Hört man Ballettmusik an, ohne zugleich das Bühnengeschehen zu beobachten, kann dies ernüch- ternd sein. So ist es leider auch in diesem Falle.
Das Royal Philharmonic ist wahr- lich kein schlechtes Orchester, aber was die Musiker da unter Nicolae Moldoveanu darbieten, das ist so abwechslungsreich wie der sprichwörtliche englische Rasen. Diese Aufnahme ist derart langweilig, dass man am liebsten den CD-Player ausschalten würde. Daran ändert selbst das schöne Violinsolo von Clio Gould nichts - schade!
Montag, 31. Oktober 2011
Chopin: Scherzi - Etudes - Mazurkas (Supraphon)
Der tschechische Pianist Ivan Moravec hat 1989 in den USA Chopins Scherzi sowie zwei Etüden und vier Mazurken für das Label Dorian eingespielt. Die Aufnahmen fanden im Saal der Troy Savings Bank statt - einem Raum, der nach dem Urteil von Fachleuten über die beste Akustik in Amerika verfügt. Die Liste der Pianisten, die dort musizierten, ist lang und sehr beachtlich.
Dennoch sind es das Können und die überragende Persönlichkeit des Prager Musikers, die diese CD so einzigartig machen. Viele Jungstars haben, zumal im Chopin-Jubiläumsjahr, Aufnahmen dieser und anderer Werke von Chopin vorgelegt. Natürlich ist ihre Technik brillant, doch wer Moravec hört, der erkennt, dass Fingerfertigkeit zwar eine notwendige, aber lang keine hinreichende Voraussetzung dafür ist, diese Stücke gut zu spielen.
Bei Moravec hat man den Eindruck, dass Chopins Musik unter seinen Händen neu entsteht. Er spielt jedes Stück mit einer Hingabe und Innigkeit, die atemlos lauschen lässt. Dabei gelingt es ihm stets, über dem Moment, der Improvisation und dem musikalischen Detail nicht den Blick auf die Struktur, auf den großen dramatischen Bogen zu verlieren. Das ist ganz große Klavierkunst. Und es ist schön, dass das tschechische Label Supraphon diese grandiose Aufnahme nun wieder zugänglich macht.
Dennoch sind es das Können und die überragende Persönlichkeit des Prager Musikers, die diese CD so einzigartig machen. Viele Jungstars haben, zumal im Chopin-Jubiläumsjahr, Aufnahmen dieser und anderer Werke von Chopin vorgelegt. Natürlich ist ihre Technik brillant, doch wer Moravec hört, der erkennt, dass Fingerfertigkeit zwar eine notwendige, aber lang keine hinreichende Voraussetzung dafür ist, diese Stücke gut zu spielen.
Bei Moravec hat man den Eindruck, dass Chopins Musik unter seinen Händen neu entsteht. Er spielt jedes Stück mit einer Hingabe und Innigkeit, die atemlos lauschen lässt. Dabei gelingt es ihm stets, über dem Moment, der Improvisation und dem musikalischen Detail nicht den Blick auf die Struktur, auf den großen dramatischen Bogen zu verlieren. Das ist ganz große Klavierkunst. Und es ist schön, dass das tschechische Label Supraphon diese grandiose Aufnahme nun wieder zugänglich macht.
Zachow / Händel: Triumph, ihr Christen seid erfreut (cpo)
Friedrich Wilhelm Zachow (1663 bis 1712), städtischer Musikdirek- tor und Organist der Marienkirche in Halle/Saale, war der Lehrer, bei dem Georg Friedrich Händel sein musikalisches Rüstzeug erworben hat. Das ist ein bedeutender, aber nicht der einzige Grund, ihm diese CD zu widmen.
Sie zeigt exemplarisch, dass man in den Archiven Mitteldeutschlands noch immer bedeutende Werke finden kann, die mehrere hundert Jahre nicht mehr erklungen sind. Bernhard Klapprott hat vier davon mit Cantus und Capella Thuringia eingespielt - und auch wenn bei zwei davon unklar bleiben muss, wer der eigentliche Autor war, so sind es doch ohne jeden Zweifel Kanta- ten von Format.
Aus Halle, das dem Pietismus sehr zugeneigt war, kam damals eine neue Form, das sogenannte "Kirchenstück" - eine Kantate, die neben einem zentralen Bibelvers üblicherweise auch moderne Dichtung enthielt, die das Bibelwort auslegt und damit die Predigt ergänzt. Diese Innovation war seinerzeit heftig umstritten, denn die Verse der Dichter traten an die Stelle von Bibeltexten, und das lehnten manche Zeitgenossen mit Nachdruck ab. Zachows Lehrer, Thomaskantor Johann Schelle, musste sich in Leipzig sogar vor Gericht verantwor- ten, weil er Kantatendichtung vertont hatte.
Wir dürfen uns heute an der beredten Musik erfreuen, die von den Thüringer Musikern blitzsauber vorgestellt wird. Cantus Thuringia und Capella Thuringia agieren mit Hingabe und bestens aufeinander abgestimmt; das macht die Aufnahme zu einem Hörvergnügen.
Sie zeigt exemplarisch, dass man in den Archiven Mitteldeutschlands noch immer bedeutende Werke finden kann, die mehrere hundert Jahre nicht mehr erklungen sind. Bernhard Klapprott hat vier davon mit Cantus und Capella Thuringia eingespielt - und auch wenn bei zwei davon unklar bleiben muss, wer der eigentliche Autor war, so sind es doch ohne jeden Zweifel Kanta- ten von Format.
Aus Halle, das dem Pietismus sehr zugeneigt war, kam damals eine neue Form, das sogenannte "Kirchenstück" - eine Kantate, die neben einem zentralen Bibelvers üblicherweise auch moderne Dichtung enthielt, die das Bibelwort auslegt und damit die Predigt ergänzt. Diese Innovation war seinerzeit heftig umstritten, denn die Verse der Dichter traten an die Stelle von Bibeltexten, und das lehnten manche Zeitgenossen mit Nachdruck ab. Zachows Lehrer, Thomaskantor Johann Schelle, musste sich in Leipzig sogar vor Gericht verantwor- ten, weil er Kantatendichtung vertont hatte.
Wir dürfen uns heute an der beredten Musik erfreuen, die von den Thüringer Musikern blitzsauber vorgestellt wird. Cantus Thuringia und Capella Thuringia agieren mit Hingabe und bestens aufeinander abgestimmt; das macht die Aufnahme zu einem Hörvergnügen.
Sonntag, 30. Oktober 2011
Varie idee sentimentali (Oehms Classics)
Die schönste CD mit Werken von Mauro Giuliani (1781 bis 1829) - und das liegt nicht nur am aus- drucksstarken Spiel von Eduardo Fernández. Der uruguayische Gitarrenvirtuose hat für diese Aufnahme eine überaus kluge Auswahl aus dem Werk seines be- rühmten Kollegen getroffen, die dessen Stärken aufzeigen. "Giulia- nis Werke offenbaren seine fun- dierten Kentnisse über die Mög- lichkeiten auf der Gitarre und deuten auf Virtuosität, Brillanz, Ausdrucksstärke und Gefühl hin, die sein Spiel ausgemacht haben", erklärt Fernández in dem informativen Beiheft. "Seine Werke stehen auch für eine äußerst erfolgreiche Verschmelzung des italienischen Belcanto und der Wiener Klassik."
So sind Le Rossiniane regelrechte Miniatur-Opern, mit einer eigen- ständigen musikalischen Dramaturgie. Fernández stellt die vierte Rossiniana vor - und lässt auf dieses hochvirtuose Werk die drei Sonatinen op. 71 folgen, "fortgeschrittene Übungen für Anfänger", wie man auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe lesen konnte. Dennoch mahnt der Solist, diese kleinen Werke nicht zu unterschätzen. Der musikalische Anspruch dieser Sonatinen, meint Fernández, "ist nicht nur für Anfänger, sondern für jeden Gitarristen außergewöhnlich hoch."
"Verschiedene sentimentale Ideen", so das Deckblatt der ersten Ausgabe, sind der Kern der Giulianate op. 148. "Der orchestrale Stil und die italienischen Einflüsse der Rossiniane werden hier von einer kammermusikalischen Struktur, einem geradezu intimen und fast bekennenden frühromantischen Stil und einer sehr entwickelten und unverwechselbaren Wiener Form abgelöst", erläutert Fernández, der diese Werke zum ersten Male vollständig auf CD eingespielt hat. Ergänzt werden diese sehr persönlichen Werke durch anspruchsvolle Variationen zu einer Romanze aus der Oper Ruhm und Liebe op. 105 und die brillante Gran Sonata Eroica op. 150.
So sind Le Rossiniane regelrechte Miniatur-Opern, mit einer eigen- ständigen musikalischen Dramaturgie. Fernández stellt die vierte Rossiniana vor - und lässt auf dieses hochvirtuose Werk die drei Sonatinen op. 71 folgen, "fortgeschrittene Übungen für Anfänger", wie man auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe lesen konnte. Dennoch mahnt der Solist, diese kleinen Werke nicht zu unterschätzen. Der musikalische Anspruch dieser Sonatinen, meint Fernández, "ist nicht nur für Anfänger, sondern für jeden Gitarristen außergewöhnlich hoch."
"Verschiedene sentimentale Ideen", so das Deckblatt der ersten Ausgabe, sind der Kern der Giulianate op. 148. "Der orchestrale Stil und die italienischen Einflüsse der Rossiniane werden hier von einer kammermusikalischen Struktur, einem geradezu intimen und fast bekennenden frühromantischen Stil und einer sehr entwickelten und unverwechselbaren Wiener Form abgelöst", erläutert Fernández, der diese Werke zum ersten Male vollständig auf CD eingespielt hat. Ergänzt werden diese sehr persönlichen Werke durch anspruchsvolle Variationen zu einer Romanze aus der Oper Ruhm und Liebe op. 105 und die brillante Gran Sonata Eroica op. 150.
Suk: Fairy Tale (Naxos)
Was für eine zauberhafte Musik! Josef Suk (1874 bis 1935) wurde schon im Alter von elf Jahren für würdig befunden, am Prager Kon- servatorium zu lernen. Dort stu- dierte er unter anderem Komposi- tion bei Antonín Dvorak, dessen Tochter Otylka später seine Frau wurde.
Die drei Werke auf dieser CD orien- tieren sich noch an romantischen tschechischen Vorbildern; sie lassen aber bereits ahnen, dass Suk auch andere Traditionslinien hoch achtete und in sein Werk integrierte. So meint man gelegentlich, Klangfarben zu hören, wie man sie eher von den Impressionisten kennt.
Dass Suk auch ein brillanter Geiger war, zeigt das erste Werk auf dieser CD, die Fantasie für Violine und Orchester in g-Moll op. 24. Den anspruchsvollen Solopart spielt Michael Ludwig. Im Zentrum dieser Aufnahme steht aber eine Suite, in der Suk eine Bühnenmusik zusammengefasst hat: Pohádka op. 16, übersetzt Ein Märchen, ent- standen für ein Schauspiel des tschechischen Dichters Julius Zeyer. Es erzählt vom Prinzen Radúz, der in Prinzessin Mahulena verliebt ist - doch bevor er sie heiraten kann, muss das Paar diverse Prüfungen bestehen. Suk spiegelt diese Geschichte in wundervoll charakterisie- render Musik.
Das schönste der drei Stücke aber ist das Fantastické scherzo op. 25 mit seiner beeindruckenden Klangpracht, und seinem prächtigen Humor. Suk gab in diesem Werk jeder Instrumentengruppe dankbare Aufgaben; das Buffalo Philharmonic Orchestra unter JoAnn Falletta hat auch an diesem musikalischen Kabinettstück hörbar Vergnügen.
Die drei Werke auf dieser CD orien- tieren sich noch an romantischen tschechischen Vorbildern; sie lassen aber bereits ahnen, dass Suk auch andere Traditionslinien hoch achtete und in sein Werk integrierte. So meint man gelegentlich, Klangfarben zu hören, wie man sie eher von den Impressionisten kennt.
Dass Suk auch ein brillanter Geiger war, zeigt das erste Werk auf dieser CD, die Fantasie für Violine und Orchester in g-Moll op. 24. Den anspruchsvollen Solopart spielt Michael Ludwig. Im Zentrum dieser Aufnahme steht aber eine Suite, in der Suk eine Bühnenmusik zusammengefasst hat: Pohádka op. 16, übersetzt Ein Märchen, ent- standen für ein Schauspiel des tschechischen Dichters Julius Zeyer. Es erzählt vom Prinzen Radúz, der in Prinzessin Mahulena verliebt ist - doch bevor er sie heiraten kann, muss das Paar diverse Prüfungen bestehen. Suk spiegelt diese Geschichte in wundervoll charakterisie- render Musik.
Das schönste der drei Stücke aber ist das Fantastické scherzo op. 25 mit seiner beeindruckenden Klangpracht, und seinem prächtigen Humor. Suk gab in diesem Werk jeder Instrumentengruppe dankbare Aufgaben; das Buffalo Philharmonic Orchestra unter JoAnn Falletta hat auch an diesem musikalischen Kabinettstück hörbar Vergnügen.
