Der vielversprechende junge Pianist setzt ganz auf Ausdruck, und er macht mit dieser Aufnahme neugierig – nicht zuletzt auf mehr Thalberg.
Montag, 25. Januar 2016
Steffens: Die Musik und ein guter Wein (cpo)
Johann Steffens (um 1560 bis 1616) war der Sohn eines Itzehoer Stadt- rates. Heinrich Steffens erkannte seine musikalische Begabung, und ließ Johann dementsprechend ausbilden. Berichtet wird, er sei zudem „bey einem orgellmacher gewesen, davon er gelernet, daß er die Stimmen der orgell woll umbziehen kann“.
Graf Heinrich von Rantzau, der dänische Statthalter, der auf Schloss Breitenburg nahe Itzehoe residierte, schrieb dem jungen Musiker 1589 einen Empfehlungsbrief für seine Bewerbung um die vakante Organistenstelle an St. Lamberti zu Lüneburg. Allerdings hatte auch die Herzogin Dorothea von Brauschweig-Lüneburg einen Kandidaten für diese Stelle vorgeschlagen – und so erhielt der Sohn des Celler Hofpredigers den begehrten Posten.
Zwei Jahre später übernahm Steffens die Dienstpflichten von Jost Funcke, dem Organisten an St. Johanni in Lüneburg, und 1595 wurde er dann endlich fest angestellt. In der langen Reihe der Kantoren und Organisten an St. Johannis in Lüneburg steht er damit als Vorgänger unter anderem von Christian Flor und Georg Böhm.
Auf dieser CD erklingen Tanzsätze Steffens’, die ein interessantes Zeugnis davon geben, wie englische Consort-Musik in Deutschland gespielt und weiterentwickelt worden ist, neben fünfstimmigen weltlichen Vokalkom- positionen. Veröffentlicht hat sie Sohn Heinrich im Jahre 1618 unter dem Titel Newe Teutsche Weltliche Madrigalia und Balletten So wol mit lebendigen Stimmen/ als auff allerhandt Musicalischen Instrumenten und Seytenspielen gantz lieblich zu gebrauchen. Ähnlich wie die italienischen Vorbilder und die Scherz-, Trink- und Liebeslieder Hans Leo Haßlers sprühen sie, mitunter etwas derb, vor Lebensfreude. Himlische Cantorey und Hamburger Ratsmusik unter der Leitung von Simone Eckert betonen allerdings diese grobe Seite nicht. Sie zeigen auf, dass Steffens eine Menge zu bieten hat – Eleganz, Witz, Ausdrucksstärke, gelegentlich auch Doppelbödigkeit. Eine wichtige Einspielung, die uns einen Komponisten nahe bringt, der von seinen Zeitgenossen hoch geachtet wurde – und aus heutiger Sicht ebenfalls keineswegs zweite Wahl ist.
Graf Heinrich von Rantzau, der dänische Statthalter, der auf Schloss Breitenburg nahe Itzehoe residierte, schrieb dem jungen Musiker 1589 einen Empfehlungsbrief für seine Bewerbung um die vakante Organistenstelle an St. Lamberti zu Lüneburg. Allerdings hatte auch die Herzogin Dorothea von Brauschweig-Lüneburg einen Kandidaten für diese Stelle vorgeschlagen – und so erhielt der Sohn des Celler Hofpredigers den begehrten Posten.
Zwei Jahre später übernahm Steffens die Dienstpflichten von Jost Funcke, dem Organisten an St. Johanni in Lüneburg, und 1595 wurde er dann endlich fest angestellt. In der langen Reihe der Kantoren und Organisten an St. Johannis in Lüneburg steht er damit als Vorgänger unter anderem von Christian Flor und Georg Böhm.
Auf dieser CD erklingen Tanzsätze Steffens’, die ein interessantes Zeugnis davon geben, wie englische Consort-Musik in Deutschland gespielt und weiterentwickelt worden ist, neben fünfstimmigen weltlichen Vokalkom- positionen. Veröffentlicht hat sie Sohn Heinrich im Jahre 1618 unter dem Titel Newe Teutsche Weltliche Madrigalia und Balletten So wol mit lebendigen Stimmen/ als auff allerhandt Musicalischen Instrumenten und Seytenspielen gantz lieblich zu gebrauchen. Ähnlich wie die italienischen Vorbilder und die Scherz-, Trink- und Liebeslieder Hans Leo Haßlers sprühen sie, mitunter etwas derb, vor Lebensfreude. Himlische Cantorey und Hamburger Ratsmusik unter der Leitung von Simone Eckert betonen allerdings diese grobe Seite nicht. Sie zeigen auf, dass Steffens eine Menge zu bieten hat – Eleganz, Witz, Ausdrucksstärke, gelegentlich auch Doppelbödigkeit. Eine wichtige Einspielung, die uns einen Komponisten nahe bringt, der von seinen Zeitgenossen hoch geachtet wurde – und aus heutiger Sicht ebenfalls keineswegs zweite Wahl ist.
Music for Brass Septet 3 - Septura (Naxos)
Musik aus Russland und aus der Sowjetunion präsentieren die Bläser von Septura auf ihrer jüngsten CD. Arrangiert haben die Stücke Simon Cox und Matthew Knight, die Gründer und künstlerischen Leiter des Ensembles. Das ist durchaus ein Wagnis, denn die CD beginnt mit dem Quartett Nr. 8 op. 110 von Dmitri Schostakowitsch. Es gilt als das persönlichste Werk des Kompo- nisten, der seine Signatur D-Es-C-H im Notentext an prominenter Stelle hinterlassen hat. Entstanden ist es 1960 in Gohrisch, einem Kurort im Elbsandsteingebirge; eigentlich sollte Schostakowitsch dort an einer Filmmusik über die Bombardierung Dresdens arbeiten.
Der Komponist war, als er dieses Werk schrieb, in hörbar mieser Stimmung. Man hatte ihn genötigt, in die KPdSU einzutreten, weil man ihn zum Vorsitzenden des sowjetischen Komponistenverbandes machen wollte. Außerdem quälte ihn ein Rückenleiden. Und auch wenn das Quartett dann mit der Widmung „Im Gedenken an die Opfer von Faschismus und Krieg“ veröffentlicht wurde, verrät die Musik, mit einer Vielzahl von Zitaten, was Schostakowitsch wirklich im Sinn hatte. In einem Brief berichtete er Isaak Glikman, einem engen Vertrauten, er habe „ein niemandem nützendes und ideologisch verwerfliches Quartett geschrieben. Ich dachte darüber nach, dass, sollte ich irgendwann einmal sterben, kaum jemand ein Werk schreiben wird, das meinem Andenken gewidmet ist. Deshalb habe ich beschlossen, selbst eines zu schreiben. Man könnte auf seinen Einband auch schreiben: ‚Gewidmet dem Andenken des Komponisten dieses Quartetts’.“
Man staunt, wie gut sich aus diesem Streichquartett ein Werk für Bläser formen lässt, und wie dezent Septura hier agiert. Und es ist nicht einfach, neben einem solchen Schwergewicht noch weitere Musik passend zu einem Programm zusammenzustellen. Die sieben Bläser lösen dieses Problem mit einem Blick in die Musikgeschichte: Neben Schostakowitsch tritt Sergej Prokofjew mit einer Suite aus den Zehn Stücken für Klavier op. 12 und dem bekannten Marsch aus Die Liebe zu den drei Orangen op. 33.
Aus dem vorrevolutionären Russland, aber dennoch ziemlich modern, sind die sechs ausgewählten Preludes von Alexander Scriabin. Sie werden ergänzt durch vier der sechs Stücke für Klavier zu vier Händen op. 11 von Sergej Rachmaninoff – und natürlich darf auch seine Vocalise op. 34 Nr. 14 nicht fehlen.
Septura erweist sich einmal mehr als eines der besten europäischen Blechbläserensembles. Alan Thomas und Simon Cox, Trompete in B, Huw Morgan, Trompete in Es, Matthew Gee und Matthew Knight, Posaune, Dan West, Bass-Posaune und Peter Smith, Tuba, musizieren exzellent und bestens aufeinander eingestellt. Insofern kann man diese dritte CD der Briten erneut empfehlen – und darf auf die Fortsetzung gespannt sein, die sicherlich bald folgen wird.
Der Komponist war, als er dieses Werk schrieb, in hörbar mieser Stimmung. Man hatte ihn genötigt, in die KPdSU einzutreten, weil man ihn zum Vorsitzenden des sowjetischen Komponistenverbandes machen wollte. Außerdem quälte ihn ein Rückenleiden. Und auch wenn das Quartett dann mit der Widmung „Im Gedenken an die Opfer von Faschismus und Krieg“ veröffentlicht wurde, verrät die Musik, mit einer Vielzahl von Zitaten, was Schostakowitsch wirklich im Sinn hatte. In einem Brief berichtete er Isaak Glikman, einem engen Vertrauten, er habe „ein niemandem nützendes und ideologisch verwerfliches Quartett geschrieben. Ich dachte darüber nach, dass, sollte ich irgendwann einmal sterben, kaum jemand ein Werk schreiben wird, das meinem Andenken gewidmet ist. Deshalb habe ich beschlossen, selbst eines zu schreiben. Man könnte auf seinen Einband auch schreiben: ‚Gewidmet dem Andenken des Komponisten dieses Quartetts’.“
Man staunt, wie gut sich aus diesem Streichquartett ein Werk für Bläser formen lässt, und wie dezent Septura hier agiert. Und es ist nicht einfach, neben einem solchen Schwergewicht noch weitere Musik passend zu einem Programm zusammenzustellen. Die sieben Bläser lösen dieses Problem mit einem Blick in die Musikgeschichte: Neben Schostakowitsch tritt Sergej Prokofjew mit einer Suite aus den Zehn Stücken für Klavier op. 12 und dem bekannten Marsch aus Die Liebe zu den drei Orangen op. 33.
