Das Kloster Maulbronn, im Jahre 1147 von Zisterziensermönchen gegründet, gilt heute als die einzige vollständig erhaltene mittelalterliche Klosteranlage nördlich der Alpen und wurde 1993 Unesco-Weltkulturerbe. Auch wenn sie Scharen von Touristen anlockt, so ist sie doch nicht vorrangig ein Museum, sondern vielmehr sehr lebendig. So beherbergt Kloster Maulbronn die Evangelische Akademie, ein Gymnasium mit Internat. Außerdem finden alljährlich dort etwa 25 Konzerte statt – und einige davon werden durch Andreas Otto Grimminger und Josef-Stefan Kindler in der Edition Kloster Maul- bronn dokumentiert.
Einen wirklich bemerkenswerten Konzertmitschnitt haben die beiden Toningenieure kürzlich veröffentlicht: Im Mai 2015 war die Sopranistin Sarah Wegener mit dem Ensemble Il Capriccio in Maulbronn zu Gast. Mit Liedern und Arien überwiegend aus der Zeit des Barock bezauberte die Sängerin das Publikum, bestens begleitet durch die Musiker um Konzertmeister Friedemann Wezel, die durchaus auch eigene Akzente setzten.
Auf dem Programm standen Werke von Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759), Giovanni Battista Ferrandini (1710 bis 1791) und Henry Purcell (1659-1695) ebenso wie zwei Gesänge für Sopran solo, von Younghi Pagh-Paan (*1945) und von Elliott Carter (1908 bis 2012), einem Schüler von Charles Ives, Gustav Holst und Nadia Boulanger.
Eine phantastische, große Stimme, klug und mit Leidenschaft eingesetzt, hervorragende Musiker, die wunderbar miteinander harmonieren, und dazu die einzigartige Atmosphäre des Klosters Maulbronn – es muss ein großartiger Abend gewesen sein. Unbedingt anhören, es lohnt sich!
Samstag, 31. Dezember 2016
Yehudi Menuhin - Paul Coker Live (Doron)
Noch eine weitere Aufnahme mit Yehudi Menuhin (1916 bis 1999) – es handelt sich dabei um Mitschnitte von Konzerten, die der große Geiger bereits hochbetagt gegeben hat. Die Klaviersonaten von Johannes Brahms op. 78 und César Franck wurden 1983 in Bern aufgezeichnet; beide Werke gehörten zu den Lieblingsstücken Menuhins. Ergänzt wird die CD durch zwei Zugaben – Pièce en forme de Habanera von Maurice Ravel, in einem Mitschnitt aus Minneapolis, entstanden 1986, und Liebesleid von Fritz Kreisler, in einem Mitschnitt aus der Oper Sydney aus dem Jahre 1988.
Menuhins Schwester Hephzibah, die eine exzellente Pianistin war und ihren Bruder oftmals im Konzert begleitet hat, war 1981 nach längerer Krankheit gestorben. 1980 bat der Geiger daher den jungen Paul Coker, einen Absolventen der Yehudi Menuhin School, mit ihm ein Konzert in London zu spielen. Im Beiheft zu dieser CD erinnert sich der Pianist, wie er an diesem Abend – und noch vielen nachfolgenden – mit extrem wenig Probenzeit zurechtkommen musste. Die Bedingungen waren oftmals schwierig, so Coker: „We once ,rehearsed' the Bartok rumanian dances on a plane, Menuhin singing and me listening and nodding, and in Bombay I told him that it was a secret wish of mine to play Ravel's Tzigane with him, and he suggested we play in that night for an encore... which we did.“
Die letzten zehn Jahre von Menuhins Konzertkarriere war Paul Coker der ständige Klavierbegleiter des Geigers, „playing more or less the whole sonata repertoire together in almost every corner of the world“, so schreibt er im Beiheft. Auf dieser CD ist, für meinen Geschmack, das Klavier mitunter zu stark im Vordergrund zu hören. Aber Yehudi Menuhin beeindruckt dennoch mit seinem Geigenspiel; er musiziert ausdruckssstark nicht zuletzt in den dramatischen Passagen und unglaublich elegant in den beiden Zugaben. Kein Wunder, dass das Publikum, als es nach einigen wenigen Tönen Liebesleid erkennt, spontan in Jubel ausbricht.
Menuhins Schwester Hephzibah, die eine exzellente Pianistin war und ihren Bruder oftmals im Konzert begleitet hat, war 1981 nach längerer Krankheit gestorben. 1980 bat der Geiger daher den jungen Paul Coker, einen Absolventen der Yehudi Menuhin School, mit ihm ein Konzert in London zu spielen. Im Beiheft zu dieser CD erinnert sich der Pianist, wie er an diesem Abend – und noch vielen nachfolgenden – mit extrem wenig Probenzeit zurechtkommen musste. Die Bedingungen waren oftmals schwierig, so Coker: „We once ,rehearsed' the Bartok rumanian dances on a plane, Menuhin singing and me listening and nodding, and in Bombay I told him that it was a secret wish of mine to play Ravel's Tzigane with him, and he suggested we play in that night for an encore... which we did.“
Die letzten zehn Jahre von Menuhins Konzertkarriere war Paul Coker der ständige Klavierbegleiter des Geigers, „playing more or less the whole sonata repertoire together in almost every corner of the world“, so schreibt er im Beiheft. Auf dieser CD ist, für meinen Geschmack, das Klavier mitunter zu stark im Vordergrund zu hören. Aber Yehudi Menuhin beeindruckt dennoch mit seinem Geigenspiel; er musiziert ausdruckssstark nicht zuletzt in den dramatischen Passagen und unglaublich elegant in den beiden Zugaben. Kein Wunder, dass das Publikum, als es nach einigen wenigen Tönen Liebesleid erkennt, spontan in Jubel ausbricht.
Yehudi Menuhin - Anniversary Collection (Melodija)
In diesem Jahr wäre Yehudi Menuhin (1916 bis 1999) hundert Jahre alt geworden. Zum Jubiläum hat Melodija Raritäten aus dem Archiv herausgesucht: Auf sechs CD, untergebracht in einem Buch, das sich wiederum in einem stabilen Schuber befindet, präsentiert das einstige sowjetische Staatslabel Aufnahmen, die zwischen 1945 und 1962 entstanden sind. Dabei handelt es sich um sorgsam ausgewählte, teilweise bislang unveröffentlichte Konzertmitschnitte.
Yehudi Menuhin, einer der bedeutenden Geiger des 20. Jahrhunderts, ist in Liveaufnahmen mit seiner Schwester Hephzibah zu hören; er musiziert aber auch mit den Pianisten Lew Oborin und Abram Makarow sowie mit dem Moscow Chamber Orchestra unter Rudolf Barschai, und dem USSR State Symphony Orchestra unter Jewgeni Swetlanow.
Schon als Kind beeindruckte Menuhin durch sein Geigenspiel das Publi- kum und große Virtuosen. Nach Anfangsunterricht bei Sigmund Anker durfte der gerade einmal Sechsjährige seine Ausbildung bei Louis Persinger fortsetzen, dem Konzertmeister des San Francisco Symphony Orchestra (der eigentlich keine Kinder unterrichtete). Ein Mäzen ermöglichte es der Familie, nach Paris zu reisen, wo Menuhin bei Persingers Lehrer Eugène Ysaÿe studieren sollte. Der hörte sich wohlwollend an, wie der Zehnjährige die Symphonie espagnole von Edouard Lalo vortrug. Doch dann wollte er einen A-Dur-Dreiklang hören, über alle Oktaven und Grifflagen. An dieser simplen Aufgabe scheiterte das Wunderkind, das offenbar zuvor keinerlei Etüden gespielt hatte.
Und so lernte Menuhin zunächst bei George Enescu, der ihn dann an Adolf Busch weiter verwies. 1929 musizierte der junge Geiger mit den Berliner Philharmonikern unter Bruno Walter. Ein Mäzen schenkte ihm zum Geburtstag eine Stradivari, die Prinz Khevenhüller aus dem Jahre 1733. Sie sollte ihn durch sein ganzes Musikerleben begleiten. Dieses Instrument erklingt auch auf diesen sechs CD. Yehudi Menuhin ist hier mit etlichen seiner Encores zu erleben; er spielt zudem Werke von Mozart, Franck, Debussy – vor allem aber von Bach, Brahms und Beethoven, und von Béla Bartók, den der Geiger sehr schätzte.
Yehudi Menuhin, einer der bedeutenden Geiger des 20. Jahrhunderts, ist in Liveaufnahmen mit seiner Schwester Hephzibah zu hören; er musiziert aber auch mit den Pianisten Lew Oborin und Abram Makarow sowie mit dem Moscow Chamber Orchestra unter Rudolf Barschai, und dem USSR State Symphony Orchestra unter Jewgeni Swetlanow.
Schon als Kind beeindruckte Menuhin durch sein Geigenspiel das Publi- kum und große Virtuosen. Nach Anfangsunterricht bei Sigmund Anker durfte der gerade einmal Sechsjährige seine Ausbildung bei Louis Persinger fortsetzen, dem Konzertmeister des San Francisco Symphony Orchestra (der eigentlich keine Kinder unterrichtete). Ein Mäzen ermöglichte es der Familie, nach Paris zu reisen, wo Menuhin bei Persingers Lehrer Eugène Ysaÿe studieren sollte. Der hörte sich wohlwollend an, wie der Zehnjährige die Symphonie espagnole von Edouard Lalo vortrug. Doch dann wollte er einen A-Dur-Dreiklang hören, über alle Oktaven und Grifflagen. An dieser simplen Aufgabe scheiterte das Wunderkind, das offenbar zuvor keinerlei Etüden gespielt hatte.
Und so lernte Menuhin zunächst bei George Enescu, der ihn dann an Adolf Busch weiter verwies. 1929 musizierte der junge Geiger mit den Berliner Philharmonikern unter Bruno Walter. Ein Mäzen schenkte ihm zum Geburtstag eine Stradivari, die Prinz Khevenhüller aus dem Jahre 1733. Sie sollte ihn durch sein ganzes Musikerleben begleiten. Dieses Instrument erklingt auch auf diesen sechs CD. Yehudi Menuhin ist hier mit etlichen seiner Encores zu erleben; er spielt zudem Werke von Mozart, Franck, Debussy – vor allem aber von Bach, Brahms und Beethoven, und von Béla Bartók, den der Geiger sehr schätzte.
Donnerstag, 29. Dezember 2016
Telemannische Hauspostille (Rondeau)
Für eine Produktion zum Reforma- tionsjubiläum 2017 haben sich vier gestandene Musiker zusammengetan: Bassbariton Klaus Mertens, Thomas Fritzsch, Viola da Gamba, Stefan Maass, Barocklaute, und Organist Michael Schönheit haben aus dem Werk des Hamburger Musikdirektors und Kantors am Johanneum Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) ein Programm zusammengestellt, das einen tiefen Einblick in Glaubenswelt und Frömmigkeit jener Zeit gibt.
Ausgangspunkt für die Überlegungen der Musiker war jene Kollektion von Arien aus dem Kantatenjahrgang 1726/27, die Telemann aus den ursprünglichen Zusammenhängen gelöst und in Bearbeitungen für Sing- stimme und Generalbass publiziert hatte. Sie folgt auf den Harmonischen Gottesdienst und ist auch unter dem Titel Harmonisches Lob Gottes bekannt. „Trotz meiner tiefen Verbundenheit mit barocker Dichtung und ihren geistlichen Inhalten und Bezügen fiel es mir mitunter schwer, Textaussagen der nunmehr aus dem Kantatenzusammenhang heraus- getrennten Arien zu verstehen“, schreibt Thomas Fritzsch im Beiheft zu dieser CD. „Die Vermutung, ja Gewissheit, dass ich solche Verständnis- schwierigkeiten mit musikliebenden und -kennenden Menschen der Gegenwart teile, erweckte in mir den Wunsch, ausgewählte geistliche Arien in den Kontext kurzer Hausandachten zu stellen, die jeweils dem durch das Tagesevangelium bestimmten Leitgedanken folgen.“
Und so haben die Musiker die Arien um Choralvorspiele und Choräle sowie knappe Lesetexte ergänzt. So sind beinahe wieder kleine Kantaten entstanden, allerdings nicht für den öffentlichen Gebrauch, sondern für den privaten Raum. Eingespielt wurde die Aufnahme in der Kirche „Zur frohen Botschaft“ in Berlin-Karlshorst. Dort befindet sich eine einzigartige Orgel – das 1755 von Johann Peter Migendt und Ernst Julius Marx für Prinzessin Anna Amalie von Preußen errichtete Instrument mit 22 Re- gistern, zwei Manualen und Pedal, 2009/10 durch den Dresdner Orgelbauer Kristian Wegscheider restauriert. Die Amalien-Orgel ist die einzige Orgel aus dem 18. Jahrhundert, die in Berlin erhalten geblieben ist.
Michael Schönheit spielt sie meisterlich; doch auch Thomas Fritzsch und Stefan Maas sind bekanntlich Virtuosen. Und Klaus Mertens genießt als Sänger zu Recht hohes Renommée. Sorgsam gestaltet er, und gemeinsam mit den Könnern am Continuo macht er aus Arien und Chorälen facetten- reiche kleine Juwelen des Glaubens. So ist diese Aufnahme weit mehr als eine Reise in die Geschichte der evangelischen Kirchenmusik, die mit Martin Luther und „Urkantor“ Johann Walter noch einmal 200 Jahre vor Telemann begonnen hatte.
Ausgangspunkt für die Überlegungen der Musiker war jene Kollektion von Arien aus dem Kantatenjahrgang 1726/27, die Telemann aus den ursprünglichen Zusammenhängen gelöst und in Bearbeitungen für Sing- stimme und Generalbass publiziert hatte. Sie folgt auf den Harmonischen Gottesdienst und ist auch unter dem Titel Harmonisches Lob Gottes bekannt. „Trotz meiner tiefen Verbundenheit mit barocker Dichtung und ihren geistlichen Inhalten und Bezügen fiel es mir mitunter schwer, Textaussagen der nunmehr aus dem Kantatenzusammenhang heraus- getrennten Arien zu verstehen“, schreibt Thomas Fritzsch im Beiheft zu dieser CD. „Die Vermutung, ja Gewissheit, dass ich solche Verständnis- schwierigkeiten mit musikliebenden und -kennenden Menschen der Gegenwart teile, erweckte in mir den Wunsch, ausgewählte geistliche Arien in den Kontext kurzer Hausandachten zu stellen, die jeweils dem durch das Tagesevangelium bestimmten Leitgedanken folgen.“
Und so haben die Musiker die Arien um Choralvorspiele und Choräle sowie knappe Lesetexte ergänzt. So sind beinahe wieder kleine Kantaten entstanden, allerdings nicht für den öffentlichen Gebrauch, sondern für den privaten Raum. Eingespielt wurde die Aufnahme in der Kirche „Zur frohen Botschaft“ in Berlin-Karlshorst. Dort befindet sich eine einzigartige Orgel – das 1755 von Johann Peter Migendt und Ernst Julius Marx für Prinzessin Anna Amalie von Preußen errichtete Instrument mit 22 Re- gistern, zwei Manualen und Pedal, 2009/10 durch den Dresdner Orgelbauer Kristian Wegscheider restauriert. Die Amalien-Orgel ist die einzige Orgel aus dem 18. Jahrhundert, die in Berlin erhalten geblieben ist.
Michael Schönheit spielt sie meisterlich; doch auch Thomas Fritzsch und Stefan Maas sind bekanntlich Virtuosen. Und Klaus Mertens genießt als Sänger zu Recht hohes Renommée. Sorgsam gestaltet er, und gemeinsam mit den Könnern am Continuo macht er aus Arien und Chorälen facetten- reiche kleine Juwelen des Glaubens. So ist diese Aufnahme weit mehr als eine Reise in die Geschichte der evangelischen Kirchenmusik, die mit Martin Luther und „Urkantor“ Johann Walter noch einmal 200 Jahre vor Telemann begonnen hatte.
