Wenn man diese wundervolle Musik hört, dann staunt man sehr darüber, dass es Musikwissen- schaftler gegeben hat, die die Komponisten in große Meister und den großen, aber nicht weiter inte- ressierenden Rest unterteilt haben. Zwar begeistern sich von jeher die Cellisten für das Werk Luigi Boccherinis (1743 bis 1805). Doch dem Reinheitsgebot der Wiener Klassik, das die Sonatenhauptsatz- form und die Arbeit am Thema forderte, konnte der Kammervirtuose Ihrer Königlichen Hoheit Don Luis Infante von Spanien offenbar eher wenig abgewinnen.
Mich beeindruckt Boccherini inbesondere wegen seines verschwen- derischen Umganges mit musikalischen Ideen und wegen seines unnachahmlichen Gespürs für das Timbre. An den Divertimenti auf dieser CD lässt sich dies exemplarisch nachvollziehen - und auch die Musiker des Ensembles Piccolo Concerto Wien um Roberto Sensi haben daran hörbar ihr Vergnügen. Marcello Gatti, Traversflöte, Jenping Chien und Johanna Gamerith, Violine, Gerswind Olthoff, Viola, Stefano Veggetti und Franziska Romaner, Violoncello und Roberto Sensi am Kontrabass setzen diese musikalischen Juwelen ins rechte Licht und lassen sie strahlen und funkeln. Bravi!
Montag, 30. Januar 2012
Sonntag, 29. Januar 2012
Václav Talich - Live 1939 (Supraphon)
Das Musik zum Politikum werden kann, zeigt exemplarisch diese CD mit Aufnahmen des berühmten tschechischen Dirigenten Václav Talich (1883 bis 1961). Sie ent- standen im Juni 1939 und umfas- sen den sinfonischen Zyklus Má vlast von Bedrich Smetana sowie die zweite Reihe der Slawischen Tänze von Antonín Dvorák.
Dass sie überliefert worden, ver- danken wir einer Kette von Zu- fällen. Denn es war der Norwegi- sche Rundfunk, der die beiden Konzerte aufgezeichnet hat. Sie wurden auf Philips-Miller-Film auf- genommen - eine sehr teure, aber aufgrund der erzielbaren Klang- qualität attraktive Alternative zu den damals üblichen Acetatplatten, die lediglich über drei Minuten Spielzeit verfügten.
Ein Teil der Aufnahmen in dieser Technologie wurde später auf Magnetband überspielt. Die meisten Filme aber wurden vernichtet. Man darf sich freuen, dass ausgerechnet dieser Mitschnitt auf dem Philimil-Film im Archiv erhalten geblieben ist. Er wurde nun im Auftrag des Labels Supraphon remastert - und begeistert gleich aus mehreren Gründen.
Da wäre zum einen die faszinierende Interpretation des Smetana-Zyklus Mein Vaterland, die in der Tat eine der besten Aufnahmen dieses Werkes ist, die ich je gehört habe. Zum anderen aber über- rascht die enorme Begeisterung des Publikums, das nach jedem Teil in Ovationen ausbricht - und nach dem letzten Stück, Blaník, spontan die Nationalhymne anstimmt.
Verständlich wird diese Euphorie, wenn man sich bewusst macht, dass die Tschechoslowakei seit dem 15. März 1939 besetzt war - und man staunt, dass es Talich trotzdem gelungen ist, in diesem Jahr den ersten Jahrgang des Festivals "Prager musikalischer Mai" zu starten. Es war so erfolgreich, dass einige Konzerte wiederholt werden mussten. Dass die Behörden im Protektorat Böhmen und Mähren dieses Festival durchaus kritisch sahen, zeigt sich unter anderem daran, dass im darauffolgenden Jahr Tábor und Blaník nicht mehr gespielt werden durften. Denn beide Werke appellieren an den tschechischen Patriotismus - und eine solche Demonstration war bei den deutschen Besatzern ganz sicher nicht erwünscht.
Kurioserweise wurde Talich 1945 der Kollaboration beschuldigt, sieben lange Wochen sogar inhaftiert, und in den nachfolgenden Jahren permanent schikaniert. Es wird vermutet, dass dies in erster Linie an seinem Engagement für das Werk Josef Suks gelegen haben könnte. Dieser war mit Otilie verheiratet, der Tochter Dvoráks - um die junge Frau hatte einst aber auch ein gewisser Zdenek Nejedlý geworben. Der Musikwissenschaftler wurde 1945 Minister für Schul- wesen, Wissenschaft und Kunst. Er stammte aus Litomysl, dem Geburtsort Smetanas, und hatte offenbar eine Abneigung gegen Janácek, Dvorák - und ganz besonders gegen dessen Schüler Suk. Kaum zu glauben, aber im real existierenden Sozialismus konnte das tatsächlich ein Grund sein, Karriere und Gesundheit eines zuvor europaweit erfolgreichen Dirigenten zu ruinieren.
Dass sie überliefert worden, ver- danken wir einer Kette von Zu- fällen. Denn es war der Norwegi- sche Rundfunk, der die beiden Konzerte aufgezeichnet hat. Sie wurden auf Philips-Miller-Film auf- genommen - eine sehr teure, aber aufgrund der erzielbaren Klang- qualität attraktive Alternative zu den damals üblichen Acetatplatten, die lediglich über drei Minuten Spielzeit verfügten.
Ein Teil der Aufnahmen in dieser Technologie wurde später auf Magnetband überspielt. Die meisten Filme aber wurden vernichtet. Man darf sich freuen, dass ausgerechnet dieser Mitschnitt auf dem Philimil-Film im Archiv erhalten geblieben ist. Er wurde nun im Auftrag des Labels Supraphon remastert - und begeistert gleich aus mehreren Gründen.
Da wäre zum einen die faszinierende Interpretation des Smetana-Zyklus Mein Vaterland, die in der Tat eine der besten Aufnahmen dieses Werkes ist, die ich je gehört habe. Zum anderen aber über- rascht die enorme Begeisterung des Publikums, das nach jedem Teil in Ovationen ausbricht - und nach dem letzten Stück, Blaník, spontan die Nationalhymne anstimmt.
Verständlich wird diese Euphorie, wenn man sich bewusst macht, dass die Tschechoslowakei seit dem 15. März 1939 besetzt war - und man staunt, dass es Talich trotzdem gelungen ist, in diesem Jahr den ersten Jahrgang des Festivals "Prager musikalischer Mai" zu starten. Es war so erfolgreich, dass einige Konzerte wiederholt werden mussten. Dass die Behörden im Protektorat Böhmen und Mähren dieses Festival durchaus kritisch sahen, zeigt sich unter anderem daran, dass im darauffolgenden Jahr Tábor und Blaník nicht mehr gespielt werden durften. Denn beide Werke appellieren an den tschechischen Patriotismus - und eine solche Demonstration war bei den deutschen Besatzern ganz sicher nicht erwünscht.
Kurioserweise wurde Talich 1945 der Kollaboration beschuldigt, sieben lange Wochen sogar inhaftiert, und in den nachfolgenden Jahren permanent schikaniert. Es wird vermutet, dass dies in erster Linie an seinem Engagement für das Werk Josef Suks gelegen haben könnte. Dieser war mit Otilie verheiratet, der Tochter Dvoráks - um die junge Frau hatte einst aber auch ein gewisser Zdenek Nejedlý geworben. Der Musikwissenschaftler wurde 1945 Minister für Schul- wesen, Wissenschaft und Kunst. Er stammte aus Litomysl, dem Geburtsort Smetanas, und hatte offenbar eine Abneigung gegen Janácek, Dvorák - und ganz besonders gegen dessen Schüler Suk. Kaum zu glauben, aber im real existierenden Sozialismus konnte das tatsächlich ein Grund sein, Karriere und Gesundheit eines zuvor europaweit erfolgreichen Dirigenten zu ruinieren.
Liebesfreud & Liebesleid - Encores für the cello (Profil)
"Diese CD entstand, um endlich meine beliebtesten Zugabenstücke aufzunehmen", berichtet Michael Hell, Konzertmeister der Violon- celli bei den Münchner Philharmo- nikern, aber auch ein engagierter Solist, Kammermusiker und Musik- pädagoge. "Oft haben mich Freun- de und Bekannte darum gebeten - diesen Wunsch komme ich nun mit großem Vergnügen nach." Am Klavier begleitet den Cellisten Micaela Gelius.
Wer also eine Aufnahme von Sara- sates Zigeunerweisen, Kreislers Liebesfreud und Liebesleid oder der Meditation aus Thais von Massenet und vielen anderen Schmankerln aus dem Repertoire auf CD sucht - hier ist sie, und sie ist wirklich anhörenswert. Meine Empfehlung!
Wer also eine Aufnahme von Sara- sates Zigeunerweisen, Kreislers Liebesfreud und Liebesleid oder der Meditation aus Thais von Massenet und vielen anderen Schmankerln aus dem Repertoire auf CD sucht - hier ist sie, und sie ist wirklich anhörenswert. Meine Empfehlung!
Donnerstag, 26. Januar 2012
Bach: Sei Suonate à Violino solo & Cembalo concertato (Flora)
Diese Aufnahme stellt die Sonaten für Violine und Cembalo
BWV 1014 - 1019 sowie die Sonate in G-Dur für Violine und Basso continuo BWV 1021 von Johann Sebastian Bach derart unspektaku- lär und uneitel vor, dass dies schon wieder spektakulär wirkt.
Francois Fernandez musiziert auf einer Violine von Andrea Guarneri aus dem Jahre 1670, Benjamin Alard auf einem Cembalo von Anthony Sidey nach einem Instru- ment aus der Silbermann-Schule. Im Continuo lässt sich zudem Philippe Pierlot auf einer Viola da gamba von Thomas Allred aus dem Jahre 1625 hören. Eine sehr harmonische Einspielung, klangschön und so "rund", dass man sich trotz der zeitgenössischen Instrumente an romantische Aufführungstraditionen erinnert glaubt. So schließt sich also der Kreis - und in diesem Falle ist dieses Urteil tatsächlich ein Kompliment. Ausnahmsweise.
BWV 1014 - 1019 sowie die Sonate in G-Dur für Violine und Basso continuo BWV 1021 von Johann Sebastian Bach derart unspektaku- lär und uneitel vor, dass dies schon wieder spektakulär wirkt.
Francois Fernandez musiziert auf einer Violine von Andrea Guarneri aus dem Jahre 1670, Benjamin Alard auf einem Cembalo von Anthony Sidey nach einem Instru- ment aus der Silbermann-Schule. Im Continuo lässt sich zudem Philippe Pierlot auf einer Viola da gamba von Thomas Allred aus dem Jahre 1625 hören. Eine sehr harmonische Einspielung, klangschön und so "rund", dass man sich trotz der zeitgenössischen Instrumente an romantische Aufführungstraditionen erinnert glaubt. So schließt sich also der Kreis - und in diesem Falle ist dieses Urteil tatsächlich ein Kompliment. Ausnahmsweise.