Aus dem vorrevolutionären Russland, aber dennoch ziemlich modern, sind die sechs ausgewählten Preludes von Alexander Scriabin. Sie werden ergänzt durch vier der sechs Stücke für Klavier zu vier Händen op. 11 von Sergej Rachmaninoff – und natürlich darf auch seine Vocalise op. 34 Nr. 14 nicht fehlen.
Septura erweist sich einmal mehr als eines der besten europäischen Blechbläserensembles. Alan Thomas und Simon Cox, Trompete in B, Huw Morgan, Trompete in Es, Matthew Gee und Matthew Knight, Posaune, Dan West, Bass-Posaune und Peter Smith, Tuba, musizieren exzellent und bestens aufeinander eingestellt. Insofern kann man diese dritte CD der Briten erneut empfehlen – und darf auf die Fortsetzung gespannt sein, die sicherlich bald folgen wird.
Donnerstag, 21. Januar 2016
Mozart: Piano Concertos; Brautigam (BIS)
In der Serie „Aus dem Wald in die Konzerthalle – baue Dein eigenes Fortepiano“ ist mittlerweile Schritt neun erreicht: Das Titelbild dieser CD zeigt, wie die Beine befestigt werden. Deutlich ernsthafter angelegt ist die Einspielung, die erneut drei Konzerte Wolfgang Amadeus Mozarts so vorstellt, wie sie einstmals geklungen haben könnten. Ronald Brautigam spielt sie auf einem Hammerflügel, den Paul McNulty 2013 als Nachbau eines Exemplares angefertigt hat, das in der Werkstatt Anton Walter und Sohn um 1802 entstanden ist. Gabriel Anton Walter (1752 bis 1826) stammte aus Neuhausen auf den Fildern, südöstlich von Stuttgart. Er ließ sich 1778 als Klavierbauer in Wien nieder und war damit sehr erfolgreich. Mozart hat seine Instrumente sehr geschätzt; auch Haydn und Beethoven spielten sie.
Das helle, transparente Klangbild unterscheidet sich krass von dem, was man üblicherweise im Ohr hat – doch ehrlicherweise bleibt festzustellen, dass es Mozarts Musik sehr zustatten kommt, wenn man die romantischen Puderzuckerschichten weglässt und einmal wirklich nach den Noten fragt. Brautigam macht dies, unterstützt und begleitet von der Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens, recht konsequent und bringt so ganz erstaunliche Details zutage.
Auf dieser CD stellt Brautigam drei Konzerte vor, die 1776 bzw. 1782/83 entstanden sind. Das C-Dur-Konzert KV 415 und das F-Dur-Konzert KV 413 gehören zu den drei Subskriptionskonzerten, die Mozart um die Jahreswende 1782/83 angekündigt hat. An seinen Vater schrieb er, die „Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer, und zu leicht – sind sehr Brillant – angenehm in die ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – daß die nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen, warum.“
Das Konzert KV 415 ist imposant, feierlich und groß besetzt. Zur Urauf- führung am 23. März 1783 war Kaiser Joseph II. höchstselbst anwesend – Mozart wollte beeindrucken, und ergänzte eigens für die Majestät das Orchester um Trompeten und Pauken.
Im Kontrast dazu ist das Konzert in F-Dur ausgesprochen kammermusi- kalisch angelegt; Mozart selbst warb dafür, man könne es auch à quattro spielen. Insbesondere das Larghetto gehört zu den ganz großen Würfen des Komponisten – das ist Musik, wie sie kein anderer jemals schreiben konnte.
Die Super Audio-CD endet mit dem Konzert in C-Dur KV 246, geschrieben für Gräfin Antonia Lützow, eine der Schülerinnen von Leopold Mozart. Es ist ein Stück für den Unterricht, mit relativ geringen technischen Anfor- derungen und umfangreichen Reprisen. Überliefert sind drei Kadenz- varianten für die beiden ersten Sätze, was ebenfalls als eine Hilfe für Lernende gedacht gewesen sein könnte. In Salzburg scheint das Werk rege gespielt worden zu sein; auch Mozarts Schwester Nannerl trug es vor und übte es mit ihren Schülerinnen. Mozart hat das Konzert offenbar aber auch gern und oft selbst gespielt.
Das helle, transparente Klangbild unterscheidet sich krass von dem, was man üblicherweise im Ohr hat – doch ehrlicherweise bleibt festzustellen, dass es Mozarts Musik sehr zustatten kommt, wenn man die romantischen Puderzuckerschichten weglässt und einmal wirklich nach den Noten fragt. Brautigam macht dies, unterstützt und begleitet von der Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens, recht konsequent und bringt so ganz erstaunliche Details zutage.
Auf dieser CD stellt Brautigam drei Konzerte vor, die 1776 bzw. 1782/83 entstanden sind. Das C-Dur-Konzert KV 415 und das F-Dur-Konzert KV 413 gehören zu den drei Subskriptionskonzerten, die Mozart um die Jahreswende 1782/83 angekündigt hat. An seinen Vater schrieb er, die „Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer, und zu leicht – sind sehr Brillant – angenehm in die ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – daß die nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen, warum.“
Das Konzert KV 415 ist imposant, feierlich und groß besetzt. Zur Urauf- führung am 23. März 1783 war Kaiser Joseph II. höchstselbst anwesend – Mozart wollte beeindrucken, und ergänzte eigens für die Majestät das Orchester um Trompeten und Pauken.
Im Kontrast dazu ist das Konzert in F-Dur ausgesprochen kammermusi- kalisch angelegt; Mozart selbst warb dafür, man könne es auch à quattro spielen. Insbesondere das Larghetto gehört zu den ganz großen Würfen des Komponisten – das ist Musik, wie sie kein anderer jemals schreiben konnte.
Die Super Audio-CD endet mit dem Konzert in C-Dur KV 246, geschrieben für Gräfin Antonia Lützow, eine der Schülerinnen von Leopold Mozart. Es ist ein Stück für den Unterricht, mit relativ geringen technischen Anfor- derungen und umfangreichen Reprisen. Überliefert sind drei Kadenz- varianten für die beiden ersten Sätze, was ebenfalls als eine Hilfe für Lernende gedacht gewesen sein könnte. In Salzburg scheint das Werk rege gespielt worden zu sein; auch Mozarts Schwester Nannerl trug es vor und übte es mit ihren Schülerinnen. Mozart hat das Konzert offenbar aber auch gern und oft selbst gespielt.
János Starker - Zuzana Růžičková: Duo Recital 1971 (Hänssler Classic)
János Starker (1924 bis 2013) gilt als einer der besten Cellisten des 20. Jahrhunderts. In seinem Spiel vereint er exzellente Technik, einen ebenso noblen wie kraftvollen Klang und Konzentration auf das Wesentliche, die musikalische Struktur, die er stets als Zentrum seiner Interpretationen angesehen hat. Starker war dabei ein überraschend penibler Arbeiter – so hat er beispielsweise Bachs Cello-Solosuiten fünfmal für die Schall- platte eingespielt.
Zuzana Růžičková, geboren 1927, war eine grandiose Cembalistin. Ihre Laufbahn hat sie sich hart erkämpft, denn anstatt zum Studium bei Wanda Landowska nach Paris zu gehen, wurde sie 1942 mit ihren Eltern und Großeltern in Theresienstadt interniert. Dort gelang es Gideon Klein, sie zu unterrichten. Doch statt einer Musikhochschule waren ihre nächsten Stationen Auschwitz und Bergen-Belsen. Nach der Befreiung kehrte Růžičková gemeinsam mit ihrer Mutter in die Heimat zurück; mit großer Disziplin und in jahrelanger beharrlicher Arbeit erlangte die Musikerin ihre manuellen Fertigkeiten zurück. 1951 musizierte sie erstmals öffentlich als Cembalistin.
Růžičková gründete 1962 gemeinsam mit Václav Neumann die Prager Kammersolisten. Sie spielte mehr als hundert Schallplatten ein, und schätzte „Alte“ und zeitgenössische Musik gleichermaßen. Sie wirkte auch sehr erfolgreich als Musikpädagogin, wurde aber erst 1990 zur Professorin ernannt. Ihre Aufnahmen zeugen davon, dass sie – ähnlich wie Starker – größten Wert darauf legte, Strukturen hörbar zu machen. In diesem wichtigen Punkt waren sich die beiden Musiker einig. Das zeigt eindrucks- voll auch ein Mitschnitt ihres gemeinsamen Konzertes 1971 bei den Schwetzinger Festspielen.
In diesem Konzert, das vom SWR aufgezeichnet wurde, haben die beiden Musiker gemeinsam zwei Gambensonaten von Johann Sebastian Bach vorgetragen. Ergänzt wurde das Programm durch jeweils ein Solo-Stück – Starker wählte die Violoncello-Suite Nr. 5 in c-Moll BWV 1011, Růžičková die Chromatische Fantasie und Fuge für Cembalo BWV 903. Ein Tondo- kument von historischem Rang, das nun digital überarbeitet bei Hänssler Classic erschienen ist.
Zuzana Růžičková, geboren 1927, war eine grandiose Cembalistin. Ihre Laufbahn hat sie sich hart erkämpft, denn anstatt zum Studium bei Wanda Landowska nach Paris zu gehen, wurde sie 1942 mit ihren Eltern und Großeltern in Theresienstadt interniert. Dort gelang es Gideon Klein, sie zu unterrichten. Doch statt einer Musikhochschule waren ihre nächsten Stationen Auschwitz und Bergen-Belsen. Nach der Befreiung kehrte Růžičková gemeinsam mit ihrer Mutter in die Heimat zurück; mit großer Disziplin und in jahrelanger beharrlicher Arbeit erlangte die Musikerin ihre manuellen Fertigkeiten zurück. 1951 musizierte sie erstmals öffentlich als Cembalistin.
