Die Kantaten, die die Arcis-Voca- listen München unter ihrem Leiter Thomas Gropper gemeinsam mit dem Barockorchester L'arpa festante für diese CD eingespielt haben, hat Johann Sebastian Bach 1707/08 wahrscheinlich für einen Bußgottesdienst in Mühlhausen sowie unmittelbar nach Dienstan- tritt 1714 in Weimar geschaffen. Himmelskönig, sei willkommen entstand nach einem Text von Salomon Franck, Herzoglicher Bibliothekar und Aufseher des Münzkabinetts, zur Feier des Palmsonntags. Aus der Tiefen kombi- niert Psalm 130 und zwei Kirchenliedstrophen. Die Kantaten passen aber durchaus auch in die Vorweihnachtszeit, denn sie zeigen einerseits den Menschen in seinem Vertrauen auf Gott, andererseits heißen sie Jesus Christus willkommen.
Diese CD erinnert in ihrer musikalischen Konzeption an die Aufnah- men des Bach Collegiums Japan unter Masaaki Suzuki. Thomas Gropper hat Ambitionen, die das Barockorchester L'arpa festante durchaus umsetzt; die Arcis-Vocalisten München hingegen sowie die Solisten Regine Jurda, Alt, Maximilian Kiener, Tenor und Franz Schlecht, Bass können ihm da nicht gänzlich folgen. Und man staunt, wie 50 (!) Sängerinnen und Sänger, die großenteils über eine solisti- sche Ausbildung und Konzerterfahrung verfügen sollen, derart schwächeln können. Diese Aufnahme vermag nicht zu begeistern.
Mittwoch, 30. November 2011
Merry Christmas - Bambini di Praga (Supraphon)
Weihnachtslieder aus aller Welt singen die Bambini di Praga auf dieser CD. Die Aufnahmen stam- men aus dem Jahre 1998. Bei einigen Liedern ist der Chor, der überwiegend aus Mädchen bestand, gemeinsam mit den Männerstimmen des Kühnuv muzský sbor zu hören. Gesungen wird wunderschön. Doch so recht mag man sich daran nicht mehr freuen. Denn dies ist das letzte Album der Bambini di Praga. Der weltberühmte Kinder- und Jugendchor hat sich aufgelöst, nachdem der langjährige Chorleiter Bohumil Kulínský wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden ist. Mittlerweile hat er seine Strafe verbüßt, doch der Chor war offenbar nicht mehr zu retten.
The Concerto Köln Christmas Album (Berlin Classics)
Nun ist es da, das lang erwartete Weihnachtsalbum des Ensembles Concerto Köln. Und es enthält nahezu komplett die barocken Werke, die seit einigen Jahren regelmäßig auf den diversen CD zum Fest erscheinen: Das berühm- te Concerto grosso g-Moll, von Arcangelo Corelli Fatto per la notte di Natale, sowie die Weih- nachtskonzerte von Antonio Vivaldi und Giuseppe Torelli, und natürlich die Sinfonia aus Bachs Weihnachtsoratorium. "Bei diesen Standards haben wir einfach nur versucht, unseren höchst eigenen klanglichen Zugriff zu entwickeln und mit Temperament etwas bei- zusteuern, ohne uns dabei auf den Sockel zu stellen", erläutert Martin Sandhoff, Soloflötist und künstlerischer Leiter des Ensembles.
So gänzlich entsagen freilich können die Kölner der Suche nach ver- gessenen Schätzen nicht; und deshalb ergänzen sie dieses Programm um einige der selten gespielten Noels pour les instruments von Marc-Antoine Charpentier, die Sinfonia pastorale D-Dur von Johann Stamitz, die Sonata natalis C-Dur von Pavel Josef Vejvanovský und das entzückende Konzert für Mandoline, zwei Violinen, Streicher und Basso continuo von Antonio Vivaldi.
Musiziert wird frisch und munter, aber nicht hastig und hektisch. Concerto Köln spielt die bekannten Stücke mit der gleichen Sorgfalt wie die Entdeckungen - beseelt, leichtfüßig und dynamisch differen- ziert. So kommt auch beim Hörer Weihnachtsstimmung auf. Bravi!
So gänzlich entsagen freilich können die Kölner der Suche nach ver- gessenen Schätzen nicht; und deshalb ergänzen sie dieses Programm um einige der selten gespielten Noels pour les instruments von Marc-Antoine Charpentier, die Sinfonia pastorale D-Dur von Johann Stamitz, die Sonata natalis C-Dur von Pavel Josef Vejvanovský und das entzückende Konzert für Mandoline, zwei Violinen, Streicher und Basso continuo von Antonio Vivaldi.
Musiziert wird frisch und munter, aber nicht hastig und hektisch. Concerto Köln spielt die bekannten Stücke mit der gleichen Sorgfalt wie die Entdeckungen - beseelt, leichtfüßig und dynamisch differen- ziert. So kommt auch beim Hörer Weihnachtsstimmung auf. Bravi!
Montag, 28. November 2011
Joy to the World - The King's Singers (Signum)
Wer The King's Singers liebt, der kann sich über ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk freuen: David Hurley und Timothy Wayne-Wright, Countertenor, Paul Phoenix, Tenor, Philip Lawson und Christopher Gabbitas, Bariton sowie Jonathan Howard, Bass legen ihren Fans den Mitschnitt ihres Konzertes am 19. Dezember 2010 in der Londoner Cadogan Hall unter den Christbaum. Es ist ein typisches King's Singers Album, sowohl in seinem musikalischen Anspruch als auch in der überaus perfekten Ausführung. Die Sänger haben für dieses Programm Weihnachtsklassiker in überwiegend modernen Arrangements zusammengestellt. Und natürlich reichern sie ihre Interpretation wie üblich mit einer großen Portion britischem Humor an; so wird selbst The little drummer boy erträglich. Grandios!
Sonntag, 27. November 2011
Telemann: Kantaten (Querstand)
Als Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) 1721 seine Tätigkeit als Cantor Johannei und Director Musices der Stadt Hamburg auf- nahm, eilte ihm bereits ein Ruf als herausragender Komponist von Kirchenkantaten voraus. Seine ersten Motetten hatte er schon als Schulbub geschrieben. Die Legen- de berichtet, er habe sich an der Universität Leipzig tatsächlich mit ganzer Kraft der der Juristerei widmen wollen. Doch dann habe sein musikbegeisterter Zimmergenosse eine Komposition Telemanns in dessen Reisegepäck gefunden, und dafür gesorgt, dass das Werk umgehend am Sonntag in der Thomaskirche erklang. Daraufhin sei der junge Telemann durch den Bürgermeister beauftragt worden, künftig zwei Kantaten im Monat zu liefern.
In Hamburg war Telemann dann verpflichtet, zwei Kantaten wöchent- lich und dazu jährlich eine Passion zu komponieren. Er widmete sich dieser Aufgabe mit Fleiß - und publizierte bereits 1725/26 einen ersten Kantatenjahrgang. Dieses Werk hatte den Titel Harmonischer Gottes-Dienst / oder geistliche Cantaten zum allgemeinen Gebrauche / welche/ zu Beförderung so wol der Privat- Haus- als öffentlichen Kirchen-Andacht / auf die gewöhnlichen Sonn- und Fest-täglichen Episteln durchs ganze Jahr gerichtet sind, und aus einer Singe-Stimme bestehen / die entweder von einer Violine, oder Hautbois, oder Flute traverse, oder Flute a bec, nebst dem General-Basse begleitet wird; Auf eine leichte und bequeme Art also verfasset / daß nicht allein die, so zur Aufführung der Kirchen-Music gesetzet sind / und vor allen diejenigen / so sich nur weniger Gehülfen darbey zu bedienen haben / solche nützlich gebrauchen können / sondern auch denen zur geistlichen ergetzlichkeit / die ihre Haus-Andacht musica- lisch zu halten pflegen / wie nicht weniger allen / die sich im Singen / oder im Spielen auf gedachten Instrumenten üben / zur Erlangung mehrerer Fähigkeit (...). Um den Kunden, die die Kantaten direkt bei Telemann erwerben konnten, das Musizieren zu erleichtern, hat der Komponist seinen Werken zudem ein umfangreiches Vorwort mit Hinweisen zur Aufführungspraxis beigefügt.
Mit dem Harmonischen Gottesdienst traf Telemann wohl ein Bedürf- nis seiner Zeitgenossen; die 72 Kantaten fanden offenbar regen Ab- satz, denn selbst heute sind noch zahlreiche Exemplare davon aufzu- finden. Das Ensemble La Gioconda - Margot Oitzinger, Gesang, Lucia Froihofer, Violine, Barbara Julia Reiter, Violoncello, und Anne Marie Dragosits, Cembalo und Claviorganum, für diese Einspielung zudem verstärkt durch Maria Mittermayr-Pitzl , Traversflöte - hat sechs dieser Kantaten ausgewählt, die für den Zeitraum zwischen dem ersten Advent und dem Dreikönigstag vorgesehen sind, und diese für das Altenburger Label Querstand eingespielt.
Telemanns Werke, so stellt sich bald heraus, sind aber weder "unkom- pliziert", noch musikalische Meterware. "Überraschend bei diesen Kantaten ist, dass sowohl Musik als auch Text ganz und gar nicht in unser traditionell besinnliches Bild von Advent und Weihnachten passen", merkt Sängerin Margot Oitzinger an. "Die Texte sind aufrüt- telnd und humorvoll, die Musik ist dementsprechend temperament- voll und lebendig." Und die exzellenten jungen österreichischen Musikerinnen haben hörbar ihr Vergnügen daran. Der Zuhörer auch, der sich hier auf eine CD freuen kann, die so ganz anders klingt als die üblichen Standardaufnahmen für die Vorweihnachtszeit. Kaufhaus- kompatibel ist diese hier nicht - und das ist auch gut so!
In Hamburg war Telemann dann verpflichtet, zwei Kantaten wöchent- lich und dazu jährlich eine Passion zu komponieren. Er widmete sich dieser Aufgabe mit Fleiß - und publizierte bereits 1725/26 einen ersten Kantatenjahrgang. Dieses Werk hatte den Titel Harmonischer Gottes-Dienst / oder geistliche Cantaten zum allgemeinen Gebrauche / welche/ zu Beförderung so wol der Privat- Haus- als öffentlichen Kirchen-Andacht / auf die gewöhnlichen Sonn- und Fest-täglichen Episteln durchs ganze Jahr gerichtet sind, und aus einer Singe-Stimme bestehen / die entweder von einer Violine, oder Hautbois, oder Flute traverse, oder Flute a bec, nebst dem General-Basse begleitet wird; Auf eine leichte und bequeme Art also verfasset / daß nicht allein die, so zur Aufführung der Kirchen-Music gesetzet sind / und vor allen diejenigen / so sich nur weniger Gehülfen darbey zu bedienen haben / solche nützlich gebrauchen können / sondern auch denen zur geistlichen ergetzlichkeit / die ihre Haus-Andacht musica- lisch zu halten pflegen / wie nicht weniger allen / die sich im Singen / oder im Spielen auf gedachten Instrumenten üben / zur Erlangung mehrerer Fähigkeit (...). Um den Kunden, die die Kantaten direkt bei Telemann erwerben konnten, das Musizieren zu erleichtern, hat der Komponist seinen Werken zudem ein umfangreiches Vorwort mit Hinweisen zur Aufführungspraxis beigefügt.
Mit dem Harmonischen Gottesdienst traf Telemann wohl ein Bedürf- nis seiner Zeitgenossen; die 72 Kantaten fanden offenbar regen Ab- satz, denn selbst heute sind noch zahlreiche Exemplare davon aufzu- finden. Das Ensemble La Gioconda - Margot Oitzinger, Gesang, Lucia Froihofer, Violine, Barbara Julia Reiter, Violoncello, und Anne Marie Dragosits, Cembalo und Claviorganum, für diese Einspielung zudem verstärkt durch Maria Mittermayr-Pitzl , Traversflöte - hat sechs dieser Kantaten ausgewählt, die für den Zeitraum zwischen dem ersten Advent und dem Dreikönigstag vorgesehen sind, und diese für das Altenburger Label Querstand eingespielt.
Telemanns Werke, so stellt sich bald heraus, sind aber weder "unkom- pliziert", noch musikalische Meterware. "Überraschend bei diesen Kantaten ist, dass sowohl Musik als auch Text ganz und gar nicht in unser traditionell besinnliches Bild von Advent und Weihnachten passen", merkt Sängerin Margot Oitzinger an. "Die Texte sind aufrüt- telnd und humorvoll, die Musik ist dementsprechend temperament- voll und lebendig." Und die exzellenten jungen österreichischen Musikerinnen haben hörbar ihr Vergnügen daran. Der Zuhörer auch, der sich hier auf eine CD freuen kann, die so ganz anders klingt als die üblichen Standardaufnahmen für die Vorweihnachtszeit. Kaufhaus- kompatibel ist diese hier nicht - und das ist auch gut so!
Bach: Trio Sonatas for Organ; Quinney (Coro)
"Recording Bach's Organ Sonatas is perhaps an exercise in hubris", meint Organist Robert Quinney, "since they are arguable the most perfect pieces of music ever writ- ten for the instrument - and there- fore, in their elegant economy and crystalline detail, the least forgi- ving of an inevitably less-than-perfect performance." Dennoch hat sich Quinney darauf eingelas- sen - und das war eine gute Ent- scheidung, denn diese Einspielung ist rundum gelungen.