Mozart: The Oboe Concerto (Glossa)
Im Jahre 1981 fanden sich Musiker aus mehr als 20 Ländern zusammen, um Musik des 18. und des frühen
19. Jahrhunderts möglichst original- getreu aufzuführen. Unter Leitung seines Gründers Frans Brüggen spielte das Orchestra of the Eighteenth Century ausgewählte Werke von Bach bis Brahms – und war damit bald international sehr erfolgreich.
Nach dem Tode Frans Brüggens im Jahre 2014 führt das Ensemble nun diese Arbeit weiter, derzeit mit wechselnden Dirigenten. Mehrfach im Jahr geht das Orchestra of the Eighteenth Century auf Tour, und auch eine neue CD ist nun erhältlich. Sie ist dem Schaffen Wolfgang Amadeus Mozarts für Oboe gewidmet; eingespielt wurde sie von dem Oboisten Frank de Bruine gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Orchestra of the Eighteenth Century unter Leitung von Kenneth Montgomery.
Die CD erinnert daran, dass Bläserkonzerte oftmals ihren Ursprung in Musikerfreundschaften haben. Carl Stamitz beispielsweise komponierte für den Klarinettisten Joseph Beer, Johannes Brahms für Richardt Mühlfeldt. Mozart war befreundet mit dem Flötisten Johann Baptist Wendling, dem Oboisten Friedrich Ramm und dem Fagottisten Georg Wenzel Ritter – alle drei spielten in der legendären Mannheimer Hofkapelle. Und Mozart, 1778 von Mannheim endlich weiter nach Paris gereist, berichtet in Briefen an seinen Vater, er habe eine Sinfonia concertante für Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Orchester geschrieben. Aufgeführt wurde dieses Werk nie, aufgefunden ebenfalls nicht – ob es also jemals existiert hat, das lässt sich nicht sicher feststellen. Angeblich beruht die Sinfonia concertante KV 297b darauf; doch sie ist nur in einer Abschrift aus dem 19. Jahrhundert überliefert, das Solistenquartett ist mit Oboe, Klarinette, Horn und Fagott zudem anders besetzt, und auch aus stilistischen Erwägungen heraus wird ihre Echtheit bezweifelt.
Frank de Bruine hat für diese CD vier Werke ausgewählt, die ohne Zweifel von Mozart stammen: Das Oboenkonzert in C-Dur KV 314 – wesentlich bekannter als Flötenkonzert in D-Dur – das Oboenquartett KV 370, und das Divertimento in D-Dur KV 251 für Oboe, zwei Hörner, zwei Violinen, Viola und Kontrabass, geschrieben vermutlich im Sommer 1776 zum Namenstag von Schwester Nannerl. Die Sängerin Aloysia Weber, in die Mozart sehr verliebt war, bedachte er mit Bravourarien. In Vorrei spie- garvi, oh Dio KV 418 singen Sopran und Oboe um die Wette – Sopranistin Lenneke Ruiten wagt sich an die Partie, die eine exzellente Technik und eine Wahnsinnshöhe verlangt.
19. Jahrhunderts möglichst original- getreu aufzuführen. Unter Leitung seines Gründers Frans Brüggen spielte das Orchestra of the Eighteenth Century ausgewählte Werke von Bach bis Brahms – und war damit bald international sehr erfolgreich.
Nach dem Tode Frans Brüggens im Jahre 2014 führt das Ensemble nun diese Arbeit weiter, derzeit mit wechselnden Dirigenten. Mehrfach im Jahr geht das Orchestra of the Eighteenth Century auf Tour, und auch eine neue CD ist nun erhältlich. Sie ist dem Schaffen Wolfgang Amadeus Mozarts für Oboe gewidmet; eingespielt wurde sie von dem Oboisten Frank de Bruine gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Orchestra of the Eighteenth Century unter Leitung von Kenneth Montgomery.
Die CD erinnert daran, dass Bläserkonzerte oftmals ihren Ursprung in Musikerfreundschaften haben. Carl Stamitz beispielsweise komponierte für den Klarinettisten Joseph Beer, Johannes Brahms für Richardt Mühlfeldt. Mozart war befreundet mit dem Flötisten Johann Baptist Wendling, dem Oboisten Friedrich Ramm und dem Fagottisten Georg Wenzel Ritter – alle drei spielten in der legendären Mannheimer Hofkapelle. Und Mozart, 1778 von Mannheim endlich weiter nach Paris gereist, berichtet in Briefen an seinen Vater, er habe eine Sinfonia concertante für Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Orchester geschrieben. Aufgeführt wurde dieses Werk nie, aufgefunden ebenfalls nicht – ob es also jemals existiert hat, das lässt sich nicht sicher feststellen. Angeblich beruht die Sinfonia concertante KV 297b darauf; doch sie ist nur in einer Abschrift aus dem 19. Jahrhundert überliefert, das Solistenquartett ist mit Oboe, Klarinette, Horn und Fagott zudem anders besetzt, und auch aus stilistischen Erwägungen heraus wird ihre Echtheit bezweifelt.
Frank de Bruine hat für diese CD vier Werke ausgewählt, die ohne Zweifel von Mozart stammen: Das Oboenkonzert in C-Dur KV 314 – wesentlich bekannter als Flötenkonzert in D-Dur – das Oboenquartett KV 370, und das Divertimento in D-Dur KV 251 für Oboe, zwei Hörner, zwei Violinen, Viola und Kontrabass, geschrieben vermutlich im Sommer 1776 zum Namenstag von Schwester Nannerl. Die Sängerin Aloysia Weber, in die Mozart sehr verliebt war, bedachte er mit Bravourarien. In Vorrei spie- garvi, oh Dio KV 418 singen Sopran und Oboe um die Wette – Sopranistin Lenneke Ruiten wagt sich an die Partie, die eine exzellente Technik und eine Wahnsinnshöhe verlangt.
Mittwoch, 28. Dezember 2016
Bach arranged by Reger (MDG)
Für seine dritte Einspielung bei Dabringhaus und Grimm hat sich Christoph Schoener, Kirchenmusik- direktor an der Hamburger Haupt- kirche St. Michaelis, etwas ganz Besonderes ausgesucht: Nach den Orgeltoccaten von Johann Sebastian Bach und einem hochkarätigen Programm mit Orgelmusik von Max Reger spielt er an den vier Orgeln im „Michel“ die sieben Toccaten BWV910 bis 916. Komponiert hat Bach diese Musikstücke einst für das Cembalo. Fünf davon hat Max Reger einst auf die Orgel übertragen; bei den beiden ausstehenden Werken hat die Transkription nun Schoener selbst angefertigt.
Doch während Reger sich große Freiheiten genommen hat, und schon seine Bearbeitungen Interpretationen sind, hat Schoener sich penibel an den Notentext gehalten. Regers Ziel war Ausdruck, und dafür zog der Spätromantiker gern – und das durchaus auch im Wortsinne – alle Regi- ster. Schoener geht sehr viel behutsamer vor; er verwendet beispielsweise das Pedal wesentlich zurückhaltender, und bleibt stets dicht am Original. Beides hat seine Reize, und genießen kann man diese opulente Aufnahme vom ersten bis zum letzten Ton. Was für ein Klangereignis!
Doch während Reger sich große Freiheiten genommen hat, und schon seine Bearbeitungen Interpretationen sind, hat Schoener sich penibel an den Notentext gehalten. Regers Ziel war Ausdruck, und dafür zog der Spätromantiker gern – und das durchaus auch im Wortsinne – alle Regi- ster. Schoener geht sehr viel behutsamer vor; er verwendet beispielsweise das Pedal wesentlich zurückhaltender, und bleibt stets dicht am Original. Beides hat seine Reize, und genießen kann man diese opulente Aufnahme vom ersten bis zum letzten Ton. Was für ein Klangereignis!
Paradisi Gloria - Sacred Music by Emperor Leopold I (Audite)
Leopold I. (1640 bis 1705) war der zweite Sohn des Kaisers Ferdinand III. und sollte daher eigentlich die geistliche Laufbahn einschlagen. Schon sein Vater liebte die Musik und komponierte auch selbst; der Sohn erlernte beim Hoforganisten Marcus Ebner das Clavierspiel, und im Fach Komposition unterrichtete ihn möglicherweise Hofkapellmeister Antonio Bertali.
Doch dann starb noch vor dem Kaiser der Thronfolger; und so wurde Leopold I. 1658 zum Kaiser gekrönt. Der Politik konnte er wohl nicht wirklich etwas abgewinnen; den Wiener Hof allerdings machte er zu einem Zentrum der europäischen Kultur.
Dass er selbst auch ein begabter Komponist war, beweist diese CD, die vier seiner Werke vorstellt. Das Stabat Mater und die Motette de Septem Doloribus Beatae Mariae Virginis schuf der Kaiser für das Fest der Sieben Schmerzen der Gottesmutter. Das Requiem, entstanden für die Beisetzungs- feierlichkeiten der ersten Frau des Kaisers, ist betont schlicht und innig gehalten. Leopold I. hatte seine Nichte, Margarita Theresa von Spanien, 1666 aus dynastischen Gründen geheiratet; sie teilte seine Leidenschaft für die Musik, starb aber bereits 1673.
Auch seine nächste Ehefrau, Claudia Felizitas von Österreich-Tirol, musste der Kaiser 1676, nach dreieinhalbjähriger Ehe, zu Grabe tragen. Für sie vertonte er drei Lektionen zur ersten Nokturn für das Totenoffizium. Diese Musik erklang übrigens auch bei den Exequien nach dem Tode des Kaisers 1705 und seiner dritten Frau 1720.
Johannes Strobl hat diese durchweg eher klagenden Gesänge mit der Cappella Murensis und Les Cornets Noirs in der Klosterkirche Muri eingespielt, die bereits bei anderen Aufnahmen durch ihre beeindruckende Akustik in Erinnerung geblieben ist. Das Solistenquintett und die Ripieni- sten, jeweils doppelt besetzt, singen diese emotionsgeladenen Werke sehr schlicht und gerade dadurch eindrücklich. Sie werden dabei bestens unterstützt durch die Musiker von Les Cornets Noirs, die auf Nachbauten historischer Instrumente musizieren. Formidabel!
Doch dann starb noch vor dem Kaiser der Thronfolger; und so wurde Leopold I. 1658 zum Kaiser gekrönt. Der Politik konnte er wohl nicht wirklich etwas abgewinnen; den Wiener Hof allerdings machte er zu einem Zentrum der europäischen Kultur.
Dass er selbst auch ein begabter Komponist war, beweist diese CD, die vier seiner Werke vorstellt. Das Stabat Mater und die Motette de Septem Doloribus Beatae Mariae Virginis schuf der Kaiser für das Fest der Sieben Schmerzen der Gottesmutter. Das Requiem, entstanden für die Beisetzungs- feierlichkeiten der ersten Frau des Kaisers, ist betont schlicht und innig gehalten. Leopold I. hatte seine Nichte, Margarita Theresa von Spanien, 1666 aus dynastischen Gründen geheiratet; sie teilte seine Leidenschaft für die Musik, starb aber bereits 1673.
Auch seine nächste Ehefrau, Claudia Felizitas von Österreich-Tirol, musste der Kaiser 1676, nach dreieinhalbjähriger Ehe, zu Grabe tragen. Für sie vertonte er drei Lektionen zur ersten Nokturn für das Totenoffizium. Diese Musik erklang übrigens auch bei den Exequien nach dem Tode des Kaisers 1705 und seiner dritten Frau 1720.
Johannes Strobl hat diese durchweg eher klagenden Gesänge mit der Cappella Murensis und Les Cornets Noirs in der Klosterkirche Muri eingespielt, die bereits bei anderen Aufnahmen durch ihre beeindruckende Akustik in Erinnerung geblieben ist. Das Solistenquintett und die Ripieni- sten, jeweils doppelt besetzt, singen diese emotionsgeladenen Werke sehr schlicht und gerade dadurch eindrücklich. Sie werden dabei bestens unterstützt durch die Musiker von Les Cornets Noirs, die auf Nachbauten historischer Instrumente musizieren. Formidabel!
Dienstag, 27. Dezember 2016
Himmelslieder (SWR Music)
Die Weihnachtslieder auf dieser CD führen den Hörer quer durch Europa. There is no rose und Verbum Patris humanatur sind Beispiele für alte britische Carols; entstanden sind sie im 15. Jahrhundert. Texte aus dem Mittelalter verwendete auch Benjamin Britten (1913 bis 1976), als er A Cere- mony of Carols schrieb. Die Frauen- stimmen des SWR Vokalensembles Stuttgart werden hier durch Maria Stange, Harfe, begleitet (die brillant spielt!); ansonsten sind auf dieser CD ausschließlich A-cappella-Komposi- tionen zu hören.
Auch der estnische Komponist Arvo Pärt (*1935) ist mit einem Zyklus vertreten, der an mittelalterliche Gesänge anknüpft: In der Vesper der sieben letzten Tage vor dem Heiligen Abend wird der kommende Messias mit den sogenannten O-Antiphonen angerufen. Sie beginnen jeweils mit einer der sieben Anreden, die dem Alten Testament gemäß die Propheten für den Messias gebraucht haben, rühmen sein zukünftiges Wirken und enden mit dem Ruf: „Veni!“ – „Komm!“ Arvo Pärt hat, in seiner unnach- ahmlichen Weise, die bildhaften Texte dieser Sieben Magnificat-Anti-phonen in Musik umgesetzt, der man sich nicht entziehen kann.
Francis Poulenc (1899 bis 1963) nutzte für seine Quatre motets pour le temps de noël ebenfalls alte Texte in Kirchenlatein, aber er dachte sie gänzlich französisch – in Melodie, Rhythmus und Betonung. Dazu setzte er auf eine spannungsvolle Harmonik; die vier Motetten bezaubern durch mystische Tiefe und durch ihren Reichtum an Klangfarben.
Diesen drei bedeutenden weihnachtlichen Chorzyklen hat Chorleiter Marcus Creed noch einige weitere Weihnachtslieder beigesellt. Drei Weihnachtliche Liedsätze von Heinrich Kaminski (1886 bis 1946) erscheinen zunächst ziemlich konventionell, doch bei genauerem Hinhören fällt bald auf, dass ihre Schlichtheit und Anmut ausgesprochen kunstvoll erschaffen worden ist. Sie verbinden Kontrapunktik der alten Schule mit romantischer Harmonik. Für Kirchenchöre, die auf Qualität schauen und trotzdem einmal etwas Neueres singen wollen, ein echter Geheimtipp!
Die CD endet mit Es ist ein Ros entsprungen in einer Fassung, die den altbekannten Chorsatz von Michael Praetorius (1571 bis 1621) in einen neuen Rahmen stellt: Der schwedische Komponist Jan Sandström lässt das Original stark verlangsamt erklingen, umhüllt von einem Summchor. Eine interesssante und sehr skandinavische Variante.
Das SWR Vokalensemble unter Leitung von Marcus Creed findet zu jedem dieser sehr unterschiedlichen Werke einen Zugang. Gesungen wird stilsicher, kraftvoll und lebendig. Die Sängerinnen und Sänger agieren ausgesprochen souverän sowie mit Engagement und Freude. Bravi!
Auch der estnische Komponist Arvo Pärt (*1935) ist mit einem Zyklus vertreten, der an mittelalterliche Gesänge anknüpft: In der Vesper der sieben letzten Tage vor dem Heiligen Abend wird der kommende Messias mit den sogenannten O-Antiphonen angerufen. Sie beginnen jeweils mit einer der sieben Anreden, die dem Alten Testament gemäß die Propheten für den Messias gebraucht haben, rühmen sein zukünftiges Wirken und enden mit dem Ruf: „Veni!“ – „Komm!“ Arvo Pärt hat, in seiner unnach- ahmlichen Weise, die bildhaften Texte dieser Sieben Magnificat-Anti-phonen in Musik umgesetzt, der man sich nicht entziehen kann.
Francis Poulenc (1899 bis 1963) nutzte für seine Quatre motets pour le temps de noël ebenfalls alte Texte in Kirchenlatein, aber er dachte sie gänzlich französisch – in Melodie, Rhythmus und Betonung. Dazu setzte er auf eine spannungsvolle Harmonik; die vier Motetten bezaubern durch mystische Tiefe und durch ihren Reichtum an Klangfarben.