Růžičková gründete 1962 gemeinsam mit Václav Neumann die Prager Kammersolisten. Sie spielte mehr als hundert Schallplatten ein, und schätzte „Alte“ und zeitgenössische Musik gleichermaßen. Sie wirkte auch sehr erfolgreich als Musikpädagogin, wurde aber erst 1990 zur Professorin ernannt. Ihre Aufnahmen zeugen davon, dass sie – ähnlich wie Starker – größten Wert darauf legte, Strukturen hörbar zu machen. In diesem wichtigen Punkt waren sich die beiden Musiker einig. Das zeigt eindrucks- voll auch ein Mitschnitt ihres gemeinsamen Konzertes 1971 bei den Schwetzinger Festspielen.
In diesem Konzert, das vom SWR aufgezeichnet wurde, haben die beiden Musiker gemeinsam zwei Gambensonaten von Johann Sebastian Bach vorgetragen. Ergänzt wurde das Programm durch jeweils ein Solo-Stück – Starker wählte die Violoncello-Suite Nr. 5 in c-Moll BWV 1011, Růžičková die Chromatische Fantasie und Fuge für Cembalo BWV 903. Ein Tondo- kument von historischem Rang, das nun digital überarbeitet bei Hänssler Classic erschienen ist.
Dienstag, 19. Januar 2016
Exquisite Noyse - La voce del violino (Perfect Noise)
Im 16. Jahrhundert erklang ein neues Instrument, das man zuvor so nicht gekannt hatte. Aus Rechnungen erfahren wir, dass am Hofe des Herzogs von Savoyen in Turin im Jahre 1523 „les trompettes et vyollons de Verceil“, Trompeten und Violinen aus Vercelli, bezahlt wur- den. In Vercelli, auf einem Altarbild in der Kirche San Cristoforo, gemalt 1529, findet sich auch die älteste Abbildung einer Violine. Ein Putto musiziert auf dem Instrument, das allerdings nur drei Saiten hat.
Ähnliche Instrumente kennen wir von mittelalterlichen Bildern: Rebec und Fidel waren in ganz Europa gebräuchlich. Sie könnten auch die Vorfahren der Violine sein, die offenbar aus Oberitalien stammt. In Cremona entstanden im 16. und
17. Jahrhundert regelrechte Geigenbauerdynastien, deren Instrumente bis heute sehr gesucht sind. Jakob Stainer und Matthias Klotz lernten von ihnen und brachten den Geigenbau in die Region Tirol und nach Mitten- wald.
Wie aber klang die Musik, die in jenen frühen Jahren auf der Violine gespielt wurde? Das Ensemble Exquisite Noyse hat sich auf die Suche begeben, und ein sehr ansprechendes Programm zusammengestellt. Paula Kibildis, Violine, musiziert gemeinsam mit weiteren Instrumenten aus der Geigen-Familie – hier sind es Viola, gespielt von Andreas Hempel und Zsuzanna Czentnár, und die Bassgeige von Johannes Loescher – sowie mit der Renaissanceharfe von Vincent Kibildis. Neben Tanzsätzen erklingt auch polyphone Vokalmusik aus jener Zeit, beispielsweise aus Il primo libro de'madrigali a 4 voci von Jacob Arcadelt, veröffentlicht 1539. Bis zur „richtigen“ Geigenmusik ist es dann, schaut man in die Musikgeschichte, nur noch ein Schritt. Die Renaissance freilich, für die sich Exquisite Noyse interessiert, ist dann vorbei. „Diese Musik, die früheste Stimme der Violine – strahlend, verführerisch, frisch und noch ungefesselt von den Konven- tionen, die sich in späteren Jahrhunderten entwickelt haben – entspringt den Saiten und überquert die Jahrhunderte, wo sie neue Ohren findet und neue Entdeckungen macht“, so das Credo der Musiker. „Und das kann genauso spannend sein wie eine Expedition an den Amazonas.“
Ähnliche Instrumente kennen wir von mittelalterlichen Bildern: Rebec und Fidel waren in ganz Europa gebräuchlich. Sie könnten auch die Vorfahren der Violine sein, die offenbar aus Oberitalien stammt. In Cremona entstanden im 16. und
17. Jahrhundert regelrechte Geigenbauerdynastien, deren Instrumente bis heute sehr gesucht sind. Jakob Stainer und Matthias Klotz lernten von ihnen und brachten den Geigenbau in die Region Tirol und nach Mitten- wald.
Wie aber klang die Musik, die in jenen frühen Jahren auf der Violine gespielt wurde? Das Ensemble Exquisite Noyse hat sich auf die Suche begeben, und ein sehr ansprechendes Programm zusammengestellt. Paula Kibildis, Violine, musiziert gemeinsam mit weiteren Instrumenten aus der Geigen-Familie – hier sind es Viola, gespielt von Andreas Hempel und Zsuzanna Czentnár, und die Bassgeige von Johannes Loescher – sowie mit der Renaissanceharfe von Vincent Kibildis. Neben Tanzsätzen erklingt auch polyphone Vokalmusik aus jener Zeit, beispielsweise aus Il primo libro de'madrigali a 4 voci von Jacob Arcadelt, veröffentlicht 1539. Bis zur „richtigen“ Geigenmusik ist es dann, schaut man in die Musikgeschichte, nur noch ein Schritt. Die Renaissance freilich, für die sich Exquisite Noyse interessiert, ist dann vorbei. „Diese Musik, die früheste Stimme der Violine – strahlend, verführerisch, frisch und noch ungefesselt von den Konven- tionen, die sich in späteren Jahrhunderten entwickelt haben – entspringt den Saiten und überquert die Jahrhunderte, wo sie neue Ohren findet und neue Entdeckungen macht“, so das Credo der Musiker. „Und das kann genauso spannend sein wie eine Expedition an den Amazonas.“
Montag, 18. Januar 2016
Fantasia baroque (Coviello Classics)
Aleksandra und Alexander Grychtolik beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit Improvisation und Generalbass-Spiel. Noch im 17. und 18. Jahrhundert gehörte beides selbstverständlich zum Handwerks- zeug eines jeden Musikers; doch mit dem veränderten Werkverständnis der Romantik brach diese Tradition ab. Heute sind am ehesten noch Kanto- ren und Organisten in dieser Kunst ausgebildet, sie spielen Improvisatio- nen mitunter noch in Konzerten.
Dass es möglich ist, Musik nicht nur modern, sondern auch im Stil der Bach-Zeit und sogar im Duo zu improvisieren, beweist das Ehepaar Grychtolik mit dieser ganz erstaunlichen CD. „Zentral war für uns, mit dieser CD etwas von dem Trance-artigen ,Flow' zu vermitteln, in den sich ein Improvisator spielen muss, um in die barocke Musiksprache einzu- tauchen“, berichten die beiden Musiker. Im Zentrum der Einspielung stehen vier Sonaten über zwei bezifferte Bässe von Bernardo Pasquini (1673 bis 1710), furios vorgetragen auf zwei Cembali. „Die berühmten Sonaten von Pasquini bestehen eigentlich nur aus zwei Basslinien und kurzen Angaben zu den Harmonien in Form von äußerst lückenhaften Generalbassziffern“, erläutert Aleksandra Grychtolik. „Wir hatten quasi eine ,Carte Blanche' und konnten unsere ganz eigene, individuelle ,Fassung' dieser Sonaten in verschiedenen Stimmungen und Stilen improvisieren. Man wird diese Sonaten deshalb nie mehr genau so hören wie auf der CD, deswegen ist sie für uns auch eine Dokumentation unserer gemeinsamen musikalischen Arbeit.“
Alexander Grychtolik lässt darauf die Improvisation einer Partita in der Art Johann Sebastian Bachs folgen, Aleksandra Grychtolik antwortet mit der Fantasie fis-Moll Wq. 67 von Carl Philipp Emanuel Bach. Atemberau- bend freilich erscheint insbesondere der Rahmen, in den die beiden Musiker diese Proben ihrer Kunst stellen: Die CD beginnt mit einer Ciaccona improvvisata per la Madonna di Grodowiec nach Antonio Bertali (11605 bis 1669), und sie endet mit einer irrwitzigen Concerto-Improvisation für zwei Cembali.
„Das war für die Tonmeisterin während der CD-Aufnahme ziemlich aufregend, denn bei richtigen Live-Improvisationen gibt es natürlich keine Noten, die der Tonmeister hätte mitverfolgen können. So etwas ist für Cembalo-CDs ein echtes Novum“, meint Alexander Grychtolik. „Man hört förmlich, wie die musikalischen Gedanken sich erst beim Spielen richtig ausformen und der Hörer die unmittelbare Entstehung von Barockmusik erlebt – das unterscheidet sich von üblichen CD-Hörge- wohnheiten.“
Die Grychtoliks musizieren virtuos und wie aus einem Atem. Wer diese CD zum ersten Male anhört, der mag es gar nicht glauben, dass man heutzu- tage wieder so Cembalo spielen kann, so lebendig und temperamentvoll. Der alte Bach würde sich darüber sicherlich freuen – weit mehr als über so manche ehrfurchtsvoll eingespielte „Originalklang“-Aufnahme, die daherkommt wie aus dem Museum.