Das beginnt bei der Auswahl des Instrumentes: Quinney wählte die Frobenius-Orgel am Queen's College in Oxford, vollendet von dem dänischen Orgelbauer im Jahre 1965. Es handelt sich dabei um ein nicht allzu großes Instrument mit einer mechanischen Traktur und einem wundervollen klaren, schlanken Ton, der in dem Kirchenraum zudem phantastisch zur Geltung kommt. All das unterstützt die Klangvorstellung, die der Organist dann umgesetzt hat - und Quinneys Interpretation von Bachs großartigem Werk kann sich mit den Ein- spielungen seiner führenden Kollegen durchaus messen. In dieser strukturellen Klarheit und dennoch mit derart viel Spielfreude vor- getragen, so hört man Bachs Triosonaten nicht oft. Bravo!
Das beginnt bei der Auswahl des Instrumentes: Quinney wählte die Frobenius-Orgel am Queen's College in Oxford, vollendet von dem dänischen Orgelbauer im Jahre 1965. Es handelt sich dabei um ein nicht allzu großes Instrument mit einer mechanischen Traktur und einem wundervollen klaren, schlanken Ton, der in dem Kirchenraum zudem phantastisch zur Geltung kommt. All das unterstützt die Klangvorstellung, die der Organist dann umgesetzt hat - und Quinneys Interpretation von Bachs großartigem Werk kann sich mit den Ein- spielungen seiner führenden Kollegen durchaus messen. In dieser strukturellen Klarheit und dennoch mit derart viel Spielfreude vor- getragen, so hört man Bachs Triosonaten nicht oft. Bravo!
Samstag, 26. November 2011
FlötenKönig - Emmanuel Pahud (EMI Classics)
Der Flötenkönig - das ist mitnich- ten Emmanuel Pahud, der Solo- flötist der Berliner Philharmoniker, trotz der albernen Kostümierung, in der er auf dem Cover dieser CD zu sehen ist. Im Januar 2012 jährt sich zum 300. Male der Geburtstag Friedrichs II. von Preußen, auch Friedrich der Große genannt. Und so wird dies vermutlich nicht die letzte CD sein, die in den kommen- den Monaten dem Monarchen gewidmet werden wird, der mit derselben Leidenschaft Flöte spielte, mit der er auch seine Soldaten exerzierte.
"Es ist eines, Geschichte aus einem Geschichtsbuch zu lernen, Daten, Fakten und Zitate zu einem Gesamtbild zu addieren. Für mich als Musiker ist ein weiterer Schlüssel, um diese historische Epoche zu verstehen, die Musik selbst", meint Emmanuel Pahud in seinem Essay "Der neue Geist zu Hofe", beigefügt im Beiheft dieser Doppel-CD - Copyright by Axel Brüggemann, da wundert sich der Leser allerdings: Von wem stammt denn dieser Text - vom Musiker, oder von einem Musikjournalisten? Noch staunend, liest man weiter: "Schließlich funktioniert sie ähnlich wie die Sprache. Sie wandelt sich mit ihrer Zeit: neue Vokabeln werden erfunden und die Grammatik erweitert, um ein verändertes Lebensgefühl auszudrücken."
Um diesen Übergang deutlich werden zu lassen, hat der Flötist - oder war es die Mannschaft von EMI Classics, man ist sich da schon nicht mehr ganz sicher - Werke ganz unterschiedlicher Komponisten ne- beneinander gestellt. "Johann Sebastian Bach war ein Perfektionist der Form: er hat mit komplexen Systemen und Harmonien gearbei- tet, ja gar mit mathematischen Codes und sie durch seine Genialität belebt", meint Pahud. "Die nächste Generation hat diese alten Formen durchaus aufrecht erhalten, es wurden weiterhin Solostücke oder Sonaten geschrieben. Aber die Freiheit innerhalb der alten Formen wurde durch Carl Philipp Emanuel Bach, durch Quantz und auch durch Friedrich selbst erweitert. Man erkennt das daran, dass die Taktzahlen nicht mehr genau stimmen, dass alles interaktiver wirkt - und dass die Musiker suchen, was man im Jazz die ,Blue Note' nennt. Eine Stimmung, einen individuellen Ausdruck."
Der Schritt vom Barock in die Ära der Aufklärung spiegele sich in der Alltagskultur in Preußen und in seiner Musik wieder, so der Flötist: "Wer genau hinhört, versteht, wie sehr die Musiker von den moder- nen Ideen geprägt waren - und wie sie daran gearbeitet haben, sie in Musik zu übersetzen. Jeder auf seine Art." Und in seiner Position, denn da erkennt Pahud enorme Unterschiede. "Ebenso wie die Stücke Carl Philipp Emanuel Bachs, der zwar auch mit den Konventionen seines Vaters gebrochen hat, bleiben Quantz' Kompositionen Werke eines Untergebenen." Die Werke Friedrichs hingegen seien "am schwierigsten zu spielen", sagt der Flötist: "Das liegt daran, dass sie den Duktus des Herrschers tragen. Er bestimmt die Regeln, er ent- scheidet, was richtig und falsch ist." Nun ja.
Für diese CD hat Pahud exzellente Mitstreiter, allen voran Trevor Pinnock am Cembalo, der sich seit vielen Jahren der Alten Musik verschrieben hat, und hier die Kammerakademie Potsdam ebenso versiert führt, wie man das von seinen Aufnahmen mit dem von ihm gegründeten Ensembe The English Concert gewohnt ist. Die jungen Musiker spielen frisch und engagiert. Bei den Sonaten, allen voran die Triosonate aus Bachs Musikalischem Opfer BWV 1079, wirken dann allerdings Matthew Truscott, Violine, und Jonathan Manson, Violon- cello, mit.
Beide sind ausgewiesene Experten für Barockmusik; desto mehr verwundert es allerdings, dass sie hier nicht "richtige" Barockmusik spielen, sondern eine Aufführungspraxis pflegen, die man bestenfalls als historisch informiert bezeichnen könnte. Emmanuel Pahud spielt für die Musik, mit der er sich hier beschäftigt, schlicht das falsche Instrument. Wer das berühmte Gemälde genau betrachtet, das Friedrich beim Musizieren in Sanssouci zeigt, dem wird auffallen, dass der König mitnichten eine Böhm-Flöte mit Klappenmechanismus in Händen hält. Die gab es damals nämlich noch gar nicht. Und durch den Gebrauch einer Traversflöte ergeben sich nicht nur ganz andere technische Herausforderungen für den Solisten, es ergibt sich auch grundsätzlich ein gänzlich anderer Klang.
Insofern hinterlässt diese CD nicht den allerbesten Eindruck - bei aller technischen Brillanz. Natürlich ist Pahud ein sehr guter Solist, aber die Quantz-Konzerte sowie etliche Werke der beiden Bachs hat auf der Querflöte auch beispielsweise der Dresdner Flötist Eckart Haupt ein- gespielt. Wenn ich ganz ehrlich sein soll - diese Aufnahmen gefallen mir besser, auch wenn sie mittlerweile schon einige Jährchen auf dem Buckel haben. Ich finde sie stimmiger, musikantischer - und darum wird auch nicht so ein Rummel betrieben.
"Während der Aufnahme dieser CD passierte etwas, das mich faszinierte: Ich musste für jedes Werk in eine andere Rolle schlüpfen. Jeder Komponist, der Freidenker Friedrich, sein Lehrer Quantz, der revolutionäre Carl Philipp Emanuel Bach und Anna Amalia von Preußen haben aus unterschiedlichen Positionen komponiert", berichtet Pahud. "Bei allen unterschieden sich der Tonfall und der Sprachduktus der Musik. Für uns als Interpreten ist das eine große Herausforderung. So sind die einzelnen Stücke dieser CD zu kleinen Opern geworden, die von unterschiedlichen Menschen erzählen. Irgendwann formte sich aus all den Mosaiken für mich ein Bild über das Treiben, das Denken und den Geist am Hofe Preußens." Spätestens dort kann ihm der Zuhörer garantiert nicht mehr folgen; und vielleicht hätte EMI Classics auch generell das Beiheft etwas stärker auf die Musik und etwas weniger auf die Person Friedrichs ausrichten sollen. Informationen statt Klischee und Preußenkönig, gern auch ein paar Zeilen über die Musiker. So übertönt das Marke- ting-Getrommel die Flötentöne. Schade.
"Es ist eines, Geschichte aus einem Geschichtsbuch zu lernen, Daten, Fakten und Zitate zu einem Gesamtbild zu addieren. Für mich als Musiker ist ein weiterer Schlüssel, um diese historische Epoche zu verstehen, die Musik selbst", meint Emmanuel Pahud in seinem Essay "Der neue Geist zu Hofe", beigefügt im Beiheft dieser Doppel-CD - Copyright by Axel Brüggemann, da wundert sich der Leser allerdings: Von wem stammt denn dieser Text - vom Musiker, oder von einem Musikjournalisten? Noch staunend, liest man weiter: "Schließlich funktioniert sie ähnlich wie die Sprache. Sie wandelt sich mit ihrer Zeit: neue Vokabeln werden erfunden und die Grammatik erweitert, um ein verändertes Lebensgefühl auszudrücken."
Um diesen Übergang deutlich werden zu lassen, hat der Flötist - oder war es die Mannschaft von EMI Classics, man ist sich da schon nicht mehr ganz sicher - Werke ganz unterschiedlicher Komponisten ne- beneinander gestellt. "Johann Sebastian Bach war ein Perfektionist der Form: er hat mit komplexen Systemen und Harmonien gearbei- tet, ja gar mit mathematischen Codes und sie durch seine Genialität belebt", meint Pahud. "Die nächste Generation hat diese alten Formen durchaus aufrecht erhalten, es wurden weiterhin Solostücke oder Sonaten geschrieben. Aber die Freiheit innerhalb der alten Formen wurde durch Carl Philipp Emanuel Bach, durch Quantz und auch durch Friedrich selbst erweitert. Man erkennt das daran, dass die Taktzahlen nicht mehr genau stimmen, dass alles interaktiver wirkt - und dass die Musiker suchen, was man im Jazz die ,Blue Note' nennt. Eine Stimmung, einen individuellen Ausdruck."
Der Schritt vom Barock in die Ära der Aufklärung spiegele sich in der Alltagskultur in Preußen und in seiner Musik wieder, so der Flötist: "Wer genau hinhört, versteht, wie sehr die Musiker von den moder- nen Ideen geprägt waren - und wie sie daran gearbeitet haben, sie in Musik zu übersetzen. Jeder auf seine Art." Und in seiner Position, denn da erkennt Pahud enorme Unterschiede. "Ebenso wie die Stücke Carl Philipp Emanuel Bachs, der zwar auch mit den Konventionen seines Vaters gebrochen hat, bleiben Quantz' Kompositionen Werke eines Untergebenen." Die Werke Friedrichs hingegen seien "am schwierigsten zu spielen", sagt der Flötist: "Das liegt daran, dass sie den Duktus des Herrschers tragen. Er bestimmt die Regeln, er ent- scheidet, was richtig und falsch ist." Nun ja.
Für diese CD hat Pahud exzellente Mitstreiter, allen voran Trevor Pinnock am Cembalo, der sich seit vielen Jahren der Alten Musik verschrieben hat, und hier die Kammerakademie Potsdam ebenso versiert führt, wie man das von seinen Aufnahmen mit dem von ihm gegründeten Ensembe The English Concert gewohnt ist. Die jungen Musiker spielen frisch und engagiert. Bei den Sonaten, allen voran die Triosonate aus Bachs Musikalischem Opfer BWV 1079, wirken dann allerdings Matthew Truscott, Violine, und Jonathan Manson, Violon- cello, mit.
Beide sind ausgewiesene Experten für Barockmusik; desto mehr verwundert es allerdings, dass sie hier nicht "richtige" Barockmusik spielen, sondern eine Aufführungspraxis pflegen, die man bestenfalls als historisch informiert bezeichnen könnte. Emmanuel Pahud spielt für die Musik, mit der er sich hier beschäftigt, schlicht das falsche Instrument. Wer das berühmte Gemälde genau betrachtet, das Friedrich beim Musizieren in Sanssouci zeigt, dem wird auffallen, dass der König mitnichten eine Böhm-Flöte mit Klappenmechanismus in Händen hält. Die gab es damals nämlich noch gar nicht. Und durch den Gebrauch einer Traversflöte ergeben sich nicht nur ganz andere technische Herausforderungen für den Solisten, es ergibt sich auch grundsätzlich ein gänzlich anderer Klang.
Insofern hinterlässt diese CD nicht den allerbesten Eindruck - bei aller technischen Brillanz. Natürlich ist Pahud ein sehr guter Solist, aber die Quantz-Konzerte sowie etliche Werke der beiden Bachs hat auf der Querflöte auch beispielsweise der Dresdner Flötist Eckart Haupt ein- gespielt. Wenn ich ganz ehrlich sein soll - diese Aufnahmen gefallen mir besser, auch wenn sie mittlerweile schon einige Jährchen auf dem Buckel haben. Ich finde sie stimmiger, musikantischer - und darum wird auch nicht so ein Rummel betrieben.
"Während der Aufnahme dieser CD passierte etwas, das mich faszinierte: Ich musste für jedes Werk in eine andere Rolle schlüpfen. Jeder Komponist, der Freidenker Friedrich, sein Lehrer Quantz, der revolutionäre Carl Philipp Emanuel Bach und Anna Amalia von Preußen haben aus unterschiedlichen Positionen komponiert", berichtet Pahud. "Bei allen unterschieden sich der Tonfall und der Sprachduktus der Musik. Für uns als Interpreten ist das eine große Herausforderung. So sind die einzelnen Stücke dieser CD zu kleinen Opern geworden, die von unterschiedlichen Menschen erzählen. Irgendwann formte sich aus all den Mosaiken für mich ein Bild über das Treiben, das Denken und den Geist am Hofe Preußens." Spätestens dort kann ihm der Zuhörer garantiert nicht mehr folgen; und vielleicht hätte EMI Classics auch generell das Beiheft etwas stärker auf die Musik und etwas weniger auf die Person Friedrichs ausrichten sollen. Informationen statt Klischee und Preußenkönig, gern auch ein paar Zeilen über die Musiker. So übertönt das Marke- ting-Getrommel die Flötentöne. Schade.