Samstag, 29. Oktober 2011
Haydn ...out of Hainburg (Gramola)
Das Ensemble Dolce Risonanza erwirbt sich zunehmend einen Namen durch Entdeckungen am Rande des üblichen Wiener Reper- toires. Das gilt auch für diese CD, eingespielt im September 2010 in der Stadtpfarrkirche Hainburg, unweit von Wien.
Warum Hainburg an der Donau? Weil Joseph und wohl auch Mi- chael Haydn dort einen Teil ihrer Kindheit verbracht und ihre mu- sikalische Ausbildung begonnen haben. In Hainburg lebte Thomas Haydn, der Großvater der bekannten Musiker. Er gehörte zu den we- nigen Bürgern, die bei der Einnahme der kleinen Stadt 1683 durch die Türken nicht erschlagen oder verschleppt worden sind. Sein Sohn Mathias erlernte ebenfalls das Wagnerhandwerk, ging anschließend auf Gesellenreise, und ließ sich nach seiner Rückkehr in dem einige Kilometer entfernten Dorf Rohrau nieder.
Enkel Joseph kam 1738 nach Hainburg, wo er beim Schulmeister wohnte und ersten Unterricht erhielt. "Ich verdanke es diesem Manne noch im Grabe, daß er mich zu so vielerley angehalten hat, wenn ich gleich dabey mehr Prügel als zu essen bekam", berichtete der Komponist später seinem Biographen über diese Jahre. Denn 1740 reiste Hofkapellmeister Georg von Reutter durch die Lande, auf der Suche nach talentiertem Chornachwuchs für den Stephansdom. So kam der achtjährige Haydn als Sängerknabe nach Wien; einige Jahre später folgte ihm sein Bruder Michael nach. Die Ausbildung, die beide dort erhielten, ermöglichte ihnen ein vergleichsweise sorgen- freies Leben; hungern jedenfalls mussten die Musiker nie wieder.
Diese CD ist aber nicht nur den Haydn-Brüdern gewidmet; die Musiker um Florian Wieninger erinnern auch an einige ihrer Zeitgenossen - und das Programm, das wohl in erster Linie Wieninger zusammenge- stellt hat, erweist sich bald als sehr attraktiv. Es dominiert selbstver- ständlich die Orgel, ein ausgesprochen klangschönes Instrument aus der Werkstatt der Firma Pirchner, Steinach am Brenner, aus dem Jahre 1982. Sie beginnt mit einem Präludium nebst Fuge von Johann Georg Albrechtsberger (1736 bis 1809). Darauf folgt ein Salve Regina a quattro voci ma Soli, 2 Violini, Viola, Basso ed organo concertato von Joseph Haydn, ein melodienseliges Paradestück, hörenswert gesungen von Barbara Fink, Ida Aldrian, Daniel Johannsen und Klemens Sander.
Die Sonata sexta K 366 von Johann Joseph Fux (1660 bis 1741) demonstriert exemplarisch, wie seinerzeit eine Triosonate in ein Orgelwerk verwandelt wurde - ein gängiges Verfahren, das Fux freilich besonders virtuos beherrschte. Nicht umsonst war er der Kompositionslehrer einer ganzen Musikergeneration. Sein Lehrwerk Gradus ad Parnassum schätzte auch Haydn sehr, und verwendete es seinerseits im Unterricht.
Von Michael Haydn stammen Präludium, Versetten und Cadenza zum Magnificat V. toni, MH 176. Dieses Werk, das uns heute etwas sonderbar erscheint, beruht auf der klösterlichen Tradition, den gregorianischen Gesang der Mönche versweise mit einem kurzen Orgelstück abwechseln zu lassen, das erklingt, während der Priester den entsprechenden Text laut betet. Ah! Jesu recipe, MH 131, eine ziemlich umfangreiche Arie für Sopran, zwei Violinen, Bass und konzertierende Orgel zeigt gleich im Anschluss, dass der Komponist nicht nur meditative Musik, sondern auch virtuose Bravourstückchen zu schreiben verstand.
Bekannt sind die Stücke für die Flötenuhr von Joseph Haydn; Organist Anton Holzapfel lässt es sich nicht nehmen, drei dieser hübschen Miniaturen vorzutragen. Die große Überraschung aber ist das Finale dieser CD - ein Concerto per l'organo con 2 violini e basso von Hof- kapellmeister Reutter. Instrumentalmusik muss in der katholischen Kirchenmusik einst breite Einsatzmöglichkeiten und große Bedeutung gehabt haben; sie verschwand jedoch aus dem Gottesdienst mit der Aufklärung, die Nüchternheit und Funktionalität forderte. Die belieb- testen Werke aber gingen nicht verloren; damals wurde aus so man- chem Orgel- ein Clavier-Konzert. Erkennbar ist ein solcher Wechsel aus dem sakralen in den profanen Raum oftmals daran, dass diese Stücke nicht den vollen Tonumfang ausnutzen, wie ihn Cembalo oder Hammerklavier anbieten. So wurde auch jenes bedeutende Werk Reutters als Orgelkonzert identifiziert, das im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufgefunden wurde.
Wieninger und den Musikern von Dolce Risonanza ist dafür zu dan- ken, dass sie mit dieser CD eine kirchenmusikalische Tradition vor- stellen, die außerordentlich reich gewesen sein muss, aber leider im Gottesdienst keinen Platz mehr hat. Die schönen Stücke sollten daher nun rege im Kirchenkonzert erklingen; sie sind eindeutig zu hochwer- tig dafür, ungespielt im Archiv einzustauben.
Warum Hainburg an der Donau? Weil Joseph und wohl auch Mi- chael Haydn dort einen Teil ihrer Kindheit verbracht und ihre mu- sikalische Ausbildung begonnen haben. In Hainburg lebte Thomas Haydn, der Großvater der bekannten Musiker. Er gehörte zu den we- nigen Bürgern, die bei der Einnahme der kleinen Stadt 1683 durch die Türken nicht erschlagen oder verschleppt worden sind. Sein Sohn Mathias erlernte ebenfalls das Wagnerhandwerk, ging anschließend auf Gesellenreise, und ließ sich nach seiner Rückkehr in dem einige Kilometer entfernten Dorf Rohrau nieder.
Enkel Joseph kam 1738 nach Hainburg, wo er beim Schulmeister wohnte und ersten Unterricht erhielt. "Ich verdanke es diesem Manne noch im Grabe, daß er mich zu so vielerley angehalten hat, wenn ich gleich dabey mehr Prügel als zu essen bekam", berichtete der Komponist später seinem Biographen über diese Jahre. Denn 1740 reiste Hofkapellmeister Georg von Reutter durch die Lande, auf der Suche nach talentiertem Chornachwuchs für den Stephansdom. So kam der achtjährige Haydn als Sängerknabe nach Wien; einige Jahre später folgte ihm sein Bruder Michael nach. Die Ausbildung, die beide dort erhielten, ermöglichte ihnen ein vergleichsweise sorgen- freies Leben; hungern jedenfalls mussten die Musiker nie wieder.
Diese CD ist aber nicht nur den Haydn-Brüdern gewidmet; die Musiker um Florian Wieninger erinnern auch an einige ihrer Zeitgenossen - und das Programm, das wohl in erster Linie Wieninger zusammenge- stellt hat, erweist sich bald als sehr attraktiv. Es dominiert selbstver- ständlich die Orgel, ein ausgesprochen klangschönes Instrument aus der Werkstatt der Firma Pirchner, Steinach am Brenner, aus dem Jahre 1982. Sie beginnt mit einem Präludium nebst Fuge von Johann Georg Albrechtsberger (1736 bis 1809). Darauf folgt ein Salve Regina a quattro voci ma Soli, 2 Violini, Viola, Basso ed organo concertato von Joseph Haydn, ein melodienseliges Paradestück, hörenswert gesungen von Barbara Fink, Ida Aldrian, Daniel Johannsen und Klemens Sander.
Die Sonata sexta K 366 von Johann Joseph Fux (1660 bis 1741) demonstriert exemplarisch, wie seinerzeit eine Triosonate in ein Orgelwerk verwandelt wurde - ein gängiges Verfahren, das Fux freilich besonders virtuos beherrschte. Nicht umsonst war er der Kompositionslehrer einer ganzen Musikergeneration. Sein Lehrwerk Gradus ad Parnassum schätzte auch Haydn sehr, und verwendete es seinerseits im Unterricht.
Von Michael Haydn stammen Präludium, Versetten und Cadenza zum Magnificat V. toni, MH 176. Dieses Werk, das uns heute etwas sonderbar erscheint, beruht auf der klösterlichen Tradition, den gregorianischen Gesang der Mönche versweise mit einem kurzen Orgelstück abwechseln zu lassen, das erklingt, während der Priester den entsprechenden Text laut betet. Ah! Jesu recipe, MH 131, eine ziemlich umfangreiche Arie für Sopran, zwei Violinen, Bass und konzertierende Orgel zeigt gleich im Anschluss, dass der Komponist nicht nur meditative Musik, sondern auch virtuose Bravourstückchen zu schreiben verstand.
Bekannt sind die Stücke für die Flötenuhr von Joseph Haydn; Organist Anton Holzapfel lässt es sich nicht nehmen, drei dieser hübschen Miniaturen vorzutragen. Die große Überraschung aber ist das Finale dieser CD - ein Concerto per l'organo con 2 violini e basso von Hof- kapellmeister Reutter. Instrumentalmusik muss in der katholischen Kirchenmusik einst breite Einsatzmöglichkeiten und große Bedeutung gehabt haben; sie verschwand jedoch aus dem Gottesdienst mit der Aufklärung, die Nüchternheit und Funktionalität forderte. Die belieb- testen Werke aber gingen nicht verloren; damals wurde aus so man- chem Orgel- ein Clavier-Konzert. Erkennbar ist ein solcher Wechsel aus dem sakralen in den profanen Raum oftmals daran, dass diese Stücke nicht den vollen Tonumfang ausnutzen, wie ihn Cembalo oder Hammerklavier anbieten. So wurde auch jenes bedeutende Werk Reutters als Orgelkonzert identifiziert, das im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufgefunden wurde.
Wieninger und den Musikern von Dolce Risonanza ist dafür zu dan- ken, dass sie mit dieser CD eine kirchenmusikalische Tradition vor- stellen, die außerordentlich reich gewesen sein muss, aber leider im Gottesdienst keinen Platz mehr hat. Die schönen Stücke sollten daher nun rege im Kirchenkonzert erklingen; sie sind eindeutig zu hochwer- tig dafür, ungespielt im Archiv einzustauben.
Freitag, 28. Oktober 2011
Telemann: Der Tag des Gerichts (Capriccio)
Am 1. November 1755 verheerte ein schweres Erdbeben Lissabon, gefolgt von zahlreichen Bränden und einer 30 Meter hohen Flut- welle. Mehr als 60.000 Einwohner kamen dabei ums Leben. Die Stadt Hamburg sandte zwei Schiffe mit Hilfsgütern, und ordnete für den März 1756 einen außerordentli- chen Buß-, Fast- und Bettag an.
Für den Gottesdienst an diesem Tage schuf Georg Philipp Telemann seine Donner-Ode. Später ergänzte er dieses Werk noch um einen zweiten Teil, der ausgiebig Gottes Herrlichkeit preist. Der erste Teil aber schildert darüber hinaus in deutlicher Klangsprache, wie "die Stimme Gottes" die Meere erschüttert und die Zedern zerschmettert. "Sie stürzt die stolzen Gebirge zusammen; / der Erdkreis wankt, wenn er sie hört: / hört des Donners Stimme, die Flammen / rund um sich sprüht, zerschlägt, zerstört."
Auch Der Tag des Gerichts droht mit Pauken und Trompeten das Ende der Welt an, und schildert dann in vier Betrachtungen, was Gläubigen und Ungläubigen bevorsteht. Textdichter Christian Wilhelm Alers schuf dafür Figuren wie den Spötter, die Vernunft, die Religion oder die Andacht, sowie Chöre der Gläubigen, der Laster, der Seligen und der Himmlischen - und Telemann gab ihnen eine Stimme. Er setzte die Vision der Apokalypse, die die Theologen seinerzeit ebenso beschäftigte wie das Kirchenvolk, einfallsreich und ausdrucks- stark in Musik um.
Die Doppel-CD enthält zudem Telemanns Kantate Der Herr ist König - eine Psalm-Motette, die Bach seinerzeit in Leipzig abschreiben ließ; möglicherweise hat er dieses Werk seines Jugendfreundes 1725 sogar mit den Thomanern aufgeführt. Mit ihren prächtigen Chorfugen wirkt diese Kantate vergleichsweise konventionell.
Hermann Max, der mit seinen Ensembles Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert zu den Pionieren der historischen Aufführungs- praxis gehört, hat Anfang der 90er Jahre alle drei Werke eingespielt. Dabei wirkten exzellente Solisten mit - die Sopranistinnen Ann Monoyios und Babara Schlick, David Cordier und Axel Köhler, Altus, Wilfried Jochens, Tenor, sowie Harry van der Kamp, Hans-Georg Wimmer und Stephan Schreckenberger, Bass. Das Label Capriccio macht diese schönen Aufnahmen nun wieder zugänglich.