Dass es möglich ist, Musik nicht nur modern, sondern auch im Stil der Bach-Zeit und sogar im Duo zu improvisieren, beweist das Ehepaar Grychtolik mit dieser ganz erstaunlichen CD. „Zentral war für uns, mit dieser CD etwas von dem Trance-artigen ,Flow' zu vermitteln, in den sich ein Improvisator spielen muss, um in die barocke Musiksprache einzu- tauchen“, berichten die beiden Musiker. Im Zentrum der Einspielung stehen vier Sonaten über zwei bezifferte Bässe von Bernardo Pasquini (1673 bis 1710), furios vorgetragen auf zwei Cembali. „Die berühmten Sonaten von Pasquini bestehen eigentlich nur aus zwei Basslinien und kurzen Angaben zu den Harmonien in Form von äußerst lückenhaften Generalbassziffern“, erläutert Aleksandra Grychtolik. „Wir hatten quasi eine ,Carte Blanche' und konnten unsere ganz eigene, individuelle ,Fassung' dieser Sonaten in verschiedenen Stimmungen und Stilen improvisieren. Man wird diese Sonaten deshalb nie mehr genau so hören wie auf der CD, deswegen ist sie für uns auch eine Dokumentation unserer gemeinsamen musikalischen Arbeit.“
Alexander Grychtolik lässt darauf die Improvisation einer Partita in der Art Johann Sebastian Bachs folgen, Aleksandra Grychtolik antwortet mit der Fantasie fis-Moll Wq. 67 von Carl Philipp Emanuel Bach. Atemberau- bend freilich erscheint insbesondere der Rahmen, in den die beiden Musiker diese Proben ihrer Kunst stellen: Die CD beginnt mit einer Ciaccona improvvisata per la Madonna di Grodowiec nach Antonio Bertali (11605 bis 1669), und sie endet mit einer irrwitzigen Concerto-Improvisation für zwei Cembali.
„Das war für die Tonmeisterin während der CD-Aufnahme ziemlich aufregend, denn bei richtigen Live-Improvisationen gibt es natürlich keine Noten, die der Tonmeister hätte mitverfolgen können. So etwas ist für Cembalo-CDs ein echtes Novum“, meint Alexander Grychtolik. „Man hört förmlich, wie die musikalischen Gedanken sich erst beim Spielen richtig ausformen und der Hörer die unmittelbare Entstehung von Barockmusik erlebt – das unterscheidet sich von üblichen CD-Hörge- wohnheiten.“
Die Grychtoliks musizieren virtuos und wie aus einem Atem. Wer diese CD zum ersten Male anhört, der mag es gar nicht glauben, dass man heutzu- tage wieder so Cembalo spielen kann, so lebendig und temperamentvoll. Der alte Bach würde sich darüber sicherlich freuen – weit mehr als über so manche ehrfurchtsvoll eingespielte „Originalklang“-Aufnahme, die daherkommt wie aus dem Museum.
Montag, 11. Januar 2016
The Clarinotts (Deutsche Grammophon)
„Auf der Klarinette gibt es einen Ton, der ,leeres G' genannt wird und für den man keine Klappen drücken muss – man braucht bloß reinzu- blasen. Eines Tages fanden mein Vater und mein Bruder, ich könnte doch spaßeshalber mit diesem einfachen Ton bei einem kleinen Hauskonzert mitmachen. Sie spiel- ten eines der berühmten Kegelduette von Mozart, und immer, wenn dieser Ton vorkam, sollte ich ihn mitspie- len. Nur diesen einen Ton“, erinnert sich Andreas Ottensamer, seinerzeit elf Jahre alt. „Damals bildeten wir zum allerersten Mal ein Trio.“ Gemeinsam musizieren Vater Ernst, seit 1983 Soloklarinettist bei den Wiener Philharmonikern, und die Söhne Daniel, seit 2009 ebenfalls Soloklarinettist bei den Wiener Philharmoni- kern, und Andreas Ottensamer, seit 2011 Soloklarinettist bei den Berliner Philharmonikern, heute noch immer. 2005 gründeten die Musiker die Clarinotts; das Klarinetten-Familientrio hat nun sein erstes Album bei der Deutschen Grammophon vorgestellt.
Für dieses Debüt haben die drei Solisten Musik ausgewählt, die Verbin- dung zur Oper, zum Tanz oder zum Film hat – und die CD beginnt mit Felix Mendelssohn Bartholdys prächtigem Konzertstück für Klarinette, Bassetthorn und Orchester Nr. 1 op. 113, geschrieben einst für das aus Vater und Sohn bestehende Klarinettenduo Heinrich und Carl Bärmann.
Andreas, Daniel und Ernst Ottensamer lassen auf dieser CD neben den „Standard“-Klarinetten in B und A auch weitere Mitglieder der Klarinettenfamilie erklingen, insbesondere das Bassetthorn und die Bass-Klarinette. Es sind dies Instrumente nach Wiener Tradition, sie klingen weicher und nachgiebiger als die üblichen Böhm-Klarinetten. Generell beeindrucken die Clarinotts durch ihren homogenen Klang und ihr exzellentes Zusammenspiel. Man höre nur das Trio Soave sia il vento aus Mozarts Oper Cosi fan tutte – grandios! Unterstützt werden die Clarinotts auf dieser CD von den Wiener Virtuosen.
Für dieses Debüt haben die drei Solisten Musik ausgewählt, die Verbin- dung zur Oper, zum Tanz oder zum Film hat – und die CD beginnt mit Felix Mendelssohn Bartholdys prächtigem Konzertstück für Klarinette, Bassetthorn und Orchester Nr. 1 op. 113, geschrieben einst für das aus Vater und Sohn bestehende Klarinettenduo Heinrich und Carl Bärmann.
Andreas, Daniel und Ernst Ottensamer lassen auf dieser CD neben den „Standard“-Klarinetten in B und A auch weitere Mitglieder der Klarinettenfamilie erklingen, insbesondere das Bassetthorn und die Bass-Klarinette. Es sind dies Instrumente nach Wiener Tradition, sie klingen weicher und nachgiebiger als die üblichen Böhm-Klarinetten. Generell beeindrucken die Clarinotts durch ihren homogenen Klang und ihr exzellentes Zusammenspiel. Man höre nur das Trio Soave sia il vento aus Mozarts Oper Cosi fan tutte – grandios! Unterstützt werden die Clarinotts auf dieser CD von den Wiener Virtuosen.
Sonntag, 10. Januar 2016
Bach: Early Organ Works (MDG)
Manchmal ist es gut, wenn das Geld knapp ist. Die Kirchgemeinde in Cappel beispielsweise, zwischen Bremerhaven und Cuxhaven, musste im Jahre 1810 nach einem Brand ihre Kirche wieder aufbauen. Für eine neue Orgel reichte es dann nicht mehr – und so wurde ein Instrument gebraucht gekauft: 1816 setzte Orgelbauer Georg Wilhelmy die Schnitger-Orgel aus der Hamburger St. Johanniskirche nach Cappel um.
Dabei behielt er die alte Disposition bei; aber die Stimmung wurde verändert und ist nun annhähernd gleichstufig. In späteren Jahrhunderten blieb diese Orgel von Verände- rungen verschont. Sogar die originalen Prospektpfeifen aus Zinn, die typischerweise im Ersten Weltkrieg konfisziert wurden, sind hier erhalten.
In den 50er Jahren war die Schnitger-Orgel in Cappel so gut gepflegt, dass Helmut Walcha daran seine legendären Bach-Aufnahmen für die Deutsche Grammophon einspielen konnte. Das machte auch das Instrument berühmt. Allerdings baute die Gemeinde in den 70er Jahren in die Kirche eine Heizung ein – was erhebliche Schäden an der Orgel mit sich brachte. Sie sind mittlerweile dank einer Restaurierung beseitigt. Und auf dieser CD präsentiert sich die Schnitger-Orgel in Bestform. Harald Vogel, Experte für die norddeutsche Orgelkunst, hat Orgelmusik des jungen Johannn Sebastian Bach eingespielt. Man darf annehmen, dass Bach das Instrument bei seinen Aufenthalten in Hamburg mehrfach gespielt hat. Doch nicht nur das macht die Orgel, die einst zum Johanneum gehörte, zum idealen Medium für Bachs frühe Werke.
Klanglich bietet sie sehr viel Abwechslung, und somit schöne Möglichkeiten, durch die Registerwahl zu differenzieren. Dies nutzt Vogel gekonnt aus, um musikalische Strukturen aufzuzeigen. Ganz nebenbei gelingt es ihm, in seinem Programm alle historisch adäquaten Register klingend vorzustellen. Ausgewählt hat der Organist in erster Linie Musik aus der sogenannten Möllerschen Handschrift, die vor allem von Johann Sebastians älterem Bruder Johann Christoph Bach zu Papier gebracht wurde. Sie enthält neben Johann Sebastian Bachs frühesten Orgelwerken auch norddeutsche Orgelmusik. Als Quelle diente auch das Andreas-Bach-Buch, in dem der junge Organist beispielsweise die Fantasia ex c notierte, in Form einer Buchstabentabulatur.
Choralbearbeitungen aus der Neumeister-Sammlung machen deutlich, wie Bach mitteldeutsche und norddeutsche Einflüsse integrierte. Details erläutert Vogel sehr anschaulich in dem mit großer Sorgfalt erstellten Beiheft zu dieser CD. Folgt man seinen Erklärungen, kann man etliches über die Ausbildung des Musikers lernen: Johann Pachelbel, Georg Böhm, aber auch Reincken, Buxtehude, Bruhns, dazu Vorbilder aus der thüringi- schen Tradition – der junge Bach hat seine Meister mit Fleiß studiert. Das zeigt auch sein „Gesellenstück“, die Fantasia ex Gb duobus subjectis BWV 917, die sich am Schluss der Möllerschen Handschrift befindet und zeigt, was er in Lüneburg bei Georg Böhm gelernt hat. Sie erklingt auf dieser Super Audio CD in Ersteinspielung.