Mittwoch, 23. November 2011
Weihnachtslieder (Berlin Classics)
Ein Weihnachts-Klassiker aus dem Jahre 1975 ist nun bei Berlin Classics wieder erhältlich: Weih- nachtslieder mit dem legendären Tenor Peter Schreier, dem Thoma- nerchor Leipzig und der Staats- kapelle Dresden unter Thomas- kantor Hans-Joachim Rotzsch, mit Hans Otto, weiland Domorganist zu Freiberg, an der Orgel und Monika Rost, Gitarre.
Die Arrangements, die den Sänger und die Sängerknaben zumeist in Form musikalischer Dialoge agieren lassen, sind modern, aber nicht avantgardistisch. Wer also eine schöne Zusammenstellung der hier- zulande traditionell üblichen Weihnachtslieder sucht, dem sei diese CD wärmstens empfohlen.
Die Arrangements, die den Sänger und die Sängerknaben zumeist in Form musikalischer Dialoge agieren lassen, sind modern, aber nicht avantgardistisch. Wer also eine schöne Zusammenstellung der hier- zulande traditionell üblichen Weihnachtslieder sucht, dem sei diese CD wärmstens empfohlen.
Italia - Heinrich-Albert-Duo (MDG)
Das Heinrich-Albert-Duo hat be- reits diverse CD mit Werken seines Namenspatrons, einem Vertreter der deutschen Romantik, mit Gitarrenduos aus der Frühklassik sowie mit spanischer Gitarren- musik eingespielt. Da ist es nur konsequent, wenn sich Joachim Schrader und Jan Erler nunmehr der Musik italienischer Komponi- sten zuwenden. Dabei beschränken sie sich nicht nur auf die Werke aus dem "Goldenen Zeitalter der Gitar- re", als Solisten wie Ferdinando Carulli (1770 bis 1841), Mauro Giuliani (1781 bis 1829) oder Matteo Carcassi (1792 bis 1853) das Instrument in ganz Europa populär machten.
Auch Vorgänger, die die Musik dieser Virtuosen entscheidend präg- ten - wie Domenico Scarlatti, Domenico Cimarosa und Gioacchino Rossini haben sie in cleveren - teilweise eigenen - Arrangements mit berücksichtigt. Und natürlich darf auch Niccolò Paganini (1782 bis 1840) nicht fehlen, der ja das Publikum nicht nur als Violinist beein- druckte, sondern auch exzellent Gitarre spielte. Schrader und Erler musizieren mit Temperament, Witz und überragender Spielkultur. Phantastisch!
Auch Vorgänger, die die Musik dieser Virtuosen entscheidend präg- ten - wie Domenico Scarlatti, Domenico Cimarosa und Gioacchino Rossini haben sie in cleveren - teilweise eigenen - Arrangements mit berücksichtigt. Und natürlich darf auch Niccolò Paganini (1782 bis 1840) nicht fehlen, der ja das Publikum nicht nur als Violinist beein- druckte, sondern auch exzellent Gitarre spielte. Schrader und Erler musizieren mit Temperament, Witz und überragender Spielkultur. Phantastisch!
Calmus Christmas Carols (Carus)
Quer durch Europa führen die Weihnachtslieder den Zuhörer, die das Calmus Ensemble Leipzig für sein Weihnachtsalbum eingespielt hat. Auch diese Formation, die sich dem A-cappella-Gesang verschrieben hat, ist aus dem Thomanerchor hervorgegangen. Das Quintett hat sich 1999, gleich nach dem Abitur, zusammenge- funden. Heute singen bei Calmus Sopranistin Anja Lipfert, Sebastian Krause, Countertenor, Tobias Pöche, Tenor, Ludwig Böhme, Bariton und Joe Roesler, Bass.
Die jungen Sänger wurden mit Preisen überhäuft; zuletzt 2009 sogar mit dem ECHO Klassik. Auch wenn sie sich sehr viel Mühe damit ge- geben haben - fast die Hälfte der Arrangements haben Ensemblemit- glieder selbst geschrieben - dieses Weihnachtsalbum wirft mich nicht vom Hocker. Die Aufnahme wirkt seltsam uninspiriert. Die Chorsätze sind modern, anspruchsvoll, und allesamt fundiert. Doch gesungen wird brav statt mitreißend (und nicht immer ganz sauber). Ganz ehrlich: Ich hatte mir mehr erhofft. Schade.
Die jungen Sänger wurden mit Preisen überhäuft; zuletzt 2009 sogar mit dem ECHO Klassik. Auch wenn sie sich sehr viel Mühe damit ge- geben haben - fast die Hälfte der Arrangements haben Ensemblemit- glieder selbst geschrieben - dieses Weihnachtsalbum wirft mich nicht vom Hocker. Die Aufnahme wirkt seltsam uninspiriert. Die Chorsätze sind modern, anspruchsvoll, und allesamt fundiert. Doch gesungen wird brav statt mitreißend (und nicht immer ganz sauber). Ganz ehrlich: Ich hatte mir mehr erhofft. Schade.
Montag, 21. November 2011
Tromba Hispanica (Raumklang)
"Die Instrumente des Ensembles symbolisieren gewissermaßen das geteilte Spanien am Ende der Reconquista", schreibt Johann Plietzsch, Leiter des Barocktrom- peten Ensembles Berlin, in dem sehr informativen Beiheft zu dieser CD. "Die Trompeten und Pauken waren von großer militärischer Bedeutung, sie dienten der Organi- sation in der Kriegsführung und der Motivation der Truppen, waren weit hörbare Übermittler von Nachrichten und Befehlen. Auch demonstrierten sie Macht und Stärke im höfischen zeremoniell. Zusammen mit der Truhenorgel (Symbol der Kirche) stehen sie für das christliche Spanien. Die Lautenfamilie (Theorbe und andere Zupfinstrumente) sowie die unterschiedlichsten Percussionsinstru- mente wie Rahmentrommeln, Tambourins etc, entstammen der maurisch-arabischen Kultur."
Für die CD haben die Musiker des Barocktrompeten Ensembles Berlin auf Nachbauten historischer Instrumente Werke aus dem 16. und
17. Jahrhundert eingespielt. Sie entstammen zum einen dem Habs- burger Hof, zum anderen sind es jedoch auch erste Ergebnisse der Suche nach "original" spanischer Trompetenmusik. Sie ist im Gegen- satz zu den Werken der italienischen Trompeter, die weitgehend er- forscht und dokumentiert sind, noch nicht besonders gut erschlos- sen. Denn die Trompeterzünfte sorgten seinerzeit dafür, dass ihre Musik geheimgehalten wurde; die Stücke wurden innerhalb der Zunft weitergegeben - und nicht notiert. Wer herausfinden möchte, wie sie geklungen haben, der muss auf die Spurensuche gehen: In Lauten- tabulaturen oder in spanischer Orgelmusik finden sich Trompeten- stücke, die damals offensichtlich so populär waren, dass sie auch auf anderen Instrumenten nachgespielt wurden.
Nach solchen Überlieferungen wurden einige dieser Werke rekonstru- iert. Eine tolle CD, denn schon die sechs Barocktrompeten ergeben ein prachtvolles Klangbild. Doch auch Jan Grüter und Simon Linné an Barockgitarre und Theorbe, Mark Nordstrand, Truhenorgel und Tan Kutay, Pauken und Percussion, setzen mit ihrer Kunst Akzente. Wunderbar!
Für die CD haben die Musiker des Barocktrompeten Ensembles Berlin auf Nachbauten historischer Instrumente Werke aus dem 16. und
17. Jahrhundert eingespielt. Sie entstammen zum einen dem Habs- burger Hof, zum anderen sind es jedoch auch erste Ergebnisse der Suche nach "original" spanischer Trompetenmusik. Sie ist im Gegen- satz zu den Werken der italienischen Trompeter, die weitgehend er- forscht und dokumentiert sind, noch nicht besonders gut erschlos- sen. Denn die Trompeterzünfte sorgten seinerzeit dafür, dass ihre Musik geheimgehalten wurde; die Stücke wurden innerhalb der Zunft weitergegeben - und nicht notiert. Wer herausfinden möchte, wie sie geklungen haben, der muss auf die Spurensuche gehen: In Lauten- tabulaturen oder in spanischer Orgelmusik finden sich Trompeten- stücke, die damals offensichtlich so populär waren, dass sie auch auf anderen Instrumenten nachgespielt wurden.
Nach solchen Überlieferungen wurden einige dieser Werke rekonstru- iert. Eine tolle CD, denn schon die sechs Barocktrompeten ergeben ein prachtvolles Klangbild. Doch auch Jan Grüter und Simon Linné an Barockgitarre und Theorbe, Mark Nordstrand, Truhenorgel und Tan Kutay, Pauken und Percussion, setzen mit ihrer Kunst Akzente. Wunderbar!
Can you hear the Christmas? (Acte Préalable)
Studentenchöre haben es schwer. Jedes Jahr kommen neue Sänger dazu, die in den Chor integriert werden müssen - und alljährlich geht ein Jahrgang verloren, der mit der Gesangskultur bestens vertraut war, die die "Novizen" erst kennen- lernen müssen. Das führt dazu, dass solche Ensembles oftmals in jeder Hinsicht auf Sparflamme musizie- ren.
Auf den Chór Akademicki Uniwer- sytetu im. Adama Mickiewicza w Poznaniu trifft das ganz und gar nicht zu, wie die vorliegende CD beweist. Dieses Ensemble gehört zu den besten Chören Europas - und jeder Profi-Chor im Westen wäre stolz, wenn er solche Stimmen in seinen Reihen hätte. Der Akademi- sche Chor aus Poznan verfügt über Soprane, die schier jede Höhe mühelos meistern ebenso wie über richtige, tiefe Bässe. Und sie singen stets homogen und blitzsauber. Diese Sänger meistern jede Herausforderung, als gäbe es das Wort "schwierig" gar nicht.
Der Akademische Chor lädt mit dieser CD zu einer weihnachtlichen Weltreise ein. Es erklingen Klassiker und Traditionals aus Amerika und aus Westeuropa ebenso wie Volkslieder aus Polen - der größte Teil davon in ebenso anspruchsvollen wie ansprechenden Arrange- ments von Jacek Sykulski. Er leitet den Chor seit 1996 - und präsen- tiert hier einen unvergleichlichen Chorklang, inklusive einer exzel- lenten Solistenschar. Unbedingt anhören! Wahnsinn!!
Auf den Chór Akademicki Uniwer- sytetu im. Adama Mickiewicza w Poznaniu trifft das ganz und gar nicht zu, wie die vorliegende CD beweist. Dieses Ensemble gehört zu den besten Chören Europas - und jeder Profi-Chor im Westen wäre stolz, wenn er solche Stimmen in seinen Reihen hätte. Der Akademi- sche Chor aus Poznan verfügt über Soprane, die schier jede Höhe mühelos meistern ebenso wie über richtige, tiefe Bässe. Und sie singen stets homogen und blitzsauber. Diese Sänger meistern jede Herausforderung, als gäbe es das Wort "schwierig" gar nicht.
Der Akademische Chor lädt mit dieser CD zu einer weihnachtlichen Weltreise ein. Es erklingen Klassiker und Traditionals aus Amerika und aus Westeuropa ebenso wie Volkslieder aus Polen - der größte Teil davon in ebenso anspruchsvollen wie ansprechenden Arrange- ments von Jacek Sykulski. Er leitet den Chor seit 1996 - und präsen- tiert hier einen unvergleichlichen Chorklang, inklusive einer exzel- lenten Solistenschar. Unbedingt anhören! Wahnsinn!!
Sonntag, 20. November 2011
Vom Himmel hoch, o Englein kommt (Oehms Classics)
"Weihnachten im Allgäu", kündigt der Untertitel an. Doch wer bäuer- lich-derbe Kost erwartet, der wird sich wundern. Denn der Carl-Orff-Chor aus Marktoberdorf, das daraus hervorgegangene Ensemble Animato und die ehemaligen Blech- bläser des Schwäbischen Jugend- sinfonieorchesters, die seit 2004 als Schwäbisch Metall regelmäßig gemeinsam musizieren (obwohl sie überwiegend an süddeutschen Musikhochschule studieren), servieren ein musikalisches Menü, das an Qualität schwer zu überbieten sein dürfte.
Für diese CD haben die Sänger und Blechbläser ein Programm zusam- mengestellt, das ganz auf Vielfalt setzt. Sie haben dafür die schönsten Werke aus den Weihnachtskonzerten der letzten Jahre ausgewählt - und bringen auch die traditionellen Weihnachtslieder in sehr anspre- chenden modernen Arrangements. Ein großer Teil davon stammt von Manfred Beulecke, einem langjährigen Mitglied des Vorgängerchores des heutigen Ensembles. Was er für den Chor geschrieben hat, das passt zu diesem ganz hervorragend. Doch auch sonst haben die Musi- ker ein Händchen für die Zusammenstellung eines Programms, das der Zuhörer daheim genießen kann. Die Sänger bevorzugen ruhige, harmonische Arrangements - und erfreuen durch einen Chorklang wie Samt und Seide. Die Bläser sind ebenfalls exzellent.
Für diese CD haben die Sänger und Blechbläser ein Programm zusam- mengestellt, das ganz auf Vielfalt setzt. Sie haben dafür die schönsten Werke aus den Weihnachtskonzerten der letzten Jahre ausgewählt - und bringen auch die traditionellen Weihnachtslieder in sehr anspre- chenden modernen Arrangements. Ein großer Teil davon stammt von Manfred Beulecke, einem langjährigen Mitglied des Vorgängerchores des heutigen Ensembles. Was er für den Chor geschrieben hat, das passt zu diesem ganz hervorragend. Doch auch sonst haben die Musi- ker ein Händchen für die Zusammenstellung eines Programms, das der Zuhörer daheim genießen kann. Die Sänger bevorzugen ruhige, harmonische Arrangements - und erfreuen durch einen Chorklang wie Samt und Seide. Die Bläser sind ebenfalls exzellent.