Diesen drei bedeutenden weihnachtlichen Chorzyklen hat Chorleiter Marcus Creed noch einige weitere Weihnachtslieder beigesellt. Drei Weihnachtliche Liedsätze von Heinrich Kaminski (1886 bis 1946) erscheinen zunächst ziemlich konventionell, doch bei genauerem Hinhören fällt bald auf, dass ihre Schlichtheit und Anmut ausgesprochen kunstvoll erschaffen worden ist. Sie verbinden Kontrapunktik der alten Schule mit romantischer Harmonik. Für Kirchenchöre, die auf Qualität schauen und trotzdem einmal etwas Neueres singen wollen, ein echter Geheimtipp!
Die CD endet mit Es ist ein Ros entsprungen in einer Fassung, die den altbekannten Chorsatz von Michael Praetorius (1571 bis 1621) in einen neuen Rahmen stellt: Der schwedische Komponist Jan Sandström lässt das Original stark verlangsamt erklingen, umhüllt von einem Summchor. Eine interesssante und sehr skandinavische Variante.
Das SWR Vokalensemble unter Leitung von Marcus Creed findet zu jedem dieser sehr unterschiedlichen Werke einen Zugang. Gesungen wird stilsicher, kraftvoll und lebendig. Die Sängerinnen und Sänger agieren ausgesprochen souverän sowie mit Engagement und Freude. Bravi!
Montag, 26. Dezember 2016
Walther: Complete Organ Music (Brilliant Classics)
Die Orgelmusik von Johann Gottfried Walther (1684 bis 1748) präsentiert Simone Stella. Der italienische Orga- nist und Cembalist hat bei Brilliant Classics bereits Werke von Johann Jakob Froberger, Dieterich Buxte- hude, Georg Böhm und Johann Adam Reincken veröffentlicht. Nun legt er auf zwölf CD in Weltersteinspielung das Gesamtwerk Walthers vor.
Den größten Anteil daran haben die – mitunter ausgesprochen umfang- reichen – Choralvorspiele. Dazu kommen einige wenige freie Orgel- werke, vor allem Präludien und Fugen, sowie Orgelbearbeitungen diverser Konzerte von Giulio Taglietti, Georg Philipp Telemann, Giuseppe Torelli, Antonio Vivaldi, Tomaso Giovanni Albinoni, dem französischen Hofkomponisten François Collin de Blamont, Giorgio Gentili, Giovanni Lorenzo Gregori, Luigi Manzia und Joseph Meck.
Johann Gottfried Walther kam in Erfurt zur Welt, und wurde dort unter anderem von Johann Bernhard Bach, einem Cousin zweiten Grades von Johann Sebastian Bach, ausgebildet. Die weitverzweigte thüringische Musikerfamilie hat auch im Stammbaum Walthers eine Spur hinterlassen: Seine Mutter Martha Dorothea Lemmerhirt war eine Halbschwester von Johann Sebastian Bachs Mutter.
Im Jahre 1702 wurde Johann Gottfried Walther, gerade 18 Jahre alt, Organist an der Erfurter Thomaskirche. Auf Reisen traf er bedeutende Musiker und Theoretiker seiner Zeit, wie Andreas Werckmeister oder Wilhelm Hieronymus Pachelbel, den ältesten Sohn von Johann Pachelbel und dessen Amtsnachfolger als Organist an St. Sebaldus in Nürnberg. 1707 erhielt Walther das Organistenamt an der Stadtkirche St. Peter und Paul in Weimar, wo er bis zu seinem Tode blieb. Dort begegnete der Musiker auch Johann Sebastian Bach, der von 1708 bis 1717 am Hofe des Herzogs Wilhelm Ernst wirkte und mit dem ihn bald eine enge Freund- schaft verband.
Walther unterrichtete etliche Schüler, unter anderem den musikalisch hochbegabten Prinzen Johann Ernst und dessen Stiefschwester, Prinzes- sin Johanna Charlotte. Möglicherweise als Unterweisung für den Prinzen schuf er die Praecepta der musicalischen Composition, datiert auf das Jahr 1708, im Druck herausgegeben erstmals 1955 von Peter Benary. Ab 1721 leitete der Organist zudem das herzogliche Hoforchester, und trug den Titel Hof-Musicus.
Das Werk Johann Gottfried Walthers lässt erkennen, dass er sich sowohl in der nord- als auch der süddeutschen Orgelschule bestens auskannte. Besonderes Vergnügen aber scheint ihm die Beschäftigung mit den Kon- zerten italienischer Meister bereitet zu haben. Sein umfassendes Wissen gab Walther nicht nur an seine Schüler weiter: Sein Musicalisches Lexicon oder Musicalische Bibliothec, erschienen 1732 in Leipzig, war das erste deutschsprachige Musiklexikon überhaupt.
Simone Stella hat die Quellen offenbar mit Sorgfalt gesichtet. Er berichtet in dem sehr informativen Beiheft zu dieser CD-Box, welche Werke erhalten sind und welche als verloren gelten müssen – insbesondere bei den Bear- beitungen von Werken anderer Komponisten für Tasteninstrumente scheint sogar der überwiegende Teil nicht erhalten geblieben zu sein.
Eingespielt hat Stella Walthers Orgelmusik 2013 an der 2006 von Fran- cesco Zanin erbauten Orgel der Chiesa di Sant'Antonio Abate in Padua. Sie verfügt über 25 Register auf zwei Manualen und Pedal, mechanische Trak- tur, ist ungleichschwebend gestimmt und folgt klanglich norddeutschen Vorbildern.
Den größten Anteil daran haben die – mitunter ausgesprochen umfang- reichen – Choralvorspiele. Dazu kommen einige wenige freie Orgel- werke, vor allem Präludien und Fugen, sowie Orgelbearbeitungen diverser Konzerte von Giulio Taglietti, Georg Philipp Telemann, Giuseppe Torelli, Antonio Vivaldi, Tomaso Giovanni Albinoni, dem französischen Hofkomponisten François Collin de Blamont, Giorgio Gentili, Giovanni Lorenzo Gregori, Luigi Manzia und Joseph Meck.
Johann Gottfried Walther kam in Erfurt zur Welt, und wurde dort unter anderem von Johann Bernhard Bach, einem Cousin zweiten Grades von Johann Sebastian Bach, ausgebildet. Die weitverzweigte thüringische Musikerfamilie hat auch im Stammbaum Walthers eine Spur hinterlassen: Seine Mutter Martha Dorothea Lemmerhirt war eine Halbschwester von Johann Sebastian Bachs Mutter.
Im Jahre 1702 wurde Johann Gottfried Walther, gerade 18 Jahre alt, Organist an der Erfurter Thomaskirche. Auf Reisen traf er bedeutende Musiker und Theoretiker seiner Zeit, wie Andreas Werckmeister oder Wilhelm Hieronymus Pachelbel, den ältesten Sohn von Johann Pachelbel und dessen Amtsnachfolger als Organist an St. Sebaldus in Nürnberg. 1707 erhielt Walther das Organistenamt an der Stadtkirche St. Peter und Paul in Weimar, wo er bis zu seinem Tode blieb. Dort begegnete der Musiker auch Johann Sebastian Bach, der von 1708 bis 1717 am Hofe des Herzogs Wilhelm Ernst wirkte und mit dem ihn bald eine enge Freund- schaft verband.
Walther unterrichtete etliche Schüler, unter anderem den musikalisch hochbegabten Prinzen Johann Ernst und dessen Stiefschwester, Prinzes- sin Johanna Charlotte. Möglicherweise als Unterweisung für den Prinzen schuf er die Praecepta der musicalischen Composition, datiert auf das Jahr 1708, im Druck herausgegeben erstmals 1955 von Peter Benary. Ab 1721 leitete der Organist zudem das herzogliche Hoforchester, und trug den Titel Hof-Musicus.
Das Werk Johann Gottfried Walthers lässt erkennen, dass er sich sowohl in der nord- als auch der süddeutschen Orgelschule bestens auskannte. Besonderes Vergnügen aber scheint ihm die Beschäftigung mit den Kon- zerten italienischer Meister bereitet zu haben. Sein umfassendes Wissen gab Walther nicht nur an seine Schüler weiter: Sein Musicalisches Lexicon oder Musicalische Bibliothec, erschienen 1732 in Leipzig, war das erste deutschsprachige Musiklexikon überhaupt.
Simone Stella hat die Quellen offenbar mit Sorgfalt gesichtet. Er berichtet in dem sehr informativen Beiheft zu dieser CD-Box, welche Werke erhalten sind und welche als verloren gelten müssen – insbesondere bei den Bear- beitungen von Werken anderer Komponisten für Tasteninstrumente scheint sogar der überwiegende Teil nicht erhalten geblieben zu sein.
Eingespielt hat Stella Walthers Orgelmusik 2013 an der 2006 von Fran- cesco Zanin erbauten Orgel der Chiesa di Sant'Antonio Abate in Padua. Sie verfügt über 25 Register auf zwei Manualen und Pedal, mechanische Trak- tur, ist ungleichschwebend gestimmt und folgt klanglich norddeutschen Vorbildern.
Sonntag, 25. Dezember 2016
Hallé - A Christmas Celebration (Hallé)
Die Hallé-Familie feiert Weihnachten – wie das klingt, davon zeugen Live-Mitschnitte und Aufnahmen aus dem Jahre 2014 auf dieser sagenhaft perfekten CD. Hier passt einfach alles, von der Dramaturgie des Programms über die flotten, modernen Arrange- ments bis hin zu den rundum stimmi- gen Interpretationen.
Begonnen hat die Hallé-Initiative im Jahre 1857. Damals fand in Manche- ster eine große Kunstausstellung statt. Der Pianist und Dirigent Sir Charles Hallé, 1819 als Karl Halle geboren in Hagen, sollte dort täglich Konzerte veranstalten. Weil er in Manchester nicht genügend qualifizierte Musiker für sein Orchester fand, holte er die benötigten Kollegen vom Festland.
Offenbar war Hallé nicht nur ein exzellenter Musiker, sondern auch ein begnadeter Kaufmann. Um „seine“ Orchestermitglieder nach dem Ende der Ausstellung nicht zu verlieren, startete er auf eigenes Risiko in eine Konzertsaison – und war damit sehr erfolgreich. Deshalb gründete er schließlich 1858 sein eigenes Orchester, das Hallé Orchestra, sowie den Hallé Choir. Beide Ensembles bestehen bis zum heutigen Tage; das Sin- fonieorchester ist nicht nur eines der ältesten in Großbritannien, sondern bis heute auch eines der besten. Seit 1996 musiziert Hallé in The Bridge- water Hall, einem attraktiven neuen Konzertsaal.
Die Hallé-Familie ist zudem gewachsen: Der Nachwuchs musiziert im Hallé Youth Orchestra, singt im Hallé Children's Choir, im Hallé Youth Choir oder übt im Hallé Youth Training Choir. Neben dem Hallé Choir, für den recht strikte Aufnahmebedingungen gelten, können Erwachsene zudem ohne Leistungsdruck im Ancoats Community Choir singen, oder an der Hallé Choir Academy ihre Stimme ausprobieren. Hallé - das ist Musik in höchster Qualität, für eine ganze Region. Auf dieser CD sind gemeinsam mit dem Hallé Orchestra der Hallé Choir, Hallé Youth Choir und Hallé Children's Choir zu hören; den Taktstock schwingt Stephen Bell.
Begonnen hat die Hallé-Initiative im Jahre 1857. Damals fand in Manche- ster eine große Kunstausstellung statt. Der Pianist und Dirigent Sir Charles Hallé, 1819 als Karl Halle geboren in Hagen, sollte dort täglich Konzerte veranstalten. Weil er in Manchester nicht genügend qualifizierte Musiker für sein Orchester fand, holte er die benötigten Kollegen vom Festland.
Offenbar war Hallé nicht nur ein exzellenter Musiker, sondern auch ein begnadeter Kaufmann. Um „seine“ Orchestermitglieder nach dem Ende der Ausstellung nicht zu verlieren, startete er auf eigenes Risiko in eine Konzertsaison – und war damit sehr erfolgreich. Deshalb gründete er schließlich 1858 sein eigenes Orchester, das Hallé Orchestra, sowie den Hallé Choir. Beide Ensembles bestehen bis zum heutigen Tage; das Sin- fonieorchester ist nicht nur eines der ältesten in Großbritannien, sondern bis heute auch eines der besten. Seit 1996 musiziert Hallé in The Bridge- water Hall, einem attraktiven neuen Konzertsaal.
Die Hallé-Familie ist zudem gewachsen: Der Nachwuchs musiziert im Hallé Youth Orchestra, singt im Hallé Children's Choir, im Hallé Youth Choir oder übt im Hallé Youth Training Choir. Neben dem Hallé Choir, für den recht strikte Aufnahmebedingungen gelten, können Erwachsene zudem ohne Leistungsdruck im Ancoats Community Choir singen, oder an der Hallé Choir Academy ihre Stimme ausprobieren. Hallé - das ist Musik in höchster Qualität, für eine ganze Region. Auf dieser CD sind gemeinsam mit dem Hallé Orchestra der Hallé Choir, Hallé Youth Choir und Hallé Children's Choir zu hören; den Taktstock schwingt Stephen Bell.
Samstag, 24. Dezember 2016
Euch ist ein Kindlein heut geborn (Carus)
„Wer sich die Musik erkiest, hat ein himmlisch Werk gewonnen; denn ihr erster Ursprung ist von dem Himmel selbst genommen, weil die lieben Engelein selber Musikanten sein“, reimte einst Martin Luther. Fünf Lieder des Reformators für die Adventszeit und das Weihnachtsfest sind auf dieser CD zu hören – in Bearbeitungen, die von den ersten Kantoren in der Reformationszeit selbst oder aber von der nachfolgen- den Musikergeneration geschaffen worden sind.
Das Musterbeispiel eines evange- lisch-lutherischen Kantors war ohne Zweifel Johann Walter (1496 bis 1570). Er hatte in Leipzig studiert, und ging nach Torgau, um dort als Sänger und Komponist in der ernestinischen Hofkapelle zu wirken. Nach dem Tode seines Dienstherren, Kurfürst Friedrich der Weise, wurden die Hofsänger aber nicht weiter beschäftigt. Walter blieb dennoch in Torgau; 1526 gründete er die Stadtkantorei, um, ganz im Sinne Luthers, die neue Kirchenmusik aufführen zu können. Dazu kam 1530 noch ein Schulkanto- rat, in dem der Nachwuchs ausgebildet wurde. Damit schuf Johann Walter ein Vorbild, das in vielen anderen Städten kopiert wurde und Generationen von Kantoren prägte; nicht zuletzt durch sein Geystliches GesangkBuch- leyn wurde er quasi zum Urkantor der Reformation.
Auf dieser CD ist er ebenso vertreten wie viele seiner Kollegen. Denn die Hamburger Ratsmusik unter Leitung von Simone Eckert stellt gemeinsam mit den Sopranistinnen Veronika Winter und Ina Siedlaczek und Tenor Jan Kobow die ausgewählten Lieder jeweils in sehr vielen verschiedenen Versionen vor. Jede Strophe wird anders gestaltet; es erklingen Werke der unterschiedlichsten Komponisten, in verschiedensten Besetzungen vor- getragen, vom schlichten Kantionalsatz bis hin zu komplexen mehrstim- migen Versionen, teilweise auch reinen Instrumentalsätzen. Das alles wird sehr klangschön vorgetragen; wer sich für die Anfänge der evangelischen Kirchenmusik interessiert, der sollte sich diese CD unbedingt anhören. Und auch sonst ist sie ein würdiger Auftakt zum Lutherjahr.