Czerny: Piano Sonatas; Jones (Nimbus Records)
Carl Czerny (1791 bis 1857) war der Sohn eines tschechischen Oboisten, Organisten, Sängers und Klavierlehrers. Er wuchs in Wien auf, und sein Vater begann, ihn im Klavierspiel zu unterrichten, als er drei Jahre alt war. Mit sieben Jah- ren begann Carl, zu komponieren, und obendrein spielte er ziemlich gut Geige. Das führte dazu, dass sein Geigenlehrer Wenzel Krump- holz das Wunderkind schließlich Beethoven vorstellte - der den Zehnjährigen als Schüler annahm.
Bei der Uraufführung von Beethovens fünftem Klavierkonzert 1811 in Leipzig spielte Carl Czerny den Solopart. Er komplettierte seine Aus- bildung bei Muzio Clementi, Johann Nepomuk Hummel und Antonio Salieri. Dennoch begeisterte er sich weniger für das Konzertpodium als vielmehr für das Unterrichten. Zu seinen Schülern gehörte beispielsweise Franz Liszt, der Czerny später die Etudes d'exécution transcendante widmete.
Obwohl Carl Czerny mehr als tausend Werke komponierte, sind vor allem seine Etüdensammlungen bis heute populär geblieben. Mit einer Gesamteinspielung der Klaviersonaten des Komponisten macht der britische Pianist Martin Jones deutlich, dass dies ein Verlust ist. Denn klar strukturiert vorgetragen, erweisen sich Czernys Klavier- werke als wirkungsvolle, ziemlich beeindruckende Stücke - originell, immer wieder überraschend, und mitunter sogar brillant. Dabei er- scheint Czerny keineswegs, wie von einigen Musikhistorikern behaup- tet, als Beethoven-Epigone. Oftmals wartet er mit musikalischen Ideen auf, die man eher von den Romantikern erwarten würde. Jones zeigt, dass Czernys Werke interessant sind, und dass sich die Beschäf- tigung damit durchaus lohnt. Eine Entdeckung, die Lust darauf macht, auch Werke von anderen Komponisten kennenzulernen, die im Schatten Beethovens aus dem Blick entschwunden und schließlich in Vergessenheit geraten sind.
Bei der Uraufführung von Beethovens fünftem Klavierkonzert 1811 in Leipzig spielte Carl Czerny den Solopart. Er komplettierte seine Aus- bildung bei Muzio Clementi, Johann Nepomuk Hummel und Antonio Salieri. Dennoch begeisterte er sich weniger für das Konzertpodium als vielmehr für das Unterrichten. Zu seinen Schülern gehörte beispielsweise Franz Liszt, der Czerny später die Etudes d'exécution transcendante widmete.
Obwohl Carl Czerny mehr als tausend Werke komponierte, sind vor allem seine Etüdensammlungen bis heute populär geblieben. Mit einer Gesamteinspielung der Klaviersonaten des Komponisten macht der britische Pianist Martin Jones deutlich, dass dies ein Verlust ist. Denn klar strukturiert vorgetragen, erweisen sich Czernys Klavier- werke als wirkungsvolle, ziemlich beeindruckende Stücke - originell, immer wieder überraschend, und mitunter sogar brillant. Dabei er- scheint Czerny keineswegs, wie von einigen Musikhistorikern behaup- tet, als Beethoven-Epigone. Oftmals wartet er mit musikalischen Ideen auf, die man eher von den Romantikern erwarten würde. Jones zeigt, dass Czernys Werke interessant sind, und dass sich die Beschäf- tigung damit durchaus lohnt. Eine Entdeckung, die Lust darauf macht, auch Werke von anderen Komponisten kennenzulernen, die im Schatten Beethovens aus dem Blick entschwunden und schließlich in Vergessenheit geraten sind.
18. Festliche Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung (Naxos)
Ein Fest herrlicher Stimmen - das war erneut die Operngala, die im vergangenen Jahr zum achtzehn- ten Mal Spenden für die Deutsche Aids-Stiftung gesammelt hat. Vivica Genaux, Simone Kermes, Kristin Lewis, Adrianne Pieczonka, Anna Smirnova, Francesco Demu- ro, Alex Esposito, Teodor Ilincai, Dalibor Jenis und Antonio Poli sangen Arien, die jedem Opern- freund vertraut sind. Auch ein Duett erklingt - das Blumenduett aus Lakme von Léo Delibes, gesungen von Simone Kermes und Vivica Genaux. So bezaubernd, ja geradezu deliziös habe ich diesen Uralthit noch nie gehört. Und natürlich sind die beiden Sängerinnen auch solo noch einmal zu erleben - da warten echte Überraschungen, soviel sei verraten. Das Orchester der Deutschen Oper Berlin musizierte präzise unter Generalmusikdirektor Donald Runniges, und auch der Chor der Deutschen Oper Berlin, geleitet von William Spaulding, ließ sich eindrucksvoll hören.
Durch die Gala führte mit frechen, aber sehr treffenden Kommentaren zur Handlung der jeweiligen Oper Max Raabe. Er erinnerte zudem liebevoll an seinen Vorgänger Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot, der diese Operngala viele Jahre lang moderiert hat, und ihr bis zu seinem Tod im August 2011 eng verbunden blieb.
Das große Engagement aller Beteiligten für diese Operngala ist noch beim Anhören der Aufzeichnung nachvollziehbar; hier wird eine Atmosphäre spürbar, die beeindruckt und begeistert. Das zeigt sich auch in Details wie dem ausgesprochen liebevoll gestalteten dicken Beiheft zu dem Mitschnitt dieses rundum gelungenen Abends, den Naxos kürzlich auf zwei CD vorgelegt hat. Wer diese Aufnahme erwirbt, der kann sich nicht nur an wundervoller Musik erfreuen, er unterstützt damit auch die Deutsche Aids-Stiftung. So tut man zugleich sich und anderen etwas Gutes. Und daher: Gleich doppelt meine Empfehlung!
Durch die Gala führte mit frechen, aber sehr treffenden Kommentaren zur Handlung der jeweiligen Oper Max Raabe. Er erinnerte zudem liebevoll an seinen Vorgänger Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot, der diese Operngala viele Jahre lang moderiert hat, und ihr bis zu seinem Tod im August 2011 eng verbunden blieb.
Das große Engagement aller Beteiligten für diese Operngala ist noch beim Anhören der Aufzeichnung nachvollziehbar; hier wird eine Atmosphäre spürbar, die beeindruckt und begeistert. Das zeigt sich auch in Details wie dem ausgesprochen liebevoll gestalteten dicken Beiheft zu dem Mitschnitt dieses rundum gelungenen Abends, den Naxos kürzlich auf zwei CD vorgelegt hat. Wer diese Aufnahme erwirbt, der kann sich nicht nur an wundervoller Musik erfreuen, er unterstützt damit auch die Deutsche Aids-Stiftung. So tut man zugleich sich und anderen etwas Gutes. Und daher: Gleich doppelt meine Empfehlung!
Sonntag, 22. Januar 2012
William Primrose - Recital (Naxos)
Dass man auf der Viola durchaus auch die Bravourstücke spielen kann, die Geiger gern vortragen, zeigt die Serie "Great Violists" aus dem Hause Naxos mit Aufnahmen, die William Primrose (1904 bis 1982) eingespielt hat. Er gilt als der erste moderne Violist, und als einer jener Pioniere, die die Bratsche als Soloinstrument etabliert haben.
Primrose war der Sohn eines Geigers aus Glasgow. Er begann als Vierjähriger mit dem Violinunter- richt bei Camillo Ritter, einem Schüler Joachims. Mit 15 Jahren wechselte er nach London auf die Guildhall School of Music, wo er bei Max Mossel studierte, und 1924 für sein Examen eine Goldmedaille erhielt. Um weiter zu lernen, ging Primrose zu Eugène Ysaye - der den jungen Musiker ermutigte, sich der Viola zuzuwenden. 1928 spielte Primrose beim Mozartfestival in Paris dann gemeinsam mit Lionel Tertis die Sinfonia concertante - und war fasziniert von dem kraft- vollen, warmen Ton des Kollegen. Dieses Konzert dürfte wohl das Schlüsselerlebnis gewesen sein, dass Primrose endgültig zum Wechsel veranlasste.
Primrose spielte einige Zeit auch im Orchester, doch in erster Linie musizierte er solistisch und widmete sich der Kammermusik. Auch unterrichtet hat Primrose viel; er wirkte an diversen Universitäten in den USA und Japan, und begeisterte den Nachwuchs in zahlreichen Meisterklassen.
Bei Naxos sind nun die ersten beide CD mit Aufnahmen des großen Bratschisten erschienen. Vol. 1 umfasst Einspielungen aus den Jahren 1927 bis 1947, Vol. 2 aus den Jahren 1934 bis 1952. Dabei staunt man, wie enorm facettenreich das Repertoire des Musikers war - es reichte von Bach und Händel über Paganini, Kreisler und Dvorák bis hin zu Camille Saint-Saens berühmtem Schwan oder zu Werken, die seine Freunde Arthur Benjamin, Boris Myronoff und Roy Harris speziell für ihn geschrieben haben.
Primroses Technik war ebenfalls erstaunlich. Vom großzügigen Vibrato oder den nicht immer sauberen Lagenwechseln eines Fritz Kreisler ist hier nichts mehr zu hören; dennoch hat das Spiel des Bratschisten noch etwas von jenem persönlichen Ausdruck und jener enormen Ausstrahlung, die man an den alten Aufnahmen so schätzt. Auf die nachfolgenden CD darf man daher gespannt bleiben.
Primrose war der Sohn eines Geigers aus Glasgow. Er begann als Vierjähriger mit dem Violinunter- richt bei Camillo Ritter, einem Schüler Joachims. Mit 15 Jahren wechselte er nach London auf die Guildhall School of Music, wo er bei Max Mossel studierte, und 1924 für sein Examen eine Goldmedaille erhielt. Um weiter zu lernen, ging Primrose zu Eugène Ysaye - der den jungen Musiker ermutigte, sich der Viola zuzuwenden. 1928 spielte Primrose beim Mozartfestival in Paris dann gemeinsam mit Lionel Tertis die Sinfonia concertante - und war fasziniert von dem kraft- vollen, warmen Ton des Kollegen. Dieses Konzert dürfte wohl das Schlüsselerlebnis gewesen sein, dass Primrose endgültig zum Wechsel veranlasste.
Primrose spielte einige Zeit auch im Orchester, doch in erster Linie musizierte er solistisch und widmete sich der Kammermusik. Auch unterrichtet hat Primrose viel; er wirkte an diversen Universitäten in den USA und Japan, und begeisterte den Nachwuchs in zahlreichen Meisterklassen.
Bei Naxos sind nun die ersten beide CD mit Aufnahmen des großen Bratschisten erschienen. Vol. 1 umfasst Einspielungen aus den Jahren 1927 bis 1947, Vol. 2 aus den Jahren 1934 bis 1952. Dabei staunt man, wie enorm facettenreich das Repertoire des Musikers war - es reichte von Bach und Händel über Paganini, Kreisler und Dvorák bis hin zu Camille Saint-Saens berühmtem Schwan oder zu Werken, die seine Freunde Arthur Benjamin, Boris Myronoff und Roy Harris speziell für ihn geschrieben haben.