Mozart in minor (Genuin)
"Man darf sagen, der Glückliche phantasiert nie", meinte einst Sigmund Freud. Desto erstaun- licher ist der relativ geringe Anteil von Kompositionen in Moll im Werk Wolfgang Amadeus Mozarts. Doch wer die Musik Mozarts auf seine Biographie hin interpretieren möchte, der dürfte ohnehin auf dem Holzwege sein.
Konstanze Eickhorst hat nach Spu- ren der Melancholie im Klavier- werk Mozarts gesucht. Auf dieser CD hat sie die beiden Sonaten in
c-Moll KV 457 und in a-Moll KV 310, die Fantasien in d-Moll KV 397 und in c-Moll KV 475 sowie das Rondo in a-Moll KV 511 zusammen- gefasst. Die Pianistin, die an der Musikhochschule Lübeck lehrt, macht aber nicht den Fehler, sich diesen Werken romantisierend-ge- fühlig zu nähern. Sie lässt sich auch nicht darauf ein, großen Vorbil- dern - und davon gibt es in diesem Falle ja mehr als genug - zu folgen, sie sucht ihren eigenen Weg zu Mozart. Und den findet sie - im Noten- text.
Eickhorst nimmt Mozarts Klavierwerke in ihrer ganz eigenen Rhetorik an, fast als wären es Opern. Sie folgt jedem Motiv sehr präzise, und lässt alle Stimmen zu Wort kommen - auch die Mittelstimmen. So wird der galante Mozart hörbar, der schalkhafte, aber auch der dramati- sche, düstere. Dabei wird deutlich: Die schönen Melodien sind nicht die ganze Wahrheit. Die Pianistin zeigt, wie viele Details in dieser Musik verborgen sind. Entdecken muss sie freilich jeder selbst. Doch das lohnt sich.
Konstanze Eickhorst hat nach Spu- ren der Melancholie im Klavier- werk Mozarts gesucht. Auf dieser CD hat sie die beiden Sonaten in
c-Moll KV 457 und in a-Moll KV 310, die Fantasien in d-Moll KV 397 und in c-Moll KV 475 sowie das Rondo in a-Moll KV 511 zusammen- gefasst. Die Pianistin, die an der Musikhochschule Lübeck lehrt, macht aber nicht den Fehler, sich diesen Werken romantisierend-ge- fühlig zu nähern. Sie lässt sich auch nicht darauf ein, großen Vorbil- dern - und davon gibt es in diesem Falle ja mehr als genug - zu folgen, sie sucht ihren eigenen Weg zu Mozart. Und den findet sie - im Noten- text.
Eickhorst nimmt Mozarts Klavierwerke in ihrer ganz eigenen Rhetorik an, fast als wären es Opern. Sie folgt jedem Motiv sehr präzise, und lässt alle Stimmen zu Wort kommen - auch die Mittelstimmen. So wird der galante Mozart hörbar, der schalkhafte, aber auch der dramati- sche, düstere. Dabei wird deutlich: Die schönen Melodien sind nicht die ganze Wahrheit. Die Pianistin zeigt, wie viele Details in dieser Musik verborgen sind. Entdecken muss sie freilich jeder selbst. Doch das lohnt sich.
Bottesini: Double-bass Concertos (Dynamic)
Die Variationen über ein Rokoko-Thema für Violoncello und Or- chester op. 33 von Peter Tschai- kowski sind als ein Werk bekannt, das dem Solisten allerhand ab- verlangt. Kann man dieses virtuose Kabinettstückchen auf einem Kontrabass spielen? Die vorliegen- de CD beantwortet diese Frage: Der rumänische Kontrabassist Ovidiu Badila (1962 bis 2001) konnte es - und wie!
Auch seine Interpretationen der Kontrabasskonzerte von Giovanni Bottesini sind eine Wucht. Die CD enthält weiter die Version des Gran Duo Concertante für Violine und Kontrabass, die Badila gemeinsam mit Keng-Yuen Tseng eingespielt hat. Zu hören ist zudem das Orchestra I Pomeriggi Musicali di Milano unter Marco Zuccharini. Über das alberne Coverbild mag man großzügig hinwegsehen - aber der Titel der Serie, Delizie Musicali, prangt über dieser Aufnahme zu Recht. Furios!
Auch seine Interpretationen der Kontrabasskonzerte von Giovanni Bottesini sind eine Wucht. Die CD enthält weiter die Version des Gran Duo Concertante für Violine und Kontrabass, die Badila gemeinsam mit Keng-Yuen Tseng eingespielt hat. Zu hören ist zudem das Orchestra I Pomeriggi Musicali di Milano unter Marco Zuccharini. Über das alberne Coverbild mag man großzügig hinwegsehen - aber der Titel der Serie, Delizie Musicali, prangt über dieser Aufnahme zu Recht. Furios!
Samstag, 19. November 2011
Johann Ludwig Bach: Trauermusik (Capriccio)
Johann Ludwig Bach (1677 bis 1731), der "Meininger Bach", war der Sohn des Organisten Johann Jacob Bach aus Thal bei Eisenach. Er lernte am Gymnasium in Gotha, und wurde 1699 als "Hoboist und Laquai" Mitglied der Meininger Hofkapelle. 1711 wurde er zum Kapellmeister ernannt, und er wirkte in dieser Position bis an sein Lebensende.
Nur wenige seiner Werke sind überliefert. So sind 18 seiner Kantaten erhalten, weil Johann Sebastian Bach, der seinen weitläufigen Verwandten sehr schätzte, sie 1726 in Leipzig aufführte. Auch die Missa brevis Allein Gott in der Höh sei Ehr fand sich im Nachlass des Thomaskantors. Elf Motetten von Johann Ludwig Bach wurden in zwei Sammelbänden in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar aufbewahrt.
Das ambitionierteste Werk, das uns heute vorliegt, ist jedoch die Trauermusik, die der Kapellmeister 1724 für seinen Dienstherrn, Herzog Ernst Ludwig von Sachsen-Meiningen komponierte. Der Text dafür beruht auf einem Strophenlied, dass der Herzog, der eher Dichtkunst und Frömmigkeit zuneigte als der Staatskunst und dem Militär, für diesen Zweck selbst verfasst hatte. Diese Trauermusik steht auch im Mittelpunkt der vorliegenden Drei-CD-Box, die Aufnahmen aus dem Jahre 1998 wieder zugänglich machen. Damals hatte Hermann Max mit seinen Ensembles Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert sowie einer Vielzahl exzellenter Solisten diesen musikalischen Schatz gehoben. Die Box enthält zudem eine Auswahl aus den Motetten und Kantaten sowie die Missa brevis.
Nur wenige seiner Werke sind überliefert. So sind 18 seiner Kantaten erhalten, weil Johann Sebastian Bach, der seinen weitläufigen Verwandten sehr schätzte, sie 1726 in Leipzig aufführte. Auch die Missa brevis Allein Gott in der Höh sei Ehr fand sich im Nachlass des Thomaskantors. Elf Motetten von Johann Ludwig Bach wurden in zwei Sammelbänden in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar aufbewahrt.
Das ambitionierteste Werk, das uns heute vorliegt, ist jedoch die Trauermusik, die der Kapellmeister 1724 für seinen Dienstherrn, Herzog Ernst Ludwig von Sachsen-Meiningen komponierte. Der Text dafür beruht auf einem Strophenlied, dass der Herzog, der eher Dichtkunst und Frömmigkeit zuneigte als der Staatskunst und dem Militär, für diesen Zweck selbst verfasst hatte. Diese Trauermusik steht auch im Mittelpunkt der vorliegenden Drei-CD-Box, die Aufnahmen aus dem Jahre 1998 wieder zugänglich machen. Damals hatte Hermann Max mit seinen Ensembles Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert sowie einer Vielzahl exzellenter Solisten diesen musikalischen Schatz gehoben. Die Box enthält zudem eine Auswahl aus den Motetten und Kantaten sowie die Missa brevis.
Bach: Weihnachtsoratorium (Rondeau)
Der Thomanerchor Leipzig singt Bachs Weihnachtsoratorium - und das gar nicht mal schlecht. Der Chor, der seit 1992 von Georg Christoph Biller geleitet wird, hat an Klang in jüngster Zeit gewaltig zugelegt. Besonders deutlich wird das, wenn man die vorliegende Aufnahme mit dem Mitschnitt aus dem Jahre 1998 vergleicht, der bei Philips erschienen ist (und über- haupt nicht begeistern konnte).
Erfreulich ist auch, dass sämtliche Sopransoli hier durch die Thoma- ner Friedrich Praetorius und Paul Bernewitz übernommen werden konnten. Die Jungs singen klangschön und selbstbewusst - doch wie dünn das technische Fundament ist, auf dem sich die jungen Solisten bewegen, das wird beispielsweise im Herr, dein Mitleid-Duett deutlich hörbar. Für die anderen Soli wurden, Thomanertradition hin oder her, erwachsene Sänger engagiert. Zu hören sind Ingeborg Danz, Alt, die Tenore Martin Petzold als Evangelist und Christoph Genz, Arien sowie Panajotis Iconomou, Bassbariton. Zwar haben die Herren durchweg ihre ersten musikalischen Schritte als Mitglieder von Kna- benchören gemacht - Petzold und Genz waren wie Biller Thomaner, Iconomou war als Knabenalt einer der Solisten des Tölzer Knaben- chores. Doch würde man sich wünschen, dass bei der nächsten Aufnahme das komplette Solistenensemble mit Thomanern besetzt werden könnte. Das wäre unterm Strich ein weiterer Qualitätsgewinn - für den ganzen Chor.
Erfreulich ist zudem die ausgeprägte rhetorische Zielrichtung, mit der hier musiziert wird. Es dominiert nicht das Gewandhausorchester, sondern der Gesang - und der legt Text aus, wie zu Bachs Zeiten üblich. Das macht die Aufnahme spannend.
Erfreulich ist auch, dass sämtliche Sopransoli hier durch die Thoma- ner Friedrich Praetorius und Paul Bernewitz übernommen werden konnten. Die Jungs singen klangschön und selbstbewusst - doch wie dünn das technische Fundament ist, auf dem sich die jungen Solisten bewegen, das wird beispielsweise im Herr, dein Mitleid-Duett deutlich hörbar. Für die anderen Soli wurden, Thomanertradition hin oder her, erwachsene Sänger engagiert. Zu hören sind Ingeborg Danz, Alt, die Tenore Martin Petzold als Evangelist und Christoph Genz, Arien sowie Panajotis Iconomou, Bassbariton. Zwar haben die Herren durchweg ihre ersten musikalischen Schritte als Mitglieder von Kna- benchören gemacht - Petzold und Genz waren wie Biller Thomaner, Iconomou war als Knabenalt einer der Solisten des Tölzer Knaben- chores. Doch würde man sich wünschen, dass bei der nächsten Aufnahme das komplette Solistenensemble mit Thomanern besetzt werden könnte. Das wäre unterm Strich ein weiterer Qualitätsgewinn - für den ganzen Chor.
Erfreulich ist zudem die ausgeprägte rhetorische Zielrichtung, mit der hier musiziert wird. Es dominiert nicht das Gewandhausorchester, sondern der Gesang - und der legt Text aus, wie zu Bachs Zeiten üblich. Das macht die Aufnahme spannend.
Freitag, 18. November 2011
The Britannic Organ, Vol. 1 (Oehms Classics)
Noch bevor es Schallplatten gab, machten es selbstspielende Kla- viere und Orgeln möglich, Inter- pretationen von großen Musikern zu reproduzieren. Ein Spezialist für solche Systeme war die Firma M. Welte & Söhne aus Freiburg/Br.
Im Museum für Musikautomanten Seewen, südlich von Basel, befin- det sich eines dieser Instrumente, eine Welte-Philharmonie-Orgel.
Sie war für die Britannic gebaut worden, das Schwesterschiff der Titanic. Doch das Schiff wurde dann im Ersten Weltkrieg als Hospital genutzt, die Orgel wurde von Welte daher anderweitig verkauft. 1969 erwarb sie schließlich Heinrich Weiss, der Gründer des Museums für Musikautomaten, für seine Sammlung. Erst bei der Restaurierung des Instrumentes stellte sich jedoch heraus, dass es sich dabei um die Britannic-Orgel handeln muss.
Das Geheimnis der Welte-Orgeln war ein Lochstreifen aus Papier, die sogenannte Notenrolle, die in Kombination mit einer elektro-pneu- matischen Traktur die Orgelpfeifen und Register steuerte. Diese Notenrolle ermöglichte es, das Spiel eines Organisten weitestgehend originalgetreu wiederzugeben. Das Unternehmen engagierte seiner- zeit eine große Anzahl von namhaften Organisten, die in Freiburg derartige Rollen einspielten. 1230 solche Masterrollen befinden sich heute im Besitz des Seewener Museums. Mit sehr viel Engagement und Sachverstand haben die Schweizer diesen wertvollen Bestand digitalisiert und erschlossen, so dass die Musik, die Welte teilweise bereits in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg aufgezeichnet hat, heute wieder erklingen kann.
Auf zwei CD sind nun erstmals solche alten Einspielungen zu hören. Die Organisten, die sie einst eingespielt haben, sind längst tot. Desto verblüffender ist es, wie lebendig diese Musikrollen ihr Spiel werden lasssen. Der Zuhörer erhält zum einen einen Überblick über das Repertoire, das Welte für diese Instrumente angeboten hat. Es reicht von Bach bis Wagner und von der Hochzeit des Figaro bis zu Peer Gynt. Zum anderen zeigt der Organist David Rumsey anhand einiger sorgsam zusammengestellter Musikbeispiele die Klangmöglichkeiten der Welte-Orgel. Und natürlich wurden auch einige Aufnahmen aus- gewählt, die an herausragende Organisten erinnern. Phantastisch - unbedingt anhören!