Das Musterbeispiel eines evange- lisch-lutherischen Kantors war ohne Zweifel Johann Walter (1496 bis 1570). Er hatte in Leipzig studiert, und ging nach Torgau, um dort als Sänger und Komponist in der ernestinischen Hofkapelle zu wirken. Nach dem Tode seines Dienstherren, Kurfürst Friedrich der Weise, wurden die Hofsänger aber nicht weiter beschäftigt. Walter blieb dennoch in Torgau; 1526 gründete er die Stadtkantorei, um, ganz im Sinne Luthers, die neue Kirchenmusik aufführen zu können. Dazu kam 1530 noch ein Schulkanto- rat, in dem der Nachwuchs ausgebildet wurde. Damit schuf Johann Walter ein Vorbild, das in vielen anderen Städten kopiert wurde und Generationen von Kantoren prägte; nicht zuletzt durch sein Geystliches GesangkBuch- leyn wurde er quasi zum Urkantor der Reformation.
Auf dieser CD ist er ebenso vertreten wie viele seiner Kollegen. Denn die Hamburger Ratsmusik unter Leitung von Simone Eckert stellt gemeinsam mit den Sopranistinnen Veronika Winter und Ina Siedlaczek und Tenor Jan Kobow die ausgewählten Lieder jeweils in sehr vielen verschiedenen Versionen vor. Jede Strophe wird anders gestaltet; es erklingen Werke der unterschiedlichsten Komponisten, in verschiedensten Besetzungen vor- getragen, vom schlichten Kantionalsatz bis hin zu komplexen mehrstim- migen Versionen, teilweise auch reinen Instrumentalsätzen. Das alles wird sehr klangschön vorgetragen; wer sich für die Anfänge der evangelischen Kirchenmusik interessiert, der sollte sich diese CD unbedingt anhören. Und auch sonst ist sie ein würdiger Auftakt zum Lutherjahr.
A Festival of Nine Lessons and Carols (Rondeau)
A Festival of Nine Lessons and Carols ist eine britische Tradition. Der Name dieses Gottesdienstes, der am Heiligabend in vielen Gemeinden stattfindet, verrät bereits den Ablauf: Neun Texte aus der Bibel („lessons“) werden gelesen, und dazu werden Weihnachtslieder gesungen. Welt- weit bekannt sind die Gottesdienste, die alljährlich im King's College in Cambridge gefeiert werden; sie werden seit 1928 von der BBC im Rundfunk übertragen.
In Deutschland wird dieser Brauch mittlerweile ebenfalls vielerorts aufgegriffen. So lädt auch der Neue Knabenchor Hamburg seit 2014 zum Festival of Nine Lessons and Carols; das ursprüngliche Konzept aber wurde für die Weihnachtskonzerte modifiziert: „Rufus Beck rezitiert keine biblischen oder vorrangig geistlichen Geschichten, sondern vielmehr fantasievolle Nacherzählungen der weihnachtlichen Ereignisse sowie Gedichte rund um das große Fest“, schreibt Chorleiter Jens Bauditz in seinem Geleitwort zu dieser CD. „Die Lesungen sollen Kinder wie Erwachsene einladen, sich mal heiter und mal besinnlich auf die innere Reise nach Bethlehem zu begeben. (..) Die musikalische Auswahl fand hingegen ganz im Sinne der alten englischen Tradition statt.“
Und so beginnen die jungen Sänger, ganz klassisch, mit Once in Royal David's City. Es erklingen zahlreiche bekannte Carols, von Ding! Dong! Merrily on High bis zu Away in a Manger und von The First Nowell bis hin zu O Come, All Ye Faithful. Auch das beliebte Hark! The Herald Angels Sing von Felix Mendelssohn Bartholdy, als abschließender Hymnus, darf natürlich nicht fehlen.
Zwischen die althergebrachten Sätze hat Bauditz einige neue eingefügt; Meeres Stille beispielsweise hat die Hamburger Komponistin Gloria Bruni (*1955) eigens für den Chor geschaffen. Rufus Beck liest dazu Texte von Hoffmann von Fallersleben bis James Krüss. Und wer den kleinen Nick schätzt, der kann sich über Heiligabend von Rene Goscinny freuen.
Der Neue Knabenchor Hamburg singt hörenswert – blitzsauber, wohlab- gestimmt und farbenreich. Das Ensemble profitiert davon, dass es nicht nur über Sopran und Alt verfügt, sondern auch die älteren Sänger nach dem Stimmwechsel weiter mitwirken können. Auf dieser CD erklingen immer- hin Chorsätze für bis zu achtstimmigen gemischten, dreistimmigen Knaben- und vierstimmigen Männerchor. Das ist beachtlich, und es sorgt zugleich enorm für Abwechslung. Langeweile kommt beim Anhören dieser CD jedenfalls nicht auf – obwohl es „nur“ A-cappella-Chorgesang plus Lesungen gibt. Sehr gelungen!
In Deutschland wird dieser Brauch mittlerweile ebenfalls vielerorts aufgegriffen. So lädt auch der Neue Knabenchor Hamburg seit 2014 zum Festival of Nine Lessons and Carols; das ursprüngliche Konzept aber wurde für die Weihnachtskonzerte modifiziert: „Rufus Beck rezitiert keine biblischen oder vorrangig geistlichen Geschichten, sondern vielmehr fantasievolle Nacherzählungen der weihnachtlichen Ereignisse sowie Gedichte rund um das große Fest“, schreibt Chorleiter Jens Bauditz in seinem Geleitwort zu dieser CD. „Die Lesungen sollen Kinder wie Erwachsene einladen, sich mal heiter und mal besinnlich auf die innere Reise nach Bethlehem zu begeben. (..) Die musikalische Auswahl fand hingegen ganz im Sinne der alten englischen Tradition statt.“
Und so beginnen die jungen Sänger, ganz klassisch, mit Once in Royal David's City. Es erklingen zahlreiche bekannte Carols, von Ding! Dong! Merrily on High bis zu Away in a Manger und von The First Nowell bis hin zu O Come, All Ye Faithful. Auch das beliebte Hark! The Herald Angels Sing von Felix Mendelssohn Bartholdy, als abschließender Hymnus, darf natürlich nicht fehlen.
Zwischen die althergebrachten Sätze hat Bauditz einige neue eingefügt; Meeres Stille beispielsweise hat die Hamburger Komponistin Gloria Bruni (*1955) eigens für den Chor geschaffen. Rufus Beck liest dazu Texte von Hoffmann von Fallersleben bis James Krüss. Und wer den kleinen Nick schätzt, der kann sich über Heiligabend von Rene Goscinny freuen.
Der Neue Knabenchor Hamburg singt hörenswert – blitzsauber, wohlab- gestimmt und farbenreich. Das Ensemble profitiert davon, dass es nicht nur über Sopran und Alt verfügt, sondern auch die älteren Sänger nach dem Stimmwechsel weiter mitwirken können. Auf dieser CD erklingen immer- hin Chorsätze für bis zu achtstimmigen gemischten, dreistimmigen Knaben- und vierstimmigen Männerchor. Das ist beachtlich, und es sorgt zugleich enorm für Abwechslung. Langeweile kommt beim Anhören dieser CD jedenfalls nicht auf – obwohl es „nur“ A-cappella-Chorgesang plus Lesungen gibt. Sehr gelungen!
Freitag, 23. Dezember 2016
Gott wird geboren, Mächtige erstarren vor Angst (Oehms Classics)
Dieter Oehms, der Gründer von Oehms Classics, stammt aus Manderscheid. Diese CD ist sein Geschenk an die Heimatgemeinde in der Eifel, zum 15jährigen Jubiläum des Labels im Jahre 2017 und zum 75. Geburtstag seines Gründers (der bereits in diesem Jahr gefeiert wurde). Die Kirche dort, 1945 schwer beschädigt, wurde in den 60er Jahren durch einen Neubau ersetzt. Vom Vorgängerbau blieb nur der Turm erhalten. Das neue Gebäude, entwor- fen vom Trierer Dombaumeister Karl Peter Böhr, ist durchaus spektakulär: Unter dem Altarraum befindet sich in der Krypta der Taufbrunnen, aus dem der Lebensbaum in Form einer Säule empor wächst, durch die Decke hin- durch. Seine Äste tragen den Altartisch.
Im Jahre 2015 erwarb die Pfarrgemeinde für die Lebensbaum-Kirche eine relativ große Beckerath-Orgel aus dem Jahre 1970, die zuvor ihren Platz im Kirchenmusikalischen Institut des Bistums Speyer hatte. Sie wurde durch die Hugo Mayer Orgelbau GmbH, Heusweiler/Saar, umgesetzt und ange- passt. Um dieses Projekt zu unterstützen, gehen die Verkaufserlöse dieser CD an den Orgelbau-Förderverein.
Eingespielt hat die CD der Trierer Domorganist Josef Still, Nachfolger des langjährigen Domorganisten Wolfgang Oehms. Sie sollte dem schönsten Fest des Christentums, dem Weihnachtsfest, gewidmet sein – und was könnte besser dazu passen, als Orgelmusik aus unserem Nachbarland Polen? Josef Still ist diesem Repertoire seit Jahren besonders verbunden; in seinem Programm, das er für die Aufnahmen zusammmengestellt hat, erklingen bekannte Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, Max Reger und Sigfrid Karg-Elert neben polnischen Weihnachtsliedern und Orgel- kompositionen, vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Das Lied Bóg się rodzi (Christus ist geboren), das den Status einer natio- nalen Weihnachtshymne genießt und kurzfristig sogar als Nationalhymne in Erwägung gezogen worden war, darf in keiner der traditionellen Mitter- nachtsmessen in Polen fehlen. Es erklingt daher auch auf dieser CD – und zwar in Form eines Choralvorspiels von Miecysław Surcyński (1866 bis 1924), ausgebildet in Berlin, Leipzig und Regensburg, und in späteren Jahren Professor für Orgel und Organist in Warschau. Er ist auf der CD noch mit einem weiteren Präludium zu dem Weihnachtslied Gdy się Chrystus rodzi vertreten.
Feliks Rączkowski (1906 bis 1989), Organist und Chorleiter an der War- schauer Heiligkreuzkirche sowie ein überaus erfolgreicher Orgellehrer, hat in seiner umfangreichen Weihnachtslieder-Suite Bóg się rodzi an dem Schluss gestellt. Josef Still eröffnet mit dieser Suite Kolęd sein Programm. Aus der Tabulatur des Zisterzienserklosters Oliva bei Danzig stammen zwei kurze Orgelstücke nach alten Weihnachtshymnen von Piotr Drusiński (um 1550 bis 1611). Von dem deutsch-polnischen Komponisten Jan Janca (*1933), viele Jahre Musiklehrer und Organist in Tübingen, erklingt die Meditation Maria durch ein' Dornwald ging.
Feliks Nowowiejski (1877 bis 1946) war der Sohn eines Schneiders. Das Geld war knapp, so dass er schon als Teenager eine Stelle als Geiger annahm, um zum Lebensunterhalt seiner Eltern und Geschwister beitragen zu können. Seine Studienaufenthalte, vor allem in Berlin, wo Nowowiejski seine Ausbildung zunächst am Sternschen Konservatorium und dann an der Königlichen Akademie der Künste bei Max Bruch fortsetzte, finanzierte er über Preisgelder, die er bei einer Vielzahl von Wettbewerben für seine Kompositionen erhielt.
Der Komponist, Chorleiter und Organist wirkte vor allem in Krakau, Posen und in Berlin, und war ein leidenschaftlicher und engagierter polnischer Patriot, was nicht zuletzt an der Wahl seiner Texte und Sujets erkennbar wird. Die CD endet mit seinem Stück Weihnacht in der uralten Marien- kirche zu Krakau op. 31 Nr. 3.
Josef Still ermöglicht mit seinem Programm einerseits Entdeckungen im Bereich der polnischen Orgelmusik, die hierzulande leider wenig bekannt ist. Das ist schade, denn die Werke der ausgewählten Komponisten lassen darauf schließen, dass sich Erkundungen in diesem Repertoire doch sehr lohnen. Andererseits zeigt der Trierer Domorganist mit seiner Einspielung, dass es in Manderscheid nunmehr mit der Beckerath-Mayer-Orgel ein hochwertiges Instrument gibt, das nicht nur im Gottesdienst, sondern darüber hinaus auch wunderbar in Konzerten erklingen kann. Die drei- manualige Orgel erweist sich als ein Instrument mit einem sehr eigenen Klangcharakter, wie geschaffen für die Eifel mit ihrem herben Charme. Wer auch immer die Entscheidung getroffen hat, sie nach Manderscheid zu holen – es war ein Glücksgriff.
Im Jahre 2015 erwarb die Pfarrgemeinde für die Lebensbaum-Kirche eine relativ große Beckerath-Orgel aus dem Jahre 1970, die zuvor ihren Platz im Kirchenmusikalischen Institut des Bistums Speyer hatte. Sie wurde durch die Hugo Mayer Orgelbau GmbH, Heusweiler/Saar, umgesetzt und ange- passt. Um dieses Projekt zu unterstützen, gehen die Verkaufserlöse dieser CD an den Orgelbau-Förderverein.
Eingespielt hat die CD der Trierer Domorganist Josef Still, Nachfolger des langjährigen Domorganisten Wolfgang Oehms. Sie sollte dem schönsten Fest des Christentums, dem Weihnachtsfest, gewidmet sein – und was könnte besser dazu passen, als Orgelmusik aus unserem Nachbarland Polen? Josef Still ist diesem Repertoire seit Jahren besonders verbunden; in seinem Programm, das er für die Aufnahmen zusammmengestellt hat, erklingen bekannte Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, Max Reger und Sigfrid Karg-Elert neben polnischen Weihnachtsliedern und Orgel- kompositionen, vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Das Lied Bóg się rodzi (Christus ist geboren), das den Status einer natio- nalen Weihnachtshymne genießt und kurzfristig sogar als Nationalhymne in Erwägung gezogen worden war, darf in keiner der traditionellen Mitter- nachtsmessen in Polen fehlen. Es erklingt daher auch auf dieser CD – und zwar in Form eines Choralvorspiels von Miecysław Surcyński (1866 bis 1924), ausgebildet in Berlin, Leipzig und Regensburg, und in späteren Jahren Professor für Orgel und Organist in Warschau. Er ist auf der CD noch mit einem weiteren Präludium zu dem Weihnachtslied Gdy się Chrystus rodzi vertreten.
Feliks Rączkowski (1906 bis 1989), Organist und Chorleiter an der War- schauer Heiligkreuzkirche sowie ein überaus erfolgreicher Orgellehrer, hat in seiner umfangreichen Weihnachtslieder-Suite Bóg się rodzi an dem Schluss gestellt. Josef Still eröffnet mit dieser Suite Kolęd sein Programm. Aus der Tabulatur des Zisterzienserklosters Oliva bei Danzig stammen zwei kurze Orgelstücke nach alten Weihnachtshymnen von Piotr Drusiński (um 1550 bis 1611). Von dem deutsch-polnischen Komponisten Jan Janca (*1933), viele Jahre Musiklehrer und Organist in Tübingen, erklingt die Meditation Maria durch ein' Dornwald ging.
Feliks Nowowiejski (1877 bis 1946) war der Sohn eines Schneiders. Das Geld war knapp, so dass er schon als Teenager eine Stelle als Geiger annahm, um zum Lebensunterhalt seiner Eltern und Geschwister beitragen zu können. Seine Studienaufenthalte, vor allem in Berlin, wo Nowowiejski seine Ausbildung zunächst am Sternschen Konservatorium und dann an der Königlichen Akademie der Künste bei Max Bruch fortsetzte, finanzierte er über Preisgelder, die er bei einer Vielzahl von Wettbewerben für seine Kompositionen erhielt.
Der Komponist, Chorleiter und Organist wirkte vor allem in Krakau, Posen und in Berlin, und war ein leidenschaftlicher und engagierter polnischer Patriot, was nicht zuletzt an der Wahl seiner Texte und Sujets erkennbar wird. Die CD endet mit seinem Stück Weihnacht in der uralten Marien- kirche zu Krakau op. 31 Nr. 3.