Eine Reihe von weiteren Werken zeigt uns den jungen Bach als Orgel- virtuosen. Insbesondere auch die Fuga h-Moll über ein Thema von Corelli, Präludium und Fuge g-Moll sowie die berühmte d-Moll-Toccata nutzt Vogel, um deutlich zu machen, wie versiert Bach sein Handwerk verstand. Eine rundum gelungene Aufnahme, in jeder Hinsicht ansprechend.
Dabei behielt er die alte Disposition bei; aber die Stimmung wurde verändert und ist nun annhähernd gleichstufig. In späteren Jahrhunderten blieb diese Orgel von Verände- rungen verschont. Sogar die originalen Prospektpfeifen aus Zinn, die typischerweise im Ersten Weltkrieg konfisziert wurden, sind hier erhalten.
In den 50er Jahren war die Schnitger-Orgel in Cappel so gut gepflegt, dass Helmut Walcha daran seine legendären Bach-Aufnahmen für die Deutsche Grammophon einspielen konnte. Das machte auch das Instrument berühmt. Allerdings baute die Gemeinde in den 70er Jahren in die Kirche eine Heizung ein – was erhebliche Schäden an der Orgel mit sich brachte. Sie sind mittlerweile dank einer Restaurierung beseitigt. Und auf dieser CD präsentiert sich die Schnitger-Orgel in Bestform. Harald Vogel, Experte für die norddeutsche Orgelkunst, hat Orgelmusik des jungen Johannn Sebastian Bach eingespielt. Man darf annehmen, dass Bach das Instrument bei seinen Aufenthalten in Hamburg mehrfach gespielt hat. Doch nicht nur das macht die Orgel, die einst zum Johanneum gehörte, zum idealen Medium für Bachs frühe Werke.
Klanglich bietet sie sehr viel Abwechslung, und somit schöne Möglichkeiten, durch die Registerwahl zu differenzieren. Dies nutzt Vogel gekonnt aus, um musikalische Strukturen aufzuzeigen. Ganz nebenbei gelingt es ihm, in seinem Programm alle historisch adäquaten Register klingend vorzustellen. Ausgewählt hat der Organist in erster Linie Musik aus der sogenannten Möllerschen Handschrift, die vor allem von Johann Sebastians älterem Bruder Johann Christoph Bach zu Papier gebracht wurde. Sie enthält neben Johann Sebastian Bachs frühesten Orgelwerken auch norddeutsche Orgelmusik. Als Quelle diente auch das Andreas-Bach-Buch, in dem der junge Organist beispielsweise die Fantasia ex c notierte, in Form einer Buchstabentabulatur.
Choralbearbeitungen aus der Neumeister-Sammlung machen deutlich, wie Bach mitteldeutsche und norddeutsche Einflüsse integrierte. Details erläutert Vogel sehr anschaulich in dem mit großer Sorgfalt erstellten Beiheft zu dieser CD. Folgt man seinen Erklärungen, kann man etliches über die Ausbildung des Musikers lernen: Johann Pachelbel, Georg Böhm, aber auch Reincken, Buxtehude, Bruhns, dazu Vorbilder aus der thüringi- schen Tradition – der junge Bach hat seine Meister mit Fleiß studiert. Das zeigt auch sein „Gesellenstück“, die Fantasia ex Gb duobus subjectis BWV 917, die sich am Schluss der Möllerschen Handschrift befindet und zeigt, was er in Lüneburg bei Georg Böhm gelernt hat. Sie erklingt auf dieser Super Audio CD in Ersteinspielung.
Eine Reihe von weiteren Werken zeigt uns den jungen Bach als Orgel- virtuosen. Insbesondere auch die Fuga h-Moll über ein Thema von Corelli, Präludium und Fuge g-Moll sowie die berühmte d-Moll-Toccata nutzt Vogel, um deutlich zu machen, wie versiert Bach sein Handwerk verstand. Eine rundum gelungene Aufnahme, in jeder Hinsicht ansprechend.
Cello Effect (Genuin)
„Keiner wird vier Celli länger als zehn Minuten hören können!“, soll Sergio Drabkin einst gemeint haben, als ihm Kira Kraftzoff vorschlug, das Rastrelli Violoncello-Quartett zu gründen. Mittlerweile besteht das Ensemble seit mehr als einem Jahrzehnt, und es ist offenbar recht erfolgreich. Neben Kraftzoff, einst erster Cellist bei den St. Petersburger Solisten sowie beim Württember- gischen Kammerorchester in Heilbronn, und Drabkin, vormals Stimmführer der Staatlichen Philharmonie Weißrussland und seit 2003 Mitglied des Württembergischen Kammerorchesters, musizieren bei den Rastrellis Michail Degtjarew und Kirill Timofejew, ehemalige Schüler Kraftzoffs.
Das Repertoire wird dem Cello-Quartett „maßgeschneidert“ – Drabkin ist ein exzellenter Arrangeur, und klanglich sind die Celli erstaunlich flexibel. Man höre nur den St. Louis Blues, da könnte man die Rastrellis glatt für eine Saxophongruppe halten. Mir persönlich gefallen aber die Programm- nummern am besten, die ganz auf den „klassischen“ Celloklang setzen – russische Meister der Romantik wie Prokofjew, Rachmaninow und Tschaikowsky, oder aber die Arie E lucevan le stelle aus Puccinins Oper Tosca; nicht umsonst ist das Violoncello der menschlichen Stimme nahe wie kein anderes Instrument.
Das Repertoire wird dem Cello-Quartett „maßgeschneidert“ – Drabkin ist ein exzellenter Arrangeur, und klanglich sind die Celli erstaunlich flexibel. Man höre nur den St. Louis Blues, da könnte man die Rastrellis glatt für eine Saxophongruppe halten. Mir persönlich gefallen aber die Programm- nummern am besten, die ganz auf den „klassischen“ Celloklang setzen – russische Meister der Romantik wie Prokofjew, Rachmaninow und Tschaikowsky, oder aber die Arie E lucevan le stelle aus Puccinins Oper Tosca; nicht umsonst ist das Violoncello der menschlichen Stimme nahe wie kein anderes Instrument.
Freitag, 8. Januar 2016
Brahms: Violin Concerto; Weithaas (Avi-Music)
Antje Weithaas gibt sich mit Ober- flächlichkeiten nicht zufrieden. Zwei Aufnahmen geben Zeugnis von ihrem Ringen mit der musikalischen Substanz. Die Geigerin hat, zum einen, zwei Werke Ludwig van Beethovens, die eigentlich für kammermusikalische Besetzungen entstanden sind, in Arrangements für Streichorchester eingespielt – die Kreutzer-Sonate in einer Bearbeitung von Richard Tognetti, das Streich- quartett Nr. 11 in f-Moll op. 95 hat sie selbst arrangiert, gemeinsam mit der Kontrabassistin Käthi Steuri. Eingespielt hat Antje Weithaas die beiden Werke mit der Camerata Bern.
Eigentlich ist es gebräuchlich, große Werke mit einer umfangreichen Besetzung für kleinere Ensembles oder aber Klavier zu bearbeiten. Damit konnte man sie im häuslichen Umfeld studieren und aufführen, was durchaus auch in den Salons des Adels und des Großbürgertums üblich war. Denn wer hat schon ausreichend Platz für ein komplettes Orchester? Ein Mozart-Klavierkonzert mit Streichquartett, Beethovens Eroica für Klavierquartett, oder die komplette Pastorale für Streichsextett – das kann, wenn gekonnt gemacht, wirklich spannend sein.
Warum aber bringt man ein Streichquartett oder aber eine Violinsonate auf Orchesterformat? Weithaas meint, dass beide Werke Beethovens „sehr symphonisch gedacht“ seien. Die Geigerin sieht in der klanglichen Ver- breiterung einen Schlüssel zum besseren Verständnis des Werkes. Nicht nur Farben und Klänge ändern sich; das Streichquartett beispielsweise kommt mit sehr viel mehr Wucht und Energie daher.
Auf einer zweiten CD treibt Weithaas dieses Experiment noch weiter: Sie spielt das Brahms-Violinkonzert mit einer eher kleinen Orchesterbe- setzung, kammermusikalisch und ohne Dirigenten, und Brahms' Streich- quintett op. 111, ebenfalls mit einem Streichorchester. Beteiligt sind erneut Musiker der Camerata Bern. „Mit einem anderen Ensemble wäre ich das Abenteuer wahrscheinlich nicht eingegangen“, berichtet die Geigerin. „Das Entscheidende ist, dass jeder einzelne Musiker in einer kammer- musikalischen Idee mit der nötigen symphonischen Energie dabei sein und Verantwortung übernehmen muss.“
Das Ergebnis klingt erstaunlich kraftvoll und wuchtig. Das Brahmskonzert sei „ein durchgearbeitetes Stück“, erläutert Weithaas im Beiheft: „Hier haben wir das, was wir von Beethoven eigentlich erwartet hätten: die vollständige, tiefgründige, dichte Durcharbeitung der Motive, die äußerst konsequente Polyphonie. Und das ist wichtig, herausgestellt zu werden, neben der ganzen Schönheit und Melodienseligkeit, die es auch in diesem Werk gibt.“ Weithaas betrachtet das Konzert als „Orchesterwerk mit obligater Solovioline“ – und so spielt sie es auch: Mit Hingabe, aber gänzlich uneitel und zupackend.
Eigentlich ist es gebräuchlich, große Werke mit einer umfangreichen Besetzung für kleinere Ensembles oder aber Klavier zu bearbeiten. Damit konnte man sie im häuslichen Umfeld studieren und aufführen, was durchaus auch in den Salons des Adels und des Großbürgertums üblich war. Denn wer hat schon ausreichend Platz für ein komplettes Orchester? Ein Mozart-Klavierkonzert mit Streichquartett, Beethovens Eroica für Klavierquartett, oder die komplette Pastorale für Streichsextett – das kann, wenn gekonnt gemacht, wirklich spannend sein.