Für den Gottesdienst an diesem Tage schuf Georg Philipp Telemann seine Donner-Ode. Später ergänzte er dieses Werk noch um einen zweiten Teil, der ausgiebig Gottes Herrlichkeit preist. Der erste Teil aber schildert darüber hinaus in deutlicher Klangsprache, wie "die Stimme Gottes" die Meere erschüttert und die Zedern zerschmettert. "Sie stürzt die stolzen Gebirge zusammen; / der Erdkreis wankt, wenn er sie hört: / hört des Donners Stimme, die Flammen / rund um sich sprüht, zerschlägt, zerstört."
Auch Der Tag des Gerichts droht mit Pauken und Trompeten das Ende der Welt an, und schildert dann in vier Betrachtungen, was Gläubigen und Ungläubigen bevorsteht. Textdichter Christian Wilhelm Alers schuf dafür Figuren wie den Spötter, die Vernunft, die Religion oder die Andacht, sowie Chöre der Gläubigen, der Laster, der Seligen und der Himmlischen - und Telemann gab ihnen eine Stimme. Er setzte die Vision der Apokalypse, die die Theologen seinerzeit ebenso beschäftigte wie das Kirchenvolk, einfallsreich und ausdrucks- stark in Musik um.
Die Doppel-CD enthält zudem Telemanns Kantate Der Herr ist König - eine Psalm-Motette, die Bach seinerzeit in Leipzig abschreiben ließ; möglicherweise hat er dieses Werk seines Jugendfreundes 1725 sogar mit den Thomanern aufgeführt. Mit ihren prächtigen Chorfugen wirkt diese Kantate vergleichsweise konventionell.
Hermann Max, der mit seinen Ensembles Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert zu den Pionieren der historischen Aufführungs- praxis gehört, hat Anfang der 90er Jahre alle drei Werke eingespielt. Dabei wirkten exzellente Solisten mit - die Sopranistinnen Ann Monoyios und Babara Schlick, David Cordier und Axel Köhler, Altus, Wilfried Jochens, Tenor, sowie Harry van der Kamp, Hans-Georg Wimmer und Stephan Schreckenberger, Bass. Das Label Capriccio macht diese schönen Aufnahmen nun wieder zugänglich.
Donnerstag, 27. Oktober 2011
Weber - Spohr - Reicha. Raphael Wallfisch (Nimbus Records)
Raphael Wallfisch spielt virtuose Cellomusik - Werke aus jener Zeit, da das Instrument, soeben dem Continuo entwachsen, zunehmend mit solistischen Aufgaben betraut wurde. So verwundert es nicht, dass zwei der Komponisten, deren Stücke Wallfisch hier präsentiert, selbst exzellente Cellisten waren. Josef Reicha (1752 bis 1795) wirkte zunächst als Solocellist in der Kapelle des Fürsten Kraft Ernst von Oettingen-Wallerstein, und später als Konzertmeister und Musikdirektor der Kurfürstlichen Hofkapelle in Bonn. Sein Cello- konzert in A-Dur op. 4 Nr. 1 klingt noch ganz erstaunlich nach Mozart. Franz Danzi (1763 bis 1826), Solocellist in Mannheim und München, ist auf dieser CD vertreten mit Variationen über Là ci darem la mano aus Mozarts Don Giovanni - ein zauberhaftes Werk, das in erster Linie Charme und Grazie dieses Duettes betont.
Carl Maria von Weber (1786 bis 1826) wiederum war mit Danzi eng befreundet. Sein Konzert Grand pot-pourri op. 20 aus dem Jahre 1808 ist nicht zuletzt eine Verneigung vor Danzi - und zudem ein musikalischer Spaß von hohen Graden. Weber inszeniert das Cello wie einen Opernstar; er lässt es vor einer dramatischen Kulisse singen.
Louis Spohr (1784 bis 1859) war einer der besten Geiger seiner Zeit. Er war unglaublich populär, und galt zu Lebzeiten auch als einer der führenden Komponisten. Sein Violinkonzert Nr. 8 in a-Moll op. 47, in Form einer Gesangsszene, war offenbar noch für die nachfolgende Generation so attraktiv, dass der Cello-Virtuose Friedrich Grützma- cher (1832 bis 1903) eigens eine Version für Violoncello arrangier- te. Und nicht umsonst sagt man dem Instrument nach, dass es singen könne wie die menschliche Stimme.
Wallfisch nutzt diese vier doch recht unterschiedlichen Werke, um verschiedene Facetten des Celloklanges zu demonstrieren - von der schlanken, beweglichen, fast noch barock geführten Stimme bis hin zum satten, grandiosen Belcanto. Das Northern Chamber Orchestra aus Manchester unter Nicholas Ward begleitet ihn dabei stilsicher - und zeigt auf, welch enorme Vielfalt an musikalischen Handschriften und Ideen in Deutschland blühte, als sich noch jeder Hof sein Orche- ster leistete.
Carl Maria von Weber (1786 bis 1826) wiederum war mit Danzi eng befreundet. Sein Konzert Grand pot-pourri op. 20 aus dem Jahre 1808 ist nicht zuletzt eine Verneigung vor Danzi - und zudem ein musikalischer Spaß von hohen Graden. Weber inszeniert das Cello wie einen Opernstar; er lässt es vor einer dramatischen Kulisse singen.
Louis Spohr (1784 bis 1859) war einer der besten Geiger seiner Zeit. Er war unglaublich populär, und galt zu Lebzeiten auch als einer der führenden Komponisten. Sein Violinkonzert Nr. 8 in a-Moll op. 47, in Form einer Gesangsszene, war offenbar noch für die nachfolgende Generation so attraktiv, dass der Cello-Virtuose Friedrich Grützma- cher (1832 bis 1903) eigens eine Version für Violoncello arrangier- te. Und nicht umsonst sagt man dem Instrument nach, dass es singen könne wie die menschliche Stimme.
Wallfisch nutzt diese vier doch recht unterschiedlichen Werke, um verschiedene Facetten des Celloklanges zu demonstrieren - von der schlanken, beweglichen, fast noch barock geführten Stimme bis hin zum satten, grandiosen Belcanto. Das Northern Chamber Orchestra aus Manchester unter Nicholas Ward begleitet ihn dabei stilsicher - und zeigt auf, welch enorme Vielfalt an musikalischen Handschriften und Ideen in Deutschland blühte, als sich noch jeder Hof sein Orche- ster leistete.
Montag, 24. Oktober 2011
Musica Sacra - Die Zeit (K & K)
"O Ewigkeit, du machst mir bang. / O ewig, ewig ist zu lang, / hier gilt fürwahr kein Scherzen: / Drumb wenn ich diesen lange Nacht / zusampt der großen Pein betracht, / erschreck ich recht von Herzen. / Nichts ist zu finden weit und breit / so schrecklich als die Ewigkeit." So reimte einst der Wedeler Pastor Johann Rist - und brachte die Bedenken seiner Zeit- genossen in Liedform. Das Thema Zeit hatte für die Menschen des Barock, die offenbar extrem auf eine geordnete Welt fixiert waren, eine Bedeutung, die wir uns heute kaum noch vorstellen können.
Sopranistin Dorothee Mields und die Hamburger Ratsmusik haben im Juni 2010 bei einem Konzert im Kloster Maulbronn einige Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorgestellt, die belegen, wie seinerzeit Hoffnung und Zukunft, Beharrlichkeit und Vergänglichkeit besungen wurden. Das Programm wurde von der Gambistin Simone Eckert konzipiert - und es beeindruckt, weil es einerseits wenig bekannte Werke zusammenfasst, andererseits aber auch allen Beteiligten die Gelegenheit bietet, ihr Können zu demonstrieren. Das gilt für die renommierte Sängerin, die mit ihrem klaren, schlank geführten Sopran zu überzeugen weiß, ebenso wie für Michael Fuerst am Cem- balo, Ulrich Wedemeier, Theorbe, und für Simone Eckert, Viola da gamba. Die Musiker sind im Umgang mit barocker Rhetorik versiert; der Abend muss wirklich grandios gewesen sein. Es ist daher schön, dass Josef-Stefan Kindler und Andreas Otto Grimminger auch dieses Klosterkonzert auf CD dokumentiert haben.
Sopranistin Dorothee Mields und die Hamburger Ratsmusik haben im Juni 2010 bei einem Konzert im Kloster Maulbronn einige Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorgestellt, die belegen, wie seinerzeit Hoffnung und Zukunft, Beharrlichkeit und Vergänglichkeit besungen wurden. Das Programm wurde von der Gambistin Simone Eckert konzipiert - und es beeindruckt, weil es einerseits wenig bekannte Werke zusammenfasst, andererseits aber auch allen Beteiligten die Gelegenheit bietet, ihr Können zu demonstrieren. Das gilt für die renommierte Sängerin, die mit ihrem klaren, schlank geführten Sopran zu überzeugen weiß, ebenso wie für Michael Fuerst am Cem- balo, Ulrich Wedemeier, Theorbe, und für Simone Eckert, Viola da gamba. Die Musiker sind im Umgang mit barocker Rhetorik versiert; der Abend muss wirklich grandios gewesen sein. Es ist daher schön, dass Josef-Stefan Kindler und Andreas Otto Grimminger auch dieses Klosterkonzert auf CD dokumentiert haben.
Donnerstag, 20. Oktober 2011
Fasch: Concertos for various instruments (Accent)
Johann Friedrich Fasch (1688 bis 1758) erhielt seine Ausbildung als Chorknabe in Weißenfels und bei den Leipziger Thomanern; an- schließend studierte er an der Universität in der Pleißestadt.
1711 komponierte er seine erste Oper. 1713 ging er nach Darm- stadt, um von Christoph Graupner und Gottfried Grünewald zu lernen. Sein Aufenthalt dort scheint aber nur kurz gewesen zu sein, denn schon ein Jahr später findet man ihn im Dienst der Reußen, als Kammerschreiber in Gera und als Orga- nist in Greiz. 1721 ging Fasch als Kapellmeister der Grafen Morzin nach Prag, doch schon ein Jahr später wurde er Hofkapellmeister in Zerbst.
Dort wirkte er den Rest seines Lebens - und das scheint durchaus reich an Herausforderungen gewesen zu sein. Denn in Zerbst schuf Fasch nicht nur jede Menge Kirchenmusik, sondern auch zahlreiche Werke für festliche Anlässe. Trotzdem gelang es dem Musiker, in engem Kontakt mit Kollegen und Freunden wie Graupner, Telemann, Pisendel und Heinichen zu bleiben. Die Komponisten tauschten unter anderem Noten aus. So erklang in Zerbst auch Musik von anderen Höfen, und Faschs Werke wurden beispielsweise in Hamburg gespielt, wo Telemann 1773 Kantaten des Freundes aufführte.
Zu Lebzeiten des Komponisten wurde kein einziges Werk Faschs ge- druckt. Es ist erstaunlich, wieviele seiner Instrumentalkompositionen dennoch erhalten geblieben sind. Sie befinden sich heute zum größten Teil in vier Archiven: Die Reste der Zerbster Hofbibliothek sind im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt und im Institut für Musikwissen- schaft der Martin-Luther-Universität Halle/Saale einzusehen. In der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden und in der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt werden die Noten aufbewahrt, die Fasch einst seinen Kollegen geschickt hat.
Die Konzerte, die auf der vorliegenden CD durch das renommierte Ensemble Il Gardellino eingespielt wurden, befinden sich in Darm- stadt und Dresden. Sie demonstrieren nicht nur Faschs Fähigkeit, bewährte Formen durch Innovationen zu ergänzen, sondern auch sein Faible für Klangfarben und -effekte. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist das Concerto für zwei Oboe da silva, zwei Bratschen, zwei Fagotte und Basso continuo. Eine Oboe da silva ist eine Oboe da caccia, der Vorgänger des Englischhorns. Das Instrument erklingt tiefer als eine "normale" Oboe und eher dunkel timbriert.
Im grandiosen Concerto für drei Trompeten, zwei Oboen, Fagott und Solovioline lässt er Bläser und Solovioline eher abwechselnd als in Form eines Concertinos mit dem Orchester musizieren. Auch das führt zu erstaunlichen Klangeffekten. Man muss schon sagen, dass die Konzerte des Meisters alles andere sind als langweilig - zumal dann, wenn sie so brillant und lustvoll vorgetragen werden wie durch die Musiker von Il Gardellino. Diese CD bietet Hörvergnügen pur - genau das richtige für kalte, neblige Herbsttage!
1711 komponierte er seine erste Oper. 1713 ging er nach Darm- stadt, um von Christoph Graupner und Gottfried Grünewald zu lernen. Sein Aufenthalt dort scheint aber nur kurz gewesen zu sein, denn schon ein Jahr später findet man ihn im Dienst der Reußen, als Kammerschreiber in Gera und als Orga- nist in Greiz. 1721 ging Fasch als Kapellmeister der Grafen Morzin nach Prag, doch schon ein Jahr später wurde er Hofkapellmeister in Zerbst.