Josef Still ermöglicht mit seinem Programm einerseits Entdeckungen im Bereich der polnischen Orgelmusik, die hierzulande leider wenig bekannt ist. Das ist schade, denn die Werke der ausgewählten Komponisten lassen darauf schließen, dass sich Erkundungen in diesem Repertoire doch sehr lohnen. Andererseits zeigt der Trierer Domorganist mit seiner Einspielung, dass es in Manderscheid nunmehr mit der Beckerath-Mayer-Orgel ein hochwertiges Instrument gibt, das nicht nur im Gottesdienst, sondern darüber hinaus auch wunderbar in Konzerten erklingen kann. Die drei- manualige Orgel erweist sich als ein Instrument mit einem sehr eigenen Klangcharakter, wie geschaffen für die Eifel mit ihrem herben Charme. Wer auch immer die Entscheidung getroffen hat, sie nach Manderscheid zu holen – es war ein Glücksgriff.
Mittwoch, 21. Dezember 2016
Bach: Christmas Oratorio (Linn)
Der Eingangschor des Weihnachts- oratoriums von Johann Sebastian Bach, mit Pauken und Trompeten, wird typischerweise von einem großen Chor gesungen. Kantoreien landauf, landab üben lange daran, vor allem auch an den Koloraturen. „Jauchzet, frohlocket?“ – naja, letztendlich ist der Zuhörer oftmals froh, wenn die Massen ohne größere Verluste an musikalischer Substanz über die gesangstechnischen Klippen gelangt sind, die Bach da aufgetürmt hat.
John Butt hat Bachs originale Noten sorgsam studiert, und dann beschlossen, das Weihnachtsoratorium mit seinem Dunedin Consort gänzlich anders aufzuführen: Auf dieser CD wird alles von Solisten gesungen. „First, I have assumed a corpus of eight ,expert' singers who shared out the unusually protracted task of singing six cantatas over the short period between Christmas and Epiphany“, erläutert Butt im Beiheft. „Therefore, ohne group of four sings three oft the parts (Parts 1, 3 and 6) and the other group remainder (Parts 2, 4 and 5). For the three parts with trumpets (Parts 1, 3 and 6) I have added ripie- nists to the choruses and chorales (sometimes differentiating between tutti and solo when the texture seems to call for it, just as Bach seems to have done when he provided ripieno parts).“
Ebenso differenziert gestaltet Butt auch die Tempi; so geht er in den Ein- gangschor längst nicht so rasant wie viele seiner Kollegen – was aber den Sängern erlaubt, Bachs Verzierungen wirklich auszusingen. Das Solisten- quartett ist in den Chören, auch in denen ohne Ripienisten, sehr präsent und gut über das Orchester hinweg zu hören, das von John Butt vom Cembalo aus geleitet wird. Die schlanke Besetzung hat hier große Vorzüge – so transparent jedenfalls habe ich die Chöre noch nie gehört. Die Auf- nahme zeichnet sich generell aus durch ein heiter-beschwingtes Musizie- ren, das aber nie plump und oberflächlich wird. Sehr gut ausbalanciert, wohldurchdacht, und insgesamt sehr hörenswert!
John Butt hat Bachs originale Noten sorgsam studiert, und dann beschlossen, das Weihnachtsoratorium mit seinem Dunedin Consort gänzlich anders aufzuführen: Auf dieser CD wird alles von Solisten gesungen. „First, I have assumed a corpus of eight ,expert' singers who shared out the unusually protracted task of singing six cantatas over the short period between Christmas and Epiphany“, erläutert Butt im Beiheft. „Therefore, ohne group of four sings three oft the parts (Parts 1, 3 and 6) and the other group remainder (Parts 2, 4 and 5). For the three parts with trumpets (Parts 1, 3 and 6) I have added ripie- nists to the choruses and chorales (sometimes differentiating between tutti and solo when the texture seems to call for it, just as Bach seems to have done when he provided ripieno parts).“
Ebenso differenziert gestaltet Butt auch die Tempi; so geht er in den Ein- gangschor längst nicht so rasant wie viele seiner Kollegen – was aber den Sängern erlaubt, Bachs Verzierungen wirklich auszusingen. Das Solisten- quartett ist in den Chören, auch in denen ohne Ripienisten, sehr präsent und gut über das Orchester hinweg zu hören, das von John Butt vom Cembalo aus geleitet wird. Die schlanke Besetzung hat hier große Vorzüge – so transparent jedenfalls habe ich die Chöre noch nie gehört. Die Auf- nahme zeichnet sich generell aus durch ein heiter-beschwingtes Musizie- ren, das aber nie plump und oberflächlich wird. Sehr gut ausbalanciert, wohldurchdacht, und insgesamt sehr hörenswert!
Jauchze du Tochter Zion. Homilius - Stölzel - Rolle: Christmas Cantatas (cpo)
Musikwissenschaftler waren einst der Meinung, in der Zeit nach Bach sei es zu einem Verfall der Kirchenmusik gekommen. Michael Alexander Willens macht mit dieser CD deutlich, dass es sich bei diesem Diktum um ein Vorurteil handelt. Fünf Kantaten sind hier in Ersteinspielung zu hören – und jede von ihnen überzeugt. Ausgewählt wurden Werke der Bach-Zeitgenossen Christoph Förster (1693 bis 1745) und Gottfried Heinrich Stölzel (1690 bis 1749) sowie Kanta- ten der nachfolgenden Generation, sie stammen von Gottfried August Homilius (1714 bis 1785) und Johann Heinrich Rolle (1716 bis 1785). Entstanden sind sie für den Gebrauch im evangelischen Gottesdienst; auch ihre Struktur ist jeweils ähnlich: Auf einen üppigen Eingangschor folgen abwechselnd Rezitative und Arien, und zum Schluss erklingt eine Choral- strophe.
Überaus prächtig beginnt die CD mit Kreuzkantor Homilius' Erhöhet die Tore der Welt, besetzt sogar mit drei Trompeten nebst Pauken – eine beeindruckende Huldigung an den kommenden Herrscher der Erden, die mit einer deutschen Nachdichtung des Te Deum endet. Die Kantate Künd- lich groß ist das gottselige Geheimnis von dem Gothaer Hofkapellmeister Gottfried Heinrich Stölzel hingegen ist für den dritten Weihnachtstag bestimmt und daher kunstvoll mit kammermusikalischen Mitteln gestaltet, sie weicht auch in ihrer Struktur vom oben beschriebenen Schema ab: Auf Rezitative wird verzichtet, dafür erklingt zwischen den beiden Arien, die das Geheimnis und seine Auswirkungen beschreiben, eine zusätzliche Choralstrophe.
Christoph Förster, zunächst Kammermusiker und Konzertmeister in Merseburg, nach dem Tode seines Dienstherrn dann ab 1743 Vize-Kapellmeister ohne feste Besoldung in Rudolstadt, setzt für seine Kantate Ehre sei Gott in der Höhe ganz auf festlichen Glanz. Pauken und Trompe- ten erklingen in den Chören, und in der zentralen Arie wetteifert der Sopran in Koloraturen mit einer konzertierenden Traversflöte.
Gleich mit zwei Kantaten vertreten ist Johann Heinrich Rolle, Musikdirek- tor in Magdeburg. Wer sich für Details der Biographien aller vier Musiker interessiert, der kann sie hier im Blog an anderer Stelle finden – am ein- fachsten übrigens durch Klicken auf den jeweiligen Namen unten bei den Labels. Einmal mehr fragt man sich beim Anhören dieser stimmungsvollen Musik, wie es sein kann, dass Rolle und sein Schaffen derart in Vergessen- heit geraten konnten. In seiner Weihnachtskantate Siehe, Finsternis bedecket das Erdreich stellt er eindrucksvoll – auch klanglich – die dunk- len Mächte der Hölle und das strahlende Licht der Gnade Gottes einander gegenüber. In Jauchze, du Tochter Zion hingegen steht der Weihnachts- jubel im Mittelpunkt. Mit dem exzellenten Vokalisten-Doppelquartett, ergänzt durch den Tenor Georg Poplutz, und den ebenfalls exquisiten Instrumentalisten der Kölner Akademie hat Willens einmal mehr die Raritätenkollektion des Labels cpo um eine wertvolle Einspielung berei- chert. Grandios!
Überaus prächtig beginnt die CD mit Kreuzkantor Homilius' Erhöhet die Tore der Welt, besetzt sogar mit drei Trompeten nebst Pauken – eine beeindruckende Huldigung an den kommenden Herrscher der Erden, die mit einer deutschen Nachdichtung des Te Deum endet. Die Kantate Künd- lich groß ist das gottselige Geheimnis von dem Gothaer Hofkapellmeister Gottfried Heinrich Stölzel hingegen ist für den dritten Weihnachtstag bestimmt und daher kunstvoll mit kammermusikalischen Mitteln gestaltet, sie weicht auch in ihrer Struktur vom oben beschriebenen Schema ab: Auf Rezitative wird verzichtet, dafür erklingt zwischen den beiden Arien, die das Geheimnis und seine Auswirkungen beschreiben, eine zusätzliche Choralstrophe.
Christoph Förster, zunächst Kammermusiker und Konzertmeister in Merseburg, nach dem Tode seines Dienstherrn dann ab 1743 Vize-Kapellmeister ohne feste Besoldung in Rudolstadt, setzt für seine Kantate Ehre sei Gott in der Höhe ganz auf festlichen Glanz. Pauken und Trompe- ten erklingen in den Chören, und in der zentralen Arie wetteifert der Sopran in Koloraturen mit einer konzertierenden Traversflöte.
Gleich mit zwei Kantaten vertreten ist Johann Heinrich Rolle, Musikdirek- tor in Magdeburg. Wer sich für Details der Biographien aller vier Musiker interessiert, der kann sie hier im Blog an anderer Stelle finden – am ein- fachsten übrigens durch Klicken auf den jeweiligen Namen unten bei den Labels. Einmal mehr fragt man sich beim Anhören dieser stimmungsvollen Musik, wie es sein kann, dass Rolle und sein Schaffen derart in Vergessen- heit geraten konnten. In seiner Weihnachtskantate Siehe, Finsternis bedecket das Erdreich stellt er eindrucksvoll – auch klanglich – die dunk- len Mächte der Hölle und das strahlende Licht der Gnade Gottes einander gegenüber. In Jauchze, du Tochter Zion hingegen steht der Weihnachts- jubel im Mittelpunkt. Mit dem exzellenten Vokalisten-Doppelquartett, ergänzt durch den Tenor Georg Poplutz, und den ebenfalls exquisiten Instrumentalisten der Kölner Akademie hat Willens einmal mehr die Raritätenkollektion des Labels cpo um eine wertvolle Einspielung berei- chert. Grandios!
Dienstag, 20. Dezember 2016
Schütz: Weihnachtshistorie (Christophorus)
Weihnachten 1660 erklang in der Hofkirche des sächsischen Kurfürsten Musik, wie sie noch nie gehört worden war: Die Hofkapelle führte zum ersten Mal Die Geburth Christi, in stilo recitativo auf. Man könnte dieses Werk durchaus als das früheste deutsche protestantische Oratorium überhaupt betrachten. Heinrich Schütz (1585 bis 1672) hatte den biblischen Text, speziell Verse aus den Evangelien nach Matthäus (Kapitel 2, 1-23) und Lukas (Kapitel 2, 1-11), in Musik gesetzt, und sich dazu der verschiedensten Formen bedient, vom Rezitativ des Evangelisten, wie wir es heute noch beispiels- weise vom Weihnachtsoratorium kennen, über den Gesang des Engels, der den Hirten erscheint und ihnen große Freude verkündet, was man beinahe als geistliches Konzert zu bezeichnen geneigt ist, bis hin zum prachtvollen Chor der Engel oder zum Terzett der Weisen aus dem Morgenlande – ein geradezu mustergültiger Turba-Chor.
Schütz überarbeitete sein Werk mehrfach, bis 1664 schließlich die Historia der Freuden- und Gnadenreichen Geburth Gottes und Marien Sohnes, Jesu Christi, unsers Einigen Mitlers, Erlösers und Seeligmachers in jener Form fertiggestellt war, die wir heute kennen; 1671 erfolgten dann noch einige Revisionen. Diese Musik ist im übrigen ein gutes Beispiel dafür, dass Menschen auch im hohen Alter durchaus noch etwas gänzlich Neues erschaffen können; Kreativität ist eben kein Privileg der Jugend.
Schütz' Weihnachtshistorie war ein großer Erfolg; alle wollten diese uner- hörte Musik anhören – und aufführen. Sie hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt, und steht im Mittelpunkt dieser CD mit dem Choeur de Chambre de Namur und dem Instrumentalensemble Le Fenice unter Jean Tubéry. Die beiden umfangreichsten Partien, der Evangelist und der Engel, werden von Tenor Hans-Jörg Mammel und Sopranistin Claire Lefilliâtre gesungen; sie sind auch in den anderen Stücken zu hören – Mach dich auf, werde Licht, Zion aus den Opella Nova II von Johann Hermann Schein, Gegrüsset seist Du, Holdselige! von Matthias Weck- mann sowie Magnificat und Hodie Christus in der Vertonung durch Heinrich Schütz.
Mich begeistert die Aufnahme allerdings nicht wirklich. Wenn Schütz und seine Zeitgenossen für Sänger komponierten, steht der Text immer absolut im Vordergrund. Die Musik dient dazu, das Wort auszulegen. Hört man diese CD, werden die Sänger leider von Instrumentalklängen regelrecht zugedeckt, was ich sehr bedauerlich finde. Es mag noch so hinreißend musiziert sein – aber eine solche Interpretation geht am Wesen dieser Musik vorbei. Schade.
Schütz überarbeitete sein Werk mehrfach, bis 1664 schließlich die Historia der Freuden- und Gnadenreichen Geburth Gottes und Marien Sohnes, Jesu Christi, unsers Einigen Mitlers, Erlösers und Seeligmachers in jener Form fertiggestellt war, die wir heute kennen; 1671 erfolgten dann noch einige Revisionen. Diese Musik ist im übrigen ein gutes Beispiel dafür, dass Menschen auch im hohen Alter durchaus noch etwas gänzlich Neues erschaffen können; Kreativität ist eben kein Privileg der Jugend.
Schütz' Weihnachtshistorie war ein großer Erfolg; alle wollten diese uner- hörte Musik anhören – und aufführen. Sie hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt, und steht im Mittelpunkt dieser CD mit dem Choeur de Chambre de Namur und dem Instrumentalensemble Le Fenice unter Jean Tubéry. Die beiden umfangreichsten Partien, der Evangelist und der Engel, werden von Tenor Hans-Jörg Mammel und Sopranistin Claire Lefilliâtre gesungen; sie sind auch in den anderen Stücken zu hören – Mach dich auf, werde Licht, Zion aus den Opella Nova II von Johann Hermann Schein, Gegrüsset seist Du, Holdselige! von Matthias Weck- mann sowie Magnificat und Hodie Christus in der Vertonung durch Heinrich Schütz.
Mich begeistert die Aufnahme allerdings nicht wirklich. Wenn Schütz und seine Zeitgenossen für Sänger komponierten, steht der Text immer absolut im Vordergrund. Die Musik dient dazu, das Wort auszulegen. Hört man diese CD, werden die Sänger leider von Instrumentalklängen regelrecht zugedeckt, was ich sehr bedauerlich finde. Es mag noch so hinreißend musiziert sein – aber eine solche Interpretation geht am Wesen dieser Musik vorbei. Schade.
Christmas Bells - The Children's Choir of the Bolshoi Theatre (Melodija)
Die Weihnachtsglocken lässt der Kinderchor des Bolschoi-Theaters erschallen. Dieses Ensemble wurde 1920 gegründet, und wirkt seitdem an den Produktionen des berühmten Hauses mit. Die Kinder und Jugend- lichen erhalten dort zudem eine Ausbildung, die ihnen den Zugang zu den besten Musikhochschulen eröff- net; etliche Opernsänger sind bereits aus diesem Chor hervorgegangen.
Seit 2004 wird das Ensemble von Julia Moltschanowa geleitet. Der Kinderchor ist derzeit nicht nur an Theateraufführungen beteiligt, er gibt auch eine Vielzahl von Konzerten in namhaften Konzertsälen Russlands und im Ausland. So hat der Kinder- chor des Bolschoi-Theaters bereits erfolgreich in Japan gesungen, in Südkorea, in Italien, in Deutschland und in einigen anderen Ländern.