Primroses Technik war ebenfalls erstaunlich. Vom großzügigen Vibrato oder den nicht immer sauberen Lagenwechseln eines Fritz Kreisler ist hier nichts mehr zu hören; dennoch hat das Spiel des Bratschisten noch etwas von jenem persönlichen Ausdruck und jener enormen Ausstrahlung, die man an den alten Aufnahmen so schätzt. Auf die nachfolgenden CD darf man daher gespannt bleiben.
Schütz: Musikalische Exequien (Carus)
Trauermusiken von Heinrich Schütz hat Hans-Christoph Rade- macher für CD 3 der Schütz-Ge- samteinspielung mit dem Dresdner Kammerchor zusammengestellt. Dabei wird das exzellente Dresdner Ensemble zusätzlich durch junge Solisten unterstützt, die dennoch durchweg sehr viel Erfahrung im Bereich der "Alten" Musik mit- bringen: Dorothee Mields, Anja Zügner, Alexander Schneider, Jan Kobow, Tobias Mäthger, Harry van der Kamp und Matthias Lutze singen Soli mit Strahlkraft, fügen sich aber ebenso selbstverständlich ins Ensemble ein. Der Dresdner Kammerchor musiziert erneut auf höchstem Niveau; an Violone und Orgel lassen sich Matthias Müller und Ludger Rémy hören. So gelingt Rademann eine Hochglanz-Auf- nahme, die in ihrer Perfektion schon fast wieder ein bisschen langwei- lig ist. Spannend ist allerdings das Repertoire - man staunt, doch diese CD enthält vier Weltersteinspielungen. Ganz offensichtlich gibt es in Schütz' Werk noch immer einige Perlen zu entdecken, die bei aller Schütz-Renaissance bislang nicht die verdiente Aufmerksamkeit be- kommen haben.
300 Jahre Friedrich der Grosse (Deutsche Grammophon)
Auch die Deutsche Grammophon sieht den runden Geburtstag des Preußenkönigs als Gelegenheit für eine Jubiläums-CD. Das Label hat ins Archiv geschaut - und dort verschiedenes gefunden, das sich unter dem Motto "Seine schönsten Konzerte und Sonaten" verkaufen lässt. Beim Zusammenbauen ist dann offensichtlich die Reihenfolge durcheinandergeraten, nun ja, passiert, wenn es schnell gehen soll. Auch das beigefügte Falt- blättchen freilich ist nicht dazu angetan, den Eindruck der Lieblosigkeit zu korrigieren. Schade.
Montag, 16. Januar 2012
Eberl: Grand Sextetto (Ramée)
Anton Franz Joseph Eberl (1765 bis 1807) war der Sohn eines Wiener Beamten. Und obwohl seinen Eltern durchaus aufgefallen war, dass er bereits im Kindesalter mehr als nur passabel Klavier spielte, sollte er Jura studieren. Damit war freilich Schluss, als sein Vater in wirtschaftliche Bedrängnis geriet; nun konnte der Sohn sich der Musik zuwenden.
Zunächst verlegte sich Anton Eberl auf Opern, doch Erfolge konnte er damit wohl nicht feiern. So sind von diesen Werken heute nur noch die Titel überliefert. Bekannt aber wurde der Musiker als Komponist von Instrumentalmusik. Diese CD beginnt mit dem Trio op. 8 Nr. 2 aus dem Jahre 1798. Alida Schat, Violine, sowie Thomas Pitt, Violon- cello und Anneke Veenhoff, Fortepiano, machen deutlich, warum Eberls Werke zunächst häufig für Kompositionen seines neun Jahre älteren Kollegen Wolfgang Amadeus Mozart gehalten wurden. Denn dieses Trio ist von bezaubernder Leichtigkeit und Eleganz, und wartet mit schönen Melodien und gewissen harmonischen Wendungen auf, die durchaus von dem berühmten Kollegen stammen könnten.
1796 ging Eberl nach St. Petersburg. Dort wirkte er am Zarenhof, un- ter anderem als Musiklehrer der Zarenkinder. Er verkehrte aber auch als Virtuose in den Salons der russischen Aristokratie, und dirigierte - 1801 beispielsweise Haydns Schöpfung. Am Zarenhof aber wurden nicht Flügel aus Wien gespielt, sondern Klaviere aus England. Sie hatten einen größeren Tonumfang, eine andere Mechanik und einen etwas handfesteren Klang; Eberl stellte sich darauf ein, und entwickel- te seine musikalische Sprache dementsprechend weiter.
1802 kehrte der Musiker nach Wien zurück. Dort war er mit seinen Ideen und Erfahrungen hochwillkommen. Eberl bewegte sich durch- aus innerhalb der Konventionen der Klassik - was seinerzeit Kritiker veranlasste, ihn Beethoven als Vorbild zu empfehlen. Dennoch findet man bei ihm gelegentlich Formen und Klänge, die man eher von einem Franz Liszt erwarten würde. Das zeigt sich beispielsweise bei dem Potpourri en Trio op. 44 aus dem Jahre 1803, das dem Solisten am Klavier alle Möglichkeiten einräumt, zu brillieren. Und das Grand Sextetto in Es-Dur op. 47 aus dem Jahre 1800 schrieb Eberl für Klavier, das durch Violine, Viola, Violoncello, Klarinette und Horn begleitet wird. Warum er diese kuriose Besetzung wählte, wissen wir nicht - aber das Werk beeindruckt durch spannende Wendungen, Kontraste und interessante Kombinationen von Klangfarben. Musiziert wird auf historischen Instrumenten, so dass der ursprüng- liche Klang nachvollziehbar wird.
Nicole van Bruggen, Klarinette, Thomas Pitt und Anneke Veenhoff - das Trio Van Hengel - spielen gemeinsam mit Alida Schat, Vappu Helasvuo, Viola, und Bart Aerbeydt, Horn. Da nicht bekannt ist, auf welchem Instrument Eberl einst gespielt hat, hat das Trio Van Hengel ein frisch restauriertes Wiener Pianoforte von Mathias Müller aus dem Jahre 1810 eingesetzt. Es verfügt bereits über sechs Oktaven Tonumfang, und über einen sehr wandlungsfähigen Klang. So kann es leicht und elegant klingen, aber auch kraftvoll und durchsetzungs- fähig, ja sogar ein bisschen sanglich und geheimnisvoll - und es erlaubt dem Pianisten das brillante Spiel, das insbesondere das Pot- pourri fordert.
So wird diese CD zu einer musikhistorischen Entdeckungsreise - und von Eberl möchte man noch wesentlich mehr hören. Wie kann es sein, dass ein derart origineller Musiker im Schatten Mozarts, Haydns und Beethovens schier verschwindet?
Zunächst verlegte sich Anton Eberl auf Opern, doch Erfolge konnte er damit wohl nicht feiern. So sind von diesen Werken heute nur noch die Titel überliefert. Bekannt aber wurde der Musiker als Komponist von Instrumentalmusik. Diese CD beginnt mit dem Trio op. 8 Nr. 2 aus dem Jahre 1798. Alida Schat, Violine, sowie Thomas Pitt, Violon- cello und Anneke Veenhoff, Fortepiano, machen deutlich, warum Eberls Werke zunächst häufig für Kompositionen seines neun Jahre älteren Kollegen Wolfgang Amadeus Mozart gehalten wurden. Denn dieses Trio ist von bezaubernder Leichtigkeit und Eleganz, und wartet mit schönen Melodien und gewissen harmonischen Wendungen auf, die durchaus von dem berühmten Kollegen stammen könnten.
1796 ging Eberl nach St. Petersburg. Dort wirkte er am Zarenhof, un- ter anderem als Musiklehrer der Zarenkinder. Er verkehrte aber auch als Virtuose in den Salons der russischen Aristokratie, und dirigierte - 1801 beispielsweise Haydns Schöpfung. Am Zarenhof aber wurden nicht Flügel aus Wien gespielt, sondern Klaviere aus England. Sie hatten einen größeren Tonumfang, eine andere Mechanik und einen etwas handfesteren Klang; Eberl stellte sich darauf ein, und entwickel- te seine musikalische Sprache dementsprechend weiter.
1802 kehrte der Musiker nach Wien zurück. Dort war er mit seinen Ideen und Erfahrungen hochwillkommen. Eberl bewegte sich durch- aus innerhalb der Konventionen der Klassik - was seinerzeit Kritiker veranlasste, ihn Beethoven als Vorbild zu empfehlen. Dennoch findet man bei ihm gelegentlich Formen und Klänge, die man eher von einem Franz Liszt erwarten würde. Das zeigt sich beispielsweise bei dem Potpourri en Trio op. 44 aus dem Jahre 1803, das dem Solisten am Klavier alle Möglichkeiten einräumt, zu brillieren. Und das Grand Sextetto in Es-Dur op. 47 aus dem Jahre 1800 schrieb Eberl für Klavier, das durch Violine, Viola, Violoncello, Klarinette und Horn begleitet wird. Warum er diese kuriose Besetzung wählte, wissen wir nicht - aber das Werk beeindruckt durch spannende Wendungen, Kontraste und interessante Kombinationen von Klangfarben. Musiziert wird auf historischen Instrumenten, so dass der ursprüng- liche Klang nachvollziehbar wird.
Nicole van Bruggen, Klarinette, Thomas Pitt und Anneke Veenhoff - das Trio Van Hengel - spielen gemeinsam mit Alida Schat, Vappu Helasvuo, Viola, und Bart Aerbeydt, Horn. Da nicht bekannt ist, auf welchem Instrument Eberl einst gespielt hat, hat das Trio Van Hengel ein frisch restauriertes Wiener Pianoforte von Mathias Müller aus dem Jahre 1810 eingesetzt. Es verfügt bereits über sechs Oktaven Tonumfang, und über einen sehr wandlungsfähigen Klang. So kann es leicht und elegant klingen, aber auch kraftvoll und durchsetzungs- fähig, ja sogar ein bisschen sanglich und geheimnisvoll - und es erlaubt dem Pianisten das brillante Spiel, das insbesondere das Pot- pourri fordert.
So wird diese CD zu einer musikhistorischen Entdeckungsreise - und von Eberl möchte man noch wesentlich mehr hören. Wie kann es sein, dass ein derart origineller Musiker im Schatten Mozarts, Haydns und Beethovens schier verschwindet?
Sonntag, 15. Januar 2012
Weckmann: Abendmusiken (Zig-Zag Territoires)
Matthias Weckmann (1616 bis 1674) war einer der wenigen Schüler von Heinrich Schütz. Der Sohn eines Pfarrers aus dem Dörf- chen Niederdorla bei Mühlhausen in Thüringen war zunächst Kapell- knabe am Dresdner Hof, und wurde auch im Orgelspiel unterwiesen. 1633 schickte der Kurfürst den jungen Musiker mit einem Stipen- dium nach Hamburg, damit er dort bei Jacob Praetorius seine Ausbil- dung fortsetzen kann. 1637 kehrte Weckmann nach Dresden zurück, und wurde Organist der kurfürstli- chen Hofkapelle.
Doch seine Kontakte nach Hamburg blieben lebendig. Immer wieder reiste er nach Norddeutschland, und er hielt sich auch mehrfach am Hof Christians IV. in Kopenhagen auf.
1655 setzte sich Weckmann in einem Vorspiel durch, und erhielt die Stelle des Organisten an der Jacobikirche in Hamburg. 1660 gründete er zudem das Collegium musicum, und prägte somit das Musikleben in der Hansestadt auf Jahre. Die Abendmusiken aber, auf die der Titel dieser CD anspielt, waren eine Tradition aus Lübeck, begründet durch den Organisten Franz Tunder (1617 bis 1667), den Amtsvorgänger und Schwiegervater Dieterich Buxtehudes. Weckmann war damit ganz sicher vertraut, denn er heiratete in Lübeck, und Tunder war sein Trauzeuge.
Die drei Vokalwerke, die das Ensemble Les Cyclopes für diese CD ausgewählt hat, entstanden durchweg im Pestjahr 1663. Es wird nicht verwundern, dass es sich dabei in erster Linie um ergreifende Klage- gesänge handelt. Eugénie Warnier, Damien Guillon, Robert Getchell und Benoit Arnould singen sie mit Hingabe. Ergänzt werden diese drei Vokalwerke durch die Sonaten à 4 Nummer 2 und 9, die Partita d-Moll für Cembalo und die virtuose Choralfantasie Komm, heiliger Geist, interpretiert von Thierry Maeder an der Orgel der Ludgeri- kirche im ostfriesischen Norden, erbaut und ergänzt von Arp Schnitger 1686/88 und 1691/92 - nach ihrer Restaurierung durch Jürgen Ahrend in den 80er Jahren wieder ein wundervolles Instru- ment mit einem traumhaften Klang.
Doch seine Kontakte nach Hamburg blieben lebendig. Immer wieder reiste er nach Norddeutschland, und er hielt sich auch mehrfach am Hof Christians IV. in Kopenhagen auf.
1655 setzte sich Weckmann in einem Vorspiel durch, und erhielt die Stelle des Organisten an der Jacobikirche in Hamburg. 1660 gründete er zudem das Collegium musicum, und prägte somit das Musikleben in der Hansestadt auf Jahre. Die Abendmusiken aber, auf die der Titel dieser CD anspielt, waren eine Tradition aus Lübeck, begründet durch den Organisten Franz Tunder (1617 bis 1667), den Amtsvorgänger und Schwiegervater Dieterich Buxtehudes. Weckmann war damit ganz sicher vertraut, denn er heiratete in Lübeck, und Tunder war sein Trauzeuge.
Die drei Vokalwerke, die das Ensemble Les Cyclopes für diese CD ausgewählt hat, entstanden durchweg im Pestjahr 1663. Es wird nicht verwundern, dass es sich dabei in erster Linie um ergreifende Klage- gesänge handelt. Eugénie Warnier, Damien Guillon, Robert Getchell und Benoit Arnould singen sie mit Hingabe. Ergänzt werden diese drei Vokalwerke durch die Sonaten à 4 Nummer 2 und 9, die Partita d-Moll für Cembalo und die virtuose Choralfantasie Komm, heiliger Geist, interpretiert von Thierry Maeder an der Orgel der Ludgeri- kirche im ostfriesischen Norden, erbaut und ergänzt von Arp Schnitger 1686/88 und 1691/92 - nach ihrer Restaurierung durch Jürgen Ahrend in den 80er Jahren wieder ein wundervolles Instru- ment mit einem traumhaften Klang.
Samstag, 14. Januar 2012
Musik am Preußischen Hof (Berlin Classics)
Ein ganz besonderes Präsent hat Berlin Classics zum 300. Geburts- tag Friedrichs II. von Preußen (1712 bis 1786) zusammengestellt: Eine Fünf-CD-Box mit Musik am Preußischen Hof, aus den reichen Archivbeständen des Labels.
Aus dem Jahre 1982 stammt eine Einspielung mit dem Kammer- orchester des Berliner Sinfonie-Orchesters unter Hans-Peter Frank und Werken Berliner Komponisten des 18. Jahrhunderts. Sie enthält die Sinfonia Nr. 3 C-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach, ein schönes Harfenkonzert von Ernst Eichner, und das Flötenkonzert Nr. 4 aus der Feder des preußischen Königs.
Das Kammerorchester "Carl Philipp Emanuel Bach" unter Hartmut Haenchen hat 1985 fünf der neun Sinfonien seines Namenspatrons eingespielt, die in Berlin entstanden sind. Sie sind abwechslungsreich, und werden durch die Musiker historisch informiert, aber auf moder- nen Instrumenten mit Esprit vorgetragen.
Ein musikalisches Ereignis war seinerzeit die CD mit Jochen Kowalski sowie dem Kammerorchester Berlin unter Max Pommer und Arien aus der Berliner Operngeschichte - von Hasse, Graun, Bononcini, aber natürlich auch von Friedrich selbst. Es war das Debüt-Album des Countertenors, der in den 80er und 90er Jahren weltweit erfolgreich war, vor allem in den Händel-Inszenierungen Harry Kupfers.
Ersteinspielungen nach unveröffentlichten Handschriften der Deut- schen Staatsbibliothek Berlin präsentierte die CD Musik am Berliner Hof, eingespielt 1991 auf historischen Instrumenten von der Akade- mie für Alte Musik Berlin. Hier ist beispielsweise Ernst-Burghard Hilse, Traversflöte, mit Quantz' Flötenkonzert Pour Potsdam zu hören. Ein Erlebnis ist auch das Zusammenspiel von Christine Schornsheim und Raphael Alpermann, Cembalo, im Konzert F-Dur für zwei Cembali, zwei Hörner, Streicher und Basso continuo Wq 46 von Carl Philipp Emanuel Bach. Die CD enthält zudem Werke von Christoph Nichelmann, Johann Kirnberger und Christoph Schaffrath.
Ebenfalls 1991 aufgenommen wurde die CD Konzert am Preußischen Hof mit Werken von Johann Gottlieb und Carl Heinrich Graun, Georg Benda und Carl Philipp Emanuel Bach. Hier ist erneut das Kammer- orchester "Carl Philipp Emanuel Bach" unter Hartmut Haenchen zu hören. Insgesamt geben diese fünf CD einen ersten Einblick in die musikalische Welt, in der sich Friedrich der Große bewegte. Und die Aufnahmen sind von einer Qualität, die so manches, was später er- schienen ist, ganz klar in den Schatten stellt.
Das Kammerorchester "Carl Philipp Emanuel Bach" unter Hartmut Haenchen hat 1985 fünf der neun Sinfonien seines Namenspatrons eingespielt, die in Berlin entstanden sind. Sie sind abwechslungsreich, und werden durch die Musiker historisch informiert, aber auf moder- nen Instrumenten mit Esprit vorgetragen.
Ein musikalisches Ereignis war seinerzeit die CD mit Jochen Kowalski sowie dem Kammerorchester Berlin unter Max Pommer und Arien aus der Berliner Operngeschichte - von Hasse, Graun, Bononcini, aber natürlich auch von Friedrich selbst. Es war das Debüt-Album des Countertenors, der in den 80er und 90er Jahren weltweit erfolgreich war, vor allem in den Händel-Inszenierungen Harry Kupfers.
Ersteinspielungen nach unveröffentlichten Handschriften der Deut- schen Staatsbibliothek Berlin präsentierte die CD Musik am Berliner Hof, eingespielt 1991 auf historischen Instrumenten von der Akade- mie für Alte Musik Berlin. Hier ist beispielsweise Ernst-Burghard Hilse, Traversflöte, mit Quantz' Flötenkonzert Pour Potsdam zu hören. Ein Erlebnis ist auch das Zusammenspiel von Christine Schornsheim und Raphael Alpermann, Cembalo, im Konzert F-Dur für zwei Cembali, zwei Hörner, Streicher und Basso continuo Wq 46 von Carl Philipp Emanuel Bach. Die CD enthält zudem Werke von Christoph Nichelmann, Johann Kirnberger und Christoph Schaffrath.
Ebenfalls 1991 aufgenommen wurde die CD Konzert am Preußischen Hof mit Werken von Johann Gottlieb und Carl Heinrich Graun, Georg Benda und Carl Philipp Emanuel Bach. Hier ist erneut das Kammer- orchester "Carl Philipp Emanuel Bach" unter Hartmut Haenchen zu hören. Insgesamt geben diese fünf CD einen ersten Einblick in die musikalische Welt, in der sich Friedrich der Große bewegte. Und die Aufnahmen sind von einer Qualität, die so manches, was später er- schienen ist, ganz klar in den Schatten stellt.
Donnerstag, 12. Januar 2012
Karl Nyhlin - Kellner & Weiss - Works for Lute (dB)
David Kellner (1670 bis 1748) stammt aus dem Dorf Liebert- wolkwitz bei Leipzig. Ebenso wie seine Brüder zog es den Sohn eines Lehrers in den Norden; er studier- te in Turku, was damals zu Schwe- den gehörte, und in Dorpat, wo er sich dann als Advocatus nieder- ließ. Er bewarb sich mehrfach erfolglos um Organistenstellen. Als 1700 der Große Nordische Krieg ausbrach, wurde er zum Militär eingezogen. Erst 1730 wurde er im Range eines Hauptmanns entlas- sen; doch bereits seit 1711 wirkte er als Glockenspieler und Organist in Stockholm.
Kellner veröffentlichte 1747 in Hamburg die Sammlung XVI. Auser- lesene Lauten-Stücke, bestehend in Phantasien, Chaconnen, Ron- deau, Giga, Pastorel, Passe pied, Campanelle, Sarabande, Aria & Gavotte. Der Band hat 48 Seiten und enthält 17 Stücke für elfchörige Laute, notiert in französischer Tabulatur.
Zur damaligen Zeit war allerdings bereits die 13chörige Laute im Gebrauch, und die letzten verbliebenen Lautenisten folgten eher dem galanten Stil. So dürften die hübschen Werke, die der schwedische Lautenist Karl Nyhlin auf dieser CD mustergültig vorstellt, wenig Beachtung gefunden haben.
Nyhlin kombiniert zehn Stücke aus Kellners Sammlung mit der Sonata in g-Moll und einem Capriccio in D-Dur von Silvius Leopold Weiss (1686 bis 1750). Der war ein berühmter Virtuose, und ab 1718 am Dresdner Hof als Kammerlautenist angestellt. Er gehörte dort zu den bestbezahlen Musikern. Der Zufall wollte es, dass Kellners Stieftochter, die Sängerin Regina Gertrud Schwartz, in Hamburg Johann Ulrich von König heiratete, den späteren sächsischen Hofdichter, mit dem sie nach Dresden ging. Sie schickte Kellner nicht nur Briefe, sondern auch Noten und Bücher. So dürfte zumindest der Organist in Stockholm, der offenbar auch gern und versiert Laute spielte, die Werke seines Dresdner Kollegen gekannt haben.
Kellner veröffentlichte 1747 in Hamburg die Sammlung XVI. Auser- lesene Lauten-Stücke, bestehend in Phantasien, Chaconnen, Ron- deau, Giga, Pastorel, Passe pied, Campanelle, Sarabande, Aria & Gavotte. Der Band hat 48 Seiten und enthält 17 Stücke für elfchörige Laute, notiert in französischer Tabulatur.
Zur damaligen Zeit war allerdings bereits die 13chörige Laute im Gebrauch, und die letzten verbliebenen Lautenisten folgten eher dem galanten Stil. So dürften die hübschen Werke, die der schwedische Lautenist Karl Nyhlin auf dieser CD mustergültig vorstellt, wenig Beachtung gefunden haben.
Nyhlin kombiniert zehn Stücke aus Kellners Sammlung mit der Sonata in g-Moll und einem Capriccio in D-Dur von Silvius Leopold Weiss (1686 bis 1750). Der war ein berühmter Virtuose, und ab 1718 am Dresdner Hof als Kammerlautenist angestellt. Er gehörte dort zu den bestbezahlen Musikern. Der Zufall wollte es, dass Kellners Stieftochter, die Sängerin Regina Gertrud Schwartz, in Hamburg Johann Ulrich von König heiratete, den späteren sächsischen Hofdichter, mit dem sie nach Dresden ging. Sie schickte Kellner nicht nur Briefe, sondern auch Noten und Bücher. So dürfte zumindest der Organist in Stockholm, der offenbar auch gern und versiert Laute spielte, die Werke seines Dresdner Kollegen gekannt haben.
Sonntag, 8. Januar 2012
Bach & Sons: Piano Concertos; Knauer (Berlin Classics)
"Joh. Seb. Bachs Art das Clavier zu behandeln, ist von jedem, der das Glück gehabt hat, ihn zu hören, bewundert, und von allen, die selbst Ansprüche machen konn- ten, für gute Spieler gehalten zu werden, beneidet worden", be- richtet sein Biograph Johann Nikolaus Forkel. Im Falle von Bach senior sind damit vor allem Cem- balo und Clavichord gemeint; doch auch den Hammerflügel lernte der Musiker in seinen letzten Lebens- jahren noch kennen und schätzen.
Bach gehörte zudem zu den ersten Komponisten überhaupt, die das Cembalo in Konzerten als Solo-Instrument einsetzten. So adaptierte er zahlreiche Werke, die er ursprünglich für gänzlich andere Instru- mente geschrieben hatte, für das Cembalo, um sie mit dem Collegium musicum im Zimmermannischen Kaffeehaus aufzuführen. Es klingt ungewohnt, wenn der Hamburger Pianist Sebastian Knauer sie nun auf einem modernen Steinway vorträgt, und Puristen mögen sich darüber ärgern.
Aber Bach selber hätte es wohl ebenso gemacht. Die Frage also, ob es zulässig ist, Bach auch im Zeitalter des historisch korrekten Musi- zierens auf modernen Instrumenten zu spielen, stellt sich nicht. Ob Knauer aber eine spannende neue Sichtweise auf Bachs Werk gelingt, das ist die interessante Frage.
Der Pianist beantwortet sie, indem er auf Traditionen verweist - nicht zuletzt auf die seiner eigenen Familie. Dass er nebenher Bach nebst seinen Söhnen zu Quasi-Hamburgern erklärt, lässt schmunzeln. Er stellt zwei "Klavierkonzerte" des Thomaskantors neben Werke seiner Söhne Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) und Johann Christian Bach (1735 bis 1782). So macht der Pianist Entwicklung hörbar - vom Barock über den eher galanten Stil von Carl Philipp Emanuel Bach bis hin zum Werk seines Bruders und Schülers Johann Christian Bach, das schon deutlich auf die Frühklassik verweist.
Mit der strengen Form Johann Sebastian Bachs weiß Knauer jedoch eher wenig anzufangen. Er spielt brillant, stets durchsichtig und mit weichem, aber perlendem Ton. Doch man hat ein bisschen den Ein- druck, Examensstücke zu hören statt Musik, der sich der Interpret mit Leidenschaft und Verstand verschrieben hat. Diese Distanz ist auch beim Zürcher Kammerorchester festzustellen, das hier seine erste Aufnahme unter seinem neuen Chefdirigenten Sir Roger Norrington eingespielt hat. Sie schwindet erst bei den eher drama- tischen als mathematischen Werken der beiden Bach-Söhne; das Konzert von Johann Christian Bach scheint auch dem Solisten am meisten zu liegen. Hier beginnt der Flügel auf einmal zu singen, und die Kadenzen gefallen mir hier am besten.
Bach gehörte zudem zu den ersten Komponisten überhaupt, die das Cembalo in Konzerten als Solo-Instrument einsetzten. So adaptierte er zahlreiche Werke, die er ursprünglich für gänzlich andere Instru- mente geschrieben hatte, für das Cembalo, um sie mit dem Collegium musicum im Zimmermannischen Kaffeehaus aufzuführen. Es klingt ungewohnt, wenn der Hamburger Pianist Sebastian Knauer sie nun auf einem modernen Steinway vorträgt, und Puristen mögen sich darüber ärgern.
Aber Bach selber hätte es wohl ebenso gemacht. Die Frage also, ob es zulässig ist, Bach auch im Zeitalter des historisch korrekten Musi- zierens auf modernen Instrumenten zu spielen, stellt sich nicht. Ob Knauer aber eine spannende neue Sichtweise auf Bachs Werk gelingt, das ist die interessante Frage.
Der Pianist beantwortet sie, indem er auf Traditionen verweist - nicht zuletzt auf die seiner eigenen Familie. Dass er nebenher Bach nebst seinen Söhnen zu Quasi-Hamburgern erklärt, lässt schmunzeln. Er stellt zwei "Klavierkonzerte" des Thomaskantors neben Werke seiner Söhne Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) und Johann Christian Bach (1735 bis 1782). So macht der Pianist Entwicklung hörbar - vom Barock über den eher galanten Stil von Carl Philipp Emanuel Bach bis hin zum Werk seines Bruders und Schülers Johann Christian Bach, das schon deutlich auf die Frühklassik verweist.
Mit der strengen Form Johann Sebastian Bachs weiß Knauer jedoch eher wenig anzufangen. Er spielt brillant, stets durchsichtig und mit weichem, aber perlendem Ton. Doch man hat ein bisschen den Ein- druck, Examensstücke zu hören statt Musik, der sich der Interpret mit Leidenschaft und Verstand verschrieben hat. Diese Distanz ist auch beim Zürcher Kammerorchester festzustellen, das hier seine erste Aufnahme unter seinem neuen Chefdirigenten Sir Roger Norrington eingespielt hat. Sie schwindet erst bei den eher drama- tischen als mathematischen Werken der beiden Bach-Söhne; das Konzert von Johann Christian Bach scheint auch dem Solisten am meisten zu liegen. Hier beginnt der Flügel auf einmal zu singen, und die Kadenzen gefallen mir hier am besten.
Samstag, 7. Januar 2012
Meyerbeer: Il crociato in Egitto (Naxos)
Giacomo Meyerbeer, eigentlich Jakob Liebmann Meyer Beer (1791 bis 1864), war einer der bedeu- tendsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts. Zu seinen Lehrern gehörten unter anderem Carl Friedrich Zelter, Abbé Vogler und Antonio Salieri. Letzterer riet ihm, nach Italien zu gehen. Dort schrieb Meyerbeer eine ganze Reihe Opern, doch der Durchbruch gelang ihm erst in Paris, wo er gemeinsam mit dem Dramatiker Eugène Scribe die Opern Robert
le Diable, Les Huguenots, Le prophète und L'Africaine schuf. Kein Zweifel: Die Grand opéra lag ihm.
le Diable, Les Huguenots, Le prophète und L'Africaine schuf. Kein Zweifel: Die Grand opéra lag ihm.
Doch auch der Stil Rossinis war Meyerbeer nicht fremd, wie die letzte in Italien entstandene Oper zeigt. Il crociato in Egitto, nach einem Libretto von Gaetano Rossi, wurde 1824 im Teatro La Fenice in Vene- dig uraufgeführt. Von dort stammt auch die Einspielung aus dem Jahre 2007, die das Label Naxos nun auf drei CD vorlegt.
Die Handlung ist nicht unbedingt das, was man sich für vier lange Stunden wünscht. Held dieser Oper ist der Kreuzritter Armando d'Orville, der unter falschem Namen am Hofe von Sultan Saladin lebt - und dessen Tochter Palmide, die heimlich zum Christentum konver- tiert ist, ebenso heimlich geheiratet hat. Doch da naht schon das Unheil in Gestalt von Armandos früherer Verlobter Felicia, die sich als Mann verkleidet hat und gemeinsam mit Armandos Onkel Adriano di Monfort in Ägypten eintrifft. Daraus entstehen böse Verwicklun- gen, die Anlass zu vielen, teilweise ziemlich virtuosen Arien geben - und angesichts der herrlichen Musik verzeiht man gerne sämtliche Schwächen dieser Geschichte.
Das liegt nicht zuletzt an Patrizia Ciofi, die die schwierige Partie der Palmide perfekt gestaltet. Sie ist ohne Zweifel der Star des Ensembles, das jedoch auch sonst nicht schlecht besetzt ist. Sehr hörenswert sind beispielsweise die beiden Mezzosopranistinnen Silvia Pasini und Laura Polverelli als Alma und Felicia, sowie Marco Vinco als Aladino und Iorio Zennaro als Osmino. Die Besetzung der Rolle des Armando d'Orville hingegen ist Geschmackssache. Sie wurde seinerzeit für einen Kastraten geschrieben; der amerikanische Sopranist Michael Maniaci verfügt zwar über ein beträchtliches Stimmvolumen, aber für diese Partie würde man sich doch etwas mehr virtuose Stimmführung und Delikatesse in der Gestaltung wünschen.
Colours of the French Horn (Oehms Classics)
Auch wenn das wenig bekannt ist - doch das Horn gehörte offenbar zu den Lieblingsinstrumenten vieler Komponisten. Szabolcs Zempléni, Solo-Hornist bei den Bamberger Symphonikern und Professor an der Musikhochschule Trossingen, und Pianist Péter Nagy haben auf dieser CD einige Beispiele für Huldigungen an den klingenden Mythos versammelt.
Der Hörnerklang wird heute nicht mehr die Mauern von Jericho zum Einsturz bringen. Auch hat die Erfindung des Ventilhorns das Ausdrucksvermögen des Instrumentes gewaltig erweitert. Eine der ersten, der Kammermusik für den einsti- gen Signalgeber schrieb, war Robert Schumann. Sein Adagio und Allegro op. 70 setzt ganz auf den Dialog zwischen Horn und Klavier. Die Drei Romanzen op. 94 schuf er zwar für die Oboe, ad libitum auch für Violine, doch Zempléni macht deutlich, dass das Horn ebenso ausdrucksstark und innig klingen kann.
Gioachino Rossini war der Sohn eines Hornisten. Präludium, Thema und Variationen in E-Dur aus dem Jahre 1857 zeigen, dass er das Instrument liebte - und sein Klangspektrum ausreizte. Auch Richard Strauss ist mit Hornmusik aufgewachsen: Sein Vater Franz war mehr als 40 Jahre lang Solo-Hornist der Königlich Bayerischen Hofkapelle und Professor an der Musikakademie München. Das Andante für Horn und Klavier widmete er seinem "lieben hochverehrten Vater zur silbernen Hochzeit".
Leichtigkeit vermittelt das Divertimento für Horn und Klavier von Jean Francais. Die Elegie für Horn und Klavier von Francis Poulenc hingegen erweist sich als ergreifender Klagegesang, den der Kompo- nist 1917 im Gedenken an einen Hornisten anstimmte, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Moderne Ausdrucksmittel nutzt Volker David Kirchner in Tre Poemi. Dieses Werk, das die Tradition des romantischen Charakterstückes aufgreift, entstammt einem Zyklus für Singstimme, Horn und Klavier nach den Sonetten an Orpheus von Rainer Maria Rilke.
Szabolcs Zempléni, Jahrgang 1981, hat bereits viele Preise errungen. Er gehört ohne Zweifel zu den überragenden Hornisten seiner Genera- tion. Zempléni bewältigt auch höchste Anforderungen mit spieleri- scher Leichtigkeit, und begeistert durch seinen seidenweichen Klang, den er jedoch jederzeit nach Belieben färben kann. Péter Nagy, ebenfalls ausgebildet in Budapest und seit 2010 Professor an der Hochschule für Musik in Stuttgart, ist ihm ein sensibler Partner. Es ist ein ausgesprochenes Vergnügen, den beiden Musikern zuzuhören. Faszinierend!
Der Hörnerklang wird heute nicht mehr die Mauern von Jericho zum Einsturz bringen. Auch hat die Erfindung des Ventilhorns das Ausdrucksvermögen des Instrumentes gewaltig erweitert. Eine der ersten, der Kammermusik für den einsti- gen Signalgeber schrieb, war Robert Schumann. Sein Adagio und Allegro op. 70 setzt ganz auf den Dialog zwischen Horn und Klavier. Die Drei Romanzen op. 94 schuf er zwar für die Oboe, ad libitum auch für Violine, doch Zempléni macht deutlich, dass das Horn ebenso ausdrucksstark und innig klingen kann.
Gioachino Rossini war der Sohn eines Hornisten. Präludium, Thema und Variationen in E-Dur aus dem Jahre 1857 zeigen, dass er das Instrument liebte - und sein Klangspektrum ausreizte. Auch Richard Strauss ist mit Hornmusik aufgewachsen: Sein Vater Franz war mehr als 40 Jahre lang Solo-Hornist der Königlich Bayerischen Hofkapelle und Professor an der Musikakademie München. Das Andante für Horn und Klavier widmete er seinem "lieben hochverehrten Vater zur silbernen Hochzeit".
Leichtigkeit vermittelt das Divertimento für Horn und Klavier von Jean Francais. Die Elegie für Horn und Klavier von Francis Poulenc hingegen erweist sich als ergreifender Klagegesang, den der Kompo- nist 1917 im Gedenken an einen Hornisten anstimmte, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Moderne Ausdrucksmittel nutzt Volker David Kirchner in Tre Poemi. Dieses Werk, das die Tradition des romantischen Charakterstückes aufgreift, entstammt einem Zyklus für Singstimme, Horn und Klavier nach den Sonetten an Orpheus von Rainer Maria Rilke.
Szabolcs Zempléni, Jahrgang 1981, hat bereits viele Preise errungen. Er gehört ohne Zweifel zu den überragenden Hornisten seiner Genera- tion. Zempléni bewältigt auch höchste Anforderungen mit spieleri- scher Leichtigkeit, und begeistert durch seinen seidenweichen Klang, den er jedoch jederzeit nach Belieben färben kann. Péter Nagy, ebenfalls ausgebildet in Budapest und seit 2010 Professor an der Hochschule für Musik in Stuttgart, ist ihm ein sensibler Partner. Es ist ein ausgesprochenes Vergnügen, den beiden Musikern zuzuhören. Faszinierend!
Freitag, 6. Januar 2012
Bach: Six Suites BWV 1007 - 1012; Rémy (Celestial Harmonies)
Ludger Rémy, international präsent als Dirigent "Alter" Musik sowie als Spezialist für historisch korrektes Musizieren auf Cembalo und Hammerklavier, spielt Bach. Das wäre nicht weiter erwähnens- wert, wenn der Musiker nicht zugleich ein Tabu gebrochen hätte: Rémy spielt Bachs Cello-Suiten auf dem Cembalo.
Und obwohl bekannt ist, dass Bach selbst eine Menge seiner Werke für Cembalo bearbeitet hat, und dass er beispielsweise Teile seiner Par- titen und Sonaten für Violine solo für Laute oder Clavier arrangiert hat, sieht der Musiker die Notwendigkeit, sich dafür in dem Beiheft umfangreich zu rechtfertigen.
So erzählt der Gründer des Ensembles Les Amis de Philippe, seit 1998 zudem Professor für Alte Musik an der Musikhochschule Dresden, in einem "Märchen", er habe bei der Suche nach Archivalien auf den Spuren der Gebrüder Graun im Pfarrarchiv einer sorbischen Gemein- de schon vor Jahren Fragmente der Suiten für Violoncello solo ge- funden - sieben doppelseitig beschriebene Blätter, die seiner Meinung nach beweisen, dass die Cellosuiten aus einem Werk für Tasteninstru- ment entstanden sind. Rémy hoffte, diese legendäre Urschrift ander- weitig aufspüren zu können. Das ist ihm bislang leider nicht gelungen. "Nun aber, 11 Jahr später und fünf Jahre nach meiner Entdeckung, lege ich hiermit eine aus den Südbrandenburger Fragmenten und den überlieferten Cellosuiten erstellte Fassung der Werke vor, die vermutlich einer Urschrift recht nahe kommt."
Dazu hat Rémy einerseits Bachs eigene Bearbeitungspraxis sorgsam studiert. Andererseits hat er sich gründlich mit musikhistorischen Quellen auseinandergesetzt, die zeigen, wie andere Cembalovirtuosen zur Zeit Bachs eine solche Aufgabe gelöst haben. "Unter gar keinen Umständen sollte den Adaptationen der Klang einer simplen Über- tragung anhaften, sondern es sollte Musik entstehen, die es zwar schon gab, die nun aber sehr speziell dem neuen Instrument Cemba- lo und seiner Klangwelt entspräche: nicht Cellosuiten sollten hörbar werden, sondern Cembalosuiten", beschriebt Rémy sein Ziel: "Es sollte nicht Bach als hehre Idee dominieren, sondern Bach auf dem Cembalo."
Diese Mimikry ist Rémy ziemlich perfekt gelungen, auch wenn man sich manchmal nicht ganz sicher ist, ob es nicht doch Carl Philipp Emanuel Bach ist, den man da hört. In jedem Falle hat sich der Musiker an ein hochinteressantes Experiment gewagt, und dafür eine sehr achtbare Lösung gefunden. Rémy lässt sich auf einem Clavicem- balo hören, das der Bremer Cembalobauer Martin Skowroneck nach deutschen Vorbildern aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschaffen hat. Er bringt das Instrument zum Singen - was für ein Cembalo, dessen Saiten ja gezupft werden, nicht eben typisch ist - und beeindruckt auch sonst mit seinem klugen, aber keineswegs emo- tionslosen Spiel. Ich finde das Experiment auf dieser Doppel-CD kühn, aber in jeder Hinsicht geglückt - und kann diese schöne Aufnahme nur empfehlen.
Und obwohl bekannt ist, dass Bach selbst eine Menge seiner Werke für Cembalo bearbeitet hat, und dass er beispielsweise Teile seiner Par- titen und Sonaten für Violine solo für Laute oder Clavier arrangiert hat, sieht der Musiker die Notwendigkeit, sich dafür in dem Beiheft umfangreich zu rechtfertigen.
So erzählt der Gründer des Ensembles Les Amis de Philippe, seit 1998 zudem Professor für Alte Musik an der Musikhochschule Dresden, in einem "Märchen", er habe bei der Suche nach Archivalien auf den Spuren der Gebrüder Graun im Pfarrarchiv einer sorbischen Gemein- de schon vor Jahren Fragmente der Suiten für Violoncello solo ge- funden - sieben doppelseitig beschriebene Blätter, die seiner Meinung nach beweisen, dass die Cellosuiten aus einem Werk für Tasteninstru- ment entstanden sind. Rémy hoffte, diese legendäre Urschrift ander- weitig aufspüren zu können. Das ist ihm bislang leider nicht gelungen. "Nun aber, 11 Jahr später und fünf Jahre nach meiner Entdeckung, lege ich hiermit eine aus den Südbrandenburger Fragmenten und den überlieferten Cellosuiten erstellte Fassung der Werke vor, die vermutlich einer Urschrift recht nahe kommt."
Dazu hat Rémy einerseits Bachs eigene Bearbeitungspraxis sorgsam studiert. Andererseits hat er sich gründlich mit musikhistorischen Quellen auseinandergesetzt, die zeigen, wie andere Cembalovirtuosen zur Zeit Bachs eine solche Aufgabe gelöst haben. "Unter gar keinen Umständen sollte den Adaptationen der Klang einer simplen Über- tragung anhaften, sondern es sollte Musik entstehen, die es zwar schon gab, die nun aber sehr speziell dem neuen Instrument Cemba- lo und seiner Klangwelt entspräche: nicht Cellosuiten sollten hörbar werden, sondern Cembalosuiten", beschriebt Rémy sein Ziel: "Es sollte nicht Bach als hehre Idee dominieren, sondern Bach auf dem Cembalo."
Diese Mimikry ist Rémy ziemlich perfekt gelungen, auch wenn man sich manchmal nicht ganz sicher ist, ob es nicht doch Carl Philipp Emanuel Bach ist, den man da hört. In jedem Falle hat sich der Musiker an ein hochinteressantes Experiment gewagt, und dafür eine sehr achtbare Lösung gefunden. Rémy lässt sich auf einem Clavicem- balo hören, das der Bremer Cembalobauer Martin Skowroneck nach deutschen Vorbildern aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschaffen hat. Er bringt das Instrument zum Singen - was für ein Cembalo, dessen Saiten ja gezupft werden, nicht eben typisch ist - und beeindruckt auch sonst mit seinem klugen, aber keineswegs emo- tionslosen Spiel. Ich finde das Experiment auf dieser Doppel-CD kühn, aber in jeder Hinsicht geglückt - und kann diese schöne Aufnahme nur empfehlen.
Donnerstag, 5. Januar 2012
Muffat: Propitia Sydera - Concerti grossi (Stradivarius)
Georg Muffat (1653 bis 1704) war ein Schüler von Jean-Baptiste Lully. Er studierte in Ingolstadt Jura, und ging dann auf die Suche nach einer Anstellung. Muffat fand sie schließlich 1678 in Salzburg, als Domorganist und Kammerdiener bei Erzbischof Max Gandolph Graf von Kuenburg.
Sein Dienstherr scheint den Musi- ker geschätzt zu haben, denn er finanzierte ihm einen längeren Aufenthalt in Italien, wo Muffat bei Bernardo Pasquini, einem der besten Organisten und Cembalisten der damaligen Zeit, "die Welsche Manier auf dem Clavier erlernet". In Rom lernte Muffat unter ande- rem Arcangelo Corelli kennen, der ihn sehr beeindruckte und sein Werk prägte.
1690 ging Muffat nach Passau an den Hof des Kardinals Fürstbischof Johann Philipp von Lamberg, wo er bis an sein Lebensende als Hof- kapellmeister und Pagenoberhofmeister wirkte. Muffat war ein Mittler zwischen der italienischen und der französischen Musiktradition. Dabei bewies er viel Stilgefühl, wie diese CD beweist: Das Ensemble La Concordanza, das von Irene De Ruvo am Cembalo geleitet wird, hat für Stradivarius einige seiner Werke im italienischen Stil eingespielt. Dabei handelt es sich um vier Concerti grossi und eine Sonata a violino solo - ein Solitär im Werk des Komponisten; vielleicht hat er das Werk für den berühmten Violinvirtuosen Heinrich Ignaz Franz Biber geschrieben, der ebenfalls am Hof in Salzburg wirkte. Stefano Rossi, der erste Geiger von La Concordanza, trägt das Werk hier vor.
Die Werke Muffats verbinden italienische Leichtigkeit mit französi- scher Eleganz (und gelegentlich, vor allem im Orgelwerk, auch deut- scher Formstrenge). Diese Aufnahme macht uns auf wundervolle Musik aufmerksam, die bislang auch unerklärlichen Gründen nicht die Beachtung gefunden hat, die sie verdient. La Concordanza überzeugt mit einer Interpretation voll Charme und Delikatesse. Bravi!
Sein Dienstherr scheint den Musi- ker geschätzt zu haben, denn er finanzierte ihm einen längeren Aufenthalt in Italien, wo Muffat bei Bernardo Pasquini, einem der besten Organisten und Cembalisten der damaligen Zeit, "die Welsche Manier auf dem Clavier erlernet". In Rom lernte Muffat unter ande- rem Arcangelo Corelli kennen, der ihn sehr beeindruckte und sein Werk prägte.
1690 ging Muffat nach Passau an den Hof des Kardinals Fürstbischof Johann Philipp von Lamberg, wo er bis an sein Lebensende als Hof- kapellmeister und Pagenoberhofmeister wirkte. Muffat war ein Mittler zwischen der italienischen und der französischen Musiktradition. Dabei bewies er viel Stilgefühl, wie diese CD beweist: Das Ensemble La Concordanza, das von Irene De Ruvo am Cembalo geleitet wird, hat für Stradivarius einige seiner Werke im italienischen Stil eingespielt. Dabei handelt es sich um vier Concerti grossi und eine Sonata a violino solo - ein Solitär im Werk des Komponisten; vielleicht hat er das Werk für den berühmten Violinvirtuosen Heinrich Ignaz Franz Biber geschrieben, der ebenfalls am Hof in Salzburg wirkte. Stefano Rossi, der erste Geiger von La Concordanza, trägt das Werk hier vor.
Die Werke Muffats verbinden italienische Leichtigkeit mit französi- scher Eleganz (und gelegentlich, vor allem im Orgelwerk, auch deut- scher Formstrenge). Diese Aufnahme macht uns auf wundervolle Musik aufmerksam, die bislang auch unerklärlichen Gründen nicht die Beachtung gefunden hat, die sie verdient. La Concordanza überzeugt mit einer Interpretation voll Charme und Delikatesse. Bravi!
Mittwoch, 4. Januar 2012
In stile italiano - Bach, Marcello & Bigaglio (Musicaphon)
In Weimar hatte der junge Bach erstmals Gelegenheit, die neuesten italienischen Konzerte zu studie- ren. So hat ihn der Austausch mit dem Dresdner Musikdirektor Johann Georg Pisendel, einem Schüler Vivaldis, nachweislich inspiriert. Doch auch Johann Ernst von Sachsen-Weimar, der Bruder des Regenten und ein Schüler Bachs, brachte von seiner Kava- lierstour, die ihn in die Niederlande führte, Partituren italienischer Komponisten mit.
Bach hat die Anregungen, die er dadurch erfuhr, begierig aufgenom- men. Diese CD stellt einige seiner Werke in Kontrast zu zwei Sonaten von Diogenio Bigaglia (um 1676 bis 1745) und Benedetto Marcello (1686 bis 1739). Stefano Bagliano, Blockflöte, und Christian Brembeck am Cembalo musizieren mit Leidenschaft und auch mit sehr viel Sachverstand. Baglianos virtuoses Flötenspiel bezaubert; wer ihn spielen hört, der fragt nicht mehr, warum das Instrument flauto dolce genannt wird.
Das berühmte Concerto nach italienischen Gusto aus dem zweiten Teil der Clavierübung, das man hier erwartet hätte, spielt Brembeck diesmal freilich nicht. "Hier treibt Bach seine Auseinandersetzung mit der Form des italienischen Concerto gewissermaßen auf die Spitze", erläutert der Musiker in dem sehr informativen Beiheft: "Er schreibt eine 'virtuelle' Transkription eines (nie existent gewesenen!) Konzertes italienischer Prägung für ein Cembalo mit zwei Manualen, mit klarer Aufteilung der Tutti- und Concertino-Passagen!"
Doch den Musikern geht es eher um einen Blick in die Werkstatt des Komponisten, und daher haben sie für diese CD ein anderes Solo-Stück für das Cembalo ausgewählt: Die Aria variata alla maniera italiana BWV 989, welche die Begegnung der Variationspraxis italienischer Meister mit der sehr deutschen Form der Choralpartita dokumentiert.
Ansonsten zeigen sie "Bachs ureigene Erfindung einer echten Triosonate für nur zwei Instrumente", so Brembeck - "Stimme des Soloinstrumentes, weitere Melodiestimme in der rechten Hand des Cembalos, Bassstimme in der linken Hand". Das ist wirklich ein interessanter Aspekt, und wenn so brillant musiziert wird wie hier, dann kann man wirklich nur empfehlen: Unbedingt reinhören!
Bach hat die Anregungen, die er dadurch erfuhr, begierig aufgenom- men. Diese CD stellt einige seiner Werke in Kontrast zu zwei Sonaten von Diogenio Bigaglia (um 1676 bis 1745) und Benedetto Marcello (1686 bis 1739). Stefano Bagliano, Blockflöte, und Christian Brembeck am Cembalo musizieren mit Leidenschaft und auch mit sehr viel Sachverstand. Baglianos virtuoses Flötenspiel bezaubert; wer ihn spielen hört, der fragt nicht mehr, warum das Instrument flauto dolce genannt wird.
Das berühmte Concerto nach italienischen Gusto aus dem zweiten Teil der Clavierübung, das man hier erwartet hätte, spielt Brembeck diesmal freilich nicht. "Hier treibt Bach seine Auseinandersetzung mit der Form des italienischen Concerto gewissermaßen auf die Spitze", erläutert der Musiker in dem sehr informativen Beiheft: "Er schreibt eine 'virtuelle' Transkription eines (nie existent gewesenen!) Konzertes italienischer Prägung für ein Cembalo mit zwei Manualen, mit klarer Aufteilung der Tutti- und Concertino-Passagen!"
Doch den Musikern geht es eher um einen Blick in die Werkstatt des Komponisten, und daher haben sie für diese CD ein anderes Solo-Stück für das Cembalo ausgewählt: Die Aria variata alla maniera italiana BWV 989, welche die Begegnung der Variationspraxis italienischer Meister mit der sehr deutschen Form der Choralpartita dokumentiert.
Ansonsten zeigen sie "Bachs ureigene Erfindung einer echten Triosonate für nur zwei Instrumente", so Brembeck - "Stimme des Soloinstrumentes, weitere Melodiestimme in der rechten Hand des Cembalos, Bassstimme in der linken Hand". Das ist wirklich ein interessanter Aspekt, und wenn so brillant musiziert wird wie hier, dann kann man wirklich nur empfehlen: Unbedingt reinhören!
Dienstag, 3. Januar 2012
Mozart: Violin Concertos 3 & 5, Rondo & Adagio; Henkel (The Spot Records)
Die Aufnahmen von Mozart-Violinkonzerten sind Legion. Was also veranlasst Susanna Yoko Henkel, eine Schülerin von Rainer Kussmaul und Ana Chumachenko, mehrfache Wettbewerbssiegerin und sogar Gewinnerin des ECHO Klassik 2011, eine weitere Einspielung hinzuzufügen?
Man hört - und staunt: Einen so romantischen Ton hat man bei Mozart lange nicht vernommen. Diese Klänge erinnern, zumindest was die Solo-Violine angeht, an Anne Sophie Mutter. Und das ist, jedenfalls im Zusammenhang mit Mozart, absolut kein Kompliment für Susanna Yoko Henkel.
Die junge Geigerin leitet zugleich das Lithuanian Chamber Orchestra, und das klingt verblüffend wenig elegant, ja, gelegentlich wirkt der Beitrag der Orchestermusiker sogar ruppig. "Was das Orchester be- trifft, so habe ich bewusst einen transparenten, kammermusikali- schen Klang gesucht. Der Bassgruppe haben wir, wie zu Mozarts Zeiten üblich, ein Fagott hinzugefügt", erläutert Henkel. "Interessant fand ich die Tatsache, dass damals mehr Kontrabässe als Violoncelli eingesetzt wurden (...) Auch wenn das heute nicht mehr üblich ist, so bedeutet es meiner Meinung nach, dass ein besonderes Augenmerk auf eine prägnante Bassgruppe zu richten ist, die unabhängig von der Besetzung ein starkes, rhythmisch federndes Fundament bilden soll. Hierbei habe ich bewusst nicht die Verschmelzung mit den oberen Stimmen, sondern einen eigenständigen Puls gesucht - im Jazz nennt man das den 'Groove'."
Sorry, aber mich erinnert das eher an einen Brummtopf, der Dorf- musikanten bei ihren Bemühungen um rhythmisches Fundament unterstützt, und auch meist zu laut und etwas unpräzise anspricht - zumal das Orchester auch sonst nicht gerade geschmeidig spielt; das klappert alles reichlich hölzern und unsinnlich neben der Solistin daher, die wiederum ihren Tschaikowski-Ton kultiviert. Über die technische Qualität der Einspielung wollen wir an dieser Stelle zudem lieber gar nichts schreiben.
Da hilft auch eine historisch informierte Verzierungspraxis nebst Quellenstudium und gar nicht mal uninteressanten eigenen Kadenzen nicht weiter - diese Aufnahme gehört nicht zu meinen Favoriten. "Es ging wie Öl", berichtete Mozart einst über ein Konzert an seinen Vater. Von dieser CD lässt sich das leider nicht sagen.
Man hört - und staunt: Einen so romantischen Ton hat man bei Mozart lange nicht vernommen. Diese Klänge erinnern, zumindest was die Solo-Violine angeht, an Anne Sophie Mutter. Und das ist, jedenfalls im Zusammenhang mit Mozart, absolut kein Kompliment für Susanna Yoko Henkel.
Die junge Geigerin leitet zugleich das Lithuanian Chamber Orchestra, und das klingt verblüffend wenig elegant, ja, gelegentlich wirkt der Beitrag der Orchestermusiker sogar ruppig. "Was das Orchester be- trifft, so habe ich bewusst einen transparenten, kammermusikali- schen Klang gesucht. Der Bassgruppe haben wir, wie zu Mozarts Zeiten üblich, ein Fagott hinzugefügt", erläutert Henkel. "Interessant fand ich die Tatsache, dass damals mehr Kontrabässe als Violoncelli eingesetzt wurden (...) Auch wenn das heute nicht mehr üblich ist, so bedeutet es meiner Meinung nach, dass ein besonderes Augenmerk auf eine prägnante Bassgruppe zu richten ist, die unabhängig von der Besetzung ein starkes, rhythmisch federndes Fundament bilden soll. Hierbei habe ich bewusst nicht die Verschmelzung mit den oberen Stimmen, sondern einen eigenständigen Puls gesucht - im Jazz nennt man das den 'Groove'."
Sorry, aber mich erinnert das eher an einen Brummtopf, der Dorf- musikanten bei ihren Bemühungen um rhythmisches Fundament unterstützt, und auch meist zu laut und etwas unpräzise anspricht - zumal das Orchester auch sonst nicht gerade geschmeidig spielt; das klappert alles reichlich hölzern und unsinnlich neben der Solistin daher, die wiederum ihren Tschaikowski-Ton kultiviert. Über die technische Qualität der Einspielung wollen wir an dieser Stelle zudem lieber gar nichts schreiben.
Da hilft auch eine historisch informierte Verzierungspraxis nebst Quellenstudium und gar nicht mal uninteressanten eigenen Kadenzen nicht weiter - diese Aufnahme gehört nicht zu meinen Favoriten. "Es ging wie Öl", berichtete Mozart einst über ein Konzert an seinen Vater. Von dieser CD lässt sich das leider nicht sagen.
Rameau: Pièces de Clavecin; Chassot (Genuin)
"Schon immer hat mich der Klang des Akkordeons fasziniert", sagt Viviane Chassot. "Allerdings gefiel mir die Musik, die darauf gespielt wurde, überhaupt nicht. Als ich entdeckte, dass es möglich ist, auf dem Akkordeon auch klassische Musik zu spielen, schien der Weg klar." Denn mittlerweile hat das Akkordeon auch seinen Raum an den Musikhochschulen und auf dem Konzertpodium erobert.
Viviane Chassot hat in Bern bei Teodoro Anzelotti studiert; sie hat etliche Preise gewonnen, und ist eine gefragte Solistin. Nach ihrem Debüt bei Genuin, das sie mit So- naten von Joseph Haydn bestritten hat, wählte sie nun für diese CD einige der Pièces de Clavecin aus dem reichen Werk von Jean-Phi- lippe Rameau (1683 bis1744). "Vitalität, verspielte Leichtigkeit und Witz, aber auch die tiefe Ernsthaftigkeit lyrisch angelegter Sätze machen die Suiten abwechslungsreich und lassen sehr viel Spiel- freiheit und Fantasie zu", erläutert Chassot. "Dank dem breiten klanglichen und dynamischen Spektrum des Akkordeons lassen sich die verschiedenen Affekte sehr gut umsetzen. Wie es Rameau gelingt, in kürzester Zeit die verschiedensten Szenen, Bilder, Stimmungen und Charaktere zu skizzieren und auf den Punkt zu bringen, fasziniert mich."
Rameaus Stücke sind Kabinettstückchen, Miniaturen, die beispiels- weise einen Hühnerhof lautmalerisch imitieren - und unversehens zu einem musikalischen Bild der Eitelkeit werden. Hörbar wird aber auch, dass dieses Laster den Menschen aus dem seelischen Gleich- gewicht bringt; diese Musik ist sprunghaft, unausgeglichen und voller Unruhe. Chassot hat sich für Les Cyclopes, Le Rappel des Oiseaux und Les Soupirs aus den Pièces de Clavecin von 1724 entschieden, und für die Suite in g-Moll/G-Dur, zu der unter anderem das berühmte L'En- harmonique gehört, und eine Suite in a-Moll/A-Dur aus den Nouvel- les Suites de Pièces de Clavecin von 1728.
Auch wenn diese Werke ursprünglich für Cembalo entstanden sind, gelingt es der Musikerin ausgezeichnet, sie auf das Akkordeon zu übertragen. Dabei löst sie sich von der Vorstellung, das Original penibel umsetzen zu müssen. "Wichtig ist mir bei der Interpretation dieser Stücke der Kompromiss zwischen stilgerechter historischer Aufführungspraxis und den spezifischen klanglichen Möglichkeiten des Akkordeons", unterstreicht Chassot. "Die Flüchtigkeit eines Kielflügels wird auf dem Akkordeon zwar nie hörbar sein, da die Tonerzeugung nicht so unmittelbar stattfindet wie auf dem Cembalo. Dennoch kann auch der Klang des Akkordeons auf berührende Weise fragil sein."
Der Hörer dieser CD wird dies erfreut bestätigen. Man staunt darüber, welche Lösungen die Akkordeonistin jeweils gefunden hat, das Klang- bild des Cembalos adäquat auf ihr Instrument zu übertragen. Ihr Spiel ist brillant, und ihr Umgang mit dem Instrument ist blitzgescheit - das macht die Aufnahme zu einem absoluten Hörvergnügen. Brava!
Viviane Chassot hat in Bern bei Teodoro Anzelotti studiert; sie hat etliche Preise gewonnen, und ist eine gefragte Solistin. Nach ihrem Debüt bei Genuin, das sie mit So- naten von Joseph Haydn bestritten hat, wählte sie nun für diese CD einige der Pièces de Clavecin aus dem reichen Werk von Jean-Phi- lippe Rameau (1683 bis1744). "Vitalität, verspielte Leichtigkeit und Witz, aber auch die tiefe Ernsthaftigkeit lyrisch angelegter Sätze machen die Suiten abwechslungsreich und lassen sehr viel Spiel- freiheit und Fantasie zu", erläutert Chassot. "Dank dem breiten klanglichen und dynamischen Spektrum des Akkordeons lassen sich die verschiedenen Affekte sehr gut umsetzen. Wie es Rameau gelingt, in kürzester Zeit die verschiedensten Szenen, Bilder, Stimmungen und Charaktere zu skizzieren und auf den Punkt zu bringen, fasziniert mich."
Rameaus Stücke sind Kabinettstückchen, Miniaturen, die beispiels- weise einen Hühnerhof lautmalerisch imitieren - und unversehens zu einem musikalischen Bild der Eitelkeit werden. Hörbar wird aber auch, dass dieses Laster den Menschen aus dem seelischen Gleich- gewicht bringt; diese Musik ist sprunghaft, unausgeglichen und voller Unruhe. Chassot hat sich für Les Cyclopes, Le Rappel des Oiseaux und Les Soupirs aus den Pièces de Clavecin von 1724 entschieden, und für die Suite in g-Moll/G-Dur, zu der unter anderem das berühmte L'En- harmonique gehört, und eine Suite in a-Moll/A-Dur aus den Nouvel- les Suites de Pièces de Clavecin von 1728.
Auch wenn diese Werke ursprünglich für Cembalo entstanden sind, gelingt es der Musikerin ausgezeichnet, sie auf das Akkordeon zu übertragen. Dabei löst sie sich von der Vorstellung, das Original penibel umsetzen zu müssen. "Wichtig ist mir bei der Interpretation dieser Stücke der Kompromiss zwischen stilgerechter historischer Aufführungspraxis und den spezifischen klanglichen Möglichkeiten des Akkordeons", unterstreicht Chassot. "Die Flüchtigkeit eines Kielflügels wird auf dem Akkordeon zwar nie hörbar sein, da die Tonerzeugung nicht so unmittelbar stattfindet wie auf dem Cembalo. Dennoch kann auch der Klang des Akkordeons auf berührende Weise fragil sein."
Der Hörer dieser CD wird dies erfreut bestätigen. Man staunt darüber, welche Lösungen die Akkordeonistin jeweils gefunden hat, das Klang- bild des Cembalos adäquat auf ihr Instrument zu übertragen. Ihr Spiel ist brillant, und ihr Umgang mit dem Instrument ist blitzgescheit - das macht die Aufnahme zu einem absoluten Hörvergnügen. Brava!
Sonntag, 1. Januar 2012
Rossini: William Tell (EMI Classics)
Die letzte Oper von Gioachino Rossini (1792 bis 1868) galt dem Freiheitskampf der Schweizer gegen das Haus Habsburg. Antonio Pappano hat Guillaume Tell nun in der französischen Originalfassung nach der kritischen Edition für EMI Classics eingespielt. Dort erschien kürzlich der Mitschnitt einer kon- zertanten Aufführung mit Orche- stra e Coro dell'Accademia Nazio- nale di Santa Cecilia Roma vom Oktober und Dezember 2010. Und die hat es durchaus in sich.
Denn die Geschichte um den Gesslerhut, den legendären Apfelschuss und den Rütlischwur hat der Komponist so umgesetzt, wie es dem französischen Geschmack entsprach. Das Ergebnis: Der Titelheld, Bassbariton, erhielt keine einzige "klassische" Arie. Der eigentliche Gegenspieler des verhassten Landvogts Gessler ist das Volk - und so treiben gewaltige Chöre das Geschehen voran. Damit jedoch auch die Liebhaber schöner Stimmen zu ihrem Recht kommen, gibt es in dieser Oper die Partie des Arnoldo Melcthal - mit 54 Bs, 15 Hs, 19 hohen Cs und zwei Cis.
John Osborne empfiehlt sich damit als Rossini-Tenor; er erweist sich nicht nur sozusagen als höhensicher, sondern er zeigt auch Stilgefühl, das durchaus begeistert. Gerald Finley überzeugt als Guillaume Tell. Als Hedwige und Jemmy, Frau und Kind des Helden, sind Marie-Ni- cole Lemieux und Elena Xanthoudakis zu hören. Mathilde, Prinzessin aus dem Hause Habsburg, die große Liebe des Arnold Melcthal, sang Malin Byström. Doch die wahren Helden dieser Oper sind die wacke- ren Schweizer - der Coro dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia gibt ihnen Stimme, und macht deutlich, wieso diese Grand Opéra nach Schiller, erstmals aufgeführt 1829 in Paris, die Krönung und ein wür- diger Schlusspunkt von Rossinis Engagement als Opernkomponist war. Selbst Wagner bescheinigte seinem italienischen Kollegen, er habe hier "Musik für die Ewigkeit" geschrieben.
Pappano zeigt mit den wuchtigen Chören und dem beredten Orche- sterpart, wie nah dieses Werk bereits den Opern Verdis ist - und warum Rossinis Guillaume Tell im von den Habsburgern beherrsch- ten Italien gar nicht willkommen war. Eine furiose Einspielung, die das selten gespielte Werk in Erinnerung bringt.