Warum aber bringt man ein Streichquartett oder aber eine Violinsonate auf Orchesterformat? Weithaas meint, dass beide Werke Beethovens „sehr symphonisch gedacht“ seien. Die Geigerin sieht in der klanglichen Ver- breiterung einen Schlüssel zum besseren Verständnis des Werkes. Nicht nur Farben und Klänge ändern sich; das Streichquartett beispielsweise kommt mit sehr viel mehr Wucht und Energie daher.
Auf einer zweiten CD treibt Weithaas dieses Experiment noch weiter: Sie spielt das Brahms-Violinkonzert mit einer eher kleinen Orchesterbe- setzung, kammermusikalisch und ohne Dirigenten, und Brahms' Streich- quintett op. 111, ebenfalls mit einem Streichorchester. Beteiligt sind erneut Musiker der Camerata Bern. „Mit einem anderen Ensemble wäre ich das Abenteuer wahrscheinlich nicht eingegangen“, berichtet die Geigerin. „Das Entscheidende ist, dass jeder einzelne Musiker in einer kammer- musikalischen Idee mit der nötigen symphonischen Energie dabei sein und Verantwortung übernehmen muss.“
Das Ergebnis klingt erstaunlich kraftvoll und wuchtig. Das Brahmskonzert sei „ein durchgearbeitetes Stück“, erläutert Weithaas im Beiheft: „Hier haben wir das, was wir von Beethoven eigentlich erwartet hätten: die vollständige, tiefgründige, dichte Durcharbeitung der Motive, die äußerst konsequente Polyphonie. Und das ist wichtig, herausgestellt zu werden, neben der ganzen Schönheit und Melodienseligkeit, die es auch in diesem Werk gibt.“ Weithaas betrachtet das Konzert als „Orchesterwerk mit obligater Solovioline“ – und so spielt sie es auch: Mit Hingabe, aber gänzlich uneitel und zupackend.
Mittwoch, 6. Januar 2016
Händel: Agrippina (Accent)
Agrippina, 1709 in Venedig urauf- geführt, war das letzte Werk, das Georg Friedrich Händel in Italien vollendet und aufgeführt hatte. Die Oper war ein Triumph; es gab etwa 30 Vorstellungen am Teatro Grimani di San Giovanni Grisostomo. Eigentlich war Händel nach Venedig gereist, um eine Oper von Antonio Lotti anzuhören. Doch dann ließ er sich wohl dazu überreden, das Libretto von Agrippina zu vertonen. Es stammt von Kardinal Vincenzo Grimani, Vizekönig von Neapel und Besitzer des Theaters, und hat beachtliche Qualitäten: Eine straffe Handlung, starke Charaktere, große Gefühle, jede Menge Intrigen, eine große Portion Komik und permanente Ironie – die Grundlage für eine großartige Musik. Und obgleich Händel dafür überwiegend schon Vorhandenes wiederverwendet haben soll, erweist sich der Komponist einmal mehr als brillant darin, menschliche Eigenschaften und Gefühle hörbar zu machen.
Händel hat diese Oper in späteren Jahren nie wieder aufgeführt; er hat lediglich einige der Arien in Rinaldo und Il pastor fido, zwei frühen Londoner Opern, noch einmal genutzt. Agrippina ist auch auf der Opern- bühne heute eine Rarität. Eigentlich ist das schade, wie ein Mitschnitt beweist, der bei den Göttinger Händelfestspielen 2015 aufgezeichnet worden ist. Es handelt sich dabei um die Weltersteinspielung nach der neuen kritischen Hallischen Händel-Ausgabe.
Zu hören sind Ulrike Schneider als ehrgeizige Agrippina, die unbedingt ihren Sohn Nerone zum Kaiser machen will, Ida Falk Winland als Poppea, João Fernandes als Claudio, und die Countertenöre Christopher Ainslie und Jake Arditti als Ottone und Nerone. Es musiziert das Festspiel- orchester Göttingen unter Laurence Cummings. Die sehr ansprechend gestaltetet Box mit drei CD ist bei Accent erhältlich.
Händel hat diese Oper in späteren Jahren nie wieder aufgeführt; er hat lediglich einige der Arien in Rinaldo und Il pastor fido, zwei frühen Londoner Opern, noch einmal genutzt. Agrippina ist auch auf der Opern- bühne heute eine Rarität. Eigentlich ist das schade, wie ein Mitschnitt beweist, der bei den Göttinger Händelfestspielen 2015 aufgezeichnet worden ist. Es handelt sich dabei um die Weltersteinspielung nach der neuen kritischen Hallischen Händel-Ausgabe.
Zu hören sind Ulrike Schneider als ehrgeizige Agrippina, die unbedingt ihren Sohn Nerone zum Kaiser machen will, Ida Falk Winland als Poppea, João Fernandes als Claudio, und die Countertenöre Christopher Ainslie und Jake Arditti als Ottone und Nerone. Es musiziert das Festspiel- orchester Göttingen unter Laurence Cummings. Die sehr ansprechend gestaltetet Box mit drei CD ist bei Accent erhältlich.
Czerny: String Quartets (Capriccio)
Neben dem strahlenden Ruhm Ludwig van Beethovens erschienen über eine lange Zeit andere Kompo- nisten des 19. Jahrhunderts blass und unbedeutend. Schumann, Schubert, Brahms wurden wahrgenommen als Nachkommen, die mit dem Erbe des Titans rangen. Erst allmählich stellt nun die Wissenschaft fest, dass neben Beethovens Sonne noch etliche weitere Sterne durchaus am Leuchten sind – und so werden langsam, langsam einige Komponisten der Beethoven-Zeit wiederentdeckt.
Einer von ihnen ist Carl Czerny (1791 bis 1857), der im Alter von zehn Jahren Beethovens Schüler wurde und bis zu Beethovens Tod dessen enger Vertrauter blieb. Der Nachwelt ist er als Autor von Unterrichtswerken sowie als Klavierpädagoge von Rang im Gedächtnis geblieben. Zu seinen Schülern gehörten Franz Liszt und Theodor Leschetitzky, und seine Etüden gelten heute noch als vorbildlich.
Obwohl er ein exzellenter Pianist war, mied er die Selbstinszenierung als Virtuose – mit dem Unterricht sowie mit Vortragsstücken im brillanten Stil, die er für Verlage anfertigte, verdiente er ohnehin ein Vermögen. Und so unterließ er alles, was seinen ausgezeichneten Ruf beschädigen könnte. Aus diesem Grunde veröffentlichte er auch etliche wirklich bedeutende Werke nicht. In der Schublade blieben beispielweise seine Kirchenwerke, viele Sinfonien und die Streichquartette – und dieses Material ist bis heute noch nicht editorisch erschlossen; die Forschung vermutet mittlerweile, dass Czerny mindestens 20, vielleicht sogar doppelt so viele Streichquar- tette geschaffen haben könnte.
Umso erfreulicher ist es, dass inzwischen einige dieser Werke in Konzerten wieder vorgestellt worden sind. So hat das Sheridan Ensemble 2007 in Berlin einige Streichquartette Czernys gespielt. Vier dieser Werke, zwei davon in Weltersteinspielung, sind nun auf einer Doppel-CD bei Capriccio erschienen. Es sind Musikstücke von bedeutendem Format und großer musikalischer Eigenständigkeit. Czerny weiß seine Mittel höchst ein- drucksvoll und ausdrucksstark einzusetzen. Insofern wäre es sehr zu begrüßen, wenn seine „ernsthafte“ Musik nun endlich aus dem Archivschlaf erweckt und ediert werden könnte. All den Anregern und Hinweisgebern um Anton Kuerti und Dr. Heinz von Loesch, die die Musiker dazu animiert haben, in die alten Noten zu schauen, kann man nur dankbar sein. Und wenn die anderen unveröffentlichten Werke Carl Czernys ein ähnliches Gewicht haben, dann ist da noch Erstaunliches zu entdecken und zu erwarten.
Einer von ihnen ist Carl Czerny (1791 bis 1857), der im Alter von zehn Jahren Beethovens Schüler wurde und bis zu Beethovens Tod dessen enger Vertrauter blieb. Der Nachwelt ist er als Autor von Unterrichtswerken sowie als Klavierpädagoge von Rang im Gedächtnis geblieben. Zu seinen Schülern gehörten Franz Liszt und Theodor Leschetitzky, und seine Etüden gelten heute noch als vorbildlich.
Obwohl er ein exzellenter Pianist war, mied er die Selbstinszenierung als Virtuose – mit dem Unterricht sowie mit Vortragsstücken im brillanten Stil, die er für Verlage anfertigte, verdiente er ohnehin ein Vermögen. Und so unterließ er alles, was seinen ausgezeichneten Ruf beschädigen könnte. Aus diesem Grunde veröffentlichte er auch etliche wirklich bedeutende Werke nicht. In der Schublade blieben beispielweise seine Kirchenwerke, viele Sinfonien und die Streichquartette – und dieses Material ist bis heute noch nicht editorisch erschlossen; die Forschung vermutet mittlerweile, dass Czerny mindestens 20, vielleicht sogar doppelt so viele Streichquar- tette geschaffen haben könnte.