Im Museum für Musikautomanten Seewen, südlich von Basel, befin- det sich eines dieser Instrumente, eine Welte-Philharmonie-Orgel.
Sie war für die Britannic gebaut worden, das Schwesterschiff der Titanic. Doch das Schiff wurde dann im Ersten Weltkrieg als Hospital genutzt, die Orgel wurde von Welte daher anderweitig verkauft. 1969 erwarb sie schließlich Heinrich Weiss, der Gründer des Museums für Musikautomaten, für seine Sammlung. Erst bei der Restaurierung des Instrumentes stellte sich jedoch heraus, dass es sich dabei um die Britannic-Orgel handeln muss.
Das Geheimnis der Welte-Orgeln war ein Lochstreifen aus Papier, die sogenannte Notenrolle, die in Kombination mit einer elektro-pneu- matischen Traktur die Orgelpfeifen und Register steuerte. Diese Notenrolle ermöglichte es, das Spiel eines Organisten weitestgehend originalgetreu wiederzugeben. Das Unternehmen engagierte seiner- zeit eine große Anzahl von namhaften Organisten, die in Freiburg derartige Rollen einspielten. 1230 solche Masterrollen befinden sich heute im Besitz des Seewener Museums. Mit sehr viel Engagement und Sachverstand haben die Schweizer diesen wertvollen Bestand digitalisiert und erschlossen, so dass die Musik, die Welte teilweise bereits in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg aufgezeichnet hat, heute wieder erklingen kann.
Auf zwei CD sind nun erstmals solche alten Einspielungen zu hören. Die Organisten, die sie einst eingespielt haben, sind längst tot. Desto verblüffender ist es, wie lebendig diese Musikrollen ihr Spiel werden lasssen. Der Zuhörer erhält zum einen einen Überblick über das Repertoire, das Welte für diese Instrumente angeboten hat. Es reicht von Bach bis Wagner und von der Hochzeit des Figaro bis zu Peer Gynt. Zum anderen zeigt der Organist David Rumsey anhand einiger sorgsam zusammengestellter Musikbeispiele die Klangmöglichkeiten der Welte-Orgel. Und natürlich wurden auch einige Aufnahmen aus- gewählt, die an herausragende Organisten erinnern. Phantastisch - unbedingt anhören!
Zelenka: Magnificat u.a.; Marburger Bachchor (Genuin)
Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745), der Sohn eines böhmischen Organisten, erhielt seine Ausbil- dung am Jesuiten-Kollegium in Prag. 1710 wurde er Violonist der Hofkapelle zu Dresden. Das heißt, er spielte den Violone, ein Instru- ment aus der Gambenfamilie, das als Vorgänger des Kontrabasses gilt.
Von 1716 bis 1719 ermöglichte ihm der Kurfürst einen Studien- aufenthalt in Wien beim kaiser- lichen Hofkapellmeister Johann Joseph Fux, einem der bedeutendsten Musiktheoretiker seiner Zeit. Zugleich hatte Zelenka freilich beim Kurprinzen Friedrich August II. zu musizieren, der in Wien um die Hand der Prinzessin Maria Josepha anhielt.
Das Musikleben in der kuk Hauptstadt dominierten damals Musiker aus Italien; die Begegnung mit ihren Werken beeinflusste Zelenkas Schaffen. In Dresden aber interessierte dies zunächst wenig. Erst als Zelenkas Melodrama de Sancto Wenceslao zur Krönung Karls VI. in Prag Aufsehen erregte, orderte auch der Dresdner Hof regelmäßig Werke bei ihm, hauptsächlich für die Kirchenmusik. 1733 bewarb sich Zelenka um die Nachfolge des 1729 verstorbenen Hofkapellmeisters Johann David Heinichen - doch die Stelle erhielt Johann Adolph Hasse. Zelenka wurde 1735 zum Kirchen-Compositeur ernannt. Es wird nicht überraschen, dass er überwiegend Musik für den (katho- lischen) Gottesdienst geschaffen hat.
Die vorliegende CD enthält das Magnificat in D-Dur ZWV 108, die Missa Nativitatis Domini ZWV 8 und den Psalm Dixit Dominus ZWV 68, gesungen von Katia Plaschka, Anne Bierwirth, Christian Dietz, Markus Flaig und dem Marburger Bachchor. Es musiziert das Ensemble L'arpa festante, die musikalische Leitung hat Nicolo Sokoli. Es ist eine klangprächtige Einspielung, obgleich sich der Chor nicht immer ganz homogen und vor allem nicht immer im Tempo präsen- tiert. Es scheint, dass Lust und Leidenschaft hier die langjährige Ausbildung der Musiker, für die diese Musik einst entstanden ist, doch nicht ganz ausgleichen können.
Von 1716 bis 1719 ermöglichte ihm der Kurfürst einen Studien- aufenthalt in Wien beim kaiser- lichen Hofkapellmeister Johann Joseph Fux, einem der bedeutendsten Musiktheoretiker seiner Zeit. Zugleich hatte Zelenka freilich beim Kurprinzen Friedrich August II. zu musizieren, der in Wien um die Hand der Prinzessin Maria Josepha anhielt.
Das Musikleben in der kuk Hauptstadt dominierten damals Musiker aus Italien; die Begegnung mit ihren Werken beeinflusste Zelenkas Schaffen. In Dresden aber interessierte dies zunächst wenig. Erst als Zelenkas Melodrama de Sancto Wenceslao zur Krönung Karls VI. in Prag Aufsehen erregte, orderte auch der Dresdner Hof regelmäßig Werke bei ihm, hauptsächlich für die Kirchenmusik. 1733 bewarb sich Zelenka um die Nachfolge des 1729 verstorbenen Hofkapellmeisters Johann David Heinichen - doch die Stelle erhielt Johann Adolph Hasse. Zelenka wurde 1735 zum Kirchen-Compositeur ernannt. Es wird nicht überraschen, dass er überwiegend Musik für den (katho- lischen) Gottesdienst geschaffen hat.
Die vorliegende CD enthält das Magnificat in D-Dur ZWV 108, die Missa Nativitatis Domini ZWV 8 und den Psalm Dixit Dominus ZWV 68, gesungen von Katia Plaschka, Anne Bierwirth, Christian Dietz, Markus Flaig und dem Marburger Bachchor. Es musiziert das Ensemble L'arpa festante, die musikalische Leitung hat Nicolo Sokoli. Es ist eine klangprächtige Einspielung, obgleich sich der Chor nicht immer ganz homogen und vor allem nicht immer im Tempo präsen- tiert. Es scheint, dass Lust und Leidenschaft hier die langjährige Ausbildung der Musiker, für die diese Musik einst entstanden ist, doch nicht ganz ausgleichen können.
Donnerstag, 17. November 2011
Horn Quintets - Nury Guarnaschwili, Signum Quartett (Capriccio)
"So spiel doch wenigstens eine Note sauber, Zipfel", schrieb Wolfgang Amadeus Mozart dem Hornisten Joseph Leutgeb in eine Hornstimme - und noch etliche andere derbe Scherze. Sie scheinen das Verhältnis zwischen den Musi- kern nicht getrübt zu haben. Denn Mozart komponierte für den Vir- tuosen, der zu den besten Horni- sten seiner Zeit gehört haben muss, vier Hornkonzerte - und das "Leitgebsche" Quintett für Horn, Violine, zwei Violen und Violon- cello Es-Dur KV 407. In diesem Werk verzichtet Mozart gänzlich auf die beliebten Jagdmotive; er präsentiert das Horn als Melodie- instrument, das mit den Streichern im Dialog und um die Wette singen muss. Wenn man bedenkt, dass damals gerade erst die Stopftechnik entwickelt worden war, mit der das Horn erstmals nicht mehr nur Na- turtöne fabrizieren, sondern chromatisch (und intonatorisch sauber!) gespielt werden konnte, dann muss das eine irrsinnig schwierige Par- tie gewesen sein.
Die argentinische Hornistin Nury Guarnaschelli spielt dieses verkapp- te Konzert mit geschmeidigem, butterweichen Ton. Ausdrucksstark erklingt auch die Romanze As-Dur KV 447, eigentlich der langsame Satz eines Hornkonzertes von Mozart. Johann Michael Haydn arran- gierte das Stück für die kleine Besetzung - und veröffentlichte es 1802 als sein eigenes Werk.
Sowohl vom Hornquintett Es-Dur von Wilhelm Gottlieb Hauff als auch von jenem von Franz Anton Hoffmeister sind nur zwei Sätze über- liefert. Während Hoffmeister stark auf den Dreiklang setzt, erweist sich Hauffs Werk als reinste Wiener Klassik - ein hübsches, heiteres Werk mit einem wundervollen, leichtfüßigen Rondo.
"6tett von mir. Gott weiss wo die andern Stimmen sind", schrieb Ludwig van Beethoven einst über eine einzelne Hornstimme, die im Manuskript überliefert ist. Glücklicherweise fanden sich später Ab- schriften, so dass das Sextett für zwei Hörner und Streichquartett Es-Dur op. 81 im Jahre 1810 doch noch veröffentlicht werden konnte. Guarnaschelli wetteifert hier mit Peter Erdei um die schönsten Horntöne; die beiden Hornisten musizieren hinreißend, und das Signum Quartett - Kerstin Dill und Annette Walther, Violine, Xandi van Dijk, Viola und Thomas Schmitz, Violoncello - ist ihnen ein temperamentvoller Partner. Eine der schönsten Horn-CD, die ich kenne! Wer sich für das Instrument begeistert, der wird an dieser Aufnahme nicht vorbeikommen.
Die argentinische Hornistin Nury Guarnaschelli spielt dieses verkapp- te Konzert mit geschmeidigem, butterweichen Ton. Ausdrucksstark erklingt auch die Romanze As-Dur KV 447, eigentlich der langsame Satz eines Hornkonzertes von Mozart. Johann Michael Haydn arran- gierte das Stück für die kleine Besetzung - und veröffentlichte es 1802 als sein eigenes Werk.
Sowohl vom Hornquintett Es-Dur von Wilhelm Gottlieb Hauff als auch von jenem von Franz Anton Hoffmeister sind nur zwei Sätze über- liefert. Während Hoffmeister stark auf den Dreiklang setzt, erweist sich Hauffs Werk als reinste Wiener Klassik - ein hübsches, heiteres Werk mit einem wundervollen, leichtfüßigen Rondo.
"6tett von mir. Gott weiss wo die andern Stimmen sind", schrieb Ludwig van Beethoven einst über eine einzelne Hornstimme, die im Manuskript überliefert ist. Glücklicherweise fanden sich später Ab- schriften, so dass das Sextett für zwei Hörner und Streichquartett Es-Dur op. 81 im Jahre 1810 doch noch veröffentlicht werden konnte. Guarnaschelli wetteifert hier mit Peter Erdei um die schönsten Horntöne; die beiden Hornisten musizieren hinreißend, und das Signum Quartett - Kerstin Dill und Annette Walther, Violine, Xandi van Dijk, Viola und Thomas Schmitz, Violoncello - ist ihnen ein temperamentvoller Partner. Eine der schönsten Horn-CD, die ich kenne! Wer sich für das Instrument begeistert, der wird an dieser Aufnahme nicht vorbeikommen.
Fauré: Complete Chamber Music for Strings and Piano (Virgin Classics)
"Bercé par cette musique dès mon enfance, c'est aux cotes de Gérard et de Michel que j'ai joué mes premières notes de Fauré il y a près de 20 ans. J aime à penser que, de génération en génération, nous nous transmettons des secrets liés aux compositeurs...
Et c'est ensemble, avec également Nicholas, Gautier et les membres du Quatuor Ebène, que nous avons réalisé cette intégrale, portés par la meme passion: celle du partage de la musique de chambre de Ga- briel Fauré", schreibt Renaud Capucon. Für diese Gesamteinspielung der Kammermusik von Gabriel Fauré (1845 bis 1924) hat sich in der Tat ein illustres Ensemble formiert. Dazu gehören neben dem Quatuor Ébène - Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure, Violine, Mathieu Herzog, Viola und Raphael Merlin, Violoncello - Renaud Capucon, Violine, Gérard Caussé, Viola, Gautier Capucon, Violoncello, Michel Dalberto und Nicholas Angelich, Klavier.
Die Aufnahmen belegen eindrucksvoll, wie sich das Werk des großen französischen Komponisten entwickelt hat - von den Anfängen des jungen Fauré als Salonmusiker hin zum Spätwerk des ertaubten Komponisten, der im Alter eine Vorliebe für eine Kombination aus kühner Harmonik und strengem Kontrapunkt entwickelte. Diese Werke sind traumschön, aber die meisten davon erschließen sich nicht sofort. Gut, dass es nun diese Gesamtaufnahme auf fünf CD gibt - denn die ist so gelungen, dass man sie immer wieder anhören möchte. Bravi!
Et c'est ensemble, avec également Nicholas, Gautier et les membres du Quatuor Ebène, que nous avons réalisé cette intégrale, portés par la meme passion: celle du partage de la musique de chambre de Ga- briel Fauré", schreibt Renaud Capucon. Für diese Gesamteinspielung der Kammermusik von Gabriel Fauré (1845 bis 1924) hat sich in der Tat ein illustres Ensemble formiert. Dazu gehören neben dem Quatuor Ébène - Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure, Violine, Mathieu Herzog, Viola und Raphael Merlin, Violoncello - Renaud Capucon, Violine, Gérard Caussé, Viola, Gautier Capucon, Violoncello, Michel Dalberto und Nicholas Angelich, Klavier.