Auf dieser CD ist überwiegend weihnachtliche Musik zu hören. Sie beginnt mit einer gelungenen Interpretation der A Ceremony of Carols op. 28 von Benjamin Britten. International bleibt das Programm, das von César Francks Panis Angelicus über das Halleluja aus Mozarts Motette Exsulate, jubilate KV 165 bis hin zu Franz Xaver Grubers Stille Nacht, heilige Nacht reicht. Russische Lieder sind leider nicht zu hören, und manches klingt ein wenig sehr brav; aber die Mädchen und Jungen können mit einem schö- nen, homogenen Chorklang aufwarten – und mit etlichen zauberhaften Soli.
Seit 2004 wird das Ensemble von Julia Moltschanowa geleitet. Der Kinderchor ist derzeit nicht nur an Theateraufführungen beteiligt, er gibt auch eine Vielzahl von Konzerten in namhaften Konzertsälen Russlands und im Ausland. So hat der Kinder- chor des Bolschoi-Theaters bereits erfolgreich in Japan gesungen, in Südkorea, in Italien, in Deutschland und in einigen anderen Ländern.
Auf dieser CD ist überwiegend weihnachtliche Musik zu hören. Sie beginnt mit einer gelungenen Interpretation der A Ceremony of Carols op. 28 von Benjamin Britten. International bleibt das Programm, das von César Francks Panis Angelicus über das Halleluja aus Mozarts Motette Exsulate, jubilate KV 165 bis hin zu Franz Xaver Grubers Stille Nacht, heilige Nacht reicht. Russische Lieder sind leider nicht zu hören, und manches klingt ein wenig sehr brav; aber die Mädchen und Jungen können mit einem schö- nen, homogenen Chorklang aufwarten – und mit etlichen zauberhaften Soli.
Edition Carl Philipp Emanuel Bach (Hänssler Classic)
Eine enorme Box mit Musik von Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) legt Hänssler Classic all jenen auf den Gabentisch, die nicht dem Irrtum verfallen sind, es habe zwischen Johann Sebastian Bach und der Wiener Klassik im deutsch- sprachigen Raum eigentlich keine Musik gegeben, die man kennen müsste.
Carl Philipp Emanuel Bach war der zweite überlebende Sohn von Johann Sebastian Bach. „In der Komposition und im Clavierspielen habe ich nie einen anderen Lehrmeister gehabt als meinen Vater“, soll „CPE“ später berichtet haben. Es war offensichtlich eine gute Schule; schon 1738 engagierte Kronprinz Friedrich von Preußen den Musiker. Viele Jahre lang begleitete der „Berliner Bach“ dann als Erster Cembalist den König beim Flötenspiel. Das war nicht immer eine Idylle, wie sie das berühmte Gemälde vom Hofkonzert in Sanssouci ver- muten lässt. Erinnert sei nur daran, dass in diesen Zeitraum auch der Sie- benjährigen Krieg fällt, mit verheerenden Auswirkungen.
Als 1767 Taufpate Georg Philipp Telemann starb, wurde Carl Philipp Emanuel Bach sein Nachfolger als städtischer Musikdirektor und Kantor am Johanneum in Hamburg. Dort hatte er eine Vielzahl von Aufführungen in allen fünf Hauptkirchen zu leiten, er komponierte die erforderliche, überwiegend geistliche, Musik und vernachlässigte darüber zugleich das Konzertieren nicht. Er hatte einen exquisiten Freundeskreis und pflegte eine umfangreiche Korrespondenz; in seinem gastfreundlichen Hause gingen nicht nur Musikerkollegen gern aus und ein. Letztendlich war der „Hamburger“ Bach zu Lebzeiten um vieles berühmter als sein Vater.
Die Nachwelt freilich flicht auch dem Musiker keine Kränze. Und während in Berlin dank Felix Mendelssohn Bartholdy Bachs Matthäuspassion „wiederentdeckt“ und bejubelt wurde, geriet das Werk von Carl Philipp Emanuel Bach in Vergessenheit. Und es dauerte lange, bis er wieder geschätzt und geehrt wurde.
Noch Beethoven meinte respektvoll: „Von Emanuel Bachs Klaviersachen habe ich nur einige Sachen, und doch müssen einige jedem wahren Künst- ler gewiss nicht allein zum hohen Genuss, sondern auch zum Studium dienen.“ Doch bis heute existiert keine vollständige Notenedition. Auf CD sind in den letzten Jahren aber immer breitere Ausschnitte des Schaffens von Carl Philipp Emanuel Bach zugänglich geworden. Sein umfangreiches Werk umfasst nahezu alle Gattungen; am häufigsten allerdings kompo- nierte er für das „Clavier“, unter welchem Begriff seinerzeit sämtliche Tasteninstrumente, vom flüsterleisen Clavichord bis hin zur Orgel, zusam- mengefasst wurden.
Die vorliegende Box bietet auf 54 CD die bislang umfassendste Kollektion von Musik des großen Meisters der Empfindsamkeit. Auf 26 CD finden sich Werke für das Clavier, durchweg in Aufnahmen mit Ana-Marija Markino- va. Klavierkonzerte sind auf weiteren vier CD in den exzellenten Einspie- lungen mit Michael Rische zu hören; die Cembalokonzerte sowie ein Teil der Sinfonien mit Ludger Rémy und seinem Ensemble Les Amis de Philippe sowie mit Florian Birsak und der Camerata Salzburg unter Roger Norring- ton. Die Hamburger Sinfonien hat das Stuttgarter Kammerorchester unter Wolfram Christ eingespielt. Die Cello-Konzerte sind in der Aufnahme mit Julian Steckel und dem Stuttgarter Kammerorchester vertreten, die Oboenkonzerte mit József Kiss und dem Ferenc Erkel Chamber Orchestra. Die Flötenkonzerte spielt Patrick Gallois mit der Toronto Camerata, die Flötensonaten Dorothea Seel mit Christoph Hammer am Fortepiano. Kammermusik mit Traversflöte gibt es zudem in einer Aufnahme mit dem Collegium Pro Musica. Sonaten für Cembalo und Violine haben Roberto Loreggian und Federico Guglielmo eingespielt. In das Orgelwerk teilen sich Friedemann Johannes Wieland und Luca Scandali.
Die Quartalsmusiken sowie Hamburgische Festmusiken – geschaffen anlässlich der Amtseinführung zweier Pastoren – erklingen mit der Himlischen Cantorey und Les Amis de Philippe unter Leitung von Ludger Rémy. Das Magnificat ist in einer Einspielung mit Arleen Augér, Helen Watts, Kurt Equiluz, Wolfgang Schöne sowie der Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium Stuttgart unter Helmuth Rilling zu hören.
Die Aufzählung ist, im Bereich der Instrumentalmusik, damit noch nicht ganz vollständig; es wird aber deutlich, welche Schätze hier gehoben worden sind. Wer sich einen ersten Überblick über das Werk Carl Philipp Emanuel Bachs verschaffen will, der kann dies mit der Box ganz hervor- ragend – und auch der Kenner findet so manche Rarität. Sehr lohnend!
Carl Philipp Emanuel Bach war der zweite überlebende Sohn von Johann Sebastian Bach. „In der Komposition und im Clavierspielen habe ich nie einen anderen Lehrmeister gehabt als meinen Vater“, soll „CPE“ später berichtet haben. Es war offensichtlich eine gute Schule; schon 1738 engagierte Kronprinz Friedrich von Preußen den Musiker. Viele Jahre lang begleitete der „Berliner Bach“ dann als Erster Cembalist den König beim Flötenspiel. Das war nicht immer eine Idylle, wie sie das berühmte Gemälde vom Hofkonzert in Sanssouci ver- muten lässt. Erinnert sei nur daran, dass in diesen Zeitraum auch der Sie- benjährigen Krieg fällt, mit verheerenden Auswirkungen.
Als 1767 Taufpate Georg Philipp Telemann starb, wurde Carl Philipp Emanuel Bach sein Nachfolger als städtischer Musikdirektor und Kantor am Johanneum in Hamburg. Dort hatte er eine Vielzahl von Aufführungen in allen fünf Hauptkirchen zu leiten, er komponierte die erforderliche, überwiegend geistliche, Musik und vernachlässigte darüber zugleich das Konzertieren nicht. Er hatte einen exquisiten Freundeskreis und pflegte eine umfangreiche Korrespondenz; in seinem gastfreundlichen Hause gingen nicht nur Musikerkollegen gern aus und ein. Letztendlich war der „Hamburger“ Bach zu Lebzeiten um vieles berühmter als sein Vater.
Die Nachwelt freilich flicht auch dem Musiker keine Kränze. Und während in Berlin dank Felix Mendelssohn Bartholdy Bachs Matthäuspassion „wiederentdeckt“ und bejubelt wurde, geriet das Werk von Carl Philipp Emanuel Bach in Vergessenheit. Und es dauerte lange, bis er wieder geschätzt und geehrt wurde.
Noch Beethoven meinte respektvoll: „Von Emanuel Bachs Klaviersachen habe ich nur einige Sachen, und doch müssen einige jedem wahren Künst- ler gewiss nicht allein zum hohen Genuss, sondern auch zum Studium dienen.“ Doch bis heute existiert keine vollständige Notenedition. Auf CD sind in den letzten Jahren aber immer breitere Ausschnitte des Schaffens von Carl Philipp Emanuel Bach zugänglich geworden. Sein umfangreiches Werk umfasst nahezu alle Gattungen; am häufigsten allerdings kompo- nierte er für das „Clavier“, unter welchem Begriff seinerzeit sämtliche Tasteninstrumente, vom flüsterleisen Clavichord bis hin zur Orgel, zusam- mengefasst wurden.
Die vorliegende Box bietet auf 54 CD die bislang umfassendste Kollektion von Musik des großen Meisters der Empfindsamkeit. Auf 26 CD finden sich Werke für das Clavier, durchweg in Aufnahmen mit Ana-Marija Markino- va. Klavierkonzerte sind auf weiteren vier CD in den exzellenten Einspie- lungen mit Michael Rische zu hören; die Cembalokonzerte sowie ein Teil der Sinfonien mit Ludger Rémy und seinem Ensemble Les Amis de Philippe sowie mit Florian Birsak und der Camerata Salzburg unter Roger Norring- ton. Die Hamburger Sinfonien hat das Stuttgarter Kammerorchester unter Wolfram Christ eingespielt. Die Cello-Konzerte sind in der Aufnahme mit Julian Steckel und dem Stuttgarter Kammerorchester vertreten, die Oboenkonzerte mit József Kiss und dem Ferenc Erkel Chamber Orchestra. Die Flötenkonzerte spielt Patrick Gallois mit der Toronto Camerata, die Flötensonaten Dorothea Seel mit Christoph Hammer am Fortepiano. Kammermusik mit Traversflöte gibt es zudem in einer Aufnahme mit dem Collegium Pro Musica. Sonaten für Cembalo und Violine haben Roberto Loreggian und Federico Guglielmo eingespielt. In das Orgelwerk teilen sich Friedemann Johannes Wieland und Luca Scandali.
Die Quartalsmusiken sowie Hamburgische Festmusiken – geschaffen anlässlich der Amtseinführung zweier Pastoren – erklingen mit der Himlischen Cantorey und Les Amis de Philippe unter Leitung von Ludger Rémy. Das Magnificat ist in einer Einspielung mit Arleen Augér, Helen Watts, Kurt Equiluz, Wolfgang Schöne sowie der Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium Stuttgart unter Helmuth Rilling zu hören.
Die Aufzählung ist, im Bereich der Instrumentalmusik, damit noch nicht ganz vollständig; es wird aber deutlich, welche Schätze hier gehoben worden sind. Wer sich einen ersten Überblick über das Werk Carl Philipp Emanuel Bachs verschaffen will, der kann dies mit der Box ganz hervor- ragend – und auch der Kenner findet so manche Rarität. Sehr lohnend!
Sonntag, 18. Dezember 2016
Christmas - The Singers Unlimited (MPS)
Und noch eine zauberhafte Weih- nachts-CD beschert uns das Label MPS. Dort ist 1972 das Christmas-Album der Singers Unlimited er- schienen. Bonnie Herman, Sopran, Don Shelton, Tenor, Eugene "Gene" Puerling, Bariton und Len Dresslar, Bass, singen bekannte und neue Weihnachtslieder – etliche davon in den unverwechselbaren Chorsätzen von Gene Puerling. Sieben Original- kompositionen des Albums stammen zudem von dem Trompeter Alfred Burt. Sie waren ursprünglich als klingende Weihnachtskarten für Freunde und Familie gedacht, zu denen Burts Vater, ein Episkopal-Priester, Texte dichtete; doch mit der Zeit wur- den daraus eigenständige Klassiker.
Das A-cappella-Quartett wechselt locker zwischen dem traditionellen festlichen Stil und vom Jazz beeinflussten modernen Klängen. Clevere harmonische Wendungen lassen uns auch altbekanntes, wie Silent Night, neu hören. Obwohl das Album mittlerweile ein paar Jahre alt ist, klingt alles noch erstaunlich frisch und wirkt kein bisschen angestaubt.
Das A-cappella-Quartett wechselt locker zwischen dem traditionellen festlichen Stil und vom Jazz beeinflussten modernen Klängen. Clevere harmonische Wendungen lassen uns auch altbekanntes, wie Silent Night, neu hören. Obwohl das Album mittlerweile ein paar Jahre alt ist, klingt alles noch erstaunlich frisch und wirkt kein bisschen angestaubt.
Samstag, 17. Dezember 2016
Zelenka: Lamentationes Jeremiae Prophetae (Supraphon)
Zwischen all die weihnachtlichen Pretiosen will ich an dieser Stelle eine CD einfügen, die im Jahreslauf eigentlich an eine ganz andere Stelle gehört – in die Woche vor dem Osterfest nämlich: Die Lamenta- tiones Jeremiae Prophetae ZWV 53 gehören zu den frühesten Kompo- sitionen von Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745). Ich fand diese Aufnahme so gelungen, dass ich die CD aber nicht bis ins Frühjahr liegen lassen wollte.
Entstanden sind diese Werke für Gottesdienste am Dresdner Hof während der Karwoche. Ihren Platz haben die Klagelieder des Propheten Jeremias in der Matutin am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag; am Dresdener Hof wurden die Karmetten offensichtlich jeweils am Vor- abend gehalten.
Zelenka hat seine Vertonungen augenscheinlich nicht vollendet; die dritte Lesung wird daher auf dieser CD als gregorianischer Gesang vorgetragen. Die beiden ersten allerdings sind beeindruckend. Sie verbinden geistliche Kontemplation und emotionale Dramatik, Eindringlichkeit und Abwechs- lung. An den beiden ersten Tagen wechseln sich Alt, Tenor und Bass in den Soloparts ab, begleitet von Oboen, Streichern und Continuo. Am dritten Tage aber setzt der Komponist in der ersten Lamentatio zwei Flöten und zwei Violoncelli, in der zweiten Solovioline, Chalumeau und Fagott ein – und die Tonarten wechseln vom Moll ins Dur: Christus liegt bereits im Grabe, der entrückte Klang von Flöten und Chalumeau symbolisiert Klage und Tod. Die eigentlichen Verse werden als Rezitativ vorgetragen; kunst- voll gestaltet sind aber die Sätze, die den vorangehenden hebräischen Buchstaben ausrufen, sowie der abschließende Ruf Jerusalem convertere.
Jana Semerádová hat die Lamentationes mit ihrem Ensemble Collegium Marianum geradezu mustergültig eingespielt. Als Solisten zu hören sind Damien Guillon, Alt, Daniel Johannsen, Tenor, und Tomáš Král, Bass.
Entstanden sind diese Werke für Gottesdienste am Dresdner Hof während der Karwoche. Ihren Platz haben die Klagelieder des Propheten Jeremias in der Matutin am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag; am Dresdener Hof wurden die Karmetten offensichtlich jeweils am Vor- abend gehalten.