Dort wirkte er den Rest seines Lebens - und das scheint durchaus reich an Herausforderungen gewesen zu sein. Denn in Zerbst schuf Fasch nicht nur jede Menge Kirchenmusik, sondern auch zahlreiche Werke für festliche Anlässe. Trotzdem gelang es dem Musiker, in engem Kontakt mit Kollegen und Freunden wie Graupner, Telemann, Pisendel und Heinichen zu bleiben. Die Komponisten tauschten unter anderem Noten aus. So erklang in Zerbst auch Musik von anderen Höfen, und Faschs Werke wurden beispielsweise in Hamburg gespielt, wo Telemann 1773 Kantaten des Freundes aufführte.
Zu Lebzeiten des Komponisten wurde kein einziges Werk Faschs ge- druckt. Es ist erstaunlich, wieviele seiner Instrumentalkompositionen dennoch erhalten geblieben sind. Sie befinden sich heute zum größten Teil in vier Archiven: Die Reste der Zerbster Hofbibliothek sind im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt und im Institut für Musikwissen- schaft der Martin-Luther-Universität Halle/Saale einzusehen. In der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden und in der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt werden die Noten aufbewahrt, die Fasch einst seinen Kollegen geschickt hat.
Die Konzerte, die auf der vorliegenden CD durch das renommierte Ensemble Il Gardellino eingespielt wurden, befinden sich in Darm- stadt und Dresden. Sie demonstrieren nicht nur Faschs Fähigkeit, bewährte Formen durch Innovationen zu ergänzen, sondern auch sein Faible für Klangfarben und -effekte. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist das Concerto für zwei Oboe da silva, zwei Bratschen, zwei Fagotte und Basso continuo. Eine Oboe da silva ist eine Oboe da caccia, der Vorgänger des Englischhorns. Das Instrument erklingt tiefer als eine "normale" Oboe und eher dunkel timbriert.
Im grandiosen Concerto für drei Trompeten, zwei Oboen, Fagott und Solovioline lässt er Bläser und Solovioline eher abwechselnd als in Form eines Concertinos mit dem Orchester musizieren. Auch das führt zu erstaunlichen Klangeffekten. Man muss schon sagen, dass die Konzerte des Meisters alles andere sind als langweilig - zumal dann, wenn sie so brillant und lustvoll vorgetragen werden wie durch die Musiker von Il Gardellino. Diese CD bietet Hörvergnügen pur - genau das richtige für kalte, neblige Herbsttage!
Mozart: Requiem (Alpha)
Mozarts legendäres Werk in einer exzellenten Einspielung. Hier passt wirklich alles zusammen - von den hervorragenden Solisten über den ausgezeichneten Chor bis hin zum Orchester, und alle folgen wie hyp- notisiert dem Dirigenten Teodor Currentzis, der mitunter etwas eigenwillige, aber nicht uninteres- sante Klangideen verwirklicht.
Das Solistenquartett wird ange- führt von Sopranistin Simone Kermes - noch nie zuvor habe ich die Sopranpartie besser gesungen gehört! Doch auch Stéphanie Houtzeel, Mezzosopran, Markus Brut- scher, Tenor, und Arnaud Richard, Bass, singen grandios. Das eigentliche Ereignis aber sind der Chor The New Siberian Singers und das Orchester Musica Aeterna - denn was da zu hören ist, das lässt staunen.
Offenbar existiert in Sibirien eine hoch entwickelte Kulturszene, von der wir Westler keine Ahnung haben. Denn der Kammerchor der Oper von Nowosibirsk kann sowohl in Gesangskultur als auch in Stimm- qualität mühelos mit den besten westlichen Ensembles mithalten. Ähnliches gilt für Musica Aeterna, das Kammerorchester dieses Opernhauses, das auf historischen Instrumenten musiziert und keinen Vergleich scheuen muss. Vielen Dank an das Label Alpha, das uns diese herausragenden Musiker vorstellt - und, bitte, bald mehr davon!
Das Solistenquartett wird ange- führt von Sopranistin Simone Kermes - noch nie zuvor habe ich die Sopranpartie besser gesungen gehört! Doch auch Stéphanie Houtzeel, Mezzosopran, Markus Brut- scher, Tenor, und Arnaud Richard, Bass, singen grandios. Das eigentliche Ereignis aber sind der Chor The New Siberian Singers und das Orchester Musica Aeterna - denn was da zu hören ist, das lässt staunen.
Offenbar existiert in Sibirien eine hoch entwickelte Kulturszene, von der wir Westler keine Ahnung haben. Denn der Kammerchor der Oper von Nowosibirsk kann sowohl in Gesangskultur als auch in Stimm- qualität mühelos mit den besten westlichen Ensembles mithalten. Ähnliches gilt für Musica Aeterna, das Kammerorchester dieses Opernhauses, das auf historischen Instrumenten musiziert und keinen Vergleich scheuen muss. Vielen Dank an das Label Alpha, das uns diese herausragenden Musiker vorstellt - und, bitte, bald mehr davon!
Mittwoch, 19. Oktober 2011
Cimarosa: Requiem (Naxos)
Domenico Cimarosa (1749 bis 1801) stammte aus einfachen Ver- hältnissen. Sein Vater, ein Stein- metz, kam durch einen Sturz vom Gerüst ums Leben. Daher verding- te sich seine Mutter als Wäscherin in einem Kloster. Der Organist der Klosterkirche, Padre Polcano, be- merkte, dass der kleine Domenico musikalisch ist. Er unterrichtete den Jungen und sorgte dafür, dass er das Konservatorium von Santa Maria di Loreto besuchen konnte.
Dort erhielt er eine ausgezeichnete Ausbildung. 1772 schuf er seine erste Oper; viele weitere folgten, und dazu Kantaten und Kirchenmusik. 1787 lud Zarin Katharina II. den Musiker an ihren Hof ein. Cimarosa blieb vier Jahre in St. Petersburg; 1791 wurde er dann als Nachfolger Antonio Salieris Hofkomponist in Wien. Dort schrieb er sein bekanntestes Werk, die Oper Il matrimo- nio segreto.
Das Requiem hat Cimarosa in St. Petersburg komponiert; es wird ver- mutet, dass es 1787 für die Beisetzung der Gattin des französischen Botschafters entstanden ist - vier Jahre vor Mozarts legendärem Werk, und in enorm kurzer Zeit. Es ist hübsche Musik, mit schönen Melodien, aber kein übermäßig großer Wurf. Zu hören sind hier - in einer grundsoliden Einspielung aus der Slowakei - die Solisten Adriana Kucerová, Terézia Kruzliaková, Ludovít Ludha und Gustáv Belácek sowie der Lúcnica Slovak National Chorus und die Capella Istropolitana unter Kirk Trevor.
Dort erhielt er eine ausgezeichnete Ausbildung. 1772 schuf er seine erste Oper; viele weitere folgten, und dazu Kantaten und Kirchenmusik. 1787 lud Zarin Katharina II. den Musiker an ihren Hof ein. Cimarosa blieb vier Jahre in St. Petersburg; 1791 wurde er dann als Nachfolger Antonio Salieris Hofkomponist in Wien. Dort schrieb er sein bekanntestes Werk, die Oper Il matrimo- nio segreto.
Das Requiem hat Cimarosa in St. Petersburg komponiert; es wird ver- mutet, dass es 1787 für die Beisetzung der Gattin des französischen Botschafters entstanden ist - vier Jahre vor Mozarts legendärem Werk, und in enorm kurzer Zeit. Es ist hübsche Musik, mit schönen Melodien, aber kein übermäßig großer Wurf. Zu hören sind hier - in einer grundsoliden Einspielung aus der Slowakei - die Solisten Adriana Kucerová, Terézia Kruzliaková, Ludovít Ludha und Gustáv Belácek sowie der Lúcnica Slovak National Chorus und die Capella Istropolitana unter Kirk Trevor.
Liszt: Orchesterwerke (EMI Classics)
Es ist erstaunlich - doch Franz Liszt (1811 bis 1886) hat lediglich 25 Werke geschaffen, in denen das Orchester eine maßgebliche Rolle spielt. 13 davon sind Tondich- tungen - Musik, die Ideen zum Gegenstand hat, Mythen oder andere literarische Vorlagen. Die meisten davon hat er in seiner Weimarer Zeit, in den Jahren zwischen 1843 und 1861, voll- endet.
Doch auch Goethes Faust und Dantes Göttlicher Komödie wid- mete Liszt Sinfonien. Hinzu kommen zwei Klavierkonzerte und eine Reihe weiterer, keineswegs weniger gewichtiger Werke für Klavier und Orchester - darunter die Transkription von Schuberts Wanderer-Fantasie, die Grande Fantaisie symphonique sur des thèmes de Lélio de Berlioz oder der berühmte Totentanz.
Zum Liszt-Jubiläum legt EMI Classics nun eine legendäre Aufnahme all dieser Werke wieder vor: Die erste deutsche Gesamtaufnahme, eingespielt vom Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur Anfang der 80er Jahre in Leipzig. Die Klavierparts übernahm seiner- zeit Michel Béroff. Und man muss sagen, dass diese Edition noch immer Maßstäbe setzt, die alle Nachfolger erst einmal erreichen müssen.
Doch auch Goethes Faust und Dantes Göttlicher Komödie wid- mete Liszt Sinfonien. Hinzu kommen zwei Klavierkonzerte und eine Reihe weiterer, keineswegs weniger gewichtiger Werke für Klavier und Orchester - darunter die Transkription von Schuberts Wanderer-Fantasie, die Grande Fantaisie symphonique sur des thèmes de Lélio de Berlioz oder der berühmte Totentanz.
Zum Liszt-Jubiläum legt EMI Classics nun eine legendäre Aufnahme all dieser Werke wieder vor: Die erste deutsche Gesamtaufnahme, eingespielt vom Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur Anfang der 80er Jahre in Leipzig. Die Klavierparts übernahm seiner- zeit Michel Béroff. Und man muss sagen, dass diese Edition noch immer Maßstäbe setzt, die alle Nachfolger erst einmal erreichen müssen.
Dienstag, 18. Oktober 2011
Hasse: Cleofide (Capriccio)
August der Starke, sächsischer Kurfürst und König von Polen, hatte ein Faible für Exotik. In Pillnitz ließ er ein Schloss erbauen, das chinesische Formen imitierte. Und Johann Adolf Hasse, den der Herrscher wohl als aufsteigenden Stern am europäischen Opern- himmel sah und entsprechend umwarb, gab seine Antrittsvor- stellung 1731 in Dresden mit einer Geschichte aus Indien.
Seine Oper Cleofide erzählt vom Kriegszug Alexanders des Großen gegen den indischen König Poros. Dessen Geliebte Cleofide, die Königin eines anderen Teils von Indien, schmeichelt dem Feind, um ihn vom Angriff abzubringen. Das wiederum macht Poros eifersüch- tig, und gibt Anlass für zahlreiche Intrigen und Verwicklungen - bis schließlich, auch das ist Opera seria, Alexander Cleofide und Poros die Freiheit und ihr Reich zurückgibt.
Die Titelrolle sang Faustina Bordoni; die Sopranistin war bereits eine Berühmtheit, als von Hasse noch niemand sprach. 1730 wurde sie die Frau des Komponisten, der in Italien aufgrund seiner erfolgreichen Opern bald als il divino Sassone gefeiert wurde. Ab 1733 wirkte Hasse in Dresden als Hofkapellmeister; auch wenn er immer wieder längere Reisen unternahm, so formte er doch im Verlaufe von 30 Jahren in Dresden ein Opernensemble, das zu den besten Europas gehörte.
Das Label Capriccio legt nun die Weltersteinspielung der Oper Cleo- fide in der Fassung vor, die zu ihrer Dresdner Premiere erklungen ist. Die Liste der Mitwirkenden ist beeindruckend. Als Cleofide ist Emma Kirkby zu hören, als Erissena Agnès Mellon, den Poros singt Derek Lee Ragin, die Partie des Alessandro ist mit Dominique Visse besetzt, Gandarte mit Randall K. Wong und Timagene mit David Cordier. Es musiziert die Cappella Coloniensis, und das Ensemble leitet William Christie.
Für den heutigen Hörer ist es sicherlich ungewohnt, ein Opern- ensemble zu erleben, in dem die tiefste Partie ein Altus ist. Wer jedoch Barockmusik gern originalgetreu hört, der darf sich auf ein Fest schöner Stimmen freuen, das obendrein einige Zeit anhält; Hasses Oper nach einem Libretto seines Freundes Pietro Metastasio umfasst immerhin vier (!) CD. Die Musik ist phantastisch, und die Sänger sind exzellent, deshalb wird garantiert keine Langeweile aufkommen. Meine Empfehlung!
Seine Oper Cleofide erzählt vom Kriegszug Alexanders des Großen gegen den indischen König Poros. Dessen Geliebte Cleofide, die Königin eines anderen Teils von Indien, schmeichelt dem Feind, um ihn vom Angriff abzubringen. Das wiederum macht Poros eifersüch- tig, und gibt Anlass für zahlreiche Intrigen und Verwicklungen - bis schließlich, auch das ist Opera seria, Alexander Cleofide und Poros die Freiheit und ihr Reich zurückgibt.