Umso erfreulicher ist es, dass inzwischen einige dieser Werke in Konzerten wieder vorgestellt worden sind. So hat das Sheridan Ensemble 2007 in Berlin einige Streichquartette Czernys gespielt. Vier dieser Werke, zwei davon in Weltersteinspielung, sind nun auf einer Doppel-CD bei Capriccio erschienen. Es sind Musikstücke von bedeutendem Format und großer musikalischer Eigenständigkeit. Czerny weiß seine Mittel höchst ein- drucksvoll und ausdrucksstark einzusetzen. Insofern wäre es sehr zu begrüßen, wenn seine „ernsthafte“ Musik nun endlich aus dem Archivschlaf erweckt und ediert werden könnte. All den Anregern und Hinweisgebern um Anton Kuerti und Dr. Heinz von Loesch, die die Musiker dazu animiert haben, in die alten Noten zu schauen, kann man nur dankbar sein. Und wenn die anderen unveröffentlichten Werke Carl Czernys ein ähnliches Gewicht haben, dann ist da noch Erstaunliches zu entdecken und zu erwarten.
Sonntag, 3. Januar 2016
Duo Pavane
Die Cellistin Friederike Fechner hat in Hannover, Basel und in den USA studiert und zahlreiche Meisterkurse absolviert, unter anderem bei Pierre Fournier und Peter Bruns. Sie lebt in Stralsund, wo sie auch unterrichtet.
Marina Paccagnella ist Solo-Harfenistin der Württembergischen Philharmonie in Reutlingen. Sie hat in Padua und Freiburg studiert, und sie lebt und unterrichtet in Hamburg.
Die beiden Musikerinnen verbindet ihre große Leidenschaft für die Kammermusik. Seit 2010 musizieren sie gemeinsam; in diesem Sommer hat das Duo Pavane nun ein Programm mit sorgsam ausgewählten lyrischen und virtuosen Werken aus dem 18. und 19. Jahrhundert im Konzert vorgestellt. Es reicht vom Nocturne concertant des großen Harfenisten Nicholas Charles Bochsa (1787 bis 1856), dessen Cellopartie von Jean-Luis Duport (1749 bis 1819) bearbeitet wurde, bis hin zur rasanten Fantasie op. 13 von Georg Walter Huber, und von einem Adagio, das Ludwig van Beethoven für zwei nicht näher bezeichnete Instrumente komponiert hat, bis hin zu bekannten Melodien von Maurice Ravel und Camille Saint-Saëns, dessen Schwan aus der Suite Karneval der Tiere auch in einer Version für Harfe und Violoncello prachtvoll klingt. In dem Programm spielten die beiden Musikerinnen zudem die Sonate Nr. 5 von Bernhard Romberg (1767 bis 1841), eines der ersten Originalstücke für Violoncello und Harfe. Romberg, ein Zeitgenosse Beethovens, gilt als Begründer der deutschen Cello-Schule.
Die Kombination von Violoncello und Harfe erweist sich als außerordent- lich attraktiv. Beide Instrumente sind zur großen, gefühlvollen Kantilene ebenso in der Lage wie zum akkordischen Begleiten. Daraus ergeben sich reizvolle Möglichkeiten im Zusammenspiel, die Friederike Fechner und Marina Paccagnella gekonnt einsetzen, um einen abwechslungsreichen musikalischen Dialog zu gestalten. Keines der beiden Instrumente dominiert; die Musikerinnen beeindrucken gleichermaßen mit Virtuosität und Ausdruck. Eine Aufnahme des Konzertprogramms hat das Duo Pavane nun als CD veröffentlicht. Erhältlich ist diese Einspielung leider nur bei den Musikerinnen direkt, bestellen kann man über die Webseite.
Marina Paccagnella ist Solo-Harfenistin der Württembergischen Philharmonie in Reutlingen. Sie hat in Padua und Freiburg studiert, und sie lebt und unterrichtet in Hamburg.
Die beiden Musikerinnen verbindet ihre große Leidenschaft für die Kammermusik. Seit 2010 musizieren sie gemeinsam; in diesem Sommer hat das Duo Pavane nun ein Programm mit sorgsam ausgewählten lyrischen und virtuosen Werken aus dem 18. und 19. Jahrhundert im Konzert vorgestellt. Es reicht vom Nocturne concertant des großen Harfenisten Nicholas Charles Bochsa (1787 bis 1856), dessen Cellopartie von Jean-Luis Duport (1749 bis 1819) bearbeitet wurde, bis hin zur rasanten Fantasie op. 13 von Georg Walter Huber, und von einem Adagio, das Ludwig van Beethoven für zwei nicht näher bezeichnete Instrumente komponiert hat, bis hin zu bekannten Melodien von Maurice Ravel und Camille Saint-Saëns, dessen Schwan aus der Suite Karneval der Tiere auch in einer Version für Harfe und Violoncello prachtvoll klingt. In dem Programm spielten die beiden Musikerinnen zudem die Sonate Nr. 5 von Bernhard Romberg (1767 bis 1841), eines der ersten Originalstücke für Violoncello und Harfe. Romberg, ein Zeitgenosse Beethovens, gilt als Begründer der deutschen Cello-Schule.
Die Kombination von Violoncello und Harfe erweist sich als außerordent- lich attraktiv. Beide Instrumente sind zur großen, gefühlvollen Kantilene ebenso in der Lage wie zum akkordischen Begleiten. Daraus ergeben sich reizvolle Möglichkeiten im Zusammenspiel, die Friederike Fechner und Marina Paccagnella gekonnt einsetzen, um einen abwechslungsreichen musikalischen Dialog zu gestalten. Keines der beiden Instrumente dominiert; die Musikerinnen beeindrucken gleichermaßen mit Virtuosität und Ausdruck. Eine Aufnahme des Konzertprogramms hat das Duo Pavane nun als CD veröffentlicht. Erhältlich ist diese Einspielung leider nur bei den Musikerinnen direkt, bestellen kann man über die Webseite.
English Royal Funeral Music (Ricercar)
Diese CD, eingespielt vom Ensemble Vox Luminis, macht noch heute deutlich: Als Queen Mary im Februar 1695 zu Grabe getragen wurde, war dies auch musikalisch ein Ereignis. Die Gattin des englischen Königs hatte nach ihrer Krönung 1686 das Land regiert, dieweil William III. in erster Linie damit beschäftigt war, Krieg zu führen. Im Dezember 1694 starb sie an den Pocken.
Für diese Aufnahme hat das Ensemble Vox Luminis unter Lionel Meunier die gesamte Musik zusammengetragen, die beim Begräbnisgottes- dienst für die Königin erklungen ist. Der Sarg wurde in einem langen Trauerzug von Whitehall bis hin zur Westminster Abbey begleitet. Dazu schlugen dumpf die Trommeln, und es erklangen zwei Trauermärsche für Oboenensemble, die von den Hofmusikern John Paisible und Thomas Tollett komponiert worden waren. Diese Klangkulisse ist nun auf CD zu erleben. Den Einzug in die Kirche geleiteten dann die Zugtrompeter mit einem weiteren Trauermarsch, geschrieben von Henry Purcell.
Beim feierlichen Gottesdienst erklangen am englischen Hof traditionsge- mäß die Funeral Sentences von Thomas Morley. Als allerdings die Noten für die Beisetzungsfeierlichkeiten von Queen Mary herausgesucht wurden, fehlte eines dieser Stücke. Und so schrieb Purcell das Thou knowest, Lord (Z 58b), ganz bewusst im Stile Morleys.
Ergänzt werden diese Stücke, die im Rahmen der Liturgie erklungen sind, auf der CD durch weitere Trauermusiken Purcells, deren Bestimmung unbekannt ist, sowie durch ähnliche Stücke zweier weiterer bedeutender Komponisten. So erklingt Death hath deprived me, eine Totenklage für Morley, geschrieben von Thomas Weelkes, sowie Trauermusiken von Thomas Tomkins, der wie Morley ein Schüler von William Byrd war.
Das Ensemble Vox Luminis unter Lionel Meunier singt ergreifend, und auch Les Trompettes des Plaisirs unter Jean-François Madeuf sowie das Oboenensemble Lingua Franca unter Benoît Laurent präsentieren sich herausragend. Eine exzellente Aufnahme, die man unbedingt gehört haben sollte, wenn man sich für „Alte“ Musik sowie für Funeralmusik interessiert.
Für diese Aufnahme hat das Ensemble Vox Luminis unter Lionel Meunier die gesamte Musik zusammengetragen, die beim Begräbnisgottes- dienst für die Königin erklungen ist. Der Sarg wurde in einem langen Trauerzug von Whitehall bis hin zur Westminster Abbey begleitet. Dazu schlugen dumpf die Trommeln, und es erklangen zwei Trauermärsche für Oboenensemble, die von den Hofmusikern John Paisible und Thomas Tollett komponiert worden waren. Diese Klangkulisse ist nun auf CD zu erleben. Den Einzug in die Kirche geleiteten dann die Zugtrompeter mit einem weiteren Trauermarsch, geschrieben von Henry Purcell.
Beim feierlichen Gottesdienst erklangen am englischen Hof traditionsge- mäß die Funeral Sentences von Thomas Morley. Als allerdings die Noten für die Beisetzungsfeierlichkeiten von Queen Mary herausgesucht wurden, fehlte eines dieser Stücke. Und so schrieb Purcell das Thou knowest, Lord (Z 58b), ganz bewusst im Stile Morleys.
Ergänzt werden diese Stücke, die im Rahmen der Liturgie erklungen sind, auf der CD durch weitere Trauermusiken Purcells, deren Bestimmung unbekannt ist, sowie durch ähnliche Stücke zweier weiterer bedeutender Komponisten. So erklingt Death hath deprived me, eine Totenklage für Morley, geschrieben von Thomas Weelkes, sowie Trauermusiken von Thomas Tomkins, der wie Morley ein Schüler von William Byrd war.