Die Aufnahmen belegen eindrucksvoll, wie sich das Werk des großen französischen Komponisten entwickelt hat - von den Anfängen des jungen Fauré als Salonmusiker hin zum Spätwerk des ertaubten Komponisten, der im Alter eine Vorliebe für eine Kombination aus kühner Harmonik und strengem Kontrapunkt entwickelte. Diese Werke sind traumschön, aber die meisten davon erschließen sich nicht sofort. Gut, dass es nun diese Gesamtaufnahme auf fünf CD gibt - denn die ist so gelungen, dass man sie immer wieder anhören möchte. Bravi!
Mittwoch, 16. November 2011
Bach: Concerts avec plusieurs instruments - Vol. I à VI (Alpha)
Das französische Ensemble Café Zimmermann hat seine Bach-Einspielung abgeschlossen, und legt nunmehr die sechs erfolg- reichen Alben dem geneigten Hörer auch in einer Box auf den Gabentisch - inklusive eines sehr informativen Beiheftes, das nun auch deutsche Übersetzungen aller Texte enthält.
Die Musiker haben versucht, die Konzertsituation nachzuvollzie- hen, wie sie zu Bachs Zeiten im Zimmermannischen Kaffeehaus in Leipzig möglicherweise ausgesehen hat. Dort erfreute das Collegium musicum - von Telemann gegründet, mit Studenten besetzt und jahrelang von Johann Sebastian Bach geleitet -, regelmäßig die Gäste mit einem bunten Programm. Die Musiker spielten einmal wöchent- lich, zu Messezeiten sogar zweimal in der Woche. Zur Unterhaltung des interessierten Publikums müssen so jährlich hunderte Konzerte erklungen sein.
Erwiesen ist, dass Bach dafür etliche seiner Werke, die er für das mit exquisiten Bläsern und Streichern besetzte Orchester am Köthener Hof geschaffen hatte, für Cembalo bearbeitet hat. Auch einige Werke seiner Kollegen ereilte dieses Schicksal. Und so enthält CD 6 eine musikalische Kuriosität: das Konzert für vier Cembali und Streicher in a-Moll BWV 1065, nach dem Concerto für vier Solo-Violinen und Streicher in h-Moll op. 3 Nr. 10 aus der berühmten Sammlung L'Estro armonico von Antonio Vivaldi. Wie Bach diese Aufgabe gelöst hat, das vermag durchaus zu verblüffen und zu begeistern.
Das Solo-Cembalo scheint im Zimmermannischen Kaffeehaus regel- mäßig Partien übernommen zu haben, die eigentlich für Violine, Oboe oder Traversflöte komponiert worden sind. Wahrscheinlich reichte die Kunstfertigkeit der Studiosi dafür nicht aus; an virtuosen Cemba- listen hingegen scheint in Leipzig kein Mangel gewesen zu sein. Denn mitunter konzertierten sie, wie die vorliegenden Aufnahmen zeigen, sogar zu zweit oder gar zu dritt.
Um Werkgruppen scheren sich die französischen Musiker herzlich wenig. Sie kombinieren Ouvertüren, Brandenburgische und Solo- konzerte nach Lust und Laune zu abwechslungsreichen Programmen. Musiziert wird frisch, aber nicht auf bloße Geschwindigkeit versessen, lustvoll-tänzerisch und bassbetont. Natürlich sind die jungen Exper- ten, die sich im Ensemble Café Zimmermann versammeln, mit den Konventionen vertraut - aber sie scheren sich wenig darum, und das ist auch gut so. Wer Bach einmal gänzlich ohne museale Staubwolken hören möchte, dem sei daher diese Box wärmstens empfohlen.
Die Musiker haben versucht, die Konzertsituation nachzuvollzie- hen, wie sie zu Bachs Zeiten im Zimmermannischen Kaffeehaus in Leipzig möglicherweise ausgesehen hat. Dort erfreute das Collegium musicum - von Telemann gegründet, mit Studenten besetzt und jahrelang von Johann Sebastian Bach geleitet -, regelmäßig die Gäste mit einem bunten Programm. Die Musiker spielten einmal wöchent- lich, zu Messezeiten sogar zweimal in der Woche. Zur Unterhaltung des interessierten Publikums müssen so jährlich hunderte Konzerte erklungen sein.
Erwiesen ist, dass Bach dafür etliche seiner Werke, die er für das mit exquisiten Bläsern und Streichern besetzte Orchester am Köthener Hof geschaffen hatte, für Cembalo bearbeitet hat. Auch einige Werke seiner Kollegen ereilte dieses Schicksal. Und so enthält CD 6 eine musikalische Kuriosität: das Konzert für vier Cembali und Streicher in a-Moll BWV 1065, nach dem Concerto für vier Solo-Violinen und Streicher in h-Moll op. 3 Nr. 10 aus der berühmten Sammlung L'Estro armonico von Antonio Vivaldi. Wie Bach diese Aufgabe gelöst hat, das vermag durchaus zu verblüffen und zu begeistern.
Das Solo-Cembalo scheint im Zimmermannischen Kaffeehaus regel- mäßig Partien übernommen zu haben, die eigentlich für Violine, Oboe oder Traversflöte komponiert worden sind. Wahrscheinlich reichte die Kunstfertigkeit der Studiosi dafür nicht aus; an virtuosen Cemba- listen hingegen scheint in Leipzig kein Mangel gewesen zu sein. Denn mitunter konzertierten sie, wie die vorliegenden Aufnahmen zeigen, sogar zu zweit oder gar zu dritt.
Um Werkgruppen scheren sich die französischen Musiker herzlich wenig. Sie kombinieren Ouvertüren, Brandenburgische und Solo- konzerte nach Lust und Laune zu abwechslungsreichen Programmen. Musiziert wird frisch, aber nicht auf bloße Geschwindigkeit versessen, lustvoll-tänzerisch und bassbetont. Natürlich sind die jungen Exper- ten, die sich im Ensemble Café Zimmermann versammeln, mit den Konventionen vertraut - aber sie scheren sich wenig darum, und das ist auch gut so. Wer Bach einmal gänzlich ohne museale Staubwolken hören möchte, dem sei daher diese Box wärmstens empfohlen.
Vieuxtemps: Music for Violin and Orchestra (Naxos)
Henry Vieuxtemps (1820 bis 1881) hat nicht nur sieben berühmte Violinkonzerte geschrieben, son- dern auch eine Vielzahl minde- stens ebenso effektvoller Piecen, teilweise für das Konzert, mitunter auch für den Salon. Misha Keylin hat vier davon gemeinsam mit dem Slovak Radio Symphony Orchestra unter Andrew Mogrelia für das Label Naxos eingespielt.
Die Fantasia appassionata op. 35 und Ballade et Polonaise op. 38, beide 1860 erstmals veröffentlicht, sind Virtuosenstücke, die dem Solisten nach einer kurzen Orchester- einleitung alle Chancen geben, seine Kunst zu zeigen. Ähnliches gilt auch für die Fantaisie-Caprice op. 11, die Vieuxtemps 1840 im Bolschoi-Theater zu St. Petersburg zum ersten Male gespielt hat.
Der belgische Violinist konzertierte mehrfach in Russland, und war sechs Jahre lang Hofviolinist des Zaren Nikolaus I. Er begründete die Violinschule am St. Petersburger Konservatorium - der Stadt, aus der auch der Solist dieser Einspielung stammt. Allerdings ging Misha Keylin im Alter von neun Jahren zur Ausbildung nach Amerika. Er studierte bei Dorothy DeLay an der Juilliard School, und lebt heute in New York.
Die Brücke in die Vereinigten Staaten schlägt diese CD auch musika- lisch - mit Vieuxtemps' Greeting to America op. 58, Variationen um Yankee Doodle und The Star-Spangled Banner. Dieses knackige Stück ist nur eines von etlichen, mit denen der Violinist einst auf seinen Konzertreisen durch die USA das Publikum begeisterte. Die vorlie- gende Interpretation wird auch dem heutigen Zuhörer gefallen.
Die Fantasia appassionata op. 35 und Ballade et Polonaise op. 38, beide 1860 erstmals veröffentlicht, sind Virtuosenstücke, die dem Solisten nach einer kurzen Orchester- einleitung alle Chancen geben, seine Kunst zu zeigen. Ähnliches gilt auch für die Fantaisie-Caprice op. 11, die Vieuxtemps 1840 im Bolschoi-Theater zu St. Petersburg zum ersten Male gespielt hat.
Der belgische Violinist konzertierte mehrfach in Russland, und war sechs Jahre lang Hofviolinist des Zaren Nikolaus I. Er begründete die Violinschule am St. Petersburger Konservatorium - der Stadt, aus der auch der Solist dieser Einspielung stammt. Allerdings ging Misha Keylin im Alter von neun Jahren zur Ausbildung nach Amerika. Er studierte bei Dorothy DeLay an der Juilliard School, und lebt heute in New York.
Die Brücke in die Vereinigten Staaten schlägt diese CD auch musika- lisch - mit Vieuxtemps' Greeting to America op. 58, Variationen um Yankee Doodle und The Star-Spangled Banner. Dieses knackige Stück ist nur eines von etlichen, mit denen der Violinist einst auf seinen Konzertreisen durch die USA das Publikum begeisterte. Die vorlie- gende Interpretation wird auch dem heutigen Zuhörer gefallen.
Coming home for Christmas - amarcord (Raumklang)
Weihnachtslieder aus aller Welt in pfiffigen Close-harmony-Arrange- ments legt das Leipziger Ensem- ble Armacord dem Musikfreund auf den Gabentisch. Wolfram und Martin Lattke, Tenor, Frank Ozi- mek, Bariton sowie Daniel Knauft und Holger Krause, Bass, beein- drucken durch einen harmoni- schen, homogenen Ensembleklang - was die Sänger aber nicht daran hindert, durchaus auch individu- elles Profil zu zeigen. Dass das Leipziger Ensemble, das aus dem Thomanerchor hervorgegangen ist, im kommenden Jahr sein zwanzigjähriges Bestehen feiern kann, das dürfte wohl auch mit an dem ausgeprägten Humor der Fünf liegen. Er prägt auch die vorliegende Aufnahme unüberhörbar, obwohl sie eher entspannt als schmissig klingt. Zum Fest passt das perfekt. Wer die Comedian Harmonists mag, der wird diese CD mit Weihnachtsliedern lieben.
Sonntag, 13. November 2011
Amarante (Flora)
Diese CD präsentiert höfische Musik aus dem Frankreich des
16. Jahrhunderts. Die Werke von Jean-Baptiste Bésard, Nicolas Vallet, Constantin Huygens, Nicolas Hotman, Francois Richard, Michel Lambert und anderen Komponisten werden von Sängerin Céline Scheen sowie Eduardo Egüez, Laute und Theorbe, und Philippe Pierlot, Viola da gamba, stilgerecht vorgestellt. Das schön gestaltete Beiheft geht mit Informationen leider sehr sparsam um, doch die Aufnahme ist durchaus gelungen - und sehr französisch.
16. Jahrhunderts. Die Werke von Jean-Baptiste Bésard, Nicolas Vallet, Constantin Huygens, Nicolas Hotman, Francois Richard, Michel Lambert und anderen Komponisten werden von Sängerin Céline Scheen sowie Eduardo Egüez, Laute und Theorbe, und Philippe Pierlot, Viola da gamba, stilgerecht vorgestellt. Das schön gestaltete Beiheft geht mit Informationen leider sehr sparsam um, doch die Aufnahme ist durchaus gelungen - und sehr französisch.
Im Herbst - Choral Works by Brahms & Schubert (BIS)
Donnerwetter, das ist ein Chor- klang! Harmonisch, beweglich, wasserklar - Det Norske Solistkor gehört ohne Zweifel zu den absolu- ten Spitzenensembles weltweit. Die Sänger des Norwegischen Solisten- chors sind durchweg exzellent ausgebildet, und sie folgen Chor- leiterin Grete Pedersen, als könn- ten sie Gedanken lesen.
Diese CD ist wirklich hinreißend. Schade, dass Johannes Brahms und Franz Schubert ihre Chorwerke wohl niemals in einer derart per- fekten Interpretation hören konnten. Der Zuhörer freut sich über diese grandiose, stimmungsvolle Aufnahme einer Auswahl aus den
Elf Zigeunerliedern op. 103, die Fünf Gesänge op. 104, die Motette Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen op. 74 Nr. 1 und das Geistliche Lied op. 30 von Brahms, und Psalm 23 D 706 sowie den Gesang der Geister über den Wassern D 714 von Schubert. Meine unbedingte Empfehlung!
Diese CD ist wirklich hinreißend. Schade, dass Johannes Brahms und Franz Schubert ihre Chorwerke wohl niemals in einer derart per- fekten Interpretation hören konnten. Der Zuhörer freut sich über diese grandiose, stimmungsvolle Aufnahme einer Auswahl aus den
Elf Zigeunerliedern op. 103, die Fünf Gesänge op. 104, die Motette Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen op. 74 Nr. 1 und das Geistliche Lied op. 30 von Brahms, und Psalm 23 D 706 sowie den Gesang der Geister über den Wassern D 714 von Schubert. Meine unbedingte Empfehlung!
Pignolet de Montéclair: Six Concerts à deux Flutes Traversières sans Basses (Ramée)
Michel Pignolet de Montéclair (1667 bis 1737) stammt aus der Stadt Andelot, die von der gewaltigen Festung Montéclair beherrscht wurde, bis beide im Dreißigjährigen Krieg verwüstet wurden. Als der kleine Michel dort als Sohn eines Webers aufwuchs, waren davon allenfalls einige Mauerreste übrig.
Als Achtjähriger wurde Michel Pignolet Chorknabe an der Kathe- drale von Langres. 1686 beendete er seine Ausbildung an dieser Domschule. Mit seinem Zeugnis, neuen Kleidern und 60 Livres ging er ein Jahr später nach Paris, wo er 1695 unter dem Namen Montéclair als "Tanz- und Musikmeister dritter Klasse" im Steuerregister eine Spur hinterlassen hat. Auch in den Katalogen der Musikverleger ist sein Name nun zu finden.