Die Titelrolle sang Faustina Bordoni; die Sopranistin war bereits eine Berühmtheit, als von Hasse noch niemand sprach. 1730 wurde sie die Frau des Komponisten, der in Italien aufgrund seiner erfolgreichen Opern bald als il divino Sassone gefeiert wurde. Ab 1733 wirkte Hasse in Dresden als Hofkapellmeister; auch wenn er immer wieder längere Reisen unternahm, so formte er doch im Verlaufe von 30 Jahren in Dresden ein Opernensemble, das zu den besten Europas gehörte.
Das Label Capriccio legt nun die Weltersteinspielung der Oper Cleo- fide in der Fassung vor, die zu ihrer Dresdner Premiere erklungen ist. Die Liste der Mitwirkenden ist beeindruckend. Als Cleofide ist Emma Kirkby zu hören, als Erissena Agnès Mellon, den Poros singt Derek Lee Ragin, die Partie des Alessandro ist mit Dominique Visse besetzt, Gandarte mit Randall K. Wong und Timagene mit David Cordier. Es musiziert die Cappella Coloniensis, und das Ensemble leitet William Christie.
Für den heutigen Hörer ist es sicherlich ungewohnt, ein Opern- ensemble zu erleben, in dem die tiefste Partie ein Altus ist. Wer jedoch Barockmusik gern originalgetreu hört, der darf sich auf ein Fest schöner Stimmen freuen, das obendrein einige Zeit anhält; Hasses Oper nach einem Libretto seines Freundes Pietro Metastasio umfasst immerhin vier (!) CD. Die Musik ist phantastisch, und die Sänger sind exzellent, deshalb wird garantiert keine Langeweile aufkommen. Meine Empfehlung!
Haydn: String Quartets, Leipziger Streichquartett (MDG)
"Man darf aber nur halber Kenner seyn, um das Leere, die seltsame Mischung vom comischen und ernsthaften, tändelnden und rührenden, zu merken, welche allenthalben herrscht. Die Fehler gegen den Satz, besonders gegen den Rhythmus, und meistentheils eine große Unwissenheit des Con- trapunkts, ohne den noch keiner ein gutes Trio gemacht hat, sind in allen diesen sehr häufig", lästerte der Berliner Johann Christoph Stockhausen 1771 in seinem Criti- schen Entwurf einer auserlesenen Bibliothek für die Liebhaber der Philosophie und der schönen Wissenschaften über Joseph Haydn und einige seiner Kollegen.
Der solcherart Geschmähte antwortete - mit den Quartetten op. 20, in denen er geradezu exemplarisch archaische und moderne Stilelemen- te kombiniert. Dort finden sich der gestrenge Kontrapunkt, und auch die klassische Polyphonie - doch was Haydn damit anfängt, das ist schon sehr hörenswert. So schuf Haydn eine Fuge im 6/8-Takt, mit fein verästelten Themen, die eher quirlig als erhaben wirken. In der Summe wirken seine Stücke wie ein großes Gelächter, dass er über den Kritiker anstimmt.
Das Leipziger Streichquartett hat diese Werke im September 2010 im Rahmen der Gesamtausgabe sämtlicher Haydn-Quartette für das audiophile Label Dabringhaus & Grimm eingespielt. Dort sind sie kürzlich als Vol. 4 der CD-Serie erschienen. Folge drei, die bereits seit Februar im Handel ist, enthält drei der sogenannten Erdödy-Quar- tette op. 76 - Nr. 2, 3 und 4, mit den Beinamen Quinten- und Kaiser- quartett sowie Sonnenaufgang.
Das Leipziger Streichquartett, bestehend aus Stefan Arzberger und Tilman Büning, Violine, Ivo Bauer, Viola, und Matthias Moosdorf, Violoncello, gehört ohne Zweifel zu den besten derartigen Formatio- nen Deutschlands. Die Musiker zelebrieren "ihren" Haydn allerdings beinahe wie einen Beethoven. Sie spielen exzellent, und das wird ihnen ohne Zweifel viel Kritikerlob eintragen. Ich muss allerdings gestehen, dass mir eine weniger glatte Version, die auch Haydns musikalische Scherze mit einem Augenzwinkern statt in Marmor gemeißelt nimmt, noch besser gefallen hätte.
Der solcherart Geschmähte antwortete - mit den Quartetten op. 20, in denen er geradezu exemplarisch archaische und moderne Stilelemen- te kombiniert. Dort finden sich der gestrenge Kontrapunkt, und auch die klassische Polyphonie - doch was Haydn damit anfängt, das ist schon sehr hörenswert. So schuf Haydn eine Fuge im 6/8-Takt, mit fein verästelten Themen, die eher quirlig als erhaben wirken. In der Summe wirken seine Stücke wie ein großes Gelächter, dass er über den Kritiker anstimmt.
Das Leipziger Streichquartett hat diese Werke im September 2010 im Rahmen der Gesamtausgabe sämtlicher Haydn-Quartette für das audiophile Label Dabringhaus & Grimm eingespielt. Dort sind sie kürzlich als Vol. 4 der CD-Serie erschienen. Folge drei, die bereits seit Februar im Handel ist, enthält drei der sogenannten Erdödy-Quar- tette op. 76 - Nr. 2, 3 und 4, mit den Beinamen Quinten- und Kaiser- quartett sowie Sonnenaufgang.
Das Leipziger Streichquartett, bestehend aus Stefan Arzberger und Tilman Büning, Violine, Ivo Bauer, Viola, und Matthias Moosdorf, Violoncello, gehört ohne Zweifel zu den besten derartigen Formatio- nen Deutschlands. Die Musiker zelebrieren "ihren" Haydn allerdings beinahe wie einen Beethoven. Sie spielen exzellent, und das wird ihnen ohne Zweifel viel Kritikerlob eintragen. Ich muss allerdings gestehen, dass mir eine weniger glatte Version, die auch Haydns musikalische Scherze mit einem Augenzwinkern statt in Marmor gemeißelt nimmt, noch besser gefallen hätte.
Samstag, 15. Oktober 2011
Ristori: Divoti affetti alla Passione di Nostro Signore (Accent)
Bevor die Dresdner Hofkirche fertiggestellt wurde, musste sich die (katholische) Gemeinde mit einem wesentlich kleineren Raum bescheiden. Das wirkte sich auch auf die Kirchenmusik aus, denn dort war der Platz auf der Empore beschränkt. Eines der schönsten Werke, die in jenen Jahren für kleine Besetzung entstanden, wa- ren die Divoti Affetti alla Passione di Nostro Signore per uso della Reale Cappella di Dresda nel Giorna de' Venerdi e Domeniche della Quadragesima von Giovanni Alberto Ristori (1692 bis 1753).
Ristori war der Sohn eines Schauspielers. Er kam 1715 mit der Komö- diantentruppe seines Vaters nach Dresden, und erwarb sich bald einen Ruf als Komponist, Pianist und Organist. 1717 erhielt er daher eine Anstellung als Compositeur beim italienischen Hofschauspiel. Außerdem wurde er der Leiter der polnischen Capelle, die den König anstelle der Hofkapelle nach Polen begleitete. 1733 wurde er zum Kammerorganisten, 1746 zum Kirchen-Compositeur und 1750 zum Vizekapellmeister ernannt. Ristori schuf Werke für Kirche und Kammer gleichermaßen; auch seine Opern waren wohl sehr beliebt. Seinen Nachlass erwarb der Hof; so sind Opernpartituren Ristoris überliefert. Kirchenmusik hingegen ist kaum erhalten; die meisten dieser Werke gingen im Krieg verloren. Desto erfreulicher ist es, dass die Divoti Affetti nunmehr sogar auf CD vorliegen.
Es sind "Kammerduette für die Kirche", für Singstimmen und Basso continuo. Sie erklangen während der Nachmittagsandachten in der vorösterlichen Fastenzeit. Dorothee Mields, Sopran, und Franz Vitzthum, Alto, sowie das Ensemble Echo du Danube präsentieren diese wundervolle, eindrückliche Musik aufs Beste. Ergänzt werden die Duette durch Instrumentalstücke des Komponisten, die dieser möglicherweise für den Unterricht geschaffen hat - die Esercizi per l'Accompagnamento, die hier durch die fünf Musiker gekonnt in unterschiedlichen Besetzungen vorgestellt werden. Den Namen Ristori sollte man sich merken. Zwar stand er ganz sicher immer im Schatten berühmter Kollegen wie Hasse, Heinichen, Zelenka oder Pisendel. Doch seine Musik ist traumhaft schön, das ist wirklich eine Entdeckung. Und die Einspielung ist gelungen, ich kann sie daher sehr empfehlen.
Ristori war der Sohn eines Schauspielers. Er kam 1715 mit der Komö- diantentruppe seines Vaters nach Dresden, und erwarb sich bald einen Ruf als Komponist, Pianist und Organist. 1717 erhielt er daher eine Anstellung als Compositeur beim italienischen Hofschauspiel. Außerdem wurde er der Leiter der polnischen Capelle, die den König anstelle der Hofkapelle nach Polen begleitete. 1733 wurde er zum Kammerorganisten, 1746 zum Kirchen-Compositeur und 1750 zum Vizekapellmeister ernannt. Ristori schuf Werke für Kirche und Kammer gleichermaßen; auch seine Opern waren wohl sehr beliebt. Seinen Nachlass erwarb der Hof; so sind Opernpartituren Ristoris überliefert. Kirchenmusik hingegen ist kaum erhalten; die meisten dieser Werke gingen im Krieg verloren. Desto erfreulicher ist es, dass die Divoti Affetti nunmehr sogar auf CD vorliegen.
Es sind "Kammerduette für die Kirche", für Singstimmen und Basso continuo. Sie erklangen während der Nachmittagsandachten in der vorösterlichen Fastenzeit. Dorothee Mields, Sopran, und Franz Vitzthum, Alto, sowie das Ensemble Echo du Danube präsentieren diese wundervolle, eindrückliche Musik aufs Beste. Ergänzt werden die Duette durch Instrumentalstücke des Komponisten, die dieser möglicherweise für den Unterricht geschaffen hat - die Esercizi per l'Accompagnamento, die hier durch die fünf Musiker gekonnt in unterschiedlichen Besetzungen vorgestellt werden. Den Namen Ristori sollte man sich merken. Zwar stand er ganz sicher immer im Schatten berühmter Kollegen wie Hasse, Heinichen, Zelenka oder Pisendel. Doch seine Musik ist traumhaft schön, das ist wirklich eine Entdeckung. Und die Einspielung ist gelungen, ich kann sie daher sehr empfehlen.
Donnerstag, 13. Oktober 2011
Bach: Die Kunst der Fuge; Kofler (Raumklang)
"Für mich ist die Kunst der Fuge kein akademisches Lehrbuch der Fugenkomposition, sondern eine Folge von lebendigen, packenden Charakterstücken", erklärt Peter Kofler. Damit tritt der Organist und Cembalist in die Tradition Robert Schumanns, der diese Bezeichnung seinerzeit wählte. Es ist eine ro- mantische Tradition, und das prägt auch diese CD maßgeblich.
Um den Ausdruck zu unterstrei- chen, wählte Kofler für diese Ein- spielung zwei höchst unterschied- liche Instrumente aus. Da wäre zum einen ein zweimanualiges Cem- balo von Karl August Gräbner, Dresden 1782, aus der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg. Es ist ein Instrument, das vergleichsweise spät angefertigt worden ist, zu einem Zeitpunkt, da das Hammerklavier schon weit verbreitet war. Dennoch blieb das Cembalo noch für einige Zeit ein beliebtes Konzertinstrument - und profitierte ebenfalls von der Weiterentwicklung des Klavierbaus.
Im Kontrast dazu entschied sich Peter Kofler für ein Organo di Legno, eine kleine Orgel, deren Pfeifen ganz aus Zypressenholz bestehen. Sie wurde von Andreas J. Schiegnitz, Albsheim/Grünstadt in der Pfalz, nach einem Original erbaut, das sich in der Silbernen Kapelle zu Innsbruck befindet. Ihr Klang ist charakteristisch, sehr weich und zugleich durchdringend. Auch sind die Klangfarben von Bass und Diskant ziemlich unterschiedlich, was zur Durchhörbarkeit eines mehrstimmigen Satzes beiträgt.
Bei der Erkundung der einzelnen Stücke lässt sich Kofler Zeit. Er spürt dem Charakter der jeweiligen Fuge nach, versäumt darüber jedoch nicht, den Zyklus als solchen zu präsentieren. Eine interessante Variante, die man gern anhört.
Um den Ausdruck zu unterstrei- chen, wählte Kofler für diese Ein- spielung zwei höchst unterschied- liche Instrumente aus. Da wäre zum einen ein zweimanualiges Cem- balo von Karl August Gräbner, Dresden 1782, aus der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg. Es ist ein Instrument, das vergleichsweise spät angefertigt worden ist, zu einem Zeitpunkt, da das Hammerklavier schon weit verbreitet war. Dennoch blieb das Cembalo noch für einige Zeit ein beliebtes Konzertinstrument - und profitierte ebenfalls von der Weiterentwicklung des Klavierbaus.