Zelenka hat seine Vertonungen augenscheinlich nicht vollendet; die dritte Lesung wird daher auf dieser CD als gregorianischer Gesang vorgetragen. Die beiden ersten allerdings sind beeindruckend. Sie verbinden geistliche Kontemplation und emotionale Dramatik, Eindringlichkeit und Abwechs- lung. An den beiden ersten Tagen wechseln sich Alt, Tenor und Bass in den Soloparts ab, begleitet von Oboen, Streichern und Continuo. Am dritten Tage aber setzt der Komponist in der ersten Lamentatio zwei Flöten und zwei Violoncelli, in der zweiten Solovioline, Chalumeau und Fagott ein – und die Tonarten wechseln vom Moll ins Dur: Christus liegt bereits im Grabe, der entrückte Klang von Flöten und Chalumeau symbolisiert Klage und Tod. Die eigentlichen Verse werden als Rezitativ vorgetragen; kunst- voll gestaltet sind aber die Sätze, die den vorangehenden hebräischen Buchstaben ausrufen, sowie der abschließende Ruf Jerusalem convertere.
Jana Semerádová hat die Lamentationes mit ihrem Ensemble Collegium Marianum geradezu mustergültig eingespielt. Als Solisten zu hören sind Damien Guillon, Alt, Daniel Johannsen, Tenor, und Tomáš Král, Bass.
Tchaikovsky: Ballet Suites for Piano Duo (Pentatone)
„One evening after a beautiful dinner, a good friend of ours with a love for rare and obscure music, handed us Arensky's arrangement of Tchaikovsky's Nutcracker to play as a piano duet“, berichten Mari und Momo Kodama im Beiheft zu dieser CD. „There and then, we sight-read it over a glass of wine all in the name of fun. The scores turned out to be such wonderful music that we decided to play it in our concerts, and that was a great success! Following that, we looked up on more arrangements made by other famous composers, such as Debussy ans Rachmaninov, of Tchaikovsky's ballets, that a friend had told us about.“
Letzten Endes ist daraus dann dieses Album entstanden. Die beiden Schwestern lieben Tschaikowskis Ballettmusiken, vor allem Nussknacker, seit ihrer Kindheit. „We practically grew up with the Nutcracker“, er- innern sich die Pianistinnen. „We were about three or four years old when our music teacher gave us a recording – our first recording of Nutcracker which we played at the time.“ Diese Liebe ist offenbar immer noch sehr lebendig, und prägt das Spiel der beiden Klaviervirtuosinnen. Die Nuss- knacker-Suite, die hier in der Version von Anton Stepanowitsch Arenski (1861 bis 1906) zu hören ist, erklingt äußerst sorgsam ausgearbeitet, und mit einem hinreißenden Farbenreichtum – es ist wirklich eine Pracht.
Weniger anfangen kann ich mit der Dornröschen-Suite, die einst der 18jährige Sergej Rachmaninow für Klavier zu vier Händen bearbeitet hat. Wie man im Beiheft lesen kann, war auch Tschaikowski einst damit nicht glücklich, und hat umfangreiche Korrekturen vorgenommen. Wie auch immer – mein Favorit ist das nicht.
Spannend ist allerdings Schwanensee – zu diesem Ballett existieren offenbar gleich zwei Suiten. Die eine, geschaffen vom Moskauer Klavierprofessor Eduard Langer (1835 bis 1905), besteht eigentlich aus sechs Stücken; die Kodama-Schwestern haben daraus zwei berühmte Szenen und den Tanz der kleinen Schwäne ausgewählt. Die andere Suite wurde geschaffen vom blutjungen Claude Debussy (1862 bis 1918), der 1880 Tschaikowskis Mäzenin Nadjeschda von Meck auf ihren Reisen durch Europa begleitete, und ihren Kindern Klavierunterricht gab. Er hat den russischen, den spanischen und den neapolitanischen Tanz für Klavierduo bearbeitet – und das sehr charmant.
Letzten Endes ist daraus dann dieses Album entstanden. Die beiden Schwestern lieben Tschaikowskis Ballettmusiken, vor allem Nussknacker, seit ihrer Kindheit. „We practically grew up with the Nutcracker“, er- innern sich die Pianistinnen. „We were about three or four years old when our music teacher gave us a recording – our first recording of Nutcracker which we played at the time.“ Diese Liebe ist offenbar immer noch sehr lebendig, und prägt das Spiel der beiden Klaviervirtuosinnen. Die Nuss- knacker-Suite, die hier in der Version von Anton Stepanowitsch Arenski (1861 bis 1906) zu hören ist, erklingt äußerst sorgsam ausgearbeitet, und mit einem hinreißenden Farbenreichtum – es ist wirklich eine Pracht.
Weniger anfangen kann ich mit der Dornröschen-Suite, die einst der 18jährige Sergej Rachmaninow für Klavier zu vier Händen bearbeitet hat. Wie man im Beiheft lesen kann, war auch Tschaikowski einst damit nicht glücklich, und hat umfangreiche Korrekturen vorgenommen. Wie auch immer – mein Favorit ist das nicht.
Spannend ist allerdings Schwanensee – zu diesem Ballett existieren offenbar gleich zwei Suiten. Die eine, geschaffen vom Moskauer Klavierprofessor Eduard Langer (1835 bis 1905), besteht eigentlich aus sechs Stücken; die Kodama-Schwestern haben daraus zwei berühmte Szenen und den Tanz der kleinen Schwäne ausgewählt. Die andere Suite wurde geschaffen vom blutjungen Claude Debussy (1862 bis 1918), der 1880 Tschaikowskis Mäzenin Nadjeschda von Meck auf ihren Reisen durch Europa begleitete, und ihren Kindern Klavierunterricht gab. Er hat den russischen, den spanischen und den neapolitanischen Tanz für Klavierduo bearbeitet – und das sehr charmant.
Freitag, 16. Dezember 2016
Chants for Christmas from the 15th and 16th Century (MPS)
Weihnachtslieder aus dem 15. und
16. Jahrhundert in unterschiedlichen Besetzungen für Chor und historische Begleitinstrumente stellt ein Album vor, das die Capella Antiqua Mün- chen 1970 für MPS eingespielt hat. Diese Legende ist nunmehr erstmals als CD erhältlich; auch die Wieder- auflage des Albums als LP wurde direkt vom originalen Masterband audiophil hergestellt und produziert.
Die Capella Antiqua München, 1963 gegründet und geleitet von Konrad Ruhland, gehört zu den Pionieren der historischen Aufführungspraxis. In MPS Records hatte das Ensemble seinen klangästhetisch idealen Produktionspartner gefunden. Den Sängern und Instrumentalisten sind in der Zusammenarbeit mit den Spezialisten des Labels viele Referenzaufnahmen gelungen. Erinnert sei nur an die Einspielungen gregorianischer Choräle durch die Chorschola – sie setzen noch heute Maßstäbe.
Das Weihnachtsalbum wurde durch das gesamte Ensemble gestaltet. Zu hören sind weniger bekannte Weihnachtslieder wie In natali domini, Dies est laetitiae oder Enatus est Emanuel in Sätzen aus der Zeit zwischen 1440 und 1620. Unterschiedliche Besetzungen, von „Männerstimmen mit Glocken“ bis hin zu einzelnen Singstimmen mit historischen Instrumenten wie Flöte, Fidel, Krummhorn, Dulcian, diversen Posaunen und Bassgam- be, und von kleinen Instrumentalgruppen bis hin zum sechsstimmigen Chor a capella, sorgen ebenso für Abwechslung wie die geschickte Zusam- menstellung des Programmes.
Wer die ewig gleichen Weihnachtshits nicht mehr hören kann, der findet hier ein Album, das garantiert kein Kaufhausgedudel enthält. Für mich gehört die CD zu den schönsten Weihnachtsalben überhaupt – und die Qualität dieser Aufnahme ist obendrein phänomenal. Unbedingt anhören!
16. Jahrhundert in unterschiedlichen Besetzungen für Chor und historische Begleitinstrumente stellt ein Album vor, das die Capella Antiqua Mün- chen 1970 für MPS eingespielt hat. Diese Legende ist nunmehr erstmals als CD erhältlich; auch die Wieder- auflage des Albums als LP wurde direkt vom originalen Masterband audiophil hergestellt und produziert.
Die Capella Antiqua München, 1963 gegründet und geleitet von Konrad Ruhland, gehört zu den Pionieren der historischen Aufführungspraxis. In MPS Records hatte das Ensemble seinen klangästhetisch idealen Produktionspartner gefunden. Den Sängern und Instrumentalisten sind in der Zusammenarbeit mit den Spezialisten des Labels viele Referenzaufnahmen gelungen. Erinnert sei nur an die Einspielungen gregorianischer Choräle durch die Chorschola – sie setzen noch heute Maßstäbe.
Das Weihnachtsalbum wurde durch das gesamte Ensemble gestaltet. Zu hören sind weniger bekannte Weihnachtslieder wie In natali domini, Dies est laetitiae oder Enatus est Emanuel in Sätzen aus der Zeit zwischen 1440 und 1620. Unterschiedliche Besetzungen, von „Männerstimmen mit Glocken“ bis hin zu einzelnen Singstimmen mit historischen Instrumenten wie Flöte, Fidel, Krummhorn, Dulcian, diversen Posaunen und Bassgam- be, und von kleinen Instrumentalgruppen bis hin zum sechsstimmigen Chor a capella, sorgen ebenso für Abwechslung wie die geschickte Zusam- menstellung des Programmes.
Wer die ewig gleichen Weihnachtshits nicht mehr hören kann, der findet hier ein Album, das garantiert kein Kaufhausgedudel enthält. Für mich gehört die CD zu den schönsten Weihnachtsalben überhaupt – und die Qualität dieser Aufnahme ist obendrein phänomenal. Unbedingt anhören!
Donnerstag, 15. Dezember 2016
Lutheran Symphonix (Genuin)
Seit der Reformation werden sie ge- sungen – die Choräle Martin Luthers erklingen aber nicht nur im Gottes- dienst, sie sind für viele Menschen auch eine Quelle der Kraft und der Freude. „Seit Generationen ver- binden nun Menschen mit diesen geistlichen Lieder ganz persönliche Erfahrungen und Geschichten, so dass diese Choräle Bestandteil eines kollektiven Bewusstseins geworden sind“, schreibt Christian Sprenger im Beiheft zu dieser CD. Sprenger ist Professor für Posaune an der Weimarer Musikhochschule; seine musika- lischen Wurzeln hat er in der kirchlichen Bläsermusik. „Ich freue mich, mit meinem Projekt Lutheran Symphonix den Liedern der Reformation im zeitgemäßen, sinfonischen Gewand Aufmerksamkeit jenseits ihrer ursprünglichen liturgischen Funktion geben zu können.“
Erkennen Sie die Melodie? Christian Sprenger hat zwölf sinfonische Cho- ralfantasien zu bekannten Kirchenliedern komponiert, von Nun danket alle Gott bis Verleih uns Frieden gnädiglich und von Geh aus, mein Herz, und suche Freud bis zu Wer nur den lieben Gott lässt walten. Beim Orchestrieren wurde er, bei den allermeisten Stücken, durch Robin Hoff- mann unterstützt.
Das Ergebnis überwältigt. Carl Orff, Ennio Morricone und John Williams lassen grüßen; Sprenger nutzt für Lutheran Symphonix in erster Linie Traditionen aus der Filmmusik. Er hat hörbar Vergnügen an Pauken und Trompeten; allerdings ist es mit Pathos wie mit Alkohol – man gewöhnt sich rasch daran, und dann hat man es entweder satt, oder man will immer mehr davon. Doch letztendlich verursacht es einen Brummschädel, und, im Übermaß genossen, auch Übelkeit, bis hin zum Erbrechen. Filmmusik aber lebt auch davon, dass markante Szenen ihren Ausdruck in sehr unter- schiedlichen Themen und Motiven finden, in unverwechselbaren Arrange- ments. Im Idealfall bleiben sie dem Publikum sofort und unauslöschbar im Gedächtnis – man denke nur an die Titelmelodie zu Star Wars, oder aber an die klagende Mundharmonika aus Spiel mir das Lied vom Tod.
Die markanten Themen geben in diesem Falle die Kirchenlieder vor. Die klar unterscheidbaren Arrangements aber fehlen, leider. Sprenger hat sich vom musikalischen Material mitreißen lassen. Was er dabei offenbar we- niger beachtet hat, das sind die Texte der Choräle. Traditionelle Choral- fantasien sind üblicherweise stark am Wort orientiert; sie sind nicht zuletzt Auslegungen des Textes mit den Mitteln der Musik. Das scheint mir in diesem Falle etwas aus dem Blick geraten zu sein, auch wenn der phantas- tische Kammerchor der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar nicht nur Vokalisen, sondern gelegentlich auch eine Choralstrophe inmitten der anflutenden Instrumentalklänge singen darf. Auswirkungen auf den Charakter der jeweiligen Komposition hat das kaum; irgendwie klingt alles ähnlich, ob Ein feste Burg ist unser Gott oder Befiehl du deine Wege. Jedes dieser Werke führt ins kollektive Abheben, am Rande der Verzückung. Die Staatskapelle Weimar musiziert, dirigiert vom Komponisten höchstpersön- lich, mit Leidenschaft. Aber von Luthers Innigkeit, vom ursprünglichen Geist der Kirchenlieder haben sich diese sinfonischen Werke weit entfernt. Schade.
Erkennen Sie die Melodie? Christian Sprenger hat zwölf sinfonische Cho- ralfantasien zu bekannten Kirchenliedern komponiert, von Nun danket alle Gott bis Verleih uns Frieden gnädiglich und von Geh aus, mein Herz, und suche Freud bis zu Wer nur den lieben Gott lässt walten. Beim Orchestrieren wurde er, bei den allermeisten Stücken, durch Robin Hoff- mann unterstützt.
Das Ergebnis überwältigt. Carl Orff, Ennio Morricone und John Williams lassen grüßen; Sprenger nutzt für Lutheran Symphonix in erster Linie Traditionen aus der Filmmusik. Er hat hörbar Vergnügen an Pauken und Trompeten; allerdings ist es mit Pathos wie mit Alkohol – man gewöhnt sich rasch daran, und dann hat man es entweder satt, oder man will immer mehr davon. Doch letztendlich verursacht es einen Brummschädel, und, im Übermaß genossen, auch Übelkeit, bis hin zum Erbrechen. Filmmusik aber lebt auch davon, dass markante Szenen ihren Ausdruck in sehr unter- schiedlichen Themen und Motiven finden, in unverwechselbaren Arrange- ments. Im Idealfall bleiben sie dem Publikum sofort und unauslöschbar im Gedächtnis – man denke nur an die Titelmelodie zu Star Wars, oder aber an die klagende Mundharmonika aus Spiel mir das Lied vom Tod.
Die markanten Themen geben in diesem Falle die Kirchenlieder vor. Die klar unterscheidbaren Arrangements aber fehlen, leider. Sprenger hat sich vom musikalischen Material mitreißen lassen. Was er dabei offenbar we- niger beachtet hat, das sind die Texte der Choräle. Traditionelle Choral- fantasien sind üblicherweise stark am Wort orientiert; sie sind nicht zuletzt Auslegungen des Textes mit den Mitteln der Musik. Das scheint mir in diesem Falle etwas aus dem Blick geraten zu sein, auch wenn der phantas- tische Kammerchor der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar nicht nur Vokalisen, sondern gelegentlich auch eine Choralstrophe inmitten der anflutenden Instrumentalklänge singen darf. Auswirkungen auf den Charakter der jeweiligen Komposition hat das kaum; irgendwie klingt alles ähnlich, ob Ein feste Burg ist unser Gott oder Befiehl du deine Wege. Jedes dieser Werke führt ins kollektive Abheben, am Rande der Verzückung. Die Staatskapelle Weimar musiziert, dirigiert vom Komponisten höchstpersön- lich, mit Leidenschaft. Aber von Luthers Innigkeit, vom ursprünglichen Geist der Kirchenlieder haben sich diese sinfonischen Werke weit entfernt. Schade.