Im Dienst Karl-Heinrichs von Lothringen-Vaudémont, Fürst von Commercy und Gouverneur von Mailand, verbrachte der Musiker offenbar einige Zeit in Italien. 1699 wurde er als Bassviolinist in das Orchester der Académie Royale de Musique aufgenommen. Er setzte sich erfolgreich dafür ein, dass der Kontrabass in dieses Orchester integriert wurde, und spielte das Instrument dann wohl auch selbst. In seiner freien Zeit unterrichtete Montéclair, und schrieb vier Lehrbücher. Zu seinen Schülern gehörte unter anderem eine Tochter von Francois Couperin.
Leider sind nur sehr wenige Werke von Montéclair überliefert. Dazu gehören auch die Sechs Konzerte für zwei Traversflöten ohne Generalbass, die Marie-Céline Labbé und Marion Treufel-Franck auf der vorliegenden Doppel-CD erstmals eingespielt haben. Damit ist Rainer Arndt mit seinem Label Ramée einmal mehr eine Entdeckung gelungen, die er dem Publikum wie gewohnt mit großer Sorgfalt präsentiert. Das beginnt bei der exquisiten Aufnahme, und endet mit dem umfangreichen, wie immer hervorragend gestalteten und aus- gesprochen informativen Beiheft.
Die Konzerte für zwei Traversflöten bestehen jeweils aus einer Folge kurzer Stücke, meist Tanzsätze, die den beiden Solisten in erster Linie Gelegenheit zum spielerischen musikalischen Dialog bietet. Die bei- den Flötistinnen sind seit vielen Jahren eng befreundet, und haben sich mit Montéclairs Konzerten lange und gründlich beschäftigt. "Die Liebe, die wir beide für dieses Werk empfinden, ist in gleichem Maße gewachsen wie unsere musikalische Verbundenheit, und so war die Wahl des Repertoires für diese erste Einspielung als Duett die selbst- verständlichste Sache der Welt", schreiben die Musikerinnen im Beiheft. Der Zuhörer darf sich darüber freuen, denn die beiden Damen harmonieren wunderbar miteinander, und spielen wie aus einem Gedanken.
Es erklingen Traversflöten aus der Werkstatt von Rudolf Tutz, Inns- bruck, nach einem Vorbild, das der Flötenbauer Jean Hyacinthe Rottenburgh um 1730 in Brüssel geschaffen hat. Der herrliche Klang dieser Instrumente macht das Hörvergnügen vollkommen - und diese CD zu einer meiner Lieblingsaufnahmen. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Als Achtjähriger wurde Michel Pignolet Chorknabe an der Kathe- drale von Langres. 1686 beendete er seine Ausbildung an dieser Domschule. Mit seinem Zeugnis, neuen Kleidern und 60 Livres ging er ein Jahr später nach Paris, wo er 1695 unter dem Namen Montéclair als "Tanz- und Musikmeister dritter Klasse" im Steuerregister eine Spur hinterlassen hat. Auch in den Katalogen der Musikverleger ist sein Name nun zu finden.
Im Dienst Karl-Heinrichs von Lothringen-Vaudémont, Fürst von Commercy und Gouverneur von Mailand, verbrachte der Musiker offenbar einige Zeit in Italien. 1699 wurde er als Bassviolinist in das Orchester der Académie Royale de Musique aufgenommen. Er setzte sich erfolgreich dafür ein, dass der Kontrabass in dieses Orchester integriert wurde, und spielte das Instrument dann wohl auch selbst. In seiner freien Zeit unterrichtete Montéclair, und schrieb vier Lehrbücher. Zu seinen Schülern gehörte unter anderem eine Tochter von Francois Couperin.
Leider sind nur sehr wenige Werke von Montéclair überliefert. Dazu gehören auch die Sechs Konzerte für zwei Traversflöten ohne Generalbass, die Marie-Céline Labbé und Marion Treufel-Franck auf der vorliegenden Doppel-CD erstmals eingespielt haben. Damit ist Rainer Arndt mit seinem Label Ramée einmal mehr eine Entdeckung gelungen, die er dem Publikum wie gewohnt mit großer Sorgfalt präsentiert. Das beginnt bei der exquisiten Aufnahme, und endet mit dem umfangreichen, wie immer hervorragend gestalteten und aus- gesprochen informativen Beiheft.
Die Konzerte für zwei Traversflöten bestehen jeweils aus einer Folge kurzer Stücke, meist Tanzsätze, die den beiden Solisten in erster Linie Gelegenheit zum spielerischen musikalischen Dialog bietet. Die bei- den Flötistinnen sind seit vielen Jahren eng befreundet, und haben sich mit Montéclairs Konzerten lange und gründlich beschäftigt. "Die Liebe, die wir beide für dieses Werk empfinden, ist in gleichem Maße gewachsen wie unsere musikalische Verbundenheit, und so war die Wahl des Repertoires für diese erste Einspielung als Duett die selbst- verständlichste Sache der Welt", schreiben die Musikerinnen im Beiheft. Der Zuhörer darf sich darüber freuen, denn die beiden Damen harmonieren wunderbar miteinander, und spielen wie aus einem Gedanken.
Es erklingen Traversflöten aus der Werkstatt von Rudolf Tutz, Inns- bruck, nach einem Vorbild, das der Flötenbauer Jean Hyacinthe Rottenburgh um 1730 in Brüssel geschaffen hat. Der herrliche Klang dieser Instrumente macht das Hörvergnügen vollkommen - und diese CD zu einer meiner Lieblingsaufnahmen. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Vivaldi: Farnace (Virgin Classics)
Keine andere Oper hat Vivaldi so oft vertont wie Farnace, die Geschichte des Pharnakes, König von Pontos, gegen den sowohl die Römer als auch die eigene Schwiegermutter zu Felde ziehen. Zum ersten Male erklang dieses Werk im Februar 1727 in Venedig. Im Herbst des gleichen Jahres wurde sie dort noch einmal aufge- führt, mit einigen Änderungen. Weitere Fassungen schuf Vivaldi 1730 für Prag, 1731 für Pavia, 1732 für Mantua, 1737 für Treviso und 1738 für Ferrara. Dorthin war der Musiker ausgewichen, weil in Venedig mittlerweile Hasse en vogue war.
Vivaldi sollte in Ferrara in der Karnevalssaison zwei seiner Opern zur Aufführung bringen. Doch die erste war kein Erfolg, und so entschied sich das Theater, lieber kurzfristig ebenfalls eine Oper des "göttlichen Sachsen" auf die Bühne zu bringen. Vivaldis Farnace blieb ungespielt - und wohl auch unvollendet. Denn die Partitur blieb erhalten. Sie befand sich in Vivaldis persönlicher Musikaliensammlung, enthält ziemlich viele Änderungen gegenüber der Version von 1731, die ebenfalls überliefert ist, und sie bricht nach den zweiten Akt ab.
Auf der vorliegenden CD erklingt diese Oper nun zum ersten Male in der Fassung, die Vivaldi für Ferrara vorgesehen hatte. Frédéric Delaméa und Diego Fasolis haben den dritten Akt ergänzt. Farnace erweist sich als eine der schönsten Barockopern überhaupt; die Musik ist ungemein ausdrucksstark und wird hier hervorragend interpre- tiert. Dazu trägt neben dem Ensemble I Barocchisti und dem Coro della Radiotelevisione svizzera aus Lugano unter der Leitung Fasolis auch ein erstklassiges Solistenensemble bei. Max Emanuel Cencic singt die Titelrolle, Daniel Behle den Pompeo und Mary Ellen Nesi die Berenice sowie Ruxandra Donose und Ann Hallenberg Frau und Schwester des besiegten Königs, Karina Gauvin und Emiliano Gonza- lez Toro sind als Gilade und Aquilio, Feldherren der siegreichen Heere, zu hören. Und das ist, man muss es sagen, wirklich ein Erleb- nis. Bravi!
Vivaldi sollte in Ferrara in der Karnevalssaison zwei seiner Opern zur Aufführung bringen. Doch die erste war kein Erfolg, und so entschied sich das Theater, lieber kurzfristig ebenfalls eine Oper des "göttlichen Sachsen" auf die Bühne zu bringen. Vivaldis Farnace blieb ungespielt - und wohl auch unvollendet. Denn die Partitur blieb erhalten. Sie befand sich in Vivaldis persönlicher Musikaliensammlung, enthält ziemlich viele Änderungen gegenüber der Version von 1731, die ebenfalls überliefert ist, und sie bricht nach den zweiten Akt ab.
Auf der vorliegenden CD erklingt diese Oper nun zum ersten Male in der Fassung, die Vivaldi für Ferrara vorgesehen hatte. Frédéric Delaméa und Diego Fasolis haben den dritten Akt ergänzt. Farnace erweist sich als eine der schönsten Barockopern überhaupt; die Musik ist ungemein ausdrucksstark und wird hier hervorragend interpre- tiert. Dazu trägt neben dem Ensemble I Barocchisti und dem Coro della Radiotelevisione svizzera aus Lugano unter der Leitung Fasolis auch ein erstklassiges Solistenensemble bei. Max Emanuel Cencic singt die Titelrolle, Daniel Behle den Pompeo und Mary Ellen Nesi die Berenice sowie Ruxandra Donose und Ann Hallenberg Frau und Schwester des besiegten Königs, Karina Gauvin und Emiliano Gonza- lez Toro sind als Gilade und Aquilio, Feldherren der siegreichen Heere, zu hören. Und das ist, man muss es sagen, wirklich ein Erleb- nis. Bravi!
Samstag, 12. November 2011
Kinderleicht (Carus)
Eine kluge Ergänzung zum Kinder- lieder-Projekt. Gerade die Klein- sten singen gerne. Sie sind noch nicht der Meinung, dass Singen "uncool" ist. Um den Großen zu zeigen, was Minis jenseits von Alle meine Entchen und Hänschen klein Spaß macht, hat der Carus Verlag diese CD produziert, die von einem Lieder-Bilderbuch begleitet wird. Darin finden Eltern und Erzieher auch Tips, was man mit den Lie- dern noch anfangen kann - von Tanz- und Spielideen bis zu Rezep- ten für Leckereien, die nicht nur den Kleinen schmecken dürften. Die CD enthält 20 Lieder zum Hören und Mitsingen. Sie werden vom Kinderchor SingsalaSing unter Leitung von Klaus K. Weigele schwung- voll vorgestellt. Und anschließend gibt's die hübschen Arrangements von Markus Munzer-Dorn noch einmal ohne Singstimmen - Einladung zum Mitsingen!
Freitag, 11. November 2011
Donizetti: Lucia di Lammermoor (Naxos)
Lucia di Lammermoor erzählt - ähnlich wie Romeo und Julia - die Geschichte eines Liebespaars, die blutig endet, weil die Familien der beiden jungen Leute verfeindet sind. Diese Oper von Gaetono Donizetti (1797 bis 1848) gehört zu den populärsten Werken des Belcanto überhaupt. Sie wurde dementsprechend oft aufgenom- men. Die Frage lautet daher, ob man nach Maria Callas, Beverly Sills, Renata Scotto oder Edita Gruberová noch eine weitere Einspielung benötigt. Trotz Glasharmonika in der berühmten Wahn- sinnsszene und Bergamo Musica Festival - diese hier kann mit ihren grandiosen Vorgängern leider nicht konkurrieren.
Kinderlieder, Vol. 1 (Carus)
Schmissig kommen sie daher, die Kinderlieder; unsere beiden Minis haben diese CD sofort in ihr Herz geschlossen. Dabei stört es sie wenig, wenn ab und zu ein "richtig" vom Profi gesungenes Lied erklingt - nur zuviele davon sollten es bitte nicht sein. Den Kindern gefällt es, dass hier Kinderstimmen erklin- gen. Und die knackigen Arrange- ments lassen die kleinen Füßchen mitwippen. Das macht Lust darauf, die CD gleich noch einmal anzu- hören, und die Lieder mit- und nachzusingen.
Das wiederum ist das Anliegen des Liederprojektes, das nun nach den Wiegenliedern (2009) und den Volksliedern (2010) schon die dritte Sammlung mit deutschem Liedgut vorlegt. Die Benefiz-Initiative soll das Singen mit Kindern fördern. Um Erwachsenen dabei zu helfen, steht jeweils ein umfangreiches Medienangebot zur Verfügung. Es reicht von der CD über Notenhefte und Klavierband - alles übrigens schön illustriert - bis hin zum kostenlosen Online-Angebot unter www.liederprojekt.org. So findet jeder unkompliziert den Zugang zu Noten und Texten. Auch Rundfunksender und zahlreiche Tages- zeitungen unterstützen das Projekt.
Das Engagement, das die Musiker für das Singen mit Kindern zeigen, ist beeindruckend. Alle Aufnahmen entstehen extra für die jeweilige CD, und die kleinen und großen Künstler verzichten zugunsten des Projektes auf ihre Gage. Zusätzlich kommen pro verkaufter CD zwei Euro Spendengelder dem Liederprojekt zugute.
Das wiederum ist das Anliegen des Liederprojektes, das nun nach den Wiegenliedern (2009) und den Volksliedern (2010) schon die dritte Sammlung mit deutschem Liedgut vorlegt. Die Benefiz-Initiative soll das Singen mit Kindern fördern. Um Erwachsenen dabei zu helfen, steht jeweils ein umfangreiches Medienangebot zur Verfügung. Es reicht von der CD über Notenhefte und Klavierband - alles übrigens schön illustriert - bis hin zum kostenlosen Online-Angebot unter www.liederprojekt.org. So findet jeder unkompliziert den Zugang zu Noten und Texten. Auch Rundfunksender und zahlreiche Tages- zeitungen unterstützen das Projekt.