Im Kontrast dazu entschied sich Peter Kofler für ein Organo di Legno, eine kleine Orgel, deren Pfeifen ganz aus Zypressenholz bestehen. Sie wurde von Andreas J. Schiegnitz, Albsheim/Grünstadt in der Pfalz, nach einem Original erbaut, das sich in der Silbernen Kapelle zu Innsbruck befindet. Ihr Klang ist charakteristisch, sehr weich und zugleich durchdringend. Auch sind die Klangfarben von Bass und Diskant ziemlich unterschiedlich, was zur Durchhörbarkeit eines mehrstimmigen Satzes beiträgt.
Bei der Erkundung der einzelnen Stücke lässt sich Kofler Zeit. Er spürt dem Charakter der jeweiligen Fuge nach, versäumt darüber jedoch nicht, den Zyklus als solchen zu präsentieren. Eine interessante Variante, die man gern anhört.
Banchieri:Il studio dilettevole / Il metamorfosi musicale (Stradivarius)
Hört man diese witzigen Stücke, wird man staunen. Denn ihr Schöpfer Adriano Banchieri (1568 bis 1634) war ein Mönch. Banchieri stammt aus Bologna. Und eigent- lich hieß er Tommaso, doch als er 1587 in den Benediktinerorden eintrat, nahm er den Namen Adriano an. Er wirkte als Organist, Komponist und Musiktheoretiker. Seine Madrigalbücher sind offen- bar direkte Vorläufer des Musik- theaters.
Sie erzählen Geschichten, ja, es gibt sogar einen Erzähler, doch statt Arien erklingen dann Madrigale. Diese freilich haben es in sich; sollten die Mönche sie gesungen haben, dann waren sie nicht nur höchst geübte Sänger, sondern sie dürften dabei auch eine Menge Spaß gehabt haben. Denn Banchieris Madrigale sind musikalische Kostbarkeiten ganz besonderer Art. Diese urkomischen Kabinett- stückchen fordern von den Sängern Charakterisierungskunst und beständige Registerwechsel. Die Voraussetzung dafür ist eine virtuose Gesangstechnik sowohl mit Brust- als auch mit Kopfstimme.
Die vorliegende Aufnahme fasst zwei weniger bekannte Werke zusammen - Il studio dilettevole, besser bekannt als Il Terzo Libro delle Canzonette a tre voci, und Il metamorfosi musicale, Quarto Libro delle Canzonette a tre voci, aus den Jahren 1600 bzw. 1601. Die Musiker des Ensembles Delitiae Musicae unter Leitung von Marco Longhini zelebrieren diese köstlichen Scherze mit Hingabe.
Sie können sich das auch leisten, denn die Sänger - Alessandro Car- mignani, Paolo Costa und Marcello Vargetto - sind wirklich brillant. Sie fisteln, näseln, brummen und tönen, wie es gerade passt, und zeigen dabei eine geradezu ansteckende Musizierlust. So wird auch der Zuhörer diese CD genießen. Denn bei aller Theatralik und allem Klamauk - in erster Linie hat Banchieri wundervolle Musik kompo- niert. Und diese wird hier höchst solide vorgetragen. Bravi!
Sie erzählen Geschichten, ja, es gibt sogar einen Erzähler, doch statt Arien erklingen dann Madrigale. Diese freilich haben es in sich; sollten die Mönche sie gesungen haben, dann waren sie nicht nur höchst geübte Sänger, sondern sie dürften dabei auch eine Menge Spaß gehabt haben. Denn Banchieris Madrigale sind musikalische Kostbarkeiten ganz besonderer Art. Diese urkomischen Kabinett- stückchen fordern von den Sängern Charakterisierungskunst und beständige Registerwechsel. Die Voraussetzung dafür ist eine virtuose Gesangstechnik sowohl mit Brust- als auch mit Kopfstimme.
Die vorliegende Aufnahme fasst zwei weniger bekannte Werke zusammen - Il studio dilettevole, besser bekannt als Il Terzo Libro delle Canzonette a tre voci, und Il metamorfosi musicale, Quarto Libro delle Canzonette a tre voci, aus den Jahren 1600 bzw. 1601. Die Musiker des Ensembles Delitiae Musicae unter Leitung von Marco Longhini zelebrieren diese köstlichen Scherze mit Hingabe.
Sie können sich das auch leisten, denn die Sänger - Alessandro Car- mignani, Paolo Costa und Marcello Vargetto - sind wirklich brillant. Sie fisteln, näseln, brummen und tönen, wie es gerade passt, und zeigen dabei eine geradezu ansteckende Musizierlust. So wird auch der Zuhörer diese CD genießen. Denn bei aller Theatralik und allem Klamauk - in erster Linie hat Banchieri wundervolle Musik kompo- niert. Und diese wird hier höchst solide vorgetragen. Bravi!
Mittwoch, 12. Oktober 2011
Mozart: Dissonances; Quatuor Ebène (Virgin Classics)
Mit dem Streichquartett beschäf- tigte sich Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) seit seiner ersten Italien-Reise 1770. Diese CD enthält KV 138, ein Werk aus dem Jahre 1772, dreisätzig ohne Menuett; Mozart nannte es Diver- timento.
In der Auseinandersetzung mit den Quartetten Joseph Haydns perfek- tionierte Mozart seine eigenen; die Legende behauptet, dass er sie auch selbst gespielt haben soll, und zwar die Bratschenstimme, ge- meinsam mit Haydn und Carl Ditters von Dittersdorf, die die Violin- parts übernahmen, und mit Johann Baptist Vanhall am Violoncello. Haydn, den er sehr verehrte und schätzte, widmete Mozart 1785 sechs Streichquartette; davon hat das Quatuor Ebène zwei für diese CD eingespielt, die Quartette KV 421 und 465.
Musikwissenschaftler und auch etliche Musiker unterstellen dem Komponisten gern, dies seien Stücke, die Mozarts Persönlichkeit spiegeln; sie wollen gar Verzweiflung, Lebensunlust und Seelenqual darin finden - doch Vorsicht! wir befinden uns im 18. und nicht im
19. Jahrhundert. Und da wäre ich mit solchen Befunden doch sehr vorsichtig; Mozart ist eben nicht Schumann - und das Genie kann auch aus purer Lust an der kniffligen Aufgabe zu Dissonanzen ge- griffen haben, um zu demonstrieren, wie sie sich in Wohlklang auf- lösen lassen. Schließlich hatte Widmungsträger Haydn bekannter- maßen Humor und Sinn für musikalische Scherze. Wir wissen es nicht; uns bleiben nur die Noten, und denen widmen sich Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure, Violine, Mathieu Herzog, Viola und Raphael Merlin, Violoncello, mit Hingabe.
Das Ergebnis aber klingt eher nach Beethoven als nach Haydn; die Interpretation erscheint wie in Marmor gemeißelt, und deshalb bin ich damit nicht ganz glücklich. Die Musiker vom Quatuor Ebène wollen "den Schleier (..) lüften" - und gehen davon aus, dass es sich "um absolut klassische Musik handelt". Kriterien: "Ausgewogenheit, Schlichtheit, Klarheit der Form, klar zu erfassende Tonarten, ein- fache Harmonik und Metrik" - also ich würde das so nicht unter- schreiben wollen. --
"Aus dem gleichen Heft stammend, (...) formieren sich diese beiden Quartette wie Schwarz und Weiß um den Begriff der Dissonanz, und sie enthalten so großartige harmonische Einfälle, dass man sich vorstellen kann, mit welcher Erregung sich Musiker zusammen- fanden, sie zu entdecken", schreibt das Quartett im Beiheft. Hört man KV 318 genau und achtet darauf, wird man entdecken, dass der junge Mozart schon hier die Dissonanz gekonnt benutzt, sozusagen als individuelle Würze einer handwerklich schon ziemlich perfekten Komposition. Dieses Konzept finde ich sehr spannend, und das macht auch diese CD zu einem Solitär. Toll!
In der Auseinandersetzung mit den Quartetten Joseph Haydns perfek- tionierte Mozart seine eigenen; die Legende behauptet, dass er sie auch selbst gespielt haben soll, und zwar die Bratschenstimme, ge- meinsam mit Haydn und Carl Ditters von Dittersdorf, die die Violin- parts übernahmen, und mit Johann Baptist Vanhall am Violoncello. Haydn, den er sehr verehrte und schätzte, widmete Mozart 1785 sechs Streichquartette; davon hat das Quatuor Ebène zwei für diese CD eingespielt, die Quartette KV 421 und 465.
Musikwissenschaftler und auch etliche Musiker unterstellen dem Komponisten gern, dies seien Stücke, die Mozarts Persönlichkeit spiegeln; sie wollen gar Verzweiflung, Lebensunlust und Seelenqual darin finden - doch Vorsicht! wir befinden uns im 18. und nicht im
19. Jahrhundert. Und da wäre ich mit solchen Befunden doch sehr vorsichtig; Mozart ist eben nicht Schumann - und das Genie kann auch aus purer Lust an der kniffligen Aufgabe zu Dissonanzen ge- griffen haben, um zu demonstrieren, wie sie sich in Wohlklang auf- lösen lassen. Schließlich hatte Widmungsträger Haydn bekannter- maßen Humor und Sinn für musikalische Scherze. Wir wissen es nicht; uns bleiben nur die Noten, und denen widmen sich Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure, Violine, Mathieu Herzog, Viola und Raphael Merlin, Violoncello, mit Hingabe.
Das Ergebnis aber klingt eher nach Beethoven als nach Haydn; die Interpretation erscheint wie in Marmor gemeißelt, und deshalb bin ich damit nicht ganz glücklich. Die Musiker vom Quatuor Ebène wollen "den Schleier (..) lüften" - und gehen davon aus, dass es sich "um absolut klassische Musik handelt". Kriterien: "Ausgewogenheit, Schlichtheit, Klarheit der Form, klar zu erfassende Tonarten, ein- fache Harmonik und Metrik" - also ich würde das so nicht unter- schreiben wollen. --
"Aus dem gleichen Heft stammend, (...) formieren sich diese beiden Quartette wie Schwarz und Weiß um den Begriff der Dissonanz, und sie enthalten so großartige harmonische Einfälle, dass man sich vorstellen kann, mit welcher Erregung sich Musiker zusammen- fanden, sie zu entdecken", schreibt das Quartett im Beiheft. Hört man KV 318 genau und achtet darauf, wird man entdecken, dass der junge Mozart schon hier die Dissonanz gekonnt benutzt, sozusagen als individuelle Würze einer handwerklich schon ziemlich perfekten Komposition. Dieses Konzept finde ich sehr spannend, und das macht auch diese CD zu einem Solitär. Toll!
Handel: Complete Violin Sonatas (Naxos)
Ob diese Violinsonaten wirklich alle von Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) stammen, das wird in dem sehr informativen Beiblatt zur CD durch die Solistin hinter- fragt. Angesichts der Qualität dieser Musik erscheint mir das freilich als eine Debatte von eher akademischem Interesse, zumal die Werke, deren Identität um- stritten ist, dann doch eingespielt werden.
Musikverleger John Walsh hatte sich zudem, ganz dem Brauch der damaligen Zeit entsprechend, bei der Besetzung nicht so festgelegt. So sind mir etliche dieser Sonaten auch in Versionen für die Flöte gut bekannt. Ariadne Daskalakis spielt sie auf der Barockvioline, gemein- sam mit Rainer Zipperling, Viola da gamba und Barockcello, sowie Gerard Hambitzer am Cembalo. Die Aufnahme ist ein Genuss - wohl- fundiert und zugleich leichtfüßig, gut strukturiert und mit sicherem Gespür verziert. Souverän, und sehr elegant. Bravi!
Musikverleger John Walsh hatte sich zudem, ganz dem Brauch der damaligen Zeit entsprechend, bei der Besetzung nicht so festgelegt. So sind mir etliche dieser Sonaten auch in Versionen für die Flöte gut bekannt. Ariadne Daskalakis spielt sie auf der Barockvioline, gemein- sam mit Rainer Zipperling, Viola da gamba und Barockcello, sowie Gerard Hambitzer am Cembalo. Die Aufnahme ist ein Genuss - wohl- fundiert und zugleich leichtfüßig, gut strukturiert und mit sicherem Gespür verziert. Souverän, und sehr elegant. Bravi!
Dienstag, 11. Oktober 2011
Works on themes of Paganini (Melodija)
Mit seinen spektakulären Auf- tritten beeindruckte der Geiger Niccolo Paganini nicht nur das "normale" Publikum, sondern auch etliche namhafte Komponisten. So hört der junge Robert Schumann 1830 in Frankfurt Paganini - und beschloss, Musiker zu werden. Wie sehr ihn die Musik des Geigers be- schäftigt hat, zeigen die Studien für Klavier op. 3 und die Sechs Kon- zert-Etüden op. 10 nach Capricen von Paganini, die Schumann 1832 und 1833 niederschrieb. Es ist interessant, zu verfolgen, wie sich der junge Komponist mit dem berühmten Vorbild auseinandersetzt - und musikalisch zunehmend eigene Akzente setzt. Damit freilich steht er nicht allein.