Mittwoch, 14. Dezember 2016
L'Inverno degli Flauti (MGD)
Haben Sie schon einmal eine Kontra- bass- oder gar eine Subkontrabass- flöte gehört und gesehen? Bei den 14 Berliner Flötisten gibt es gleich vier Spezialisten für die Querflöten mit dem sehr tiefen Klang. Dieses Ensemble, 1996 von Musikern aus Ost und West gemeinsam gegründet, ist auch sonst Grenzgängen nicht abgeneigt.
Auf ihrem jüngsten Album erkunden die Flötisten um Andreas Blau, den langjährigen Solo-Flötisten der Berliner Philharmoniker, weihnacht- liche und winterliche Musik – wobei festzustellen ist, dass sie exzellente Arrangeure in ihren Reihen haben. Und auch an Humor mangelt es nicht, wie gleich das erste Stück beweist: Werner Tast, mittlerweile im Ruhestand, hat aus Richard Eilenbergs Petersburger Schlittenfahrt ganz locker Peters Schlittenfahrt gemacht – Tschaikowskis Nussknacker lässt grüßen.
Bei Prélude und Schlusschoral aus dem Oratorio de Noël von Camille Saint-Saëns wird deutlich, dass Flöten wunderbar den Klang einer Kirchenorgel imitieren können. Doch auch sinfonische Klänge sind für die Holzbläser überhaupt kein Problem; der Abendsegen von Engelbert Humperdinck beispielsweise klingt in dieser Besetzung einfach großartig. Und natürlich enthält das Programm auch einige wenige Weihnachts- lieder.
Nur mit Flöten lässt sich aber auch hervorragend Barockmusik aufführen; die 14 Berliner Flötisten spielen das berühmte Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli, den Winter aus den Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi und die Sinfonia aus Bachs Weihnachtsoratorium – und dabei präsentieren sie einmal mehr den Farbenreichtum eines solchen Flötenensembles. Apropos: Wer die Namensliste durchzählt, der wird bemerken, dass sich die 14 für diese Aufnahme Verstärkung geholt haben. Eigentlich sind es sogar 18 Berliner Flötisten, plus Schlagzeuger.
Sehr gelungen finde ich The snow is dancing, ein Stück aus Claude Debussys Children's Corner, hier in einer Bearbeitung von Werner Tast. Mein persönlicher Favorit auf dieser CD allerdings ist Perseus aus der Sternbilder-Suite von Gotthard Odermatt (*1974), ein Werk, das eigens für die 14 Berliner Flötisten komponiert worden ist. Zauberhaft!
Auf ihrem jüngsten Album erkunden die Flötisten um Andreas Blau, den langjährigen Solo-Flötisten der Berliner Philharmoniker, weihnacht- liche und winterliche Musik – wobei festzustellen ist, dass sie exzellente Arrangeure in ihren Reihen haben. Und auch an Humor mangelt es nicht, wie gleich das erste Stück beweist: Werner Tast, mittlerweile im Ruhestand, hat aus Richard Eilenbergs Petersburger Schlittenfahrt ganz locker Peters Schlittenfahrt gemacht – Tschaikowskis Nussknacker lässt grüßen.
Bei Prélude und Schlusschoral aus dem Oratorio de Noël von Camille Saint-Saëns wird deutlich, dass Flöten wunderbar den Klang einer Kirchenorgel imitieren können. Doch auch sinfonische Klänge sind für die Holzbläser überhaupt kein Problem; der Abendsegen von Engelbert Humperdinck beispielsweise klingt in dieser Besetzung einfach großartig. Und natürlich enthält das Programm auch einige wenige Weihnachts- lieder.
Nur mit Flöten lässt sich aber auch hervorragend Barockmusik aufführen; die 14 Berliner Flötisten spielen das berühmte Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli, den Winter aus den Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi und die Sinfonia aus Bachs Weihnachtsoratorium – und dabei präsentieren sie einmal mehr den Farbenreichtum eines solchen Flötenensembles. Apropos: Wer die Namensliste durchzählt, der wird bemerken, dass sich die 14 für diese Aufnahme Verstärkung geholt haben. Eigentlich sind es sogar 18 Berliner Flötisten, plus Schlagzeuger.
Sehr gelungen finde ich The snow is dancing, ein Stück aus Claude Debussys Children's Corner, hier in einer Bearbeitung von Werner Tast. Mein persönlicher Favorit auf dieser CD allerdings ist Perseus aus der Sternbilder-Suite von Gotthard Odermatt (*1974), ein Werk, das eigens für die 14 Berliner Flötisten komponiert worden ist. Zauberhaft!
Dienstag, 13. Dezember 2016
Weihnachten in Leipzig (Deutsche Grammophon)
Weihnachtsmusiken „made in Leip- zig“ hat die Deutsche Grammophon auf dieser CD versammelt – und wie man sieht, hat die Stadt an der Pleiße so einiges zu bieten. Da wären, natürlich, an erster Stelle Johann Sebastian Bach und der Thomaner- chor. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass seinerzeit auch die Leipziger Universität eine Ausbil- dungsstätte war, aus der viele berühmte Musiker hervorgegangen sind – so haben Johann David Heinichen und Georg Philipp Telemann in Leipzig studiert. Sie sind mit festlichen Orchesterstücken auf dieser CD vertreten.
1843, im Jahre des hundertsten Jubiläums des Gewandhausorchesters, wurde auf Initiative des damaligen Gewandhauskapellmeisters, Felix Mendelssohn Bartholdy, das Conservatorium für Musik in Leipzig gegründet. An dieser ältesten Musikhochschule Deutschlands lernten und wirkten viele bedeutende Musiker; diese CD erinnert ganz besonders an Max Reger (1873 bis 1916), der dort als Professor lehrte. Sie erinnert aber auch an Gustav Schreck (1849 bis 1918), Absolvent des Konservatoriums und Thomaskantor seit 1893, und an Erhard Mauersberger, Thomaner unter Schreck, ebenfalls Absolvent des Konservatoriums und Thomas- kantor von 1961 bis 1972. Zu hören sind auf der CD Vokalsätze von diesen Komponisten, gesungen vom Thomanerchor unter Georg Christoph Biller.
Die Chorsätze von Michael Praetorius (1571 bis 1621) und Hieronymus Praetorius (1560 bis 1629) sowie dem Zwickauer Kantor Cornelius Freundt (um 1535 bis 1591) haben nicht unmittelbar etwas mit der Stadt Leipzig zu tun; allerdings gehören sie zum Repertoire der Thomaner, und vom Publikum werden sie geliebt. Insofern haben sie zu Recht einen Platz auf dieser stimmungsvollen CD, die viele Facetten des Leipziger Musiklebens aufleuchten lässt.
1843, im Jahre des hundertsten Jubiläums des Gewandhausorchesters, wurde auf Initiative des damaligen Gewandhauskapellmeisters, Felix Mendelssohn Bartholdy, das Conservatorium für Musik in Leipzig gegründet. An dieser ältesten Musikhochschule Deutschlands lernten und wirkten viele bedeutende Musiker; diese CD erinnert ganz besonders an Max Reger (1873 bis 1916), der dort als Professor lehrte. Sie erinnert aber auch an Gustav Schreck (1849 bis 1918), Absolvent des Konservatoriums und Thomaskantor seit 1893, und an Erhard Mauersberger, Thomaner unter Schreck, ebenfalls Absolvent des Konservatoriums und Thomas- kantor von 1961 bis 1972. Zu hören sind auf der CD Vokalsätze von diesen Komponisten, gesungen vom Thomanerchor unter Georg Christoph Biller.
Die Chorsätze von Michael Praetorius (1571 bis 1621) und Hieronymus Praetorius (1560 bis 1629) sowie dem Zwickauer Kantor Cornelius Freundt (um 1535 bis 1591) haben nicht unmittelbar etwas mit der Stadt Leipzig zu tun; allerdings gehören sie zum Repertoire der Thomaner, und vom Publikum werden sie geliebt. Insofern haben sie zu Recht einen Platz auf dieser stimmungsvollen CD, die viele Facetten des Leipziger Musiklebens aufleuchten lässt.
Tchaikovsky: Der Nussknacker / Stravinsky: Divertimento aus Der Kuss der Fee (Oehms Classics)
Weihnachten – dieses Fest ist untrennnbar verbunden mit der Histoire d'une casse-noisette, von Alexandre Dumas d. Ä., die wiederum auf dem Märchen Nußknacker und Mausekönig von E. T. A. Hoffmann beruht. Das Ballett, getanzt zur Musik von Peter Tschaikowski (1840 bis 1893), gehört ebenso zur Advents- zeit wie Weihnachtsmarkt, Glühwein, Kerzen und Räuchermännchen.
In jedem Jahr erglänzen Kinderaugen beim Anblick des großen Weihnachtsbaumes, umgeben von fröhlichem Gewusel. Wer schätzt sie nicht, diese ganz besondere Stimmung, wenn der geheimnisvolle Pate Droßelmeier eintritt und seine Geschenke verteilt, wenn der Nußknacker zum Leben erwacht und sich in einen Prinzen verwandelt, und wenn die Schneeflocken ihren Walzer tanzen? Und auch die Großen halten den Atem an, wenn die Spielzeugsoldaten versuchen, das Heer des Mausekönigs abzuwehren. Diesen Vorweihnachtszauber bringt nun das Gürzenich-Orchester Köln unter Leitung seines Ehrendirigenten Dmitrij Kitajenko in jede Stube. Die Musiker haben auf zwei CD die komplette Ballettmusik eingespielt, nebst einigen Melodien aus Der Kuss der Fee von Igor Strawinsky (1882 bis 1971). Dieses Ballett hatte der Komponist seinerzeit auf Wunsch der russischen Primaballerina Ida Rubinstein geschaffen, mit musikalischem Material von Tschaikowski und nach dem Märchen Die Eisjungfrau von Hans Christian Andersen – ein Schelm, wer dabei an Freud denkt. Wie auch immer; ein Erfolg jedenfalls wurde das Ballett seinerzeit nicht, und Strawinsky stellte aus der Musik eine Suite zusammen, die er Divertimento nannte.
Kitajenko lässt diese Musik tänzerisch-beschwingt spielen, detailreich und fein abgestimmt. So wirkt sie immer elegant, bleibt stets lebendig und im Fluss. Das Gürzenich-Orchester folgt Kitajenkos Dirigat geschmeidig und engagiert. Akzente, Rubato, Crescendo und Diminuendo – mit höchster Präzision setzen die Musiker seine Vorgaben um; der Orchesterklang, der daraus resultiert, zeichnet sich durch Transparenz und Klarheit aus. Und ein kleines bisschen Puderzucker, wohldosiert eingesetzt, hat doch seine Reize. Geradezu liebevoll zelebriert werden zudem Klangfarben – man höre nur den Blumenwalzer, es ist wirklich eine Pracht. Kitajenko macht deutlich, dass „romantisch“ durchaus ein Kompliment sein kann. Eine der schönsten Nußknacker-Aufnahmen, unbedingt anhören!
In jedem Jahr erglänzen Kinderaugen beim Anblick des großen Weihnachtsbaumes, umgeben von fröhlichem Gewusel. Wer schätzt sie nicht, diese ganz besondere Stimmung, wenn der geheimnisvolle Pate Droßelmeier eintritt und seine Geschenke verteilt, wenn der Nußknacker zum Leben erwacht und sich in einen Prinzen verwandelt, und wenn die Schneeflocken ihren Walzer tanzen? Und auch die Großen halten den Atem an, wenn die Spielzeugsoldaten versuchen, das Heer des Mausekönigs abzuwehren. Diesen Vorweihnachtszauber bringt nun das Gürzenich-Orchester Köln unter Leitung seines Ehrendirigenten Dmitrij Kitajenko in jede Stube. Die Musiker haben auf zwei CD die komplette Ballettmusik eingespielt, nebst einigen Melodien aus Der Kuss der Fee von Igor Strawinsky (1882 bis 1971). Dieses Ballett hatte der Komponist seinerzeit auf Wunsch der russischen Primaballerina Ida Rubinstein geschaffen, mit musikalischem Material von Tschaikowski und nach dem Märchen Die Eisjungfrau von Hans Christian Andersen – ein Schelm, wer dabei an Freud denkt. Wie auch immer; ein Erfolg jedenfalls wurde das Ballett seinerzeit nicht, und Strawinsky stellte aus der Musik eine Suite zusammen, die er Divertimento nannte.
Kitajenko lässt diese Musik tänzerisch-beschwingt spielen, detailreich und fein abgestimmt. So wirkt sie immer elegant, bleibt stets lebendig und im Fluss. Das Gürzenich-Orchester folgt Kitajenkos Dirigat geschmeidig und engagiert. Akzente, Rubato, Crescendo und Diminuendo – mit höchster Präzision setzen die Musiker seine Vorgaben um; der Orchesterklang, der daraus resultiert, zeichnet sich durch Transparenz und Klarheit aus. Und ein kleines bisschen Puderzucker, wohldosiert eingesetzt, hat doch seine Reize. Geradezu liebevoll zelebriert werden zudem Klangfarben – man höre nur den Blumenwalzer, es ist wirklich eine Pracht. Kitajenko macht deutlich, dass „romantisch“ durchaus ein Kompliment sein kann. Eine der schönsten Nußknacker-Aufnahmen, unbedingt anhören!
Montag, 12. Dezember 2016
Telemann: Advent Cantatas (cpo)
Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) war stets darauf bedacht, seine Werke drucken und breit vertreiben zu lassen. Den Kantatenjahrgang 1726/1727 hat der Komponist daher gleich so gestaltet, dass Arien aus den Kantaten herausgelöst und separat musiziert werden können. Diesen „Auszug“ publizierte er in einzelnen Lieferungen, die parallel nach Beginn des Kalenderjahres verfügbar waren.
In seinem Vorwort schreibt Tele- mann, seine Sammlung sei für den Privatgebrauch vorgesehen – also in erster Linie für die häusliche Andacht in gutbetuchten Kreisen; und deshalb sind die Gesangpartien so geschrieben, dass sowohl für hohe als auch für tiefere Stimme jeweils passende Stücke zu finden sind. Und auch wenn die Arien im Original mit Instrumenten begleitet werden, sei das Continuo eigens mit dem Ziel verfasst worden, dass die ursprüngliche Begleitung, so Telemann, „verhoffentlich nicht vermisset werden wird“.
Kantaten-Arien für die Advents- und Weihnachtszeit aus dieser Kollektion hat die Sopranistin Gudrun Sidonie Otto mit ihrem GSO Consort und dem Bariton Ingolf Seidel im Jahre 2013, jahreszeitlich passend, in einem Konzert im Rahmen der Magdeburger Sonntagsmusiken vorgetragen. Ein kurzes Gastspiel gibt zudem der Altus David Erler, begleitet von Caroline Kang, Violoncello, Karl Nyhlin, Gallichon, und Aleksandra Grychtolik, Cembalo/Orgel. Der Live-Mitschnitt ist nun bei cpo erschienen.
Die Arien beziehen sich auf die Evangelien des jeweiligen Sonntages. Es wird vermutet, dass die Texte der Eisenacher Musiker und Sekretär Johann Friedrich Helbig geschrieben hat. Telemanns Vertonung setzt das Wort eindrucksvoll in Musik um. Allerdings lässt die Beschränkung auf eine Singstimme und Generalbass, bei aller Bemühung der Ausführenden, nach einer gewissen Zeit dann doch Abwechslung vermissen. Christine Schwark, Violoncello, Michael Freimuth, Laute und Theorbe, und Wolf- gang Brunner, Cembalo und Orgelpositiv, bringen die Klangfarben ihrer Instrumente gekonnt zum Einsatz – doch irgendwann kommt beim Zuhörer Sehnsucht nach den originalen Ritornellen und Melodie-Instru- menten auf.
In seinem Vorwort schreibt Tele- mann, seine Sammlung sei für den Privatgebrauch vorgesehen – also in erster Linie für die häusliche Andacht in gutbetuchten Kreisen; und deshalb sind die Gesangpartien so geschrieben, dass sowohl für hohe als auch für tiefere Stimme jeweils passende Stücke zu finden sind. Und auch wenn die Arien im Original mit Instrumenten