Das Engagement, das die Musiker für das Singen mit Kindern zeigen, ist beeindruckend. Alle Aufnahmen entstehen extra für die jeweilige CD, und die kleinen und großen Künstler verzichten zugunsten des Projektes auf ihre Gage. Zusätzlich kommen pro verkaufter CD zwei Euro Spendengelder dem Liederprojekt zugute.
The Music World of Giovanni Battista Viotti (Dynamic)
Diese Neun-CD-Box gibt in der Tat einen Einblick in die musikalische Welt von Giovanni Battista Viotti (1755 bis 1824). Der Geiger und Komponist war ein Schüler Pugn- anis. Er gehört zu den Vätern der modernen Violintechnik; sein Lebenslauf war abenteuerlich, doch auch sein Fleiß muss unge- mein beeindrucken.
Viotti komponierte überwiegend für sein Instrument, die Violine. Überliefert sind unter anderem
29 (!) Konzerte sowie zahlreiche Violinsonaten, Duos, Trios und Quartette. Eine Auswahl aus diesem umfangreichen Oeuvre, eingespielt von verschiedenen, aber immer erstklassigen Solisten, enthält diese Box. Wer diese Werke angehört hat, der ahnt, warum Viotti insbesondere für jene Geiger zum Vorbild wurde, die später als französische Schule bezeichnet wurden.
Viotti komponierte überwiegend für sein Instrument, die Violine. Überliefert sind unter anderem
29 (!) Konzerte sowie zahlreiche Violinsonaten, Duos, Trios und Quartette. Eine Auswahl aus diesem umfangreichen Oeuvre, eingespielt von verschiedenen, aber immer erstklassigen Solisten, enthält diese Box. Wer diese Werke angehört hat, der ahnt, warum Viotti insbesondere für jene Geiger zum Vorbild wurde, die später als französische Schule bezeichnet wurden.
Rota: Opere per flauto e pianoforte (Tactus)
Nino Rota (1911 bis 1979) wurde in erster Linie durch seine Filmmusik berühmt. Er schuf jedoch auch Opern, Bühnen- und Ballettmusi- ken, Konzerte für die verschieden- sten Instrumente und jede Menge Kammermusik.
Seine Flötenmusik haben Roberto Fabbriciani und Luisella Botteon, Flöte sowie Massimiliano Dame- rini, Klavier, für das Label Tactus eingespielt. Und man muss sagen: Phantastisch! Das sind Werke, die man nicht nur gern anhört, sondern man wünscht sich augenblicklich die Noten, um diese lebendige, ausdrucksstarke Musik nachspielen zu können. Meine unbedingte Empfehlung!
Seine Flötenmusik haben Roberto Fabbriciani und Luisella Botteon, Flöte sowie Massimiliano Dame- rini, Klavier, für das Label Tactus eingespielt. Und man muss sagen: Phantastisch! Das sind Werke, die man nicht nur gern anhört, sondern man wünscht sich augenblicklich die Noten, um diese lebendige, ausdrucksstarke Musik nachspielen zu können. Meine unbedingte Empfehlung!
Vivaldi: Concerti grossi - Philharmonische Geigen Berlin (MDG)
Geige pur, allerdings im Zusam- menspiel mit dem Cembalo, bietet diese CD des audiophilen Labels Dabringhaus und Grimm. Das Ensemble Philharmonische Geigen Berlin, gegründet 1993 von Laurentius Dinca, soll die Geigen- gruppe der Berliner Philharmoni- ker sicht- und hörbar machen. Das Projekt erinnert an die legendären Zwölf Cellisten - allerdings hätte man sich gewünscht, dass das Repertoire auch dieses Niveau erreicht.
Die zehn Geiger haben einige von Vivaldis populären Concerti grossi für dieses Programm ausgewählt; arrangiert hat diese Werke Gerhard Tittel. Natürlich hatte das Original bis zu vier Violinstimmen - aber sie erklangen zusammen mit Bratschen, Cello und Cembalo. Das Cembalo allein vermag jedoch die tiefen Register klanglich nicht zu füllen, so dass die Musik wirkt, als hätte man Monteverdi-Madrigale aus- schließlich für Soprane arrangiert. Die könnten noch so göttlich singen - das Ergebnis bliebe trotzdem unbefriedigend.
Die zehn Geiger haben einige von Vivaldis populären Concerti grossi für dieses Programm ausgewählt; arrangiert hat diese Werke Gerhard Tittel. Natürlich hatte das Original bis zu vier Violinstimmen - aber sie erklangen zusammen mit Bratschen, Cello und Cembalo. Das Cembalo allein vermag jedoch die tiefen Register klanglich nicht zu füllen, so dass die Musik wirkt, als hätte man Monteverdi-Madrigale aus- schließlich für Soprane arrangiert. Die könnten noch so göttlich singen - das Ergebnis bliebe trotzdem unbefriedigend.
Donnerstag, 10. November 2011
Sweelinck: Choral Works (Etcetera)
Jan Pieterszoon Sweelinck (1562 bis 1621) gehörte zu den einflussreich- sten Musikern seiner Zeit - nicht nur deshalb, weil der "Orpheus von Am- sterdam" mit seinen Improvisatio- nen auf Orgel und Cembalo Besucher aus ganz Europa begeisterte. Er wirkte als Organist an der Oude Kerk in Amsterdam, und bildete zudem offenbar ganze Heerscharen von Schülern aus. Dazu gehörten unter anderem Johann Praetorius, Gott- fried und Samuel Scheidt, Heinrich Scheidemann, und viele andere mehr. Über diese Musiker und ihre Schüler prägte der "hamburgische Organistenmacher" die sogenannte Norddeutsche Orgelschule ganz entscheidend.
Über der Bewunderung für sein "modernes" Orgelwerk, das stilistisch gern für frühbarock erklärt wird, waren allerdings Sweelinks Vokal- werke aus dem Blick der Musikwelt gerückt. Sie galten als Spätrenais- sance, und gerieten damit in den Verdacht, weniger "fortschrittlich" zu sein als die Instrumentalwerke.
Die vorliegende Box beweist, dass solche Urteile Unfug sind. Swee- lincks Vokalkompositionen sind bezaubernde, filigrane Kunstwerke - von erstaunlich solider Struktur, wie man beim genaueren Hinhören feststellt. Mit welcher Raffinesse, welcher Hingabe an das Detail Sweelinck Texte auslegte, das verdient höchste Bewunderung.
Der Netherlands Chamber Choir zeigt unter Leitung der renommier- ten Dirigenten Peter Phillips, William Christie, Ton Koopman, Philippe Herreweghe, Jan Boeke und Paul van Nevel, was für Juwelen hier zu entdecken sind. Die Sänger sind phantastisch; sie werden gelegentlich durch Instrumentalisten begleitet, die ebenso zu den besten ihres Faches gehören. Die Box enthält drei CD - das bedeutet mehr als drei Stunden ungetrübtes Hörvergnügen und eine Zeitreise, die man nur empfehlen kann. Bravi!
Über der Bewunderung für sein "modernes" Orgelwerk, das stilistisch gern für frühbarock erklärt wird, waren allerdings Sweelinks Vokal- werke aus dem Blick der Musikwelt gerückt. Sie galten als Spätrenais- sance, und gerieten damit in den Verdacht, weniger "fortschrittlich" zu sein als die Instrumentalwerke.
Die vorliegende Box beweist, dass solche Urteile Unfug sind. Swee- lincks Vokalkompositionen sind bezaubernde, filigrane Kunstwerke - von erstaunlich solider Struktur, wie man beim genaueren Hinhören feststellt. Mit welcher Raffinesse, welcher Hingabe an das Detail Sweelinck Texte auslegte, das verdient höchste Bewunderung.
Der Netherlands Chamber Choir zeigt unter Leitung der renommier- ten Dirigenten Peter Phillips, William Christie, Ton Koopman, Philippe Herreweghe, Jan Boeke und Paul van Nevel, was für Juwelen hier zu entdecken sind. Die Sänger sind phantastisch; sie werden gelegentlich durch Instrumentalisten begleitet, die ebenso zu den besten ihres Faches gehören. Die Box enthält drei CD - das bedeutet mehr als drei Stunden ungetrübtes Hörvergnügen und eine Zeitreise, die man nur empfehlen kann. Bravi!
Christoph Stradner - Violoncello solo (VMS)
Christoph Stradner, seit 2004 Erster Solocellist der Wiener Philharmoniker, bricht eine Lanze für die Moderne - die hier aller- dings sehr tonal-gemäßigt daher- kommt. "Mit der vorliegenden CD möchte ich die Aufmerksamkeit auf drei Meisterwerke für Violon- cello solo der 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts lenken, die meiner Meinung nach in unse- rem Konzertleben bisher zu wenig Beachtung gefunden haben", schreibt der österreichische Cellist in dem sehr informativen Beiheft. Dabei handelt es sich um die Sonate für Violoncello solo op. 28 von Eugène Ysaye (1858 bis 1931), die Suite für Cello solo op. 84 von Ernst Krenek (1900 bis 1991) und die Suite für Violoncello solo von Gaspar Cassadó (1897 bis 1966).
Um aufzuzeigen, wie sehr diese Werke allesamt noch in der Tradition des romantischen Virtuosentums stehen, kontrastiert Stradner diese Werke mit einer Cello-Transkription von Paganinis Caprice Nr. 24. Technisch ist dieses Stück ohne Zweifel eine Herausforderung - aber vom Charakter her passt es nicht so besonders gut zum sonoren Klang des großen Bruders der Violine, für die Paganini das Capriccio einst geschaffen hat.
Kreneks Suite aus dem Jahre 1939, ohne Zweifel das "modernste" der drei folgenden Werke, habe "die Art der Bezugnahme zwischen So- pran, Mittelstimme und Bass von Johann Sebastian Bach übernom- men", analysiert Stradner. "Dabei steht die Naturgewalt des Basses für das Irdische, während der Sopran das Philosophische, überir- disch Göttliche vermittelt. Zwischen diesen beiden Polen findet in den Mittelstimmen der Mensch mit all seinen offenen Fragen Platz. Als Interpret strebe ich eine Ausgewogenheit dieser drei Stimmlagen an." Der Cellist stellt jedoch fest, dass der Bass bei Krenek "zu wenig Zuwendung erhält", und fühlt sich bemüßigt, das zu korrigieren: "Der Mensch wurzelt nicht mehr wie bei Johann Sebastian Bach in der Natur, sondern muss sich verantwortungsvoll um diese sorgen."
Mit Paganinis Werk am engsten verwandt erscheint die Sonate von Ysaye aus dem Jahre 1923; allerdings setzt sie weniger auf virtuose Geläufigkeit als auf Klangfarben. Stradner spielt drei verschiedene Instrumente, um den individuellen Charakter der einzelnen Werke auch klanglich zu unterstreichen. Ob das nicht ein Luxusproblem ist, das mögen Cellisten entscheiden. --
Die Suite des Cellisten Cassadó, 1926 für Francesco von Mendelssohn komponiert, wirkt wie eine Verneigung vor seinen Lehrern Manuel de Falla und Maurice Ravel, doch sie ist Bach wesentlich näher als Paga- nini. Ein ganz erstaunliches Stück, das ich wirklich gern öfter im Konzert hören würde. Die beiden anderen Werke, da will ich ehrlich sein, finde ich für den Musiker interessanter als für den Zuhörer - auch wenn Stradner natürlich sein Handwerk versteht.
Um aufzuzeigen, wie sehr diese Werke allesamt noch in der Tradition des romantischen Virtuosentums stehen, kontrastiert Stradner diese Werke mit einer Cello-Transkription von Paganinis Caprice Nr. 24. Technisch ist dieses Stück ohne Zweifel eine Herausforderung - aber vom Charakter her passt es nicht so besonders gut zum sonoren Klang des großen Bruders der Violine, für die Paganini das Capriccio einst geschaffen hat.
Kreneks Suite aus dem Jahre 1939, ohne Zweifel das "modernste" der drei folgenden Werke, habe "die Art der Bezugnahme zwischen So- pran, Mittelstimme und Bass von Johann Sebastian Bach übernom- men", analysiert Stradner. "Dabei steht die Naturgewalt des Basses für das Irdische, während der Sopran das Philosophische, überir- disch Göttliche vermittelt. Zwischen diesen beiden Polen findet in den Mittelstimmen der Mensch mit all seinen offenen Fragen Platz. Als Interpret strebe ich eine Ausgewogenheit dieser drei Stimmlagen an." Der Cellist stellt jedoch fest, dass der Bass bei Krenek "zu wenig Zuwendung erhält", und fühlt sich bemüßigt, das zu korrigieren: "Der Mensch wurzelt nicht mehr wie bei Johann Sebastian Bach in der Natur, sondern muss sich verantwortungsvoll um diese sorgen."
Mit Paganinis Werk am engsten verwandt erscheint die Sonate von Ysaye aus dem Jahre 1923; allerdings setzt sie weniger auf virtuose Geläufigkeit als auf Klangfarben. Stradner spielt drei verschiedene Instrumente, um den individuellen Charakter der einzelnen Werke auch klanglich zu unterstreichen. Ob das nicht ein Luxusproblem ist, das mögen Cellisten entscheiden. --
Die Suite des Cellisten Cassadó, 1926 für Francesco von Mendelssohn komponiert, wirkt wie eine Verneigung vor seinen Lehrern Manuel de Falla und Maurice Ravel, doch sie ist Bach wesentlich näher als Paga- nini. Ein ganz erstaunliches Stück, das ich wirklich gern öfter im Konzert hören würde. Die beiden anderen Werke, da will ich ehrlich sein, finde ich für den Musiker interessanter als für den Zuhörer - auch wenn Stradner natürlich sein Handwerk versteht.