Nikolai Arnoldowitsch Petrow (1943 bis 2011), einer der führenden russischen Pianisten seiner Generation, hat 1982 Schumanns Konzertetüden für das Label Melodija eingespielt - und auch noch zwei andere Werke, die zeigen, wie sehr Paganini die Musik des
19. Jahrhunderts beeinflusst hat: Johannes Brahms' Variationen über ein Thema von Paganini für Klavier in a-Moll, op. 35, und die Études d'exécution transcendante d'après Paganini von Franz Liszt - in der Fassung aus dem Jahre 1838 als Ersteinspielung.
Ist Brahms' Werk eher eine Strapaze für den Hörer, so erweist sich Liszts Opus in erster Linie als Parforceritt für den Pianisten - kein Wunder, dass seine Zeitgenossen die Études für unspielbar hielten, so dass Liszt 1851 eine Neufassung vorlegte.
Nikolai Arnoldowitsch Petrow (1943 bis 2011), einer der führenden russischen Pianisten seiner Generation, hat 1982 Schumanns Konzertetüden für das Label Melodija eingespielt - und auch noch zwei andere Werke, die zeigen, wie sehr Paganini die Musik des
19. Jahrhunderts beeinflusst hat: Johannes Brahms' Variationen über ein Thema von Paganini für Klavier in a-Moll, op. 35, und die Études d'exécution transcendante d'après Paganini von Franz Liszt - in der Fassung aus dem Jahre 1838 als Ersteinspielung.
Ist Brahms' Werk eher eine Strapaze für den Hörer, so erweist sich Liszts Opus in erster Linie als Parforceritt für den Pianisten - kein Wunder, dass seine Zeitgenossen die Études für unspielbar hielten, so dass Liszt 1851 eine Neufassung vorlegte.
Montag, 10. Oktober 2011
Sharon Kam - Mozart (Berlin Classics)
Dem Klarinettisten Anton Stadler war Wolfgang Amadeus Mozart in Freundschaft verbunden - und er schrieb für ihn einige der schön- sten Soli für dieses Instrument. Die Klarinette war damals eine Innova- tion; das Instrument galt als Ersatz für die schwieriger zu spielende Trompete (italienisch clarino), was ihm seinen Namen gab, und wurde um 1750 in den Orchestern zuneh- mend gebräuchlich.
Mozart erlebte seinen Klang erst- mals 1777 in Mannheim, und war davon sehr angetan. So komponier- te er für die Klarinette und ihre Verwandten, in erster Linie das Bassetthorn und die Bassettklarinette, viele berühmte Melodien. Für Stadler schuf er auch das Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur, KV 622, und das Klarinettenquintett A-Dur KV 581.
Sharon Kam hat diese beiden Werke nun auf der Bassettklarinette für Berlin Classics eingespielt. Die israelische Musikerin gehört ohne Zweifel zu den führenden Klarinettenvirtuosen ihrer Generation. Ihr Ton ist stets kultiviert; ihr Spiel bringt die höchst unterschiedlichen Klangfarben des Instrumentes in den verschiedenen Lagen sehr schön zur Geltung. Selbst im Diskant wird ihr Ton nie schrill und spitz. An Sabine Meyer freilich, die Mozarts Konzert seinerzeit mit den Berliner Philharmonikern sowie mit der Staatskapelle Dresden einge- spielt hat, reicht sie nicht ganz heran; Kams Ton ist nicht so weich, so schwebend-ätherisch, und auch ihre Phrasierung wirkt eher boden- ständig-irdisch.
Für das Klarinettenkonzert ist ihr die Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie mit Sitz auf Schloss Esterházy in Eisenstadt ein ausdrucksstarker Partner. Das Klarinettenquintett spielt Sharon Kam gemeinsam mit Isabelle van Keulen und Ulrike-Anima Mathé, Violine, Volker Jacobsen, Viola und Gustav Rivinius, Violoncello. Sie gehören eindeutig zur europäischen Musik-Elite, und auch ihr Zusammenspiel erfreut.
Mozart erlebte seinen Klang erst- mals 1777 in Mannheim, und war davon sehr angetan. So komponier- te er für die Klarinette und ihre Verwandten, in erster Linie das Bassetthorn und die Bassettklarinette, viele berühmte Melodien. Für Stadler schuf er auch das Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur, KV 622, und das Klarinettenquintett A-Dur KV 581.
Sharon Kam hat diese beiden Werke nun auf der Bassettklarinette für Berlin Classics eingespielt. Die israelische Musikerin gehört ohne Zweifel zu den führenden Klarinettenvirtuosen ihrer Generation. Ihr Ton ist stets kultiviert; ihr Spiel bringt die höchst unterschiedlichen Klangfarben des Instrumentes in den verschiedenen Lagen sehr schön zur Geltung. Selbst im Diskant wird ihr Ton nie schrill und spitz. An Sabine Meyer freilich, die Mozarts Konzert seinerzeit mit den Berliner Philharmonikern sowie mit der Staatskapelle Dresden einge- spielt hat, reicht sie nicht ganz heran; Kams Ton ist nicht so weich, so schwebend-ätherisch, und auch ihre Phrasierung wirkt eher boden- ständig-irdisch.
Für das Klarinettenkonzert ist ihr die Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie mit Sitz auf Schloss Esterházy in Eisenstadt ein ausdrucksstarker Partner. Das Klarinettenquintett spielt Sharon Kam gemeinsam mit Isabelle van Keulen und Ulrike-Anima Mathé, Violine, Volker Jacobsen, Viola und Gustav Rivinius, Violoncello. Sie gehören eindeutig zur europäischen Musik-Elite, und auch ihr Zusammenspiel erfreut.
Sonntag, 9. Oktober 2011
Bach: Six Cello Suites on Viola; Callus (Analekta)
Diese CD demonstriert, wie es klingt, wenn man Bachs Cellosuiten auf einer Viola spielt. Helen Callus macht das ganz ordentlich - aber trotzdem klingt es eben nicht so gut wie auf einem Cello; das "Violon- cello piccolo" Bachs, über das auch im Zusammenhang mit dieser Aufnahme erneut spekuliert wird, wurde zwar möglicherweise an der Schulter gespielt, allein es war ganz sicher keine Bratsche.
Es ist bekannt, dass Bach selbst gern die Viola gespielt hat. Es ist jedoch reine Spekulation, wenn vermutet wird, er habe die Cello- suiten selbst auf der Bratsche gespielt. Warum er kein einziges Werk eigens für dieses Instrument geschaffen hat, das muss offen bleiben.
Natürlich werden die Cellosuiten von vielen Bratschern gespielt; die entsprechenden Editionen sind ja seit vielen Jahren verfügbar. Die vorliegende Version aber überzeugt mich nicht; es reicht eben nicht aus, den Noten mehr oder minder zu folgen. Auch Callus wechselt Tonarten, damit Suiten für die Bratsche spielbar werden. Trotz scordatura musiziert sie grundsätzlich modern. Dass Suiten Folgen von (stilisierten) Tänzen sind, das gerät hier aber ein bisschen zu sehr aus dem Blick. Und auch sonst bringt die Aufnahme nichts, was man nicht schon besser irgendwo anders gehört hätte. Schade.
Es ist bekannt, dass Bach selbst gern die Viola gespielt hat. Es ist jedoch reine Spekulation, wenn vermutet wird, er habe die Cello- suiten selbst auf der Bratsche gespielt. Warum er kein einziges Werk eigens für dieses Instrument geschaffen hat, das muss offen bleiben.
Natürlich werden die Cellosuiten von vielen Bratschern gespielt; die entsprechenden Editionen sind ja seit vielen Jahren verfügbar. Die vorliegende Version aber überzeugt mich nicht; es reicht eben nicht aus, den Noten mehr oder minder zu folgen. Auch Callus wechselt Tonarten, damit Suiten für die Bratsche spielbar werden. Trotz scordatura musiziert sie grundsätzlich modern. Dass Suiten Folgen von (stilisierten) Tänzen sind, das gerät hier aber ein bisschen zu sehr aus dem Blick. Und auch sonst bringt die Aufnahme nichts, was man nicht schon besser irgendwo anders gehört hätte. Schade.
Duo d'Accord - "Schönere Welten" (Solo Musica)
"Damit Dich diese Zeilen nicht vielleicht verführen, zu glauben, ich sey nicht wohl, oder nicht heiteren Gemüthes, so beeile ich mich, Dich des Gegentheils zu versichern. Freylich ists nicht mehr jene glückliche Zeit, in der uns jeder Gegenstand mit einer jugendlichen Glorie umgeben scheint, sondern jenes fatale Erkennen einer miserablen Wirklichkeit, die ich mir durch meine Phantasie (Gott sey's gedankt) so viel als möglich zu verschönern suche", schrieb Franz Schubert im Juli 1824 an seinen Bruder Ferdinand. "Man glaubt an dem Orte wo man einst glücklicher war, hänge das Glück, (...) doch bin ich jetzt mehr im Stande Glück und Ruhe in mir selbst zu finden als damals. Als Beweis dessen werden Dir eine große Sonate und Variationen über ein selbst erfundenes Thema, beides zu 4 Hände, welche ich bereits componirt habe, dienen."
Gemeint ist hier die Sonate C-Dur D 812, auch Grand Duo genannt, weil sie sich wenig um Konventionen scherte. Klavierwerke zu vier Händen nämlich waren seinerzeit üblicherweise für das häusliche Musizieren bestimmt, und daher achteten die Komponisten sorgsam darauf, dass sie - selbst wenn sie technisch anspruchsvoll waren - spielbar blieben. Schubert scherte sich darum bei diesem Stück so wenig, dass Robert Schumann, der Jahre später diese Noten auf- spürte, meinte, es müsse sich dabei um den Klavierauszug einer nie orchestrierten Sinfonie handeln.
Das Duo d'Accord hat dieses grandiose Werk nun für den Bayerischen Rundfunk und das Label Solo Musica eingespielt. Es ist kraftvolle Musik, zupackend interpretiert von Lucia Huang und Sebastian Euler. Die beiden Pianisten haben es auf dieser CD kombiniert mit Schuberts Rondo in A-Dur D 951, einem ebenfalls wunderschönen, aber eher lyrischen Stück.
Gemeint ist hier die Sonate C-Dur D 812, auch Grand Duo genannt, weil sie sich wenig um Konventionen scherte. Klavierwerke zu vier Händen nämlich waren seinerzeit üblicherweise für das häusliche Musizieren bestimmt, und daher achteten die Komponisten sorgsam darauf, dass sie - selbst wenn sie technisch anspruchsvoll waren - spielbar blieben. Schubert scherte sich darum bei diesem Stück so wenig, dass Robert Schumann, der Jahre später diese Noten auf- spürte, meinte, es müsse sich dabei um den Klavierauszug einer nie orchestrierten Sinfonie handeln.
Das Duo d'Accord hat dieses grandiose Werk nun für den Bayerischen Rundfunk und das Label Solo Musica eingespielt. Es ist kraftvolle Musik, zupackend interpretiert von Lucia Huang und Sebastian Euler. Die beiden Pianisten haben es auf dieser CD kombiniert mit Schuberts Rondo in A-Dur D 951, einem ebenfalls wunderschönen, aber eher lyrischen Stück.
Montag, 3. Oktober 2011
Garay: Las 10 sinfonías (Verso)
Ramón Garay (1761 bis 1823) war der Sohn eines Organisten aus Avilés in Asturien. Er wurde ver- mutlich auch durch seinen Vater ausgebildet; im Alter von 18 Jah- ren jedenfalls wurde er Kantor an der Kapelle der Kathedrale von Oviedo. Dort setzte er zugleich seine Studien fort. So nahm er Unterricht im Orgelspiel bei Juan Andrés de Lombida, dem Organi- sten der Kathedrale, und wurde vom Kapellmeister Joaquín Lázaro in Harmonielehre und Komposi- tion unterwiesen.
1785 ging Garay nach Madrid, wo er offenbar zeitgenössische Musik aus den Musikmetropolen Europas gehört und auch gespielt hat. Dennoch bewarb er sich um die Nachfolge Francisco Solers als Kapellmeister der Kathedrale von Jaén, und erhielt die Stelle im Mai 1787. Dort wirkte er den Rest seines Lebens. Im Archiv der Kathe- drale sind mehr als 300 seiner Werke überliefert. Die meisten davon sind geistliche Musik - mit Ausnahme einer Oper und jener zehn Orchestersinfonien, die das Orquesta de Córdoba unter José Luis Temes hier auf drei CD vorlegt.