Das Ensemble Vox Luminis unter Lionel Meunier singt ergreifend, und auch Les Trompettes des Plaisirs unter Jean-François Madeuf sowie das Oboenensemble Lingua Franca unter Benoît Laurent präsentieren sich herausragend. Eine exzellente Aufnahme, die man unbedingt gehört haben sollte, wenn man sich für „Alte“ Musik sowie für Funeralmusik interessiert.
Samstag, 2. Januar 2016
Scordato - Habsburg violin music ex Vienna (Pan Classics)
Wieder einmal hat sich Gunar Letzbor der Handschrift XIV 726 des Wiener Minoritenkonvents zuge- wandt. Sie ist, schreibt der Geiger im Beiheft zu dieser CD, „nicht nur eine herausragende Quelle für Violin- musik österreichisch/süddeutscher Herkunft, sie ist auch eine Fund- grube für Kompositionen mit ,verstimmter' Geige.“
Diese Musizierpraxis sei wahrschein- lich durch Geiger niederer sozialer Schichten entwickelt worden, erläutert Letzbor in seinem sehr informativen Text: „Diese Bradlgeiger oder Linksfäustler, wie sie auch abwertend genannt wurden, (..) passten die Stimmung der Instrumente an die besonderen Anforderungen für verschiedene Musikstücke an.“
Die Stadtpfeifer und Hofmusiker übernahmen allerdings dann dieses Vorgehen der Bauerngeiger und Wirtshausvirtuosen, weil sie feststellten, dass das Umstimmen, die sogenannte Skordatur, den Klang der Instru- mente beeinflusst: „Eine Geige, deren Saiten mehr gespannt sind als in Normalstimmung, klingt lauter und durchdringender. Vermindert man die Saitenspannung, klingt die Violine dunkler, weicher, sonorer“, so Letzbor. „Eine Tonart kann eine besondere Klangfülle erhalten, wenn möglichst alle vier Saiten der Geige in den Tönen des Grundtondrei- klanges gestimmt werden, es gibt dann viele resonanzen. Manche Skordaturen mischen Töne des Grundtondreiklanges mit Tönen der Dominante und der Subdominante. Es entstehen dabei besondere Klangfarben, die die Normalstimmung niemals hervorbringen kann.“
Die experimentierfreudigen Musiker der Barockzeit schätzten solche Effekte, wie Letzbor gemeinsam mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria auf dieser CD gekonnt deutlich macht. Sie enthält unter anderem Sonaten von Nikolaus Faber, der zu Bibers Zeiten in Kromeritz am Bischofshof wirkte, einem Joan Voita, bei dem Letzbor vermutet, es könnte sich um den Prager Musiker Johann Ignaz Franz Voita handeln, und Werke der berühmten Musikerfamilie Schmelzer. Nicht alles hat höchstes Niveau, aber einige grandiose Entdeckungen sind Letzbor dennoch gelungen. Auf die dritte CD der Serie „ex Vienna“, die in diesem Jahr erscheinen soll, darf man bereits gespannt sein.
Diese Musizierpraxis sei wahrschein- lich durch Geiger niederer sozialer Schichten entwickelt worden, erläutert Letzbor in seinem sehr informativen Text: „Diese Bradlgeiger oder Linksfäustler, wie sie auch abwertend genannt wurden, (..) passten die Stimmung der Instrumente an die besonderen Anforderungen für verschiedene Musikstücke an.“
Die Stadtpfeifer und Hofmusiker übernahmen allerdings dann dieses Vorgehen der Bauerngeiger und Wirtshausvirtuosen, weil sie feststellten, dass das Umstimmen, die sogenannte Skordatur, den Klang der Instru- mente beeinflusst: „Eine Geige, deren Saiten mehr gespannt sind als in Normalstimmung, klingt lauter und durchdringender. Vermindert man die Saitenspannung, klingt die Violine dunkler, weicher, sonorer“, so Letzbor. „Eine Tonart kann eine besondere Klangfülle erhalten, wenn möglichst alle vier Saiten der Geige in den Tönen des Grundtondrei- klanges gestimmt werden, es gibt dann viele resonanzen. Manche Skordaturen mischen Töne des Grundtondreiklanges mit Tönen der Dominante und der Subdominante. Es entstehen dabei besondere Klangfarben, die die Normalstimmung niemals hervorbringen kann.“
Die experimentierfreudigen Musiker der Barockzeit schätzten solche Effekte, wie Letzbor gemeinsam mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria auf dieser CD gekonnt deutlich macht. Sie enthält unter anderem Sonaten von Nikolaus Faber, der zu Bibers Zeiten in Kromeritz am Bischofshof wirkte, einem Joan Voita, bei dem Letzbor vermutet, es könnte sich um den Prager Musiker Johann Ignaz Franz Voita handeln, und Werke der berühmten Musikerfamilie Schmelzer. Nicht alles hat höchstes Niveau, aber einige grandiose Entdeckungen sind Letzbor dennoch gelungen. Auf die dritte CD der Serie „ex Vienna“, die in diesem Jahr erscheinen soll, darf man bereits gespannt sein.
Freitag, 1. Januar 2016
Cristal - Cuarteto Soltango (Avi-Music)
„Wir lassen die Stücke als solche unberührt, denn die Stilistik ist ganz klar an den alten Orquestas orien- tiert, die wir als Tangotanzende auch an jedem zweiten Abend hören. Was wir daraus machen, ist, die Musik aus allen unterschiedlichen Stilen in Form von Kammermusik auf die Bühne zu bringen. Das macht es ganz intim und zu einer reinen Musik, die auch unabhängig vom Tanz existie- ren kann“, erläutert das Cuarteto Soltango im Beiheft zu Cristal. Auf dieser CD präsentieren Sophie Heinrich, Violine, Karel Bredenhorst, Violoncello, Rocco Heins, Bandoneon, und Martin Klett, Klavier, klassischen Tango in unterschiedlichsten Stilen bis hin zum Tango Nuevo von Astor Piazzolla und Osvaldo Pugliese.
Die Arrangements stammen von Martin Klett. Die Spannung zwischen Kantilene und Rhythmus macht diese Musik ausgesprochen interessant. „Da wir ja nur vier Leute sind“ – Tango-Standardbesetzung sind vier Geigen, vier Bandoneons, Klavier, Kontrabass und Sänger – „suchen wir immer einen orchestralen und vollen Klang, wodurch hohe Anforde- rungen an die einzelnen Spieler entstehen: Teilweise spielen die beiden Streicher vierstimmige Streichersätze, also jeweils lange Passagen nur Doppelgriffe, Rocco spielt die Stimmen von vier Bandoneons auf einem einzigen Instrument und das Klavier ergänzt alle weiteren Stimmen.“ Dennoch bleibt der kammermusikalische Ansatz erhalten, und die Musik, die das Cuarteto Soltango spielt, klingt hinreißend gut. Die vier Musiker konnten sich bereits über den verdienten Erfolg freuen: Schon kurz nach seiner Gründung 2008 wurde das Quartett zum Schleswig-Holstein Musikfestival und zum Oberstdorfer Musiksommer eingeladen. Zu hören sind die Musiker mittlerweile ebenso auf bedeutenden klassischen Konzertpodien wie bei Festivals und Tango-Shows.
Die Arrangements stammen von Martin Klett. Die Spannung zwischen Kantilene und Rhythmus macht diese Musik ausgesprochen interessant. „Da wir ja nur vier Leute sind“ – Tango-Standardbesetzung sind vier Geigen, vier Bandoneons, Klavier, Kontrabass und Sänger – „suchen wir immer einen orchestralen und vollen Klang, wodurch hohe Anforde- rungen an die einzelnen Spieler entstehen: Teilweise spielen die beiden Streicher vierstimmige Streichersätze, also jeweils lange Passagen nur Doppelgriffe, Rocco spielt die Stimmen von vier Bandoneons auf einem einzigen Instrument und das Klavier ergänzt alle weiteren Stimmen.“ Dennoch bleibt der kammermusikalische Ansatz erhalten, und die Musik, die das Cuarteto Soltango spielt, klingt hinreißend gut. Die vier Musiker konnten sich bereits über den verdienten Erfolg freuen: Schon kurz nach seiner Gründung 2008 wurde das Quartett zum Schleswig-Holstein Musikfestival und zum Oberstdorfer Musiksommer eingeladen. Zu hören sind die Musiker mittlerweile ebenso auf bedeutenden klassischen Konzertpodien wie bei Festivals und Tango-Shows.
Juan Diego Flórez - Italia (Decca)
Juan Diego Flórez singt italienische, insbesondere neapolitanische Lieder. Und auch wenn der Sänger aus Peru stammt, scheinen die Sommer-Sonne-Klassiker dennoch wie für ihn geschrieben. Mit seinem strahlenden, edlen und lyrischen Tenor erweist er sich als idealer Interpret für dieses Gute-Laune-Repertoire von 'O sole mio bis Arrivederci, Roma.
„Wer liebt diese Lieder nicht?“, zitiert das Beiheft den Sänger. „Sie machen einfach Spaß und versetzen einen augenblicklich mitten nach Italien – man kann den Sonnenschein förmlich hören!“ Begleitet wird Flórez bei seinem Ausflug am Rande der Klassik von einer erstaunlich großen Anzahl renommierter Musiker- kollegen, darunter die Akkordeonistin Ksenija Sidorova und Avi Avital, Mandoline.
„Wer liebt diese Lieder nicht?“, zitiert das Beiheft den Sänger. „Sie machen einfach Spaß und versetzen einen augenblicklich mitten nach Italien – man kann den Sonnenschein förmlich hören!“ Begleitet wird Flórez bei seinem Ausflug am Rande der Klassik von einer erstaunlich großen Anzahl renommierter Musiker- kollegen, darunter die Akkordeonistin Ksenija Sidorova und Avi Avital, Mandoline.