Johann Simon Mayr (1763 bis 1845) gilt als Vater der italieni- schen Oper. Diesen Beinamen gab ihm kein geringerer als sein Freund Rossini - und dennoch fielen der Komponist ebenso wie die gut
60 Opern, die er geschaffen hatte, nach seinem Tode sehr schnell dem Vergessen anheim. Zu Lebzei- ten freilich wurde Mayr in ganz Europa gefeiert.
Zu seinen großen Erfolgen gehörte La Lodoiska. Diese Oper erzählt die Geschichte einer tapferen Polin, die in einer Burg an der polnisch-tatarischen Grenze gefangengehal- ten und vom Burgherrn bedrängt wird. Doch sie liebt nun einmal Lovinski, und da hat Palatin Boleslao schlechte Karten. Dieses Werk nach einem Libretto von Francesco Gonella, das natürlich mit der Befreiung des jungen Paares aus den Ketten des Tyrannen endet, wurde 1796 in Venedig erstmals aufgeführt. 1799 erklang die Oper, die später übrigens die Lieblingsoper Napoleons wurde, in einer überarbeiteten Fassung erstmals in Mailand, und Mayr wurde dort gefeiert.
Es ist erfreulich, dass das Notenmaterial nun bei Ricordi wieder er- hältlich ist; vielleicht nimmt sich ein Opernhaus des Stückes an. Musikalisch zumindest ist das Werk ergiebig, wie diese Aufzeichnung einer konzertanten Aufführung aus dem Jahre 2010 im Theater Ingol- stadt beweist. Dort erklang La Lodoiska erstmal wieder, aufgeführt von einem sehr ordentlichen Solistenensemble, dem Männerchor des Prager Philharmonischen Chores und dem Münchner Rundfunk- orchester, geleitet von George Petrou vom Hammerflügel aus.
Donnerstag, 31. Mai 2012
Une Douceur violente (Ramée)
Über die Lebenswege der Laute- nisten Charles Mouton, Jacques de Gallot und Pierre Gallot ist fast nichts bekannt. Sie lebten im
17. Jahrhundert, unterrichteten ihre teils namhaften Schüler und schufen Lautenmusik, die fest in der französischen Tradition verankert erscheint - aber dabei mit einer Vielzahl origineller Details und einer Intensität des Ausdrucks aufwartet, die noch heute begeistert.
Anthony Bailes, ein ausgesprochen renommierter Spezialist, hat sich dieser wenig bekannten Werke aus der Spätphase der berühmten französischen Lautenschule angenommen. Wer Lautenklänge liebt, der findet bei Ramée eine überzeugende und bis hin zum Spiel- geräusch der Finger auf den Darmsaiten authentische Interpretation dieser charmanten Stücke.
17. Jahrhundert, unterrichteten ihre teils namhaften Schüler und schufen Lautenmusik, die fest in der französischen Tradition verankert erscheint - aber dabei mit einer Vielzahl origineller Details und einer Intensität des Ausdrucks aufwartet, die noch heute begeistert.
Anthony Bailes, ein ausgesprochen renommierter Spezialist, hat sich dieser wenig bekannten Werke aus der Spätphase der berühmten französischen Lautenschule angenommen. Wer Lautenklänge liebt, der findet bei Ramée eine überzeugende und bis hin zum Spiel- geräusch der Finger auf den Darmsaiten authentische Interpretation dieser charmanten Stücke.
Zelenka: Sepolcri - Cantatas for Holy Sepulchre (Supraphon)
"Die frühen Werke eines Kompo- nisten sind besonders interessant", meint Professor Dr. Wolfgang Horn, Inhaber des Lehrstuhls für Musikwissenschaft an der Uni- versität Regensburg. "Oft zeigen sie eine große Kraft und Kühnheit, zuweilen aber auch mangelnde Übung und Erfahrung. Gerade dies aber verrät, welchen Idealen ein Komponist zustrebt."
Der Zelenka-Experte hat zwei der drei Kantaten auf dieser CD rekon- struiert und für Aufführungen wieder zugänglich gemacht. Dr. Reinhold Kubik, Wien, edierte Immisit Dominus pestilentiam ZWV 58, das dritte Werk, das hier zu hören ist. Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) schrieb sie für das Sepulcrum Sacrum; sie waren also Bestandteil der Osterliturgie am Collegium Clementinum, und wurden bei den Altstädter Jesuiten in Prag als Bestandteil der Meditation am Gottesgrab aufgeführt.
Immisit Dominus pestilentiam komponierte Zelenka im Jahre 1709. Attendite et videte ZWV 59 entstand 1712, da war der Musiker bereits in Dresden angestellt, und Deus dux fortissime ZWV 60 schrieb er 1716, da weilte er zu einem Studienaufenthalt beim Kaiserlichen Kapellmeister Johann Joseph Fux in Wien. Alle drei Werke, berichtet Horn in dem sehr informativen Beiheft der CD, sind in Dresden als autographe Partituren überliefert, die aber schlecht erhalten seien. Insbesondere Attendite et videte sei nur deshalb zu rekonstruieren gewesen, weil der Komponist bei dieser Kantate auf seine Missa Sanctae Caeciliae ZWV 1 zurückgegriffen hat, und so vorhandene Musik per Parodieverfahren in ein "neues" Stück verwandelt hat. Dieses "Musik-Recycling" war damals üblich; Händel beispielsweise hat seine schönsten Melodien mehrfach in seinen Opern eingesetzt, und auch Bach ließ Tönet ihr Pauken auch als Jauchzet, frohlocket singen.
Bei Supraphon sind Zelenkas Kantaten nun in der Reihe Music from eighteenth-century Prague erschienen. Die Musikaliensammlung der Salvatorkirche im Prager Clementinum ist nicht erhalten geblieben, so dass diese Werke zu den wenigen Dokumenten gehören, die uns heute einen Rückschluss auf die Kirchenmusik ermöglichen, die im größten und ältesten Jesuitenkolleg Böhmens zu dieser Zeit erklungen ist.
Das Collegium Marianum hat die Weltersteinspielung der drei Sepol- kra übernommen. Das Ensemble, das auf zeitgenössischen Instru- menten musiziert und von der Flötistin Jana Semerádová geleitet wird, konnte für dieses Projekt ein Doppelquartett von herausragen- den Sängern gewinnen. Hana Blazíková und Barbora Sojková, Sopran, David Erler und Daniela Cermáková, Alt, Tobias Hunger und Tomás Lajtkep, Tenor sowie Tomás Král und Jaromír Nosek, Bass, singen ausdrucksstark; Solisten wie Ripienisten sind exzellent, und die Auf- nahme ist vom ersten bis zum letzten Ton eine Freude.
Der Zelenka-Experte hat zwei der drei Kantaten auf dieser CD rekon- struiert und für Aufführungen wieder zugänglich gemacht. Dr. Reinhold Kubik, Wien, edierte Immisit Dominus pestilentiam ZWV 58, das dritte Werk, das hier zu hören ist. Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) schrieb sie für das Sepulcrum Sacrum; sie waren also Bestandteil der Osterliturgie am Collegium Clementinum, und wurden bei den Altstädter Jesuiten in Prag als Bestandteil der Meditation am Gottesgrab aufgeführt.
Immisit Dominus pestilentiam komponierte Zelenka im Jahre 1709. Attendite et videte ZWV 59 entstand 1712, da war der Musiker bereits in Dresden angestellt, und Deus dux fortissime ZWV 60 schrieb er 1716, da weilte er zu einem Studienaufenthalt beim Kaiserlichen Kapellmeister Johann Joseph Fux in Wien. Alle drei Werke, berichtet Horn in dem sehr informativen Beiheft der CD, sind in Dresden als autographe Partituren überliefert, die aber schlecht erhalten seien. Insbesondere Attendite et videte sei nur deshalb zu rekonstruieren gewesen, weil der Komponist bei dieser Kantate auf seine Missa Sanctae Caeciliae ZWV 1 zurückgegriffen hat, und so vorhandene Musik per Parodieverfahren in ein "neues" Stück verwandelt hat. Dieses "Musik-Recycling" war damals üblich; Händel beispielsweise hat seine schönsten Melodien mehrfach in seinen Opern eingesetzt, und auch Bach ließ Tönet ihr Pauken auch als Jauchzet, frohlocket singen.
Bei Supraphon sind Zelenkas Kantaten nun in der Reihe Music from eighteenth-century Prague erschienen. Die Musikaliensammlung der Salvatorkirche im Prager Clementinum ist nicht erhalten geblieben, so dass diese Werke zu den wenigen Dokumenten gehören, die uns heute einen Rückschluss auf die Kirchenmusik ermöglichen, die im größten und ältesten Jesuitenkolleg Böhmens zu dieser Zeit erklungen ist.
Das Collegium Marianum hat die Weltersteinspielung der drei Sepol- kra übernommen. Das Ensemble, das auf zeitgenössischen Instru- menten musiziert und von der Flötistin Jana Semerádová geleitet wird, konnte für dieses Projekt ein Doppelquartett von herausragen- den Sängern gewinnen. Hana Blazíková und Barbora Sojková, Sopran, David Erler und Daniela Cermáková, Alt, Tobias Hunger und Tomás Lajtkep, Tenor sowie Tomás Král und Jaromír Nosek, Bass, singen ausdrucksstark; Solisten wie Ripienisten sind exzellent, und die Auf- nahme ist vom ersten bis zum letzten Ton eine Freude.
Mittwoch, 30. Mai 2012
Nicolai: Herr, auf dich traue ich (Carus)
Otto Nicolai (1810 bis 1849) ist bekannt als Opernkomponist, nicht zuletzt durch Die lustigen Weiber von Windsor. Bekannt ist vielleicht noch, dass er auch ein grandioser Dirigent gewesen sein soll - und dass er die Wiener Philharmoniker gründete.
Dabei war Nicolai in erster Linie Kirchenmusiker. Seine musikali- sche Ausbildung erhielt er am Kö- niglichen Institut für Kirchenmusik in Berlin. 1833 wurde er Organist der preußischen Gesandtschafts- kapelle in Rom. Dort lernte er Giuseppe Baini, den Leiter der päpstli- chen Kapelle, kennen, und vertiefte bei ihm seine kirchenmusikali- schen Studien. Nicolai interessierte sich insbesondere für die Werke der alten italienischen Meister, die er teilweise bereits als Mitglied der Sing-Akademie zu Berlin mit aufgeführt hatte.
Nach einigen Jahren als Kapellmeister und Opernkomponist kehrte er schließlich zurück nach Berlin, um dort für den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zu arbeiten. 1847 wurde er der Nachfolger Felix Mendelssohn Bartholdys in der Position des Hof- und Dom- kapellmeisters.
Diese CD enthält einige der Werke, die Nicolai für die Kirchenmusik schuf; zum größten Teil in Weltersteinspielung. Sie orientieren sich überwiegend am italienischen Vorbild - und sind bis auf Psalmus 54, ein grandioses, zehnstimmiges Werk für die Sing-Akademie, das Nicolai 1834 komponiert hat, und das Assumpta est Maria durchweg für den Domchor und auf Wunsch des Königs entstanden.
Es sind spannungsvolle Werke, die romantische Harmonik und poly- phone Strukturen gern miteinander kombinieren. Einige davon, wie die Vertonung des 31. und des 97. Psalms, enthalten zudem umfang- reiche Solopartien. Der Kammerchor Stuttgart singt diese interes- santen Kompositionen, geleitet von Frieder Bernius, in gewohnt exzellenter Manier. Er gilt vollkommen zu Recht als eines der welt- besten Ensembles. Bravi!
Dabei war Nicolai in erster Linie Kirchenmusiker. Seine musikali- sche Ausbildung erhielt er am Kö- niglichen Institut für Kirchenmusik in Berlin. 1833 wurde er Organist der preußischen Gesandtschafts- kapelle in Rom. Dort lernte er Giuseppe Baini, den Leiter der päpstli- chen Kapelle, kennen, und vertiefte bei ihm seine kirchenmusikali- schen Studien. Nicolai interessierte sich insbesondere für die Werke der alten italienischen Meister, die er teilweise bereits als Mitglied der Sing-Akademie zu Berlin mit aufgeführt hatte.
Nach einigen Jahren als Kapellmeister und Opernkomponist kehrte er schließlich zurück nach Berlin, um dort für den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zu arbeiten. 1847 wurde er der Nachfolger Felix Mendelssohn Bartholdys in der Position des Hof- und Dom- kapellmeisters.
Diese CD enthält einige der Werke, die Nicolai für die Kirchenmusik schuf; zum größten Teil in Weltersteinspielung. Sie orientieren sich überwiegend am italienischen Vorbild - und sind bis auf Psalmus 54, ein grandioses, zehnstimmiges Werk für die Sing-Akademie, das Nicolai 1834 komponiert hat, und das Assumpta est Maria durchweg für den Domchor und auf Wunsch des Königs entstanden.
Es sind spannungsvolle Werke, die romantische Harmonik und poly- phone Strukturen gern miteinander kombinieren. Einige davon, wie die Vertonung des 31. und des 97. Psalms, enthalten zudem umfang- reiche Solopartien. Der Kammerchor Stuttgart singt diese interes- santen Kompositionen, geleitet von Frieder Bernius, in gewohnt exzellenter Manier. Er gilt vollkommen zu Recht als eines der welt- besten Ensembles. Bravi!
Gluck: Il trionfo di Clelia (MDG)
Die Oper Il trionfo di Clelia kompo- nierte Christoph Willibald Gluck (1714 bis 1787) eigens für die Eröffnung des neu erbauten Teatro Comunale in Bologna 1763. Das Libretto stammte von Metastasio, die Erstvertonung durch Johann Adolf Hasse war ein Jahr zuvor bereits in Wien gefeiert worden.
Glucks Werk scheint in Bologna ziemlich gut angekommen zu sein; Rechnungsbücher geben uns die Auskunft, dass die Oper im Früh- jahr 1763 immerhin 28 Auffüh- rungen erlebt hat. Der Komponist jedenfalls erfüllte die Erwartungen seiner Auftraggeber, und vertonte den Text ziemlich traditionell - allerdings folgte er dabei auch seiner Maxime prima la parole, poi la musica. Das beschert den meisten Arien bei aller sängerischen Bravour eine Emotionalität, die nicht mehr in Chiffren, nur Kennern verständlich, sondern direkt in musikalischen Ausdruck umgesetzt wird.
Zugleich gewinnt der Orchesterpart an Gewicht - was dem Ensemble Armonia Atenea, das auf zeitgenössischen Instrumenten musiziert, einige ausdrucksstarke Stücke beschert. So gibt es eine große drama- tische Szene mit einer Sinfonia, in der das Orchester den Kampf zwischen Römern und Toskanern akustisch darstellt. "Ich habe die Partitur zufällig entdeckt, in einer italienischen Bibliothek", berichtet Giuseppe Sigismondi de Risio, der diese Aufnahme auch dirigierte, "und sie erweckte sofort das größte Interesse, nicht nur wegen der offensichtlichen musikalischen Qualität des Werkes (...), sondern vor allem, weil diese Oper unverständlicherweise vergessen war."
In Bologna stand Gluck nicht nur ein exzellentes Sängerensemble und ein groß besetztes Orchester, sondern vor allem auch modernste Büh- nentechnik zur Verfügung. All dies erschwerte es anderen Häusern, dieses Werk ebenfalls aufzuführen. Dazu kommt die große Begeiste- rung, mit die Leute damals Aufführungen neuer Opern anhörten - und komponiert wurde ebenfalls eine Menge. Unsere Freude an "Alter" Musik dürfte einen Opernfreund des 17. Jahrhunderts ziemlich befremden. Und so ist es nachvollziehbar, dass ein solches Werk in Vergessenheit geraten ist.
An der Wiederentdeckung freilich kann man sich erfreuen. Denn auch die Sänger, die de Risio für diese Aufführung im Juli 2011 im Mega- ron, der Konzerthalle von Athen, zur Verfügung standen, sind ganz hervorragend. Die Rolle der Clelia sang Hélène Le Corre, ihren Ver- lobten Orazio Mary-Ellen Nesi, und ihren Verehrer Tarquinio Irini Karaianni. Als Porsenna, König von Toskana, ist Vassilis Kavayas zu hören, und als seine Tochter Larissa Burcu Uyar. Sie ist Tarquinio versprochen - und liebt Mannio, gesungen von Countertenor Florin Cezar Ouatu.