Es wird vermutet, dass Garay diese Werke ausschließlich zu seinem eigenen Vergnügen komponiert hat, und dass sie zu seinen Lebzeiten niemals aufgeführt worden sind. Die Sinfonien entstanden zwischen 1790 und 1817, und gehören wohl zu den ersten Werken dieses Genres in Spanien überhaupt. Nun hat der Musikwissenschaftler Pedro Jiménez Cavallé eine kritische Edition vorgelegt - eine wichtige Voraussetzung für eine Einspielung, denn vorher lag nur die Partitur in Manuskriptform vor. Die 3-CD-Box ist ein wichtiges Dokument der spanischen Musikgeschichte. Wer sich allerdings nicht für die Ent- wicklung der Sinfonie als Gattung interessiert, dürfte von dieser Aufnahme weniger begeistert sein, denn sie hat ihre Schwächen. Der pure Hörgenuss jedenfalls ist das nicht.
1785 ging Garay nach Madrid, wo er offenbar zeitgenössische Musik aus den Musikmetropolen Europas gehört und auch gespielt hat. Dennoch bewarb er sich um die Nachfolge Francisco Solers als Kapellmeister der Kathedrale von Jaén, und erhielt die Stelle im Mai 1787. Dort wirkte er den Rest seines Lebens. Im Archiv der Kathe- drale sind mehr als 300 seiner Werke überliefert. Die meisten davon sind geistliche Musik - mit Ausnahme einer Oper und jener zehn Orchestersinfonien, die das Orquesta de Córdoba unter José Luis Temes hier auf drei CD vorlegt.
Es wird vermutet, dass Garay diese Werke ausschließlich zu seinem eigenen Vergnügen komponiert hat, und dass sie zu seinen Lebzeiten niemals aufgeführt worden sind. Die Sinfonien entstanden zwischen 1790 und 1817, und gehören wohl zu den ersten Werken dieses Genres in Spanien überhaupt. Nun hat der Musikwissenschaftler Pedro Jiménez Cavallé eine kritische Edition vorgelegt - eine wichtige Voraussetzung für eine Einspielung, denn vorher lag nur die Partitur in Manuskriptform vor. Die 3-CD-Box ist ein wichtiges Dokument der spanischen Musikgeschichte. Wer sich allerdings nicht für die Ent- wicklung der Sinfonie als Gattung interessiert, dürfte von dieser Aufnahme weniger begeistert sein, denn sie hat ihre Schwächen. Der pure Hörgenuss jedenfalls ist das nicht.
The Beatles for Orchestra (Carl Davis Collection)
Das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra spielt Songs von den Beatles - und man staunt, denn die Musiker aus der "Geburtsstadt" der Band machen das richtig gut. Natürlich ist es nicht besonders schwierig, die Welthits der Beatles schmissig für Sinfonieorchester zu arrangieren; bei vielen Songs hatte die Band ohnehin bereits "klassi- sche" Instrumente eingesetzt. Das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra aber musiziert unter Carl Davis derart engagiert und pfiffig, dass man die bekannten Stücke von She loves you bis A day in the life immer wieder mit Vergnügen anhört - gute Laune garantiert.
Sonntag, 2. Oktober 2011
The Lviv Lute (Sono Luminus)
Die Krakower Lauten-Tabulatur, entstanden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, gilt als das früheste und zugleich bedeutend- ste Zeugnis polnischer Lauten- musik aus der Zeit der Renaissan- ce. Die Sammlung enthält Werke der verschiedensten Genres aus ganz Europa - aber auch polnische Lieder, die sonst nirgends über- liefert sind. Der russisch-amerika- nische Lautenist Oleg Timofejew hat einige dieser Stücke gemein- sam mit dem Ensemble Sarmatica eingespielt. Diese Gruppe von Musikern hat Timofejew 2009 um sich versammelt, als er nach Kiew ging, um dort als Fulbright Scholar zu unterrichten - auf den Hörer aus der westlichen Hemisphäre wartet da so manche Überraschung.
Tchaikovsky: The Nutcracker (Ondine)
Weihnachtliche Stimmung kam kurz auf beim Anhören dieser Einspielung von Tschaikowskis berühmtem Nussknacker. Das lag weniger daran, dass dieses Ballett typischerweise in der Vorweih- nachtszeit auf die Bühnen dieser Welt kommt.
Diese CD ist vielmehr wie ein Ge- schenk an alle, die Tschaikowskis Musik lieben, denen die traditio- nellen russischen Aufnahmen aber zu zuckrig und die westlichen zu steif und distanziert sind. Michail Pletnev legt hier mit dem Russischen Nationalorchester eine farben- reiche Interpretation vor, die sich nicht schämt, gelegentlich roman- tisch zu werden, aber die dennoch nie ausschließlich süßlich klingt. Und statt Klangbrei serviert der Maestro ein mild gewürztes Menü, das durch viele Details erfreut. Meine Empfehlung!
Diese CD ist vielmehr wie ein Ge- schenk an alle, die Tschaikowskis Musik lieben, denen die traditio- nellen russischen Aufnahmen aber zu zuckrig und die westlichen zu steif und distanziert sind. Michail Pletnev legt hier mit dem Russischen Nationalorchester eine farben- reiche Interpretation vor, die sich nicht schämt, gelegentlich roman- tisch zu werden, aber die dennoch nie ausschließlich süßlich klingt. Und statt Klangbrei serviert der Maestro ein mild gewürztes Menü, das durch viele Details erfreut. Meine Empfehlung!
Geld Macht Musik - Music for the Fugger Family (Coviello Classics)
Die Familie Fugger war nicht nur reich; sie pflegte auch einen Lebensstil, der einem Fürstenhaus durchaus angemessen gewesen wäre. So wurden die Fugger-Söhne selbstverständlich in den Künsten unterwiesen, und auf Kavalierstour geschickt. Dabei besuchten sie die Niederlassungen des Handels- hauses und übten sich in der jewei- ligen Landessprache. Anton Fug- ger, der Neffe von Jakob Fugger, genannte "der Reiche", forderte von seinen Söhnen darüber hinaus, dass sie "zu gepürender zeit musica, als singen, tantzen, fechten und dergleichen ehrlich kurzweil (...) lernen und ieben."
Raymund Fugger, der Bruder Antons, sammelte neben Antiken auch Musikinstrumente - und sein Sohn Raymund d.J. erweiterte diese Kollektion zu einer der größten des 16. Jahrhunderts. Die Fugger erwarben zudem Musikdrucke und Manuskripte in ganz Europa, und bestellten in den besten Schreibstuben prachtvoll ausgestattete Sammelbände. Ihre Musikalienbibliothek bildet heute den Grund- stock der Musiksammlungen der Bayerischen Staatsbibliothek und der Wiener Nationalbibliothek.
Die vorliegende CD stellt zwei Manuskripte vor, die wahrscheinlich durch Raymund d.J. in den Besitz der Familie Fugger gelangten. Sie befinden sich heute in Wien. Carmina quinque vocum aus der Werkstatt von Peter Imhoff alias Petrus Alamire im flämischen Me- chelen enthält durchweg Werke im fünfstimmigen Satz, zu Beginn des 16. Jahrhunderts hochmodern. Es wird vermutet, dass es sich um Bearbeitungen bekannter Vokalwerke für Consort handelt.
Ein weiteres Manuskript von Lukas Wagenseil, der damals in Mün- chen wirkte, versammelt Musik aus dem Umkreis der habsburgischen Hofkapelle. Auf der CD erklingen zudem Stücke aus dem frühesten bekannten Tanzmusikdruck, einer Sammlung von Bartholomäus und Paul Hess, die 1555 in Breslau erschienen ist. Es spielt das Blockflö- tenconsort B-Five, gegründet 2003 in Barcelona - perfekt aufeinander abgestimmt und mit einer Klangsinnlichkeit, die begeistert. Drei Lie- der singt zudem Tenor Johannes Weiss. Die Musiker machen deutlich, dass die Familie Fugger nicht nur mit Geld und Macht umzugehen wusste.
Raymund Fugger, der Bruder Antons, sammelte neben Antiken auch Musikinstrumente - und sein Sohn Raymund d.J. erweiterte diese Kollektion zu einer der größten des 16. Jahrhunderts. Die Fugger erwarben zudem Musikdrucke und Manuskripte in ganz Europa, und bestellten in den besten Schreibstuben prachtvoll ausgestattete Sammelbände. Ihre Musikalienbibliothek bildet heute den Grund- stock der Musiksammlungen der Bayerischen Staatsbibliothek und der Wiener Nationalbibliothek.
Die vorliegende CD stellt zwei Manuskripte vor, die wahrscheinlich durch Raymund d.J. in den Besitz der Familie Fugger gelangten. Sie befinden sich heute in Wien. Carmina quinque vocum aus der Werkstatt von Peter Imhoff alias Petrus Alamire im flämischen Me- chelen enthält durchweg Werke im fünfstimmigen Satz, zu Beginn des 16. Jahrhunderts hochmodern. Es wird vermutet, dass es sich um Bearbeitungen bekannter Vokalwerke für Consort handelt.
Ein weiteres Manuskript von Lukas Wagenseil, der damals in Mün- chen wirkte, versammelt Musik aus dem Umkreis der habsburgischen Hofkapelle. Auf der CD erklingen zudem Stücke aus dem frühesten bekannten Tanzmusikdruck, einer Sammlung von Bartholomäus und Paul Hess, die 1555 in Breslau erschienen ist. Es spielt das Blockflö- tenconsort B-Five, gegründet 2003 in Barcelona - perfekt aufeinander abgestimmt und mit einer Klangsinnlichkeit, die begeistert. Drei Lie- der singt zudem Tenor Johannes Weiss. Die Musiker machen deutlich, dass die Familie Fugger nicht nur mit Geld und Macht umzugehen wusste.
Samstag, 1. Oktober 2011
Auftakt - Octavians (Querstand)
"Auftakt" nennen die Octavians ihre erste CD. Das Vokalensemble, 2006 hervorgegangen aus dem Knabenchor der Jenaer Philhar- monie, gewann 2010 den Bundes- wettbewerb "Jugend musiziert".
Beim Anhören fühlt man sich an alte Zeiten erinnert - die Mädchen nämlich erlernten in der Saalestadt einst im FDJ- und Pionierensemble Jena bei Karl Müller-Schmied und Stimmbildner Georg Friedrich Händel das kultivierte Singen im Chor, um die Jungs warb heftig die Philharmonie. Und wer davon träumte, aus dem Gesang einen Beruf machen zu wollen, der nahm dann Gesangsstunden bei Sigrid Jahn. Auch ich habe davon sehr profitiert und bin dankbar für die vielen Unterrichts- und Übungs- stunden. Wie man "richtige" Solistentöne singt, das habe ich allerdings erst wesentlich später begriffen - an dieser Stelle Dank und Gruß nach Chemnitz an Plamen Jontschew. Doch hinweg mit der Nostalgie, zu- rück zu den Octavians.
Die acht jungen Herren, die diese CD eingespielt haben, singen sauber und harmonisch, leider aber auch sehr brav. Das Doppelquartett könnte deutlich mehr Wucht, Humor und Biss zeigen. Männer-Ge- sangsensembles, in den unterschiedlichsten Besetzungen, sind auf dem Musikmarkt nicht gerade selten. Und die Profis spielen, das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen, in Sachen Ausdruck und Gestal- tungsvermögen doch in einer anderen Liga. Die Octavians hingegen wollen mit dem Gesang eindeutig nicht ihre Brötchen verdienen. Die meisten von ihnen studieren, und zwar überwiegend naturwissen- schaftlich-technische Fächer. Für eine Laienformation aber sind sie wirklich gut - und die CD beweist, dass die mitteldeutsche Chor- tradition auch heute noch weiterlebt. Und das lässt hoffen.
Beim Anhören fühlt man sich an alte Zeiten erinnert - die Mädchen nämlich erlernten in der Saalestadt einst im FDJ- und Pionierensemble Jena bei Karl Müller-Schmied und Stimmbildner Georg Friedrich Händel das kultivierte Singen im Chor, um die Jungs warb heftig die Philharmonie. Und wer davon träumte, aus dem Gesang einen Beruf machen zu wollen, der nahm dann Gesangsstunden bei Sigrid Jahn. Auch ich habe davon sehr profitiert und bin dankbar für die vielen Unterrichts- und Übungs- stunden. Wie man "richtige" Solistentöne singt, das habe ich allerdings erst wesentlich später begriffen - an dieser Stelle Dank und Gruß nach Chemnitz an Plamen Jontschew. Doch hinweg mit der Nostalgie, zu- rück zu den Octavians.
Die acht jungen Herren, die diese CD eingespielt haben, singen sauber und harmonisch, leider aber auch sehr brav. Das Doppelquartett könnte deutlich mehr Wucht, Humor und Biss zeigen. Männer-Ge- sangsensembles, in den unterschiedlichsten Besetzungen, sind auf dem Musikmarkt nicht gerade selten. Und die Profis spielen, das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen, in Sachen Ausdruck und Gestal- tungsvermögen doch in einer anderen Liga. Die Octavians hingegen wollen mit dem Gesang eindeutig nicht ihre Brötchen verdienen. Die meisten von ihnen studieren, und zwar überwiegend naturwissen- schaftlich-technische Fächer. Für eine Laienformation aber sind sie wirklich gut - und die CD beweist, dass die mitteldeutsche Chor- tradition auch heute noch weiterlebt. Und das lässt hoffen.