Die Toskaner belagern Rom, um Tarquinio dort als König einzusetzen. Die junge Römerin Clelia wird von Porsenna als Geisel festgehalten. Tarquinio ist der Sohn des gestürzten Tarquinius Superbus, und er bedrängt Clelia, obwohl er doch eigentlich Larissa, der Tochter Por- sennas, versprochen ist. Man kann sich vorstellen, dass diese Kon- stellation für einige Verwirrung sorgen wird, ganz wie es in einer opera seria üblich ist, bis dann zum Schluss der Edelmut siegt, der Schuft als Schurke enttarnt ist, und die Paare sich glücklich finden. Doch zuvor gibt es jede Menge hörenswerte Musik, in Welterstein- spielung.
Glucks Werk scheint in Bologna ziemlich gut angekommen zu sein; Rechnungsbücher geben uns die Auskunft, dass die Oper im Früh- jahr 1763 immerhin 28 Auffüh- rungen erlebt hat. Der Komponist jedenfalls erfüllte die Erwartungen seiner Auftraggeber, und vertonte den Text ziemlich traditionell - allerdings folgte er dabei auch seiner Maxime prima la parole, poi la musica. Das beschert den meisten Arien bei aller sängerischen Bravour eine Emotionalität, die nicht mehr in Chiffren, nur Kennern verständlich, sondern direkt in musikalischen Ausdruck umgesetzt wird.
Zugleich gewinnt der Orchesterpart an Gewicht - was dem Ensemble Armonia Atenea, das auf zeitgenössischen Instrumenten musiziert, einige ausdrucksstarke Stücke beschert. So gibt es eine große drama- tische Szene mit einer Sinfonia, in der das Orchester den Kampf zwischen Römern und Toskanern akustisch darstellt. "Ich habe die Partitur zufällig entdeckt, in einer italienischen Bibliothek", berichtet Giuseppe Sigismondi de Risio, der diese Aufnahme auch dirigierte, "und sie erweckte sofort das größte Interesse, nicht nur wegen der offensichtlichen musikalischen Qualität des Werkes (...), sondern vor allem, weil diese Oper unverständlicherweise vergessen war."
In Bologna stand Gluck nicht nur ein exzellentes Sängerensemble und ein groß besetztes Orchester, sondern vor allem auch modernste Büh- nentechnik zur Verfügung. All dies erschwerte es anderen Häusern, dieses Werk ebenfalls aufzuführen. Dazu kommt die große Begeiste- rung, mit die Leute damals Aufführungen neuer Opern anhörten - und komponiert wurde ebenfalls eine Menge. Unsere Freude an "Alter" Musik dürfte einen Opernfreund des 17. Jahrhunderts ziemlich befremden. Und so ist es nachvollziehbar, dass ein solches Werk in Vergessenheit geraten ist.
An der Wiederentdeckung freilich kann man sich erfreuen. Denn auch die Sänger, die de Risio für diese Aufführung im Juli 2011 im Mega- ron, der Konzerthalle von Athen, zur Verfügung standen, sind ganz hervorragend. Die Rolle der Clelia sang Hélène Le Corre, ihren Ver- lobten Orazio Mary-Ellen Nesi, und ihren Verehrer Tarquinio Irini Karaianni. Als Porsenna, König von Toskana, ist Vassilis Kavayas zu hören, und als seine Tochter Larissa Burcu Uyar. Sie ist Tarquinio versprochen - und liebt Mannio, gesungen von Countertenor Florin Cezar Ouatu.
Die Toskaner belagern Rom, um Tarquinio dort als König einzusetzen. Die junge Römerin Clelia wird von Porsenna als Geisel festgehalten. Tarquinio ist der Sohn des gestürzten Tarquinius Superbus, und er bedrängt Clelia, obwohl er doch eigentlich Larissa, der Tochter Por- sennas, versprochen ist. Man kann sich vorstellen, dass diese Kon- stellation für einige Verwirrung sorgen wird, ganz wie es in einer opera seria üblich ist, bis dann zum Schluss der Edelmut siegt, der Schuft als Schurke enttarnt ist, und die Paare sich glücklich finden. Doch zuvor gibt es jede Menge hörenswerte Musik, in Welterstein- spielung.
Haydn: Name Symphonies (Edel Classics)
Mehr als hundert Sinfonien hat Joseph Haydn (1732 bis 1809) komponiert; diese Box fasst auf sechs CD all jene zusammen, die einen Beinamen haben. Die Aufnahmen stammen aus den 90er Jahren. Das Beiheft belegt das Ringen der Musiker um eine mög- lichst authentische Interpretation - dafür ist beispielsweise die Frage zu klären, ob mit oder ohne Cembalo musiziert wird. Dirigent Hartmut Haenchen begründet, welche Entscheidungen er gemeinsam mit dem Kammerorchester "Carl Philipp Emanuel Bach" jeweils und aus welchem Grunde getroffen hat.
Die Musiker sind ohnehin sehr engagiert und mit historischem Sach- verstand bei der Sache, und so erscheint die Einspielung trotz der modernen Instrumente und der heute üblichen Stimmtonhöhe noch immer kein bisschen verstaubt. Haenchens Haydn steht allerdings der Klassik sehr nahe - mir persönlich sind die Interpretationen lieber, der auch die barocken Wurzeln aufzeigen, weil sie etwas freier, frischer und individueller wirken. Aber das ist Geschmackssache.
Die Musiker sind ohnehin sehr engagiert und mit historischem Sach- verstand bei der Sache, und so erscheint die Einspielung trotz der modernen Instrumente und der heute üblichen Stimmtonhöhe noch immer kein bisschen verstaubt. Haenchens Haydn steht allerdings der Klassik sehr nahe - mir persönlich sind die Interpretationen lieber, der auch die barocken Wurzeln aufzeigen, weil sie etwas freier, frischer und individueller wirken. Aber das ist Geschmackssache.
Dienstag, 29. Mai 2012
Organy Joachima Wagnera w Siedlcach - Joachim Wagner Orgel in Siedlce (Dux)
Vor zehn Jahren stellte sich her- aus, dass eine Orgel, die in den 60er Jahren in Pruszyn bei Siedlce eingelagert worden war, ein Werk von Joachim Wagner (1690 bis 1749) ist. Bislang war angenom- men worden, dass keine der Transmissionsorgeln des berühm- ten Orgelbauers den Zweiten Welt- krieg überstanden hat.
Dabei handelt es sich um Instru- mente, die Wagner mit einer Innovation ausgestattet hatte: Sie verfügten über eine sogenannte Doppeltransmissionswindlade, die es ermöglichte, den Registerbe- stand eines Manuals zumindest teilweise auch von einem anderen aus zu nutzen. Wagner hatte diese spezielle Form der Transmissionslade selbst entwickelt. Orgel-Experten gehen davon aus, dass er sie bei mindestens zehn der mehr als 50 Instrumente einsetzte, die er im Laufe seines Lebens erbaut hat.
Doch keine einzige dieser Windladen blieb erhalten. Um so größer war nun die Freude über den unverhofften Fund. Die kleine Orgel wurde 1744/45 von Joachim Wagner gebaut, so verrät eine Inschrift auf dem Wellenbrett des zweiten Manuals, direkt hinter dem Notenpult. Ab 1791 befand sich die Orgel in einer Warschauer Kirche; 1808 wurde sie für die Kirche in Pruszyn erworben. Dort erklang das Instrument von 1824 bis 1968. In diesem Jahr wurde die Orgel demontiert und Teile davon auf dem Dachboden eingelagert - bis sie die polnischen Orgel-Fachkundigen dort aufspürten.
Das Instrument ist heute Eigentum der Diözese Siedlce, die es auf- wendig restaurieren ließ. Im Anschluss daran wurde die kleine Wagner-Orgel in einem Saal der Bischofsresidenz aufgestellt, wo sie seit 2010 auch in Konzerten gespielt wird. Organist Wolfgang Zerer präsentiert das kostbare Instrument nun erstmals auf CD. In einem sorgsam zusammengestellten Programm demonstriert er die Klangmöglichkeiten der Orgel, und zeigt auf, dass diesem kleinen Instrument ein durchaus würdiger Platz in der Reihe der Werke des großen Orgelbauers gebührt. Was für eine erfreuliche Premiere!
Dabei handelt es sich um Instru- mente, die Wagner mit einer Innovation ausgestattet hatte: Sie verfügten über eine sogenannte Doppeltransmissionswindlade, die es ermöglichte, den Registerbe- stand eines Manuals zumindest teilweise auch von einem anderen aus zu nutzen. Wagner hatte diese spezielle Form der Transmissionslade selbst entwickelt. Orgel-Experten gehen davon aus, dass er sie bei mindestens zehn der mehr als 50 Instrumente einsetzte, die er im Laufe seines Lebens erbaut hat.
Doch keine einzige dieser Windladen blieb erhalten. Um so größer war nun die Freude über den unverhofften Fund. Die kleine Orgel wurde 1744/45 von Joachim Wagner gebaut, so verrät eine Inschrift auf dem Wellenbrett des zweiten Manuals, direkt hinter dem Notenpult. Ab 1791 befand sich die Orgel in einer Warschauer Kirche; 1808 wurde sie für die Kirche in Pruszyn erworben. Dort erklang das Instrument von 1824 bis 1968. In diesem Jahr wurde die Orgel demontiert und Teile davon auf dem Dachboden eingelagert - bis sie die polnischen Orgel-Fachkundigen dort aufspürten.
Das Instrument ist heute Eigentum der Diözese Siedlce, die es auf- wendig restaurieren ließ. Im Anschluss daran wurde die kleine Wagner-Orgel in einem Saal der Bischofsresidenz aufgestellt, wo sie seit 2010 auch in Konzerten gespielt wird. Organist Wolfgang Zerer präsentiert das kostbare Instrument nun erstmals auf CD. In einem sorgsam zusammengestellten Programm demonstriert er die Klangmöglichkeiten der Orgel, und zeigt auf, dass diesem kleinen Instrument ein durchaus würdiger Platz in der Reihe der Werke des großen Orgelbauers gebührt. Was für eine erfreuliche Premiere!
Birth of the Violin (Solo Musica)
Nach dem Ursprung der Violine forscht diese CD - mit einem gewissen Augenzwinkern. Denn anders als bei Birth of the Cello, wo Julius Berger auf einem wunder- vollen Amati-Violoncello, einem der ältesten noch spielfähigen Celli, zwei der ältesten bekannten Werke für dieses Instrument vorgestellt hat, lassen sich die ersten Kompositionen für Violine nicht so einfach identifizieren.
Die Auswahl, die dann letzten Endes getroffen wurde, begründet Reinhard Goebel in einem launigen Begleittext, den man in den schön gestalteten Beiheft nachlesen kann. Der Geiger, der mit seinem Ensemble Musica Antiqua Köln so manches Werk aus dem Archiv zurück auf die Bühne gebracht hat, wirkte wohl auch als spiritus rector hinter dieser CD, wie man es sich besser kaum wünschen könnte.
Birth of the Violin widmet sich also der Musik "vor Bach" - und stellt damit zugleich das Fundament vor, auf dem dieser seine Werke für Violine solo errichtet hat, diese staunenswerten Kathedralen des Klanges, die heute viele für einzigartig halten. Doch das waren sie nicht, meint Goebel. Und verweist auf die Violinsoli eines Johann Paul von Westhoff, eines Heinrich Ignaz Franz Biber, doch auch auf Werke von Bach-Zeitgenossen wie die einzige Solo-Sonate von Johann Georg Pisendel. Es erklingen auf dieser CD zudem eine Etüde von Francesco Gemiani, die erahnen lässt, wie seinerzeit ein Geiger geübt hat, eine Fantasia von Nicola Matteis, Furstemberg-Variationen von Louis-Gabriel Guillemain, und eine Partite für Violin Solo von Fried- rich Wilhelm Rust. Er war ein Schüler der Bach-Söhne, und versuchte, durch Innovation wettzumachen, was ihm an Tiefe mangelt.
Rebekka Hartmann stellt all diese Werke vor. Dabei verwendet sie zwei unterschiedliche Instrumente - zum einen eine Stradivari aus dem Jahre 1675, zum anderen eine Violine, die Nicolo Amati 1669 gebaut hat, und die auch unter dem Namen The Rethi bekannt ist. Bei dem Werk von Rust setzt sie zudem einen "modernen" Geigenbogen ein. So wird auch die Entwicklung der Geige vom Barock, das einen süßen, obertonreichen Klang bevorzugte, hin zum romantischen Klangideal, das mehr Lautstärke, Tiefe und Kraft forderte, hörbar.
Die Solistin zeigt sich technisch versiert, und dem Geist dieser Musik aus der Vergangenheit gegenüber offen. Das Ergebnis beeindruckt.
"Dieses CD-Projekt war für mich eine der interessantesten Aufgaben meines bisherigen Musikerlebens. Ich entdeckte ein außergewöhn- liches Programm für Solo-Violine, welches mir zum größten Teil unbekannt war", resümiert Rebekka Hartmann. "Es erfüllt mich mit Stolz, hier diese Werke teils zum ersten Mal präsentieren zu dürfen." Denn alle Werke mit Ausnahme jener Bibers und Pisendels erklingen auf dieser CD in Weltersteinspielung - und sie haben genug Format, um das Repertoire auch dauerhaft zu bereichern.
Die Auswahl, die dann letzten Endes getroffen wurde, begründet Reinhard Goebel in einem launigen Begleittext, den man in den schön gestalteten Beiheft nachlesen kann. Der Geiger, der mit seinem Ensemble Musica Antiqua Köln so manches Werk aus dem Archiv zurück auf die Bühne gebracht hat, wirkte wohl auch als spiritus rector hinter dieser CD, wie man es sich besser kaum wünschen könnte.
Birth of the Violin widmet sich also der Musik "vor Bach" - und stellt damit zugleich das Fundament vor, auf dem dieser seine Werke für Violine solo errichtet hat, diese staunenswerten Kathedralen des Klanges, die heute viele für einzigartig halten. Doch das waren sie nicht, meint Goebel. Und verweist auf die Violinsoli eines Johann Paul von Westhoff, eines Heinrich Ignaz Franz Biber, doch auch auf Werke von Bach-Zeitgenossen wie die einzige Solo-Sonate von Johann Georg Pisendel. Es erklingen auf dieser CD zudem eine Etüde von Francesco Gemiani, die erahnen lässt, wie seinerzeit ein Geiger geübt hat, eine Fantasia von Nicola Matteis, Furstemberg-Variationen von Louis-Gabriel Guillemain, und eine Partite für Violin Solo von Fried- rich Wilhelm Rust. Er war ein Schüler der Bach-Söhne, und versuchte, durch Innovation wettzumachen, was ihm an Tiefe mangelt.
Rebekka Hartmann stellt all diese Werke vor. Dabei verwendet sie zwei unterschiedliche Instrumente - zum einen eine Stradivari aus dem Jahre 1675, zum anderen eine Violine, die Nicolo Amati 1669 gebaut hat, und die auch unter dem Namen The Rethi bekannt ist. Bei dem Werk von Rust setzt sie zudem einen "modernen" Geigenbogen ein. So wird auch die Entwicklung der Geige vom Barock, das einen süßen, obertonreichen Klang bevorzugte, hin zum romantischen Klangideal, das mehr Lautstärke, Tiefe und Kraft forderte, hörbar.
Die Solistin zeigt sich technisch versiert, und dem Geist dieser Musik aus der Vergangenheit gegenüber offen. Das Ergebnis beeindruckt.
"Dieses CD-Projekt war für mich eine der interessantesten Aufgaben meines bisherigen Musikerlebens. Ich entdeckte ein außergewöhn- liches Programm für Solo-Violine, welches mir zum größten Teil unbekannt war", resümiert Rebekka Hartmann. "Es erfüllt mich mit Stolz, hier diese Werke teils zum ersten Mal präsentieren zu dürfen." Denn alle Werke mit Ausnahme jener Bibers und Pisendels erklingen auf dieser CD in Weltersteinspielung - und sie haben genug Format, um das Repertoire auch dauerhaft zu bereichern.
Sonntag, 27. Mai 2012
Godowsky: 22 Chopin Studies (Paraty)
Leopold Godowsky (1870 bis 1938) war ein Wunderkind. Er spielte seine ersten Konzerte in einem Alter, in dem der Nach- wuchs heute üblicherweise damit beginnt, ein Instrument zu erler- nen. Doch mehr als zur Geige, an der er seine Ausbildung begann, fühlte er sich zum Klavier hinge- zogen.
Die Geschichte seiner Lehrzeit liest sich wie ein Abenteuerroman; nachdem Godowsky festgestellt hatte, dass er in Berlin nichts mehr lernen konnte, ging er 1884 nach Amerika, und konzertierte dort. Schließlich fand sich ein Mäzen, der ihm eine Ausbildung bei Liszt spendieren wollte. Doch als Godowsky noch nach Weimar unterwegs war, verstarb der berühmte Virtuose. So orientierte sich der junge Musiker neu, und studierte schließlich in Paris bei Camille Saint-Saens.
Es wird berichtet, dass sich Lehrer und Schüler fünf Jahre lang jeden Sonntag trafen, um einander vorzuspielen und über Musik zu disku- tieren. Saint-Saens soll so begeistert von seinem Schützling gewesen sein, dass er den Jungen sogar adoptieren wollte. Doch 1890 endete diese Lehrzeit. Denn Godowskys Mäzen Leon Saxe starb, und so kehrte der Musiker in die USA zurück. Dort heiratete er die Tochter seines Geldgebers, und gab Konzerte und Klavierunterricht. Godowsky galt als der beste Virtuose jener an großartigen Pianisten nicht gerade armen Zeit. Kollegen nannten ihn den Buddha des Klaviers, und sein Schüler Artur Rubinstein soll einmal gesagt haben, er würde 500 Jahre brauchen, um sich Godowskys Technik anzu- eignen.
Nach triumphalen Konzerterfolgen in Berlin und Wien, wo er zudem Professor am Konservatorium wurde, war der Pianist faktisch ein Weltstar. Doch seinen Ruhm konnte er nicht lange genießen. Beim Great Crash 1929 verlor der Musiker sein gesamtes Vermögen. Von diesem Schock erholte er sich nicht wieder, und einige Monate später erlitt er im Aufnahmestudio in London einen Schlaganfall. Damit war seine Karriere beendet.
Ivan Ilic hat nun bei Paraty Godowskys 22 Studien über Chopins Etüden eingespielt. Diese Stücke freilich wirken nicht so, als wären es Fingerübungen. Godowsky spielt mit Chopins Originalen - und macht Musik daraus, die so ähnlich klingt, aber ihre ganz eigenen Tücken hat.
Es gehört ein bisschen Wahnsinn dazu, seine Version vor Publikum aufzuführen. Dazu erzählt Ilic in den informativen Beiheft die nette Geschichte, er habe die Noten eines Tages einem Kollegen gezeigt. Der habe gesagt: "Das ist von Godowsky? Das sieht aber gar nicht so schwierig aus!" "Ich habe ihm dann gesagt, dass das Stück für die linke Hand allein ist", berichtet Ilic, "und da hat er große Augen bekommen."
Die Geschichte seiner Lehrzeit liest sich wie ein Abenteuerroman; nachdem Godowsky festgestellt hatte, dass er in Berlin nichts mehr lernen konnte, ging er 1884 nach Amerika, und konzertierte dort. Schließlich fand sich ein Mäzen, der ihm eine Ausbildung bei Liszt spendieren wollte. Doch als Godowsky noch nach Weimar unterwegs war, verstarb der berühmte Virtuose. So orientierte sich der junge Musiker neu, und studierte schließlich in Paris bei Camille Saint-Saens.
Es wird berichtet, dass sich Lehrer und Schüler fünf Jahre lang jeden Sonntag trafen, um einander vorzuspielen und über Musik zu disku- tieren. Saint-Saens soll so begeistert von seinem Schützling gewesen sein, dass er den Jungen sogar adoptieren wollte. Doch 1890 endete diese Lehrzeit. Denn Godowskys Mäzen Leon Saxe starb, und so kehrte der Musiker in die USA zurück. Dort heiratete er die Tochter seines Geldgebers, und gab Konzerte und Klavierunterricht. Godowsky galt als der beste Virtuose jener an großartigen Pianisten nicht gerade armen Zeit. Kollegen nannten ihn den Buddha des Klaviers, und sein Schüler Artur Rubinstein soll einmal gesagt haben, er würde 500 Jahre brauchen, um sich Godowskys Technik anzu- eignen.
Nach triumphalen Konzerterfolgen in Berlin und Wien, wo er zudem Professor am Konservatorium wurde, war der Pianist faktisch ein Weltstar. Doch seinen Ruhm konnte er nicht lange genießen. Beim Great Crash 1929 verlor der Musiker sein gesamtes Vermögen. Von diesem Schock erholte er sich nicht wieder, und einige Monate später erlitt er im Aufnahmestudio in London einen Schlaganfall. Damit war seine Karriere beendet.
Ivan Ilic hat nun bei Paraty Godowskys 22 Studien über Chopins Etüden eingespielt. Diese Stücke freilich wirken nicht so, als wären es Fingerübungen. Godowsky spielt mit Chopins Originalen - und macht Musik daraus, die so ähnlich klingt, aber ihre ganz eigenen Tücken hat.
Es gehört ein bisschen Wahnsinn dazu, seine Version vor Publikum aufzuführen. Dazu erzählt Ilic in den informativen Beiheft die nette Geschichte, er habe die Noten eines Tages einem Kollegen gezeigt. Der habe gesagt: "Das ist von Godowsky? Das sieht aber gar nicht so schwierig aus!" "Ich habe ihm dann gesagt, dass das Stück für die linke Hand allein ist", berichtet Ilic, "und da hat er große Augen bekommen."
Duetti (Virgin Classics)
Solokantaten und Kammerduette, Kantaten für zwei Singstimmen, erfreuten sich zur Zeit des Barock höchster Beliebtheit. Sie gaben den Sängerstars jener Zeit die Möglich- keit, ihre Virtuosität vorzuführen - und zugleich erfreute sich ein sachkundiges Publikum an den ge- lungenen Melodien und komplexen musikalischen Strukturen, die die Komponisten einsetzten, um emotionale Ausnahmezustände in Klang umzusetzen.
Das Ergebnis: Traumhaft schöne Musik, wie diese CD zeigt, für die William Christie zwei der derzeit weltbesten Countertenöre gewinnen konnte: Philippe Jaroussky, mit einer eher hell timbrierten, hohen Stimme, und Max Emanuel Cencic, der seine Karriere einst als Knabensopran bei den Wiener Sängerkna- ben startete, heute aber eher Mezzosopran singt. Seine Stimme ist voluminöser als die seines Kollegen, und klingt zudem etwas dunkler, gedeckter.
So ergänzen sich die beiden Sänger wunderbar, wenn sie gemeinsam duetti da camera von Giovanni Bononcini, Duettkantaten von Bene- detto Marcello oder Alessandro Scarlatti wieder zum Klingen bringen, die man sonst sehr selten hört. Und natürlich ist jeder Sänger auch mit einer Solokantate zu erleben. Begleitet werden die Solisten durch einige Musiker des Ensembles Les Arts Florissants.
Das Ergebnis: Traumhaft schöne Musik, wie diese CD zeigt, für die William Christie zwei der derzeit weltbesten Countertenöre gewinnen konnte: Philippe Jaroussky, mit einer eher hell timbrierten, hohen Stimme, und Max Emanuel Cencic, der seine Karriere einst als Knabensopran bei den Wiener Sängerkna- ben startete, heute aber eher Mezzosopran singt. Seine Stimme ist voluminöser als die seines Kollegen, und klingt zudem etwas dunkler, gedeckter.
So ergänzen sich die beiden Sänger wunderbar, wenn sie gemeinsam duetti da camera von Giovanni Bononcini, Duettkantaten von Bene- detto Marcello oder Alessandro Scarlatti wieder zum Klingen bringen, die man sonst sehr selten hört. Und natürlich ist jeder Sänger auch mit einer Solokantate zu erleben. Begleitet werden die Solisten durch einige Musiker des Ensembles Les Arts Florissants.
Kreisler: Liebesfreud - Liebesleid (Capriccio)
Der große Geiger Fritz Kreisler stellte einst verwundert fest, wie leicht sich Kritiker von großen Namen blenden ließen: Während sie sie Werke, die Kreisler als seine eigenen vorstellte, allenfalls "recht nett" fanden, überschlugen sie sich schier vor Begeisterung angesichts angeblich hinterlassener Stücke renommierter Komponisten, die Kreisler vortrug.
Sie wunderten sich auch nicht dar- über, dass die Quellen all der Rari- täten, die der Geiger in Archiven aufgespürt und für Violine und Klavier "bearbeitet" haben wollte, nie- mals publiziert wurden. Der Skandal war riesengroß, als der charman- te Geiger schließlich im vorgerückten Alter erklärte, dass er sich da seinerzeit einen Scherz erlaubt und die eigenen Werke Meistern des 17. und 18. Jahrhunderts zugeschrieben habe.
Die Empörung ist verflogen; die kleinen Kunstwerke aber sind bis heute beliebte Zugaben, die wohl jeder Geiger in seinem Repertoire hat. Béla Bánfalvi stellt auf dieser CD eine Auswahl dieser bezaubern- den Miniaturen vor, allerdings in Bearbeitungen für Streicher; der Violinist wird begleitet von den Budapest Strings unter Karoly Botvai. Die Musiker spielen Kreislers Werke schwungvoll und elegant - eine Aufnahme aus dem Jahre 1995, die man auch heute noch mit Freude anhört.
Sie wunderten sich auch nicht dar- über, dass die Quellen all der Rari- täten, die der Geiger in Archiven aufgespürt und für Violine und Klavier "bearbeitet" haben wollte, nie- mals publiziert wurden. Der Skandal war riesengroß, als der charman- te Geiger schließlich im vorgerückten Alter erklärte, dass er sich da seinerzeit einen Scherz erlaubt und die eigenen Werke Meistern des 17. und 18. Jahrhunderts zugeschrieben habe.
Die Empörung ist verflogen; die kleinen Kunstwerke aber sind bis heute beliebte Zugaben, die wohl jeder Geiger in seinem Repertoire hat. Béla Bánfalvi stellt auf dieser CD eine Auswahl dieser bezaubern- den Miniaturen vor, allerdings in Bearbeitungen für Streicher; der Violinist wird begleitet von den Budapest Strings unter Karoly Botvai. Die Musiker spielen Kreislers Werke schwungvoll und elegant - eine Aufnahme aus dem Jahre 1995, die man auch heute noch mit Freude anhört.
Kinderlieder Vol. 3 (Carus)
Die Allgegenwart von Radio, Fern- seher und Internet lässt Familien verstummen. Das Singen, noch für die Generation unserer Großeltern selbstverständlicher Begleiter in jeder Lebenslage, wurde durch die Berieselung aus der Konserve ersetzt. Man kann darüber klagen - aber ändern wird man das nicht.
Und weil immer mehr Eltern und auch Erzieher die Lieder gar nicht mehr kennen, die unsere Altvor- deren in Freud und Leid oder auch in geselliger Runde angestimmt haben, gerät das Singen als Kultur- technik zusehends in Vergessenheit.
Das ist eine schreckliche Vorstellung, und um diesen Prozess zu stoppen, haben Musikprofis um den Sänger Cornelius Hauptmann 2008 das Liederprojekt gestartet. Es soll das Singen mit Kindern fördern, indem für sie nicht nur eine Auswahl der schönsten Lieder auf CD erscheint, sondern parallel dazu auch ein höchst solide aus- gestattetes Beiheft - mit den kompletten Texten, für die Erwachsenen. Im Internet (www.liederprojekt.org) finden sich zusätzliche Infor- mationen, wie beispielsweise die Noten. Diese gibt es auch in Liederbuch-Editionen. Die Künstler engagieren sich sehr für dieses Benefizprojekt - und für jede verkaufte CD geht eine Spende an Pro- jekte, die das Singen mit Kindern fördern.
Gestartet ist das Liederprojekt 2009 mit Wiegenliedern. Ein Jahr später gab es dann eine Volkslieder-Edition, und nun beschließt diese dritte CD eine Serie, die die schönsten deutschen Kinderlieder vor- stellt. Das sind nicht unbedingt nur traditionelle Lieblingsstücke - auf dieser CD gibt es einiges, was unsere Großeltern noch nicht kannten, was aber Kindern im Vorschul- und Grundschulalter sehr viel Spaß machen dürfte.
Die meisten Lieder werden in schmissigen, modernen Arrangements von Kinderchören gesungen. Da erscheinen die wenigen Lieder, bei denen "echte" Sänger zu hören sind, die mit trainierten Stimmen und Klavierbegleitung antreten, um ihre Lieblingslieder vorzustellen, beinahe wie Fremdkörper. Doch das Konzept scheint zu funktionie- ren: Unsere beiden Knöpfe jedenfalls singen, wenn die "Großen" nicht zuschauen, bald schon begeistert mit, und können sich bei einigen Liedern schier kringeln vor Vergnügen.
Und weil immer mehr Eltern und auch Erzieher die Lieder gar nicht mehr kennen, die unsere Altvor- deren in Freud und Leid oder auch in geselliger Runde angestimmt haben, gerät das Singen als Kultur- technik zusehends in Vergessenheit.
Das ist eine schreckliche Vorstellung, und um diesen Prozess zu stoppen, haben Musikprofis um den Sänger Cornelius Hauptmann 2008 das Liederprojekt gestartet. Es soll das Singen mit Kindern fördern, indem für sie nicht nur eine Auswahl der schönsten Lieder auf CD erscheint, sondern parallel dazu auch ein höchst solide aus- gestattetes Beiheft - mit den kompletten Texten, für die Erwachsenen. Im Internet (www.liederprojekt.org) finden sich zusätzliche Infor- mationen, wie beispielsweise die Noten. Diese gibt es auch in Liederbuch-Editionen. Die Künstler engagieren sich sehr für dieses Benefizprojekt - und für jede verkaufte CD geht eine Spende an Pro- jekte, die das Singen mit Kindern fördern.
Gestartet ist das Liederprojekt 2009 mit Wiegenliedern. Ein Jahr später gab es dann eine Volkslieder-Edition, und nun beschließt diese dritte CD eine Serie, die die schönsten deutschen Kinderlieder vor- stellt. Das sind nicht unbedingt nur traditionelle Lieblingsstücke - auf dieser CD gibt es einiges, was unsere Großeltern noch nicht kannten, was aber Kindern im Vorschul- und Grundschulalter sehr viel Spaß machen dürfte.
Die meisten Lieder werden in schmissigen, modernen Arrangements von Kinderchören gesungen. Da erscheinen die wenigen Lieder, bei denen "echte" Sänger zu hören sind, die mit trainierten Stimmen und Klavierbegleitung antreten, um ihre Lieblingslieder vorzustellen, beinahe wie Fremdkörper. Doch das Konzept scheint zu funktionie- ren: Unsere beiden Knöpfe jedenfalls singen, wenn die "Großen" nicht zuschauen, bald schon begeistert mit, und können sich bei einigen Liedern schier kringeln vor Vergnügen.
Samstag, 26. Mai 2012
Music for Hautbois Band (Genuin)
Die Oboe kam aus Frankreich, wo beispielsweise täglich während der Parade die Grande Écurie, eine Kapelle aus 24 Instrumentalisten, vom Pferd herab musizierte. Und was dem Sonnenkönig gefiel, das wollten auch alle anderen euro- päischen Höfe haben. So kam es, dass Hautboistenbanden binnen kurzen allerorten, und nicht nur im Felde, sondern auch bei Hofe, ja sogar in der Oper aufspielten.
Philipp Krieger (1649 bis 1725) beispielsweise, ab 1680 Kapell- meister in Weißenfels, unterstanden nicht nur die Regimentshaut- boisten. Ab 1695 existierte an dem mitteldeutschen Hof auch eine Oboenkapelle für die Kammer- und Theatermusik. Die Werke, die der Komponist für diese Ensembles schuf, sind leider verschollen - mit Ausnahme von drei Suiten aus der Lustigen Feld-Musik, die er 1704 dem Kauffmännischen Collegium Musicum seiner Vaterstadt Nürn- berg widmete.
Marianne Richert Pfau hat diese Werke nun mit ihrem Ensemble Toutes Suites bei Genuin eingespielt. Die Barockoboistin musiziert gemeinsam mit Julia Belitz und Nils Jönsson, Oboe, Regina Sanders, Barockfagott, Achim Weigel, Violone und Anke Dennert, Cembalo.
Die drei Partien aus Kriegers Feld-Musik beginnen jeweils mit einer ausladenden Ouverture, gefolgt von musikalischen Miniaturen, die Szenen schildern, die man noch heute unschwer nachvollziehen kann. Sie verleugnen ihre Herkunft aus dem Felde nicht; neben grazilen Tänzen erklingen gelegentlich durchaus auch ruppigere Sätze. Die Musiker zelebrieren diese beredten Klänge mit Leidenschaft; und man wundert sich, wieviel Abwechslung ein solches Mini-Ensemble bieten kann.
Johann Christian Schieferdecker (1679 bis 1732) schrieb seine Musi- calischen Concerte für das Theater, wo sie als Opernvorspiel oder Zwischenaktmusik erklangen. Der Komponist folgte 1702 seinem Freund Reinhard Keiser nach Hamburg, wo er als Cembalist der Oper am Gänsemarkt wirkte. 1707 wurde er in Lübeck der Nachfolger Dieterich Buxtehudes. Diese CD stellt eine Auswahl konzertanter Suiten vor, die 1713 in Hamburg erschienen sind, und in der Beset- zung das französische Vorbild imitieren - aber in ihren zahlreichen Solopassagen, ihrer kunstvollen melodischen Gestaltung und ihrer Eleganz mitunter eher an ein Concerto grosso erinnern. Hier zeigt sich auch die Klasse der ausführenden Bläser, denn diese Musik dürfte technisch ziemlich anspruchsvoll sein.
Philipp Krieger (1649 bis 1725) beispielsweise, ab 1680 Kapell- meister in Weißenfels, unterstanden nicht nur die Regimentshaut- boisten. Ab 1695 existierte an dem mitteldeutschen Hof auch eine Oboenkapelle für die Kammer- und Theatermusik. Die Werke, die der Komponist für diese Ensembles schuf, sind leider verschollen - mit Ausnahme von drei Suiten aus der Lustigen Feld-Musik, die er 1704 dem Kauffmännischen Collegium Musicum seiner Vaterstadt Nürn- berg widmete.
Marianne Richert Pfau hat diese Werke nun mit ihrem Ensemble Toutes Suites bei Genuin eingespielt. Die Barockoboistin musiziert gemeinsam mit Julia Belitz und Nils Jönsson, Oboe, Regina Sanders, Barockfagott, Achim Weigel, Violone und Anke Dennert, Cembalo.
Die drei Partien aus Kriegers Feld-Musik beginnen jeweils mit einer ausladenden Ouverture, gefolgt von musikalischen Miniaturen, die Szenen schildern, die man noch heute unschwer nachvollziehen kann. Sie verleugnen ihre Herkunft aus dem Felde nicht; neben grazilen Tänzen erklingen gelegentlich durchaus auch ruppigere Sätze. Die Musiker zelebrieren diese beredten Klänge mit Leidenschaft; und man wundert sich, wieviel Abwechslung ein solches Mini-Ensemble bieten kann.
Johann Christian Schieferdecker (1679 bis 1732) schrieb seine Musi- calischen Concerte für das Theater, wo sie als Opernvorspiel oder Zwischenaktmusik erklangen. Der Komponist folgte 1702 seinem Freund Reinhard Keiser nach Hamburg, wo er als Cembalist der Oper am Gänsemarkt wirkte. 1707 wurde er in Lübeck der Nachfolger Dieterich Buxtehudes. Diese CD stellt eine Auswahl konzertanter Suiten vor, die 1713 in Hamburg erschienen sind, und in der Beset- zung das französische Vorbild imitieren - aber in ihren zahlreichen Solopassagen, ihrer kunstvollen melodischen Gestaltung und ihrer Eleganz mitunter eher an ein Concerto grosso erinnern. Hier zeigt sich auch die Klasse der ausführenden Bläser, denn diese Musik dürfte technisch ziemlich anspruchsvoll sein.
Porpora Cantatas (Hyperion)
Das Ölgemälde von Philip Mercier, das wir als Coverbild dieser CD sehen, hängt in der National Por- trait Gallery in London. Es zeigt ein Konzert auf einer Freilichtbühne in Kew Gardens um 1733, mit über- aus illustren Musikern: Die Mando- line spielt Prinzessin Caroline Eli- sabeth, am Violoncello sehen wir Frederick Louis, den Prinzen von Wales, und am Cembalo seine Schwester Anne, die zukünftige Prinzessin von Oranien. Dem Vortrag lauscht mit einem Buch in der Hand Prinzessin Amelia Sophie. Die Szene erscheint durchaus realistisch.
Friedrich Ludwig, der älteste Sohn des britischen Königs Georgs II. August, war ein leidenschaftlicher Musikfreund. Er förderte die Opera of the Nobility (und machte damit Händel und seinem King's Theatre das Leben schwer), und er spielte mit Begeisterung Cello. Besonders gern musizierte er offenbar gemeinsam mit dem Kastraten Farinelli, der sang und sich dabei auch am Cembalo begleitete. Er kam 1734 nach London, wo er in einer Truppe um seinem früheren Lehrer Nicola Antonio Porpora, zu der auch Senesino gehörte, mit Händels Ensemble konkurrierte. Drei Jahre später waren beide Opern-Unter- nehmen pleite, und der Sänger zog weiter.
Für Farinelli dürften vermutlich die vorliegenden Kantaten Porporas entstanden sein. Sie beruhen auf Texten Metastasios, sind erstmals 1735 im Druck erschienen und Prince Frederick of Wales gewidmet. Die Kantaten nutzen die virtuosen Gesangskünste der Sänger, aber sie sind keine akrobatischen Nummernprogramme. Countertenor Iestyn Davies hat hörbar Vergnügen an den Einfällen Proporas, und seinem Gesang lauscht man zunehmend mit Begeisterung. Denn dies ist eine schöne Stimme, die sehr klug und blitzsauber geführt ist. Davies wird begleitet vom Ensemble Arcangelo unter Leitung von Jonathan Cohen, der obendrein den markanten Cello-Part übernimmt. Eine Entdeckung! und vielleicht können die Musiker ja demnächst mit einer weiteren CD auch die ersten sechs Kantaten dieser Sammlung vorstellen - das erscheint doch sehr lohnend.
Friedrich Ludwig, der älteste Sohn des britischen Königs Georgs II. August, war ein leidenschaftlicher Musikfreund. Er förderte die Opera of the Nobility (und machte damit Händel und seinem King's Theatre das Leben schwer), und er spielte mit Begeisterung Cello. Besonders gern musizierte er offenbar gemeinsam mit dem Kastraten Farinelli, der sang und sich dabei auch am Cembalo begleitete. Er kam 1734 nach London, wo er in einer Truppe um seinem früheren Lehrer Nicola Antonio Porpora, zu der auch Senesino gehörte, mit Händels Ensemble konkurrierte. Drei Jahre später waren beide Opern-Unter- nehmen pleite, und der Sänger zog weiter.
Für Farinelli dürften vermutlich die vorliegenden Kantaten Porporas entstanden sein. Sie beruhen auf Texten Metastasios, sind erstmals 1735 im Druck erschienen und Prince Frederick of Wales gewidmet. Die Kantaten nutzen die virtuosen Gesangskünste der Sänger, aber sie sind keine akrobatischen Nummernprogramme. Countertenor Iestyn Davies hat hörbar Vergnügen an den Einfällen Proporas, und seinem Gesang lauscht man zunehmend mit Begeisterung. Denn dies ist eine schöne Stimme, die sehr klug und blitzsauber geführt ist. Davies wird begleitet vom Ensemble Arcangelo unter Leitung von Jonathan Cohen, der obendrein den markanten Cello-Part übernimmt. Eine Entdeckung! und vielleicht können die Musiker ja demnächst mit einer weiteren CD auch die ersten sechs Kantaten dieser Sammlung vorstellen - das erscheint doch sehr lohnend.
Freitag, 25. Mai 2012
Kinderklassik Vol. 2 (Berlin Classics)
Für die Kinder nur das Beste - das ist das Motto der Kinderklassik, die mittlerweile bereits in der zweiten Folge vorliegt.
Berlin Classics hat aus seinen Archiven erneut große Musik für kleine Leute herausgesucht - und sortiert sie auf drei CD unter den Stichworten Lustige Geschichten, In fremden Ländern und Gute Nacht, schlafe sacht. So kann die Musik der kindlichen Phantasie Flügel verleihen, Trost spenden oder auch die Helden von morgen beruhigen und zur Ruhe geleiten. Und damit Eltern oder Erzieher auf die vielen Fragen, die Kindern so einfallen können, Antworten parat haben, gibt's zu jeder CD auch ein liebevoll zusammengestelltes Beiheft mit ausführlichen Informatio- nen zu allen Stücken.
Berlin Classics hat aus seinen Archiven erneut große Musik für kleine Leute herausgesucht - und sortiert sie auf drei CD unter den Stichworten Lustige Geschichten, In fremden Ländern und Gute Nacht, schlafe sacht. So kann die Musik der kindlichen Phantasie Flügel verleihen, Trost spenden oder auch die Helden von morgen beruhigen und zur Ruhe geleiten. Und damit Eltern oder Erzieher auf die vielen Fragen, die Kindern so einfallen können, Antworten parat haben, gibt's zu jeder CD auch ein liebevoll zusammengestelltes Beiheft mit ausführlichen Informatio- nen zu allen Stücken.
Donnerstag, 24. Mai 2012
Glière: Piano Works (Crystal Classics)
Reinhold Morizewitsch Glière (1875 bis 1956) war der Sohn eines vogtländischen Instrumenten- bauers, der nach Kiew gezogen war, und einer Polin. Nach ersten Violinunterricht bei Otakar Cevcík ging er 1894 zum Studium an das Moskauer Konservatorium. Von 1905 bis 1908 studierte er zudem Dirigieren in Berlin bei Oskar Fried.
Glière unterrichtete zunächst am Gnessin-Institut, dann am Kiewer Konservatorium, zu dessen Direktor er 1914 ernannt wurde. Von 1920 bis 1941 lehrte er Komposition am Moskauer Konservatorium. Zu seinen Schülern gehörten Nikolai Mjaskowski und Sergej Prokof- jew. Glière gilt als Prototyp des sowjetischen Komponisten, und ist deshalb nicht unumstritten.
In seinem Klavierwerk, das Corinna Simon auf dieser CD vorstellt, ist davon nichts zu spüren. Das liegt sicherlich auch mit daran, dass der größte Teil dieser Stücke bereits während seiner Studienjahre in Berlin entstanden ist. In ihrer Eleganz und ihren perlenden Arpeggien erinnern sie an die Werke Chopins; allerdings stellt gelegentlich eine unerwartete harmonische Wendung klar, dass wir Musik aus dem 20. Jahrhundert hören. Einige seiner Stücke, ganz besonders die Vingst Preludes op. 30, dürften an den Pianisten, der sie spielen will, ziem- lich deftige Anforderungen stellen. Simon bewältigt dieses schwierige Programm mit bewunderswerter Leichtigkeit und Grazie. Brava!
Glière unterrichtete zunächst am Gnessin-Institut, dann am Kiewer Konservatorium, zu dessen Direktor er 1914 ernannt wurde. Von 1920 bis 1941 lehrte er Komposition am Moskauer Konservatorium. Zu seinen Schülern gehörten Nikolai Mjaskowski und Sergej Prokof- jew. Glière gilt als Prototyp des sowjetischen Komponisten, und ist deshalb nicht unumstritten.
In seinem Klavierwerk, das Corinna Simon auf dieser CD vorstellt, ist davon nichts zu spüren. Das liegt sicherlich auch mit daran, dass der größte Teil dieser Stücke bereits während seiner Studienjahre in Berlin entstanden ist. In ihrer Eleganz und ihren perlenden Arpeggien erinnern sie an die Werke Chopins; allerdings stellt gelegentlich eine unerwartete harmonische Wendung klar, dass wir Musik aus dem 20. Jahrhundert hören. Einige seiner Stücke, ganz besonders die Vingst Preludes op. 30, dürften an den Pianisten, der sie spielen will, ziem- lich deftige Anforderungen stellen. Simon bewältigt dieses schwierige Programm mit bewunderswerter Leichtigkeit und Grazie. Brava!
Mozart: Sonate per fortepiano e violino k. 296, 301, 303, 306 (Avi-Music)
Nur selten ist es dem Zuhörer ver- gönnt, Einblick in eine Komponi- stenwerkstatt zu erhalten, und dabei die Entstehung eines Genres zu beobachten. Diese CD enthält Mozarts "Mannheimer" C-Dur-So- nate KV 296 sowie drei seiner sechs Kurfürstensonaten KV 301 bis 306, die ebenfalls in Mannheim entstanden sein sollen.
Es sind Six Sonates Pour Clavecin Ou Forté Piano Avec Accompag- nement D'un Violon, so der volle Titel, der zugleich das Ereignis andeutet, dem man hier lauschen kann: Die Entstehung der Violinsonate aus einem musikalischen Zwitter, der noch Merkmale der barocken Triosonate aufweist. Giorgio Tabacco und Francesco D'Orazio demonstrieren, wie sich aus einem Musikstück, das klar vom Tasteninstrument dominiert wird, zunehmend ein Dialog entwickelt. Ursprünglich war es die Aufgabe der Violine, den Klavierpart durch Begleitfiguren oder durch die Komplettierung der Oberstimme zu ergänzen. Doch mehr und mehr übernahm auch die Violine "echte" solistische Aufgaben.
Pianist Tabacco hat für diese Aufgabe den Nachbau eines Fortepianos aus dem Jahre 1805 von Anton Walter ausgewählt, angefertigt 2007 von dem renommierten Klavierbauer Paul McNulty. Es ist ein wirk- lich klangschönes Instrument. D'Orazio spielt die Guarneri-Violine Comte de Cabriac von 1711.
Es sind Six Sonates Pour Clavecin Ou Forté Piano Avec Accompag- nement D'un Violon, so der volle Titel, der zugleich das Ereignis andeutet, dem man hier lauschen kann: Die Entstehung der Violinsonate aus einem musikalischen Zwitter, der noch Merkmale der barocken Triosonate aufweist. Giorgio Tabacco und Francesco D'Orazio demonstrieren, wie sich aus einem Musikstück, das klar vom Tasteninstrument dominiert wird, zunehmend ein Dialog entwickelt. Ursprünglich war es die Aufgabe der Violine, den Klavierpart durch Begleitfiguren oder durch die Komplettierung der Oberstimme zu ergänzen. Doch mehr und mehr übernahm auch die Violine "echte" solistische Aufgaben.
Pianist Tabacco hat für diese Aufgabe den Nachbau eines Fortepianos aus dem Jahre 1805 von Anton Walter ausgewählt, angefertigt 2007 von dem renommierten Klavierbauer Paul McNulty. Es ist ein wirk- lich klangschönes Instrument. D'Orazio spielt die Guarneri-Violine Comte de Cabriac von 1711.
Mittwoch, 23. Mai 2012
Giuliani: Scottish & Irish Songs, Studies & Rossiniana (Newton)
Gitarrenwerke von Mauro Giuliani (1781 bis 1829) sind jedem Gitar- risten bekannt. Das liegt in erster Linie daran, dass er eine enorme Menge von Etüden komponiert hat. Solche Stücke ließen sich schon damals, als die Gitarre in Wien erstmals zum Modeinstru- ment avancierte, sehr gut ver- kaufen. Giulianis Werke klingen gut, und man spielt sie gern, was bis heute das Üben erleichtert. Elena Càsoli, Professorin an der Hochschule der Künste Bern, hat 1992 eine Auswahl davon eingespielt.
Eine weitere CD dieser Box, die insgesamt drei Silberscheiben enthält, gilt den Sei arie nazionali scozzesi und den Sei arie nazionali irlande- si, zwei Zyklen nach schottischen und irischen Volksliedern. Es sind Alterswerke des Komponisten, die Giuliani möglicherweise für Gi- tarrenschüler aus diesen Ländern geschaffen hat. Sie sind selten zu hören, denn professionellen Gitarristen sind die hübschen Stücke wohl zu simpel - doch dass diese "Einfachheit" Schwierigkeiten bei der Gestaltung mit sich bringt, demonstriert hier auf CD 1 Tullia Cartoni.
Die dritte CD wiederum versammelt einige der Bearbeitungen und Variationen, die der Gitarrenvirtuose nach Werken von Rossini kom- poniert hat. Rossini war damals groß in Mode; die Leute waren ver- rückt nach seinen Melodien - und Giuliani, der mit Rossini befreundet war, lieferte, was das Publikum hören wollte. Diese Werke allerdings sind wirklich keine Anfängerstücke. Und Massimo Scattolin hat hör- bar Vergnügen daran.
Eine weitere CD dieser Box, die insgesamt drei Silberscheiben enthält, gilt den Sei arie nazionali scozzesi und den Sei arie nazionali irlande- si, zwei Zyklen nach schottischen und irischen Volksliedern. Es sind Alterswerke des Komponisten, die Giuliani möglicherweise für Gi- tarrenschüler aus diesen Ländern geschaffen hat. Sie sind selten zu hören, denn professionellen Gitarristen sind die hübschen Stücke wohl zu simpel - doch dass diese "Einfachheit" Schwierigkeiten bei der Gestaltung mit sich bringt, demonstriert hier auf CD 1 Tullia Cartoni.
Die dritte CD wiederum versammelt einige der Bearbeitungen und Variationen, die der Gitarrenvirtuose nach Werken von Rossini kom- poniert hat. Rossini war damals groß in Mode; die Leute waren ver- rückt nach seinen Melodien - und Giuliani, der mit Rossini befreundet war, lieferte, was das Publikum hören wollte. Diese Werke allerdings sind wirklich keine Anfängerstücke. Und Massimo Scattolin hat hör- bar Vergnügen daran.
Das Kirchenjahr mit Johann Sebastian Bach - Pfingsten (Rondeau)
Dies ist CD Nummer sieben aus einer Reihe von zehn Silber- scheiben, die bis März 2014 erscheinen und eine Auswahl aus dem Kantatenschaffen von Johann Sebastian Bach in der Ordnung des Kirchenjahres vorstellen werden. Zu hören sind der Thomanerchor Leipzig, der in diesem Jahr sein 800jähriges Bestehen feiert, und Musiker des Leipziger Gewand- hausorchesters unter Leitung von Thomaskantor Thomas Biller.
Diese CD enthält die Pfingstkanta- ten Erschallet, ihr Lieder BWV 172, Wer mich liebet, der wird mein Wort halten BWV 74 und O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe BWV 34. Vorangestellt hat Biller diesen Kantaten erneut Hymnen aus der Sammlung Florilegium selectissimorum Hymnorum, zusammen- gestellt 1594 von Erhard Bodenschatz, wie dies zu Bachs Zeiten üblich war.
Die Soli werden von Thomanern - in diesem Falle Sopran Conrad Zuber, Alt Robert Pohlers und Alt Martin Deckelmann - und ehema- ligen Thomanern gesungen, auf dieser CD sind dies die Tenöre Christoph Genz und Martin Petzold, sowie Matthias Weichert, Bass. Reinhard Decker, ebenfalls Bassist, begann seine musikalische Ausbildung im Dresdner Kreuzchor unter Kreuzkantor Rudolf Mauersberger.
Zur musikalischen Qualität dieser Aufnahmen aus den Jahren 2007 und 2008 sei gesagt, dass sie sich mit den führenden Kantateneditio- nen auch nicht entfernt messen können. Man sollte diese Serie eher als eine Art klingendes Souvenir aus Leipzig sehen - und also solches wird sie ganz sicher auch ihre Käufer finden.
Diese CD enthält die Pfingstkanta- ten Erschallet, ihr Lieder BWV 172, Wer mich liebet, der wird mein Wort halten BWV 74 und O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe BWV 34. Vorangestellt hat Biller diesen Kantaten erneut Hymnen aus der Sammlung Florilegium selectissimorum Hymnorum, zusammen- gestellt 1594 von Erhard Bodenschatz, wie dies zu Bachs Zeiten üblich war.
Die Soli werden von Thomanern - in diesem Falle Sopran Conrad Zuber, Alt Robert Pohlers und Alt Martin Deckelmann - und ehema- ligen Thomanern gesungen, auf dieser CD sind dies die Tenöre Christoph Genz und Martin Petzold, sowie Matthias Weichert, Bass. Reinhard Decker, ebenfalls Bassist, begann seine musikalische Ausbildung im Dresdner Kreuzchor unter Kreuzkantor Rudolf Mauersberger.
Zur musikalischen Qualität dieser Aufnahmen aus den Jahren 2007 und 2008 sei gesagt, dass sie sich mit den führenden Kantateneditio- nen auch nicht entfernt messen können. Man sollte diese Serie eher als eine Art klingendes Souvenir aus Leipzig sehen - und also solches wird sie ganz sicher auch ihre Käufer finden.
Dienstag, 22. Mai 2012
Gustavo Dudamel - Discoveries (Deutsche Grammophon)
Wie gelingt es einem Jungen aus einfachsten Verhältnissen, ein weltweit gefeierter Dirigent und ein Star der internationalen Klassik-Szene zu werden? Gustavo Duda- mel hat es vorgemacht. Das staat- liche venezolanische System der Kinder- und Jugendorchester er- möglichte es ihm, Geige zu lernen. Der Unterricht ist kostenlos; doch die Kinder erklären sich im Gegen- zug bereit, ihrerseits jüngere Schüler anzuleiten, sobald sie etwas gelernt haben, und in einem Orchester mitzuspielen.
José Antonio Abreu, der "El Sistema" entwickelt hat, um den jungen Leuten eine Alternative zu Gewalt und Kriminalität zu bieten, ent- deckte Dudamels spezielles Talent, als er ihn dabei beobachtete, wie der Fünfzehnjährige das Amadeus Chamber Orchestra dirigierte. Fünf Jahre später übernahm Dudamel die Leitung des Simón Bolívar Ju- gendorchesters, in dem die besten jungen Musiker zusammen spielen, die durch "El Sistema" ausgebildet worden sind.
Musiker aus Venezuela spielen mittlerweile in den Spitzenorchestern der Welt. Und Dudamel gewann mit 25 Jahren den Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerb der Bamberger Symphoniker. Zwei Jahre später wurde er Chefdirigent der Göteborgs Symfoniker, des schwe- dischen Nationalorchesters. Seit 2009 leitet er das Los Angeles Philharmonic Orchestra. Und natürlich hat er längst auch die Berliner und die Wiener Philharmoniker dirigiert.
Ein Mitschnitt der Schottischen Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy, entstanden bei Dudamels offiziellem Debütkonzert mit den Wiener Philharmonikern, erschien nun auf Vinyl. Der Erlös dieser exklusiven Edition soll die Arbeit von "El Sistema" in einer besonders armen Region von Venezuela unterstützen. Auch dieser Sampler, der wichtige Stationen der Karriere des Dirigenten dokumentiert, tritt für diese spezielle, solidarische Form des Musikunterrichtes ein. Ihm liegt eine DVD bei, die mit einem Dokumentarfilm von Enrique Sán- chez Lansch Einblick in die Tätigkeit des "Systems" gibt.
"El Sistema ist das wichtigste Kulturprojekt meiner Heimat", unter- streicht Gustavo Dudamel im Beiheft, "doch es hat auch weltweit symbolhafte Wirkung als eines der wichtigsten Kulturprojekte der heutigen Zeit. Dank der besonderen Art der Vermittlung zwischen Kunst und Gesellschaft bei El Sistema sehen die Leute klassische Musik mit anderen Augen. Mitten im Nirgendwo zu einem Orchester zu gehören, bedeutet für diese Kinder, dass sie eine wirkliche Brücke zu bauen beginnen, die allmählich immer weniger eine Utopie ist, bis hin zu ihrem Traum, den Weg zum Simón Bolívar Symphony Orchestra oder den Wiener Philharmonikern zu schaffen. Schritt für Schritt wird aus dem Wunschtraum Wirklichkeit", betont der Diri- gent. "Musik ist ein Menschenrecht. Und das ist der Gedanke, der hinter El Sistema steht."
José Antonio Abreu, der "El Sistema" entwickelt hat, um den jungen Leuten eine Alternative zu Gewalt und Kriminalität zu bieten, ent- deckte Dudamels spezielles Talent, als er ihn dabei beobachtete, wie der Fünfzehnjährige das Amadeus Chamber Orchestra dirigierte. Fünf Jahre später übernahm Dudamel die Leitung des Simón Bolívar Ju- gendorchesters, in dem die besten jungen Musiker zusammen spielen, die durch "El Sistema" ausgebildet worden sind.
Musiker aus Venezuela spielen mittlerweile in den Spitzenorchestern der Welt. Und Dudamel gewann mit 25 Jahren den Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerb der Bamberger Symphoniker. Zwei Jahre später wurde er Chefdirigent der Göteborgs Symfoniker, des schwe- dischen Nationalorchesters. Seit 2009 leitet er das Los Angeles Philharmonic Orchestra. Und natürlich hat er längst auch die Berliner und die Wiener Philharmoniker dirigiert.
Ein Mitschnitt der Schottischen Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy, entstanden bei Dudamels offiziellem Debütkonzert mit den Wiener Philharmonikern, erschien nun auf Vinyl. Der Erlös dieser exklusiven Edition soll die Arbeit von "El Sistema" in einer besonders armen Region von Venezuela unterstützen. Auch dieser Sampler, der wichtige Stationen der Karriere des Dirigenten dokumentiert, tritt für diese spezielle, solidarische Form des Musikunterrichtes ein. Ihm liegt eine DVD bei, die mit einem Dokumentarfilm von Enrique Sán- chez Lansch Einblick in die Tätigkeit des "Systems" gibt.
"El Sistema ist das wichtigste Kulturprojekt meiner Heimat", unter- streicht Gustavo Dudamel im Beiheft, "doch es hat auch weltweit symbolhafte Wirkung als eines der wichtigsten Kulturprojekte der heutigen Zeit. Dank der besonderen Art der Vermittlung zwischen Kunst und Gesellschaft bei El Sistema sehen die Leute klassische Musik mit anderen Augen. Mitten im Nirgendwo zu einem Orchester zu gehören, bedeutet für diese Kinder, dass sie eine wirkliche Brücke zu bauen beginnen, die allmählich immer weniger eine Utopie ist, bis hin zu ihrem Traum, den Weg zum Simón Bolívar Symphony Orchestra oder den Wiener Philharmonikern zu schaffen. Schritt für Schritt wird aus dem Wunschtraum Wirklichkeit", betont der Diri- gent. "Musik ist ein Menschenrecht. Und das ist der Gedanke, der hinter El Sistema steht."
Historia de Compassione Mariae (cpo)
Die Historia de Compassione Gloriosissimae Virginis Mariae ist das älteste vollständig erhaltene Werk der Hamburger Musikge- schichte. Der Codex wurde im
15. Jahrhundert angefertigt, wie Experten festgestellt haben. Er trägt auf dem Innendeckel den Vermerk "ad usum Ecclesiae Cathedralis Hamburgensis", war also für den Gebrauch im Hambur- ger Dom bestimmt.
Das Manuskript verwendet die sogenannte gotische Notation. Sie dokumentiert zwar den melodischen Verlauf des Gesanges, enthält aber keinerlei Angaben über seine rhythmische Gestaltung.
Das Ensemble Amarcord, aus dem Thomanerchor hervorgegangen und mittlerweile ein fester Bestandteil des Leipziger Musiklebens, hat sich mit Unterstützung durch Godehard Joppich, einen der führenden Experten für gregorianischen Gesang in Deutschland, an eine Inter- pretation der drei Nocturnen gewagt.
Diese Gesänge der sogenannten Matutin, des klösterlichen Nacht- offiziums, bestehen jeweils aus drei Psalmen mit Antiphonen, gefolgt von drei Lesungen mit Antwortgesängen, den Responsorien. Dass es sich bei der Hamburger Historia nicht mehr um den ganz "klassischen" gregorianischen Gesang, wie er über die Jahrhunderte in den Klöstern Europas gepflegt wurde, handelt, verrät uns vor allem auch der Text. Er entstammt nicht mehr nahezu ausschließlich der Bibel, sondern er wurde anderen Formen der geistlichen Literatur entnommen. Bei dem Hamburger Werk handelt es sich sogar nicht mehr um Verse, sondern um Prosa. Sie beschreibt das Leiden der Gottesmutter im Angesicht des Kreuzes.
Die fünf Sänger von Amarcord stellen uns ein sehr fremdes, aber auch faszinierendes und wunderschönes Kunstwerk aus einer fernen Zeit vor. Sie singen harmonisch, gelassen, und geben den alten Melodien Raum und Zeit, zu klingen und zu wirken. Auf diese CD muss man sich einlassen - doch das lohnt sich.
15. Jahrhundert angefertigt, wie Experten festgestellt haben. Er trägt auf dem Innendeckel den Vermerk "ad usum Ecclesiae Cathedralis Hamburgensis", war also für den Gebrauch im Hambur- ger Dom bestimmt.
Das Manuskript verwendet die sogenannte gotische Notation. Sie dokumentiert zwar den melodischen Verlauf des Gesanges, enthält aber keinerlei Angaben über seine rhythmische Gestaltung.
Das Ensemble Amarcord, aus dem Thomanerchor hervorgegangen und mittlerweile ein fester Bestandteil des Leipziger Musiklebens, hat sich mit Unterstützung durch Godehard Joppich, einen der führenden Experten für gregorianischen Gesang in Deutschland, an eine Inter- pretation der drei Nocturnen gewagt.
Diese Gesänge der sogenannten Matutin, des klösterlichen Nacht- offiziums, bestehen jeweils aus drei Psalmen mit Antiphonen, gefolgt von drei Lesungen mit Antwortgesängen, den Responsorien. Dass es sich bei der Hamburger Historia nicht mehr um den ganz "klassischen" gregorianischen Gesang, wie er über die Jahrhunderte in den Klöstern Europas gepflegt wurde, handelt, verrät uns vor allem auch der Text. Er entstammt nicht mehr nahezu ausschließlich der Bibel, sondern er wurde anderen Formen der geistlichen Literatur entnommen. Bei dem Hamburger Werk handelt es sich sogar nicht mehr um Verse, sondern um Prosa. Sie beschreibt das Leiden der Gottesmutter im Angesicht des Kreuzes.
Die fünf Sänger von Amarcord stellen uns ein sehr fremdes, aber auch faszinierendes und wunderschönes Kunstwerk aus einer fernen Zeit vor. Sie singen harmonisch, gelassen, und geben den alten Melodien Raum und Zeit, zu klingen und zu wirken. Auf diese CD muss man sich einlassen - doch das lohnt sich.
Kraus: Sämtliche Klavierwerke (Musicaphon)
Wenn Musiker und Kritiker sich nicht mögen, dann kann das Folgen haben. Joseph Martin Kraus (1756 bis 1792) widmete Zwei neue ku- riose Minuetten dem Bach-Bio- graphen Johann Nikolaus Forkel, mit dem er einst aneinandergera- ten war. "Dass sich Dr. Forkel und Kraus immer im Streit miteinander befanden, ist in verschiedener Hinsicht bezeugt", berichtet Kraus-Biograph Samuel Silverstolpe, "und man besitzt im Manuskript zwei von Kraus komponierte und Herrn Forkel zugeeignete Menuette für Fortepiano, bei denen der altmodi- sche Stil und die Kombination aller möglichen harmonischen Gebre- chen auf etwas mehr als einen Scherz hindeuten."
Warum Kraus den Beinamen "schwedischer Mozart" erhielt, wird dem Hörer dieser CD ein Rätsel bleiben. Der Sohn eines kurmainzischen Beamten lernte zunächst an der Lateinschule in Buchen, und dann am Jesuitengymnasium in Mannheim, wo er auch das Musikseminar besuchte. Die Hofkapelle dort zählte damals zu den besten Europas; einen jungen Menschen, der sich für Musik begeisterte, dürfte das nachhaltig beeindruckt haben. Und in der Tat schrieb sich Kraus 1773 zwar an der Universität - zunächst in Mainz, wenig später dann in Erfurt - ein, um brav Jura zu studieren. Doch scheint er dort mehr von Bachs letztem Schüler Johann Christian Kittel als von seinen Professoren gelernt zu haben.
Von Erfurt aus soll er zudem Wilhelm Friedemann Bach in Magdeburg und Carl Philipp Emanuel Bach in Hamburg besucht haben. 1776 ging Kraus nach Göttingen, um dort sein Jura-Studium fortzusetzen.
1778 reiste der Komponist nach Schweden, um sich dort am Hofe des Königs Gustav III. um eine Anstellung zu bewerben. Diese erhielt er jedoch erst 1781, als er nach dem Erfolg einer Oper zum Kapell- meister ernannt wurde. Er bekam vom König ein Jahresgehalt von 300 Dukaten - und wurde von ihm auf eine Studienreise geschickt, die den jungen Komponisten über Dresden und Wien bis nach Italien führte. Dort traf er auf seinen König, und er reiste weiter nach Paris, wo Kraus fast zwei Jahre blieb.
Als er schließlich 1786 nach Stockholm zurückkehrte, fand er sich durch Abbé Vogler ersetzt. Der König löste dieses Problem, indem er Kraus zum Direktor der Königlichen Musikakademie ernannte. Dem Komponisten gelang es, sich in Schweden zu etablieren. Das zeigt sich auch daran, dass er 1792 nach dem Attentat auf den König, der einem Anschlag während eines Maskenballes zum Opfer fiel, Trauersinfonie und Begräbniskantate für Gustav III. komponierte. Im Dezember desselben Jahres starb auch der Musiker, an Lungentuberkulose.
Er hinterließ ein erstaunlich umfangreiches Werk, allerdings waren nur wenige seiner Stücke für Tasteninstrumente bestimmt. Christian Brembeck hat Kraus' Klavierwerke für Musicaphon eingespielt. Für die Sonaten in Es-Dur und in E-Dur, ein Rondo in F-Dur und ein Larghetto in G-Dur wählte er ein Instrument, das dem Charakter dieser Werke eher betont, weil es den Unterschied zu den Sonaten Mozarts sehr deutlich werden lässt: Er spielt einen Nachbau von Mozarts Hammerflügel - im Original von Anton Walter, hier von Eckehart Merzdorf, Remchingen. Aus seiner Werkstatt stammt auch die Kopie eines Clavichords von Johann Christoph Fleischer. Auf diesem Instrument, das vergleichsweise flüsterleise und intim klingt, spielt Brembeck Scherzo con variationi in C-Dur, die Minuetten und Svensk Dans.
Warum Kraus den Beinamen "schwedischer Mozart" erhielt, wird dem Hörer dieser CD ein Rätsel bleiben. Der Sohn eines kurmainzischen Beamten lernte zunächst an der Lateinschule in Buchen, und dann am Jesuitengymnasium in Mannheim, wo er auch das Musikseminar besuchte. Die Hofkapelle dort zählte damals zu den besten Europas; einen jungen Menschen, der sich für Musik begeisterte, dürfte das nachhaltig beeindruckt haben. Und in der Tat schrieb sich Kraus 1773 zwar an der Universität - zunächst in Mainz, wenig später dann in Erfurt - ein, um brav Jura zu studieren. Doch scheint er dort mehr von Bachs letztem Schüler Johann Christian Kittel als von seinen Professoren gelernt zu haben.
Von Erfurt aus soll er zudem Wilhelm Friedemann Bach in Magdeburg und Carl Philipp Emanuel Bach in Hamburg besucht haben. 1776 ging Kraus nach Göttingen, um dort sein Jura-Studium fortzusetzen.
1778 reiste der Komponist nach Schweden, um sich dort am Hofe des Königs Gustav III. um eine Anstellung zu bewerben. Diese erhielt er jedoch erst 1781, als er nach dem Erfolg einer Oper zum Kapell- meister ernannt wurde. Er bekam vom König ein Jahresgehalt von 300 Dukaten - und wurde von ihm auf eine Studienreise geschickt, die den jungen Komponisten über Dresden und Wien bis nach Italien führte. Dort traf er auf seinen König, und er reiste weiter nach Paris, wo Kraus fast zwei Jahre blieb.
Als er schließlich 1786 nach Stockholm zurückkehrte, fand er sich durch Abbé Vogler ersetzt. Der König löste dieses Problem, indem er Kraus zum Direktor der Königlichen Musikakademie ernannte. Dem Komponisten gelang es, sich in Schweden zu etablieren. Das zeigt sich auch daran, dass er 1792 nach dem Attentat auf den König, der einem Anschlag während eines Maskenballes zum Opfer fiel, Trauersinfonie und Begräbniskantate für Gustav III. komponierte. Im Dezember desselben Jahres starb auch der Musiker, an Lungentuberkulose.
Er hinterließ ein erstaunlich umfangreiches Werk, allerdings waren nur wenige seiner Stücke für Tasteninstrumente bestimmt. Christian Brembeck hat Kraus' Klavierwerke für Musicaphon eingespielt. Für die Sonaten in Es-Dur und in E-Dur, ein Rondo in F-Dur und ein Larghetto in G-Dur wählte er ein Instrument, das dem Charakter dieser Werke eher betont, weil es den Unterschied zu den Sonaten Mozarts sehr deutlich werden lässt: Er spielt einen Nachbau von Mozarts Hammerflügel - im Original von Anton Walter, hier von Eckehart Merzdorf, Remchingen. Aus seiner Werkstatt stammt auch die Kopie eines Clavichords von Johann Christoph Fleischer. Auf diesem Instrument, das vergleichsweise flüsterleise und intim klingt, spielt Brembeck Scherzo con variationi in C-Dur, die Minuetten und Svensk Dans.
Freitag, 18. Mai 2012
Haydn: Flute Trios (Naxos)
Joseph Haydn (1732 bis 1809) schuf leider sehr viel mehr Werke für das Baryton als für die Flöte. Da finden sich vier Divertimenti, die er auf seiner zweiten England-Reise schuf - und dann noch drei die Trios für Flöte, Violoncello und Klavier Hob. XV:15-17. Flötisten werden das bedauern, denn diese Stücke sind nicht nur melodisch sehr schön, sondern auch geprägt durch eine große Portion Humor. Und in dieser Kombination findet sich das wirklich selten.
Flötist Uwe Grodd hat die Trios gemeinsam mit dem Cellisten Martin Rummel und Christopher Hinterhuber am Klavier für Naxos einge- spielt. Besonders interessant erweist sich in diesem Zusammenhang der Klang des Bösendorfers, der mit seinem klaren Diskant und seinem schlanken Bass ein bisschen an ein Fortepiano erinnert. Das kommt Haydns Trios zupass, insbesondere dann, wenn im Mittelsatz "Flöte und Klavier gleichermaßen um die Gunst des Zuhörers buh- len", wie Martin Rummel im Beiblatt augenzwinkernd schreibt, "wäh- rend das Violoncello dezent begleitet."
Flötist Uwe Grodd hat die Trios gemeinsam mit dem Cellisten Martin Rummel und Christopher Hinterhuber am Klavier für Naxos einge- spielt. Besonders interessant erweist sich in diesem Zusammenhang der Klang des Bösendorfers, der mit seinem klaren Diskant und seinem schlanken Bass ein bisschen an ein Fortepiano erinnert. Das kommt Haydns Trios zupass, insbesondere dann, wenn im Mittelsatz "Flöte und Klavier gleichermaßen um die Gunst des Zuhörers buh- len", wie Martin Rummel im Beiblatt augenzwinkernd schreibt, "wäh- rend das Violoncello dezent begleitet."
Telemann: Wind Concertos Vol. 7 (cpo)
Das Ensemble La Stagione hat unter Michael Schneider für cpo sämtliche Bläserkonzerte von Georg Philipp Telemann einge- spielt. Dies ist nun die vorletzte CD der Reihe, und sie macht erneut deutlich, wie effektvoll, farben- reich und handwerklich versiert Telemann komponierte.
Er nutzte sowohl französische Stil- elemente als auch den "italiäni- schen Rock", und kombinierte beides gern mit Ideen, die er in jungen Jahren der polnischen Tanzmusik abgelauscht hatte, die Telemann offenbar ebenfalls sehr schätzte.
Ein ganz besonderes Bonbon ist ohne Zweifel das Concerto in D-Dur für Corno da caccia, Streicher und Basso continuo. Jörg Schulteß wagt sich an die außerordentlich anspruchsvolle Solopartie, und er bewältigt dieses Virtuosenstückchen souverän. Hervorragend ge- spielt sind aber auch all die anderen Bläserkonzerte; die Musiker des Ensembles La Stagione zeigen zudem, dass man Telemann durchaus schätzen muss - denn seine Musik hat viele Facetten, und ist immer für eine Überraschung gut.
Er nutzte sowohl französische Stil- elemente als auch den "italiäni- schen Rock", und kombinierte beides gern mit Ideen, die er in jungen Jahren der polnischen Tanzmusik abgelauscht hatte, die Telemann offenbar ebenfalls sehr schätzte.
Ein ganz besonderes Bonbon ist ohne Zweifel das Concerto in D-Dur für Corno da caccia, Streicher und Basso continuo. Jörg Schulteß wagt sich an die außerordentlich anspruchsvolle Solopartie, und er bewältigt dieses Virtuosenstückchen souverän. Hervorragend ge- spielt sind aber auch all die anderen Bläserkonzerte; die Musiker des Ensembles La Stagione zeigen zudem, dass man Telemann durchaus schätzen muss - denn seine Musik hat viele Facetten, und ist immer für eine Überraschung gut.
Zelenka: Responsoria pro hebdomada sancta (Accent)
1722 erhielt Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745), Kontrabassist der Dresdner Hofkapelle, den Auftrag, Musik für die Karwoche zu kompo- nieren. Der Musiker, der 1710 aus Prag an den sächsischen Hof ge- kommen war, hatte sich von 1716 bis 1719 zu Studienzwecken beim kaiserlichen Kapellmeister Johann Joseph Fux in Wien aufgehalten, wo er sicherlich auch dem Kur- prinzen aufgespielt haben wird, der um Erzherzogin Maria Josepha freite. Nach der Hochzeit sorgte die Kurprinzessin dafür, dass die Kirchenmusik in Dresden prächtiger wurde, so, wie sie das von Wien her gewohnt war.
Zelenka schuf also die Musik für drei besondere Gottesdienste am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag, die aus der klösterlichen Tradition stammen, wo sie in den frühen Morgenstunden abgehalten worden sind. Um der Bequemlichkeit willen wurden sie aber später auf den Nachmittag verlegt. Jede dieser Metten bestand aus drei Nokturnen, in denen jeweils drei Psalmen gesungen wurden, gefolgt von jeweils drei Lesungen mit darauf folgenden Antwortgesängen, den sogenannten Responsorien.
Die Lesungen der ersten Nokturn stammen aus den Klageliedern des Propheten Jeremias, in der zweiten Nokturn aus dem Kommentar des Heiligen Augustinus zu dem Psalmen und in der dritten Nokturn aus den Briefen des Neuen Testamentes. Zelenka schrieb zunächst die sechs Lamentationes Ieremiae Prophetae ZWV 53, und im Jahr darauf vervollständigte er das Werk durch die Responsoria pro hebdomada sancta ZWV 55. Ergänzt wurde das Werk bereits 1722 durch das Miserere d-Moll ZWV 56, das an allen drei Tagen gesungen wurde. Vorgesehen war zudem, die noch fehlenden Abschnitte der Lamentatio zu ergänzen - doch das geschah dann nicht mehr, denn schon 1724 drängte die Aufführung italienischer Oratorien die Metten in den Hintergrund.
Collegium 1704 und Collegium Vocale 1704 haben unter Leitung von Václav Luks einen Teil der Lamentationes sowie die vollständigen Responsoria auf zwei CD mustergültig eingespielt. Den Sängern und Musikern ist es geradezu exemplarisch gelungen, den Klangeindruck zu rekonstruieren, den diese großangelegten kirchenmusikalischen Werke 1722/23 vermittelt haben sollten. Dass Luks Sängerinnen einsetzt statt falsettierender Schauspieler, wie es seinerzeit am Dresdner Hof gehalten worden sein dürfte, dafür wird ihm der heutige Zuhörer dankbar sein. Das Ensemble ist im übrigen exzellent, meine Empfehlung!
Zelenka schuf also die Musik für drei besondere Gottesdienste am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag, die aus der klösterlichen Tradition stammen, wo sie in den frühen Morgenstunden abgehalten worden sind. Um der Bequemlichkeit willen wurden sie aber später auf den Nachmittag verlegt. Jede dieser Metten bestand aus drei Nokturnen, in denen jeweils drei Psalmen gesungen wurden, gefolgt von jeweils drei Lesungen mit darauf folgenden Antwortgesängen, den sogenannten Responsorien.
Die Lesungen der ersten Nokturn stammen aus den Klageliedern des Propheten Jeremias, in der zweiten Nokturn aus dem Kommentar des Heiligen Augustinus zu dem Psalmen und in der dritten Nokturn aus den Briefen des Neuen Testamentes. Zelenka schrieb zunächst die sechs Lamentationes Ieremiae Prophetae ZWV 53, und im Jahr darauf vervollständigte er das Werk durch die Responsoria pro hebdomada sancta ZWV 55. Ergänzt wurde das Werk bereits 1722 durch das Miserere d-Moll ZWV 56, das an allen drei Tagen gesungen wurde. Vorgesehen war zudem, die noch fehlenden Abschnitte der Lamentatio zu ergänzen - doch das geschah dann nicht mehr, denn schon 1724 drängte die Aufführung italienischer Oratorien die Metten in den Hintergrund.
Collegium 1704 und Collegium Vocale 1704 haben unter Leitung von Václav Luks einen Teil der Lamentationes sowie die vollständigen Responsoria auf zwei CD mustergültig eingespielt. Den Sängern und Musikern ist es geradezu exemplarisch gelungen, den Klangeindruck zu rekonstruieren, den diese großangelegten kirchenmusikalischen Werke 1722/23 vermittelt haben sollten. Dass Luks Sängerinnen einsetzt statt falsettierender Schauspieler, wie es seinerzeit am Dresdner Hof gehalten worden sein dürfte, dafür wird ihm der heutige Zuhörer dankbar sein. Das Ensemble ist im übrigen exzellent, meine Empfehlung!
Donnerstag, 17. Mai 2012
Fuchs: Serenades Nos. 3, 4 and 5 (Naxos)
Der Name Robert Fuchs (1847 bis 1927) wird wohl nur Insidern etwas sagen. Dabei war er einst ein bekannter Musikpädagoge, zu dessen Schülern unter anderem George Enescu, Erich Korngold, Gustav Mahler, Franz Schreker, Jean Sibelius, Hugo Wolf und Alexander Zemlinsky gehörten.
Für die Werke des Kollegen, der von 1875 bis 1912 als Professor für Theorie am Wiener Konservato- rium lehrte, begeisterte sich auch Johannes Brahms. Er meinte: "Alles ist so fein, so geschickt, so bezaubernd erfunden, dass man immer Gefallen daran findet."
Das Werk des Österreichers ist überschaubar: Zwei Opern, drei Sin- fonien, drei Messen, etwas Kammermusik, sowie einige Werke für Orgel und Klavier - und fünf Serenaden für Streichorchester, die das Kölner Kammerorchester nun unter Christian Ludwig für Naxos eingespielt hat. Diese CD enthält die Serenaden drei, vier und fünf.
Serenade Nr. 3, erschienen 1878, ist Erzherzogin Elisabeth von Österreich gewidmet. Und weil "Sissi" bekanntlich Ungarn leiden- schaftlich zugetan war, endet das Werk, das ziemlich melancholisch beginnt, mit einem munteren Finale alla zingarese. 1895 legte Fuchs Serenade Nr. 4 vor - und sie beeindruckt durch ihre wundervolle Instrumentation, insbesondere durch den Kontrast zwischen Hör- nern und Streichern. Serenade Nr. 5 schließlich startet erstaunlich düster, um dann letzten Endes in ein Finale zu münden, das ausge- sprochen wienerisch und sehr temperamentvoll erscheint.
Das Kölner Kammerorchester kostet den Farbenreichtum des Fuchs'schen Orchestersatzes aus. Die Musiker demonstrieren jedoch, dass auch Spätromantik temperamentvoll und mit einem Fünkchen Hintersinn gespielt werden kann. So bereitet diese Musik Vergnügen, auch wenn diese Serenaden nicht mehr Unterhaltungsmusik pur sein wollen.
Für die Werke des Kollegen, der von 1875 bis 1912 als Professor für Theorie am Wiener Konservato- rium lehrte, begeisterte sich auch Johannes Brahms. Er meinte: "Alles ist so fein, so geschickt, so bezaubernd erfunden, dass man immer Gefallen daran findet."
Das Werk des Österreichers ist überschaubar: Zwei Opern, drei Sin- fonien, drei Messen, etwas Kammermusik, sowie einige Werke für Orgel und Klavier - und fünf Serenaden für Streichorchester, die das Kölner Kammerorchester nun unter Christian Ludwig für Naxos eingespielt hat. Diese CD enthält die Serenaden drei, vier und fünf.
Serenade Nr. 3, erschienen 1878, ist Erzherzogin Elisabeth von Österreich gewidmet. Und weil "Sissi" bekanntlich Ungarn leiden- schaftlich zugetan war, endet das Werk, das ziemlich melancholisch beginnt, mit einem munteren Finale alla zingarese. 1895 legte Fuchs Serenade Nr. 4 vor - und sie beeindruckt durch ihre wundervolle Instrumentation, insbesondere durch den Kontrast zwischen Hör- nern und Streichern. Serenade Nr. 5 schließlich startet erstaunlich düster, um dann letzten Endes in ein Finale zu münden, das ausge- sprochen wienerisch und sehr temperamentvoll erscheint.
Das Kölner Kammerorchester kostet den Farbenreichtum des Fuchs'schen Orchestersatzes aus. Die Musiker demonstrieren jedoch, dass auch Spätromantik temperamentvoll und mit einem Fünkchen Hintersinn gespielt werden kann. So bereitet diese Musik Vergnügen, auch wenn diese Serenaden nicht mehr Unterhaltungsmusik pur sein wollen.
Mittwoch, 16. Mai 2012
Café - Orient meets Okzident (Berlin Classics)
1669 brachte Soliman Aga, der Gesandte von Sultan Mohammed IV., den Kaffee nach Paris. Adel und Großbürgertum waren faszi- niert, und schon bald begeisterten sie sich nicht nur für den "Türken- trank", sondern auch für das Inte- rieur seines Stadthauses. Madame de Pompadour ließ sich in den Klei- dern einer Haremsdame malen. Europas Eliten feierten Kostüm- feste im türkischen Stil.
Einzig die Österreicher waren von der Türkenmode nicht hingerissen. Die Erinnerung an die Feldzüge der Türken, die 1529 zum ersten Male Wien belagert hatten, war noch präsent. Und 1683 standen die Truppen des Osmanischen Reiches schon wieder vor den Toren der Stadt.
Als sie nach der zweiten Belagerung Wiens abzogen, blieben unter an- derem Säcke mit Kaffee zurück. Die Bürger hielten den Inhalt zu- nächst, so wird berichtet, für Kamelfutter. Ein Kundschafter freilich konnte bald das Rätsel lüften - und sicherte sich das Privileg, "solches orientalisches Getränck auf 20 Jahr allein zu verkauffen".
Beeindruckt zeigten sich die Wiener aber von der türkischen Heeres- musik. Johann Joseph Fux imitierte sie in seiner Suite Turcaria - eine musikalische Beschreibung der Belagerung Wiens durch die Türken anno 1683. Und viele andere Komponisten waren davon ebenfalls sehr angetan.
Wie die fremdartigen Klänge in die europäische Musik integriert wur- den, das demonstriert das Pera Ensemble auf dieser CD - und macht sich einen Spaß daraus, die Musiktraditionen des Morgen- und des Abendlandes zu vermischen. So mogeln die Musiker in die Schau- spielmusik, die Jean-Baptiste Lully für Molières Komödie Le bourgeois gentilhomme komponiert hat, ein Stück von Ali Ufki (1610 bis 1675). Der Organist, der ursprünglich Wojciech Bobowsky hieß, stammte aus einer Breslauer Hugenottenfamilie und wurde von den Tataren nach Istanbul verschleppt. Er konvertierte zum Islam, und wirkte am Hofe des Sultans als Dolmetscher und Musiker. Zu hören sind auf dieser CD sowohl europäische Werke, teilweise gespielt auf orientalischen Instrumenten, als auch "original" türkische Musik. Es singen Yaprak Sayar, Sopran, und Countertenor Valer Barna-Saba- dus.
Einzig die Österreicher waren von der Türkenmode nicht hingerissen. Die Erinnerung an die Feldzüge der Türken, die 1529 zum ersten Male Wien belagert hatten, war noch präsent. Und 1683 standen die Truppen des Osmanischen Reiches schon wieder vor den Toren der Stadt.
Als sie nach der zweiten Belagerung Wiens abzogen, blieben unter an- derem Säcke mit Kaffee zurück. Die Bürger hielten den Inhalt zu- nächst, so wird berichtet, für Kamelfutter. Ein Kundschafter freilich konnte bald das Rätsel lüften - und sicherte sich das Privileg, "solches orientalisches Getränck auf 20 Jahr allein zu verkauffen".
Beeindruckt zeigten sich die Wiener aber von der türkischen Heeres- musik. Johann Joseph Fux imitierte sie in seiner Suite Turcaria - eine musikalische Beschreibung der Belagerung Wiens durch die Türken anno 1683. Und viele andere Komponisten waren davon ebenfalls sehr angetan.
Wie die fremdartigen Klänge in die europäische Musik integriert wur- den, das demonstriert das Pera Ensemble auf dieser CD - und macht sich einen Spaß daraus, die Musiktraditionen des Morgen- und des Abendlandes zu vermischen. So mogeln die Musiker in die Schau- spielmusik, die Jean-Baptiste Lully für Molières Komödie Le bourgeois gentilhomme komponiert hat, ein Stück von Ali Ufki (1610 bis 1675). Der Organist, der ursprünglich Wojciech Bobowsky hieß, stammte aus einer Breslauer Hugenottenfamilie und wurde von den Tataren nach Istanbul verschleppt. Er konvertierte zum Islam, und wirkte am Hofe des Sultans als Dolmetscher und Musiker. Zu hören sind auf dieser CD sowohl europäische Werke, teilweise gespielt auf orientalischen Instrumenten, als auch "original" türkische Musik. Es singen Yaprak Sayar, Sopran, und Countertenor Valer Barna-Saba- dus.
Montag, 14. Mai 2012
Une fete Baroque! (Virgin Classics)
Rameau, Lully, Purcell und Händel - Werke dieser Komponisten wähl- te Emmanuelle Haim für das große Jubiläumsfest ihres Ensembles Concert d'Astrée. Auf dieser Doppel-CD liegt nun der Mitschnitt des barocken Festes vor, das das Orchester, dirigiert von seiner Gründerin, mit 24 (!) prominenten Sängerinnen und Sängern am 19. Dezember 2011 im Pariser Théatre des Champs-Elysées feierte.
Der Mitschnitt vermittelt auch einen Eindruck von der Stimmung, die dieses musikalische Feuerwerk der Extraklasse zauberte. Das Publikum reagiert geradezu euphorisch - was allerdings auch kein Wunder ist, denn etliche Sänger lassen es regelrecht krachen. Das liegt nicht jedem der beteiligten Stars glei- chermaßen, doch der Jubel des Publikums zeigt deutlich, dass einige Sänger und Musiker gern auch ihr theatralisches Talent zur Geltung bringen. Die schönen Töne verstehen sich bei Künstlern wie Natalie Dessay, Patricia Petibon, Sandrine Piau, Anne Sofie von Otter, Pascal Bertin, Philippe Jaroussky oder Rolando Villazon ohnehin quasi von selbst. Was für eine Party! Hier wird mit Lust und Leidenschaft musiziert. Zum Abschluss erklingt schließlich Händels Hallelujah – begeistert mitgesungen auch im Saal. Wer die Doppel-CD erwirbt, der unterstützt ebenso wie das Publikum jenes denkwürdigen Abends das Révolution-Cancer-Programm, ein Krebs-Forschungsprojekt der Fondation Gustave Roussy.
Der Mitschnitt vermittelt auch einen Eindruck von der Stimmung, die dieses musikalische Feuerwerk der Extraklasse zauberte. Das Publikum reagiert geradezu euphorisch - was allerdings auch kein Wunder ist, denn etliche Sänger lassen es regelrecht krachen. Das liegt nicht jedem der beteiligten Stars glei- chermaßen, doch der Jubel des Publikums zeigt deutlich, dass einige Sänger und Musiker gern auch ihr theatralisches Talent zur Geltung bringen. Die schönen Töne verstehen sich bei Künstlern wie Natalie Dessay, Patricia Petibon, Sandrine Piau, Anne Sofie von Otter, Pascal Bertin, Philippe Jaroussky oder Rolando Villazon ohnehin quasi von selbst. Was für eine Party! Hier wird mit Lust und Leidenschaft musiziert. Zum Abschluss erklingt schließlich Händels Hallelujah – begeistert mitgesungen auch im Saal. Wer die Doppel-CD erwirbt, der unterstützt ebenso wie das Publikum jenes denkwürdigen Abends das Révolution-Cancer-Programm, ein Krebs-Forschungsprojekt der Fondation Gustave Roussy.
Dvorák: Poetische Stimmungsbilder op. 85 (Avi-Music)
"Es wird allerdings schade sein, dass wahrscheinlich wenige Pia- nisten soviel Mut haben werden, sie alle nacheinander zu spielen (sie dauern fast eine Dreiviertel Stunde), aber nur dann kann sich der Hörer die richtige Vorstellung davon machen, was ich dachte, denn diesmal bin ich nicht nur absoluter Musiker, sondern Poet." Das schrieb Antonín Dvorák einst über seinen Zyklus Poetické nála- dy, was korrekt als Poetische Stimmungen zu übersetzen wäre - und er erwies sich damit als Prophet. Denn in der Tat hört man seine Klangbilder selten; ab und an erklingt eines dieser Stücke als Zugabe am Rande eines Konzertes.
Claudia Schellenberger hat Dvoráks Werk nun bei Cavi Music vorge- legt. "Seine Orchesterwerke, Solokonzerte und die Kammermusik kenne und liebe ich seit vielen Jahren, so lag der Schritt nahe, mich intensiv seiner fast unbekannten Klaviermusik zu widmen", schreibt die Pianistin im Beiheft der CD. "Historisch gesehen stehen die Poeti- schen Stimmungsbilder in der Tradition von Mendelssohns Liedern ohne Worte, Griegs Lyrischen Stücken oder Schumanns Album- blättern." Sie sind aber weit expressiver, farbenreicher, orchestraler. Und auch wenn Dvorák gelegentlich folkloristische Motive verwen- det, so überschreitet seine Klangsprache romantische Konventionen.
Schellenberger spielt die 13 Klangbilder sensibel, aber zugleich auch effektvoll. Sie zeigt Sinn für die Balance zwischen der oftmals roman- tischen Szenerie, die Dvorák mit seiner Musik entwirft - und ihrer mitunter erstaunlich modernen Umsetzung. Eine sehr gelungene Einspielung, brava!
Claudia Schellenberger hat Dvoráks Werk nun bei Cavi Music vorge- legt. "Seine Orchesterwerke, Solokonzerte und die Kammermusik kenne und liebe ich seit vielen Jahren, so lag der Schritt nahe, mich intensiv seiner fast unbekannten Klaviermusik zu widmen", schreibt die Pianistin im Beiheft der CD. "Historisch gesehen stehen die Poeti- schen Stimmungsbilder in der Tradition von Mendelssohns Liedern ohne Worte, Griegs Lyrischen Stücken oder Schumanns Album- blättern." Sie sind aber weit expressiver, farbenreicher, orchestraler. Und auch wenn Dvorák gelegentlich folkloristische Motive verwen- det, so überschreitet seine Klangsprache romantische Konventionen.
Schellenberger spielt die 13 Klangbilder sensibel, aber zugleich auch effektvoll. Sie zeigt Sinn für die Balance zwischen der oftmals roman- tischen Szenerie, die Dvorák mit seiner Musik entwirft - und ihrer mitunter erstaunlich modernen Umsetzung. Eine sehr gelungene Einspielung, brava!
Sonntag, 13. Mai 2012
Kellner: Phantasia (Glossa)
"Esteautor conocía el estilo galan- te que había aparecido en la música al final del barroco, ysus composiciones tienen influencias alemanas, francesas e italianis", meint José Miguel Moreno. "Lo especial de esta música es que no la escribió como la haría un lau- dista normal, que actuase en las cortes a solo o en grupo, sino que la compuso como lo haría un organista, clavecinista y también intérprete de cembal d'amour."
Doch obwohl sich die Musikwissenschaft nach wie vor nicht einig ist, ob David Kellner (um 1670 bis 1748) das Instrument überhaupt selbst beherrschte, spricht einiges dafür, dass er nicht nur das Ca- rillon und die Orgel spielte - wofür er in Stockholm angestellt war. Denn er notierte seine Lautenwerke in französischer Lautentabulatur für eine elfchörige Laute - was einigermaßen verblüfft, wurden doch zu seinen Lebzeiten dreizehnchörige Instrumente gespielt. Wer sich für die Biographie des Musikers interessiert, der sei an dieser Stelle auf frühere Blog-Einträge verwiesen.
Moreno aber ist nicht nur Lautenist, sondern auch Lautenbauer. Und so hat er eigens für die Auseinandersetzung mit den XVI. Auserlese- nen Lauten=Stücken Kellners ein elfchöriges Instrument entworfen, angefertigt und in Stimmton und Saitenlänge angepasst. Er spielt die 17 Lautenwerke Kellners auf dieser CD vollständig und in der Reihen- folge, in der sie 1747 im Druck erschienen sind. Damit ist diese Auf- nahme ganz sicher eine Rarität. Leider begeistert mich die Interpre- tation nicht in dem gleichen Maße; Moreno gestaltet zwar die Ober- stimme, doch alles, was sich darunter abspielt, wird nicht mit der- selben Sorgfalt strukturiert. Das ist schade, weil Kellners Lauten- stücke eben nicht aus einer dominanten Melodie mit ein bisschen Begleitmulm bestehen. Hier hätte man sich doch mehr Präzision ge- wünscht.
Doch obwohl sich die Musikwissenschaft nach wie vor nicht einig ist, ob David Kellner (um 1670 bis 1748) das Instrument überhaupt selbst beherrschte, spricht einiges dafür, dass er nicht nur das Ca- rillon und die Orgel spielte - wofür er in Stockholm angestellt war. Denn er notierte seine Lautenwerke in französischer Lautentabulatur für eine elfchörige Laute - was einigermaßen verblüfft, wurden doch zu seinen Lebzeiten dreizehnchörige Instrumente gespielt. Wer sich für die Biographie des Musikers interessiert, der sei an dieser Stelle auf frühere Blog-Einträge verwiesen.
Moreno aber ist nicht nur Lautenist, sondern auch Lautenbauer. Und so hat er eigens für die Auseinandersetzung mit den XVI. Auserlese- nen Lauten=Stücken Kellners ein elfchöriges Instrument entworfen, angefertigt und in Stimmton und Saitenlänge angepasst. Er spielt die 17 Lautenwerke Kellners auf dieser CD vollständig und in der Reihen- folge, in der sie 1747 im Druck erschienen sind. Damit ist diese Auf- nahme ganz sicher eine Rarität. Leider begeistert mich die Interpre- tation nicht in dem gleichen Maße; Moreno gestaltet zwar die Ober- stimme, doch alles, was sich darunter abspielt, wird nicht mit der- selben Sorgfalt strukturiert. Das ist schade, weil Kellners Lauten- stücke eben nicht aus einer dominanten Melodie mit ein bisschen Begleitmulm bestehen. Hier hätte man sich doch mehr Präzision ge- wünscht.
Fasch: Orchestral Works, Volume 2 (Chaconne)
Johann Friedrich Fasch (1688 bis 1758), Kapellmeister in Zerbst, muss ein fleißiger Briefschreiber gewesen sein. Denn er stand in regem Austausch mit Kollegen und Freunden, die er teilweise noch aus seinen Leipziger Jahren kannte. So sammelte Christoph Graupner, Kapellmeister zu Darmstadt, die Werke des Komponisten, dessen Präfekt er einst an der Thomas- schule gewesen war. Auch in Dresden blieb eine erfreulich große Anzahl seiner Stücke erhalten, die einst Johann David Heinichen und der Konzertmeister Johann Georg Pisendel - Studienfreunde aus Leipziger Tagen - zusammengetragen hatten.
Aus den Schätzen, die im legendären "Schranck No: II." der Sächsi- schen Landes-und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden aufgefun- den und in jüngster Vergangenheit auch erschlossen und digitalisiert wurden, hat das Tempesta di Mare, Philadelphia Baroque Orchestra diese CD mit Ersteinspielungen zusammengestellt. Sie ist Teil einer Serie, die Faschs Orchesterwerke, so sie überliefert sind, erstmals komplett auf CD vorstellen soll. Das amerikanische Ensemble, das von der Flötistin Gwyn Roberts und dem Lautenisten Richard Stone geleitet wird, musiziert klangschön und temperamentvoll. Insofern darf man sich auf die Fortsetzung freuen.
Aus den Schätzen, die im legendären "Schranck No: II." der Sächsi- schen Landes-und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden aufgefun- den und in jüngster Vergangenheit auch erschlossen und digitalisiert wurden, hat das Tempesta di Mare, Philadelphia Baroque Orchestra diese CD mit Ersteinspielungen zusammengestellt. Sie ist Teil einer Serie, die Faschs Orchesterwerke, so sie überliefert sind, erstmals komplett auf CD vorstellen soll. Das amerikanische Ensemble, das von der Flötistin Gwyn Roberts und dem Lautenisten Richard Stone geleitet wird, musiziert klangschön und temperamentvoll. Insofern darf man sich auf die Fortsetzung freuen.
Samstag, 12. Mai 2012
Johann Christoph Friedrich Bach: Die Kindheit Jesu (Capriccio)
Johann Christoph Friedrich Bach (1732 bis 1795), der zweitjüngste Sohn Johann Sebastian Bachs, ging 1750 an den Hof der Grafen zu Schaumburg-Lippe nach Bücke- burg, wo er bis an sein Lebensende wirkte. War er zunächst als Cam- mer-Musicus angestellt, wurde er 1759 zum Concert-Meister der etwa 15köpfigen Hofkapelle, und verantwortete in dieser Funktion das gesamte musikalische Ge- schehen an dem norddeutschen Hof.
Das Ensemble war durch venezianische Musiker geprägt. Bach hatte die italienische Musiktradition mit Sicherheit in Dresden erlebt, setzte in Bückeburg jedoch eigene Akzente. So stand er mit seinem Bruder Carl Philipp Emanuel Bach, insbesondere nach dessen Übersiedlung nach Hamburg, in engem Kontakt, und übernahm auch künstlerisch so manche Idee, was seinen Stil deutlich in Richtung Empfindsamkeit wandelte.
1771 wurde der Dichter und Theologe Johann Gottfried Herder nach Bückeburg berufen. Auch das brachte Bach so manche Anregung. So schrieb Herder 1772 Die Kindheit Jesu. Er nannte das Werk Ein biblisches Gemälde, und sandte es als Weihnachtsgabe an seine Braut Caroline Flachsland nach Darmstadt. Zugleich aber gab er es dem Musiker zur Vertonung, und so erklang das fertige Opus im Februar 1773 erstmals am Bückeburger Hof. Kleine Kostprobe: "Er bricht! Der Himmel bricht! O Licht!" Herders Text ist, selbst für damalige Ver- hältnisse, eher viel Gefühl als, nun ja, Verstand. Bachs Musik ist aber besser.
Wie weit sich der Bach-Sohn von seinem Vater und Lehrer entfernt hat, zeigt noch eindeutiger die vierstimmige Motette zu dem bekann- ten Kirchenlied Wachet auf, ruft uns die Stimme. Der Bückeburger Bach schuf sie ein halbes Jahrhundert nachdem sein Vater die gleichnamige Kantate komponiert hatte. Es ist ein kühnes Werk, das so gar nichts hat von der Galanterie beispielsweise eines Mozart, der etwa zur gleichen Zeit seine Krönungsmesse geschrieben hat. Musikwissenschaftler stehen etwas ratlos vor diesem Monument, das einige Anleihen beim Werk des Thomaskantors nicht verleugnet, diese zugleich aber durch moderne Klänge ergänzt, die Bach junior erstaunlicherweise mit dem alten, kontrapunktischen Stil einbin- det. Es ist Hermann Max und seines Ensembles Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert zu verdanken, dass wir die beiden Werke heute in sehr ordentlichen Aufnahmen aus dem Jahre 1988 auf CD vorliegen haben.
Das Ensemble war durch venezianische Musiker geprägt. Bach hatte die italienische Musiktradition mit Sicherheit in Dresden erlebt, setzte in Bückeburg jedoch eigene Akzente. So stand er mit seinem Bruder Carl Philipp Emanuel Bach, insbesondere nach dessen Übersiedlung nach Hamburg, in engem Kontakt, und übernahm auch künstlerisch so manche Idee, was seinen Stil deutlich in Richtung Empfindsamkeit wandelte.
1771 wurde der Dichter und Theologe Johann Gottfried Herder nach Bückeburg berufen. Auch das brachte Bach so manche Anregung. So schrieb Herder 1772 Die Kindheit Jesu. Er nannte das Werk Ein biblisches Gemälde, und sandte es als Weihnachtsgabe an seine Braut Caroline Flachsland nach Darmstadt. Zugleich aber gab er es dem Musiker zur Vertonung, und so erklang das fertige Opus im Februar 1773 erstmals am Bückeburger Hof. Kleine Kostprobe: "Er bricht! Der Himmel bricht! O Licht!" Herders Text ist, selbst für damalige Ver- hältnisse, eher viel Gefühl als, nun ja, Verstand. Bachs Musik ist aber besser.
Wie weit sich der Bach-Sohn von seinem Vater und Lehrer entfernt hat, zeigt noch eindeutiger die vierstimmige Motette zu dem bekann- ten Kirchenlied Wachet auf, ruft uns die Stimme. Der Bückeburger Bach schuf sie ein halbes Jahrhundert nachdem sein Vater die gleichnamige Kantate komponiert hatte. Es ist ein kühnes Werk, das so gar nichts hat von der Galanterie beispielsweise eines Mozart, der etwa zur gleichen Zeit seine Krönungsmesse geschrieben hat. Musikwissenschaftler stehen etwas ratlos vor diesem Monument, das einige Anleihen beim Werk des Thomaskantors nicht verleugnet, diese zugleich aber durch moderne Klänge ergänzt, die Bach junior erstaunlicherweise mit dem alten, kontrapunktischen Stil einbin- det. Es ist Hermann Max und seines Ensembles Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert zu verdanken, dass wir die beiden Werke heute in sehr ordentlichen Aufnahmen aus dem Jahre 1988 auf CD vorliegen haben.
Lute Music of the Netherlands (Carpe Diem)
Anthony Bailes gehört zu den Alt- meistern des Lautenspiels. Auf dieser CD spürt er der Lautenmusik aus den Niederlanden nach. Da gibt es in der Tat einiges zu entdecken, denn das Instrument war dort sehr beliebt, und erfreute sich einer lang anhaltenden Blütezeit.
Dennoch ist von den Musikern, die im 16. Jahrhundert für die Laute komponierten, oftmals nicht einmal der Name bekannt. Und die Werke sind häufig eher zufällig überliefert. So hat der Theologe Adriaan Joriszoon Smout schon als Student begonnen, Lautenmusik zusammenzutragen. Das Ergebnis dieser Sammelleidenschaft, Thysius Lautenbuch, benannt nach sei- nem späteren Besitzer Joan Thijs, enthält auf 521 Seiten 907 Lauten- stücke, die meisten davon anonym. Bailes hat sechs davon für diese CD ausgewählt.
In Antwerpen scheint es besonders viele gute Lautenisten gegeben zu haben. So gab Emanuel Adriaenssen (um 1554 bis 1604) drei wichtige Lautenbücher heraus. Aus dem ersten, Pratum Musicum, stellt Bailes drei Werke vor. Allerdings gingen nach der Eroberung der Stadt durch die Spanier 1585 auch viele Musiker ins Exil. So musizierte Gregorio Huwet (vor 1550 bis um 1610) unter anderem an den Höfen in Wolfenbüttel und in Kassel. Dort wirkte zur gleichen Zeit auch John Dowland, was den Niederländer offenbar inspiriert hat, wie seine beiden Fantasien belegen, die auf dieser CD zu hören sind.
Auch Joachim van den Hove (1567 bis 1620) wanderte aus Antwer- pen aus, er ging nach Leiden, und veröffentlichte dort drei umfang- reiche Sammlungen mit Lautenmusik. Bailes hat daraus einige Werke zusammengestellt, und darüber hinaus noch etliche Raritäten er- gänzt, die als Manuskripte in Hamburg und Berlin überliefert sind. Besonders beeindruckend ist van den Hoves reich verzierte Version der berühmten Lachrimae Pavane von John Dowland. Das ist zugleich ein herausragendes Beispiel dafür, wie gut schon damals die Virtuosen über das Schaffen ihrer Kollegen informiert waren.
Auch attraktive Märkte sprachen sich offenbar herum. Der Franzose Nicolas Vallet (um 1583 bis nach 1644) beispielweise ließ sich um 1610 in Amsterdam nieder, und wirkte dort erfolgreich als Musiker und Musikpädagoge. Er gab nicht nur Lauten- sondern auch Tanz- unterricht, und veröffentlichte sechs Sammlungen mit Lautenmusik. Auch aus seinem Werk wählte Bailes vier Stücke für diese CD aus.
Der Lautenist beherrscht sein Instrument virtuos. Er gestaltet sehr schön, durchdacht und strukturiert. Es ist eine Freude, Bailes' Spiel anzuhören - diese CD gehört zu den besten Einspielungen von Lautenmusik, die mir jemals in den Player gekommen sind. Meine Empfehlung!
Dennoch ist von den Musikern, die im 16. Jahrhundert für die Laute komponierten, oftmals nicht einmal der Name bekannt. Und die Werke sind häufig eher zufällig überliefert. So hat der Theologe Adriaan Joriszoon Smout schon als Student begonnen, Lautenmusik zusammenzutragen. Das Ergebnis dieser Sammelleidenschaft, Thysius Lautenbuch, benannt nach sei- nem späteren Besitzer Joan Thijs, enthält auf 521 Seiten 907 Lauten- stücke, die meisten davon anonym. Bailes hat sechs davon für diese CD ausgewählt.
In Antwerpen scheint es besonders viele gute Lautenisten gegeben zu haben. So gab Emanuel Adriaenssen (um 1554 bis 1604) drei wichtige Lautenbücher heraus. Aus dem ersten, Pratum Musicum, stellt Bailes drei Werke vor. Allerdings gingen nach der Eroberung der Stadt durch die Spanier 1585 auch viele Musiker ins Exil. So musizierte Gregorio Huwet (vor 1550 bis um 1610) unter anderem an den Höfen in Wolfenbüttel und in Kassel. Dort wirkte zur gleichen Zeit auch John Dowland, was den Niederländer offenbar inspiriert hat, wie seine beiden Fantasien belegen, die auf dieser CD zu hören sind.
Auch Joachim van den Hove (1567 bis 1620) wanderte aus Antwer- pen aus, er ging nach Leiden, und veröffentlichte dort drei umfang- reiche Sammlungen mit Lautenmusik. Bailes hat daraus einige Werke zusammengestellt, und darüber hinaus noch etliche Raritäten er- gänzt, die als Manuskripte in Hamburg und Berlin überliefert sind. Besonders beeindruckend ist van den Hoves reich verzierte Version der berühmten Lachrimae Pavane von John Dowland. Das ist zugleich ein herausragendes Beispiel dafür, wie gut schon damals die Virtuosen über das Schaffen ihrer Kollegen informiert waren.
Auch attraktive Märkte sprachen sich offenbar herum. Der Franzose Nicolas Vallet (um 1583 bis nach 1644) beispielweise ließ sich um 1610 in Amsterdam nieder, und wirkte dort erfolgreich als Musiker und Musikpädagoge. Er gab nicht nur Lauten- sondern auch Tanz- unterricht, und veröffentlichte sechs Sammlungen mit Lautenmusik. Auch aus seinem Werk wählte Bailes vier Stücke für diese CD aus.
Der Lautenist beherrscht sein Instrument virtuos. Er gestaltet sehr schön, durchdacht und strukturiert. Es ist eine Freude, Bailes' Spiel anzuhören - diese CD gehört zu den besten Einspielungen von Lautenmusik, die mir jemals in den Player gekommen sind. Meine Empfehlung!
Freitag, 11. Mai 2012
Music für a while (Quintone)
Lautenlieder von Henry Purcell sind mittlerweile in etlichen Ein- spielungen am Musikmarkt er- hältlich. So gehört dieses Reper- toire offenbar zu den Lieblings- stücken von Countertenören. Hier ist ein Bariton zu hören, begleitet von einer Theorbe - Fred Jacobs spielt sie sehr versiert. Der Gesang von Maarten Koningsberger allerdings begeistert mich nicht unbedingt; ich finde seine Lied-Interpretationen eher bieder und langweilig. Schade. Keine Ahnung, was die Kollegen von Gramophone bewogen hat, diese CD mit Editor's Choice zu bewerten.
La sacqueboute (Flora)
"Il faut que j'avoüe que la pre- mière fois que j'oüis sonner de la sacqueboute, j'admirai presque autant l'addresse de cellui qui s'en servoit que l'artifice de cellui qui l'a inventée; j'acoit que sans diffi- culté l'inventeur mérite beaucoup plus de loüange", schrieb Pierre Trichet 1640 in seinem Traité des instruments de musique. Die Zug- vorrichtung gab dem Instrument, zumindest im Französischen, Spanischen und Englischen, mögli- cherweise seinen Namen. Denn wer die Posaune spielt, der muss in der Tat nicht nur blasen, sondern auch ziehen und drücken - sac- quer und bouter, im Landsknechtjargon.
Im 16. Jahrhundert eroberte das Blasinstrument ganz Europa. Die Posaune erklang in der Kirche ebenso wie im Theater, im Ballsaal ebenso wie im Militärorchester. In Venedig erklang sie gemeinsam mit dem Zink in den Werken von Giovanni Gabrieli, Claudio Monte- verdi oder Heinrich Schütz. Welche Virtuosität die Posaunisten zu Beginn des 17. Jahrhunderts erreichten, davon berichtet diese CD, die einige extrem anspruchsvolle Werke aus jener Zeit mit Stücken kombiniert, die die typischen Klangfarben der Posaune alter Mensur und der Krummzinken besonders gut zur Geltung bringen.
Das Ensemble Les Sacqueboutiers aus Toulouse musiziert gemeinsam mit Michel Becquet, einem renommierten Posaunisten und Sacque- boutier, der nach vielen Berufsjahren als Soloposaunist heute die Abteilung Blechblasinstrumente am Conservatoire National Supé- rieur de Musique in Lyon leitet. Eine wunderschöne CD, die allen Freunden historischer Bläserklänge wärmstens empfohlen wird.
Im 16. Jahrhundert eroberte das Blasinstrument ganz Europa. Die Posaune erklang in der Kirche ebenso wie im Theater, im Ballsaal ebenso wie im Militärorchester. In Venedig erklang sie gemeinsam mit dem Zink in den Werken von Giovanni Gabrieli, Claudio Monte- verdi oder Heinrich Schütz. Welche Virtuosität die Posaunisten zu Beginn des 17. Jahrhunderts erreichten, davon berichtet diese CD, die einige extrem anspruchsvolle Werke aus jener Zeit mit Stücken kombiniert, die die typischen Klangfarben der Posaune alter Mensur und der Krummzinken besonders gut zur Geltung bringen.
Das Ensemble Les Sacqueboutiers aus Toulouse musiziert gemeinsam mit Michel Becquet, einem renommierten Posaunisten und Sacque- boutier, der nach vielen Berufsjahren als Soloposaunist heute die Abteilung Blechblasinstrumente am Conservatoire National Supé- rieur de Musique in Lyon leitet. Eine wunderschöne CD, die allen Freunden historischer Bläserklänge wärmstens empfohlen wird.
Mittwoch, 9. Mai 2012
Bach: Die Kunst der Fuge; Berben (Ramée)
Léon Berben, Spezialist für "Alte" Musik, spielt Bachs grandiosen Zyklus Die Kunst der Fuge an der Orgel der Marienkirche Anger- münde. Dabei handelt es sich um ein Instrument, das Joachim Wagner in den Jahren 1742 bis 1744 erbaut hat.
Dieser Orgelbauer hatte in der Werkstatt Gottfried Silbermanns als Geselle gearbeitet, bevor er dann nach Brandenburg ging. Die Wagnerorgel in Angermünde ist eine der schönsten erhaltenen Barockorgeln; sie klingt zudem auch heute noch sehr ausdrucksstark, wie diese Aufnahme beweist.
Um die zahllosen Mythen, die sich um Bachs Werk ranken, schert sich Berben wenig. Er schaut in die Noten, und schenkt uns eine transpa- rente, sehr klar strukturierte, mitunter allerdings kühn registrierte Interpretation. Die Canons platziert er zwischen den Fugengruppen. Oft strahlen seine Contrapuncti eine geradezu magische Ruhe aus, insbesondere dort, wo sich die Registerwahl durch Zurückhaltung auszeichnet. So baut Berben eine enorme Spannung auf. Und man ist erstaunt, wenn schließlich bei der abschließenden Fuga a 3 Soggetti, satt im Plenum, das B-A-C-H erklingt, und das Werk abrupt abbricht - ein Rätsel, das auch Berben im Schweigen enden lässt.
Dieser Orgelbauer hatte in der Werkstatt Gottfried Silbermanns als Geselle gearbeitet, bevor er dann nach Brandenburg ging. Die Wagnerorgel in Angermünde ist eine der schönsten erhaltenen Barockorgeln; sie klingt zudem auch heute noch sehr ausdrucksstark, wie diese Aufnahme beweist.
Um die zahllosen Mythen, die sich um Bachs Werk ranken, schert sich Berben wenig. Er schaut in die Noten, und schenkt uns eine transpa- rente, sehr klar strukturierte, mitunter allerdings kühn registrierte Interpretation. Die Canons platziert er zwischen den Fugengruppen. Oft strahlen seine Contrapuncti eine geradezu magische Ruhe aus, insbesondere dort, wo sich die Registerwahl durch Zurückhaltung auszeichnet. So baut Berben eine enorme Spannung auf. Und man ist erstaunt, wenn schließlich bei der abschließenden Fuga a 3 Soggetti, satt im Plenum, das B-A-C-H erklingt, und das Werk abrupt abbricht - ein Rätsel, das auch Berben im Schweigen enden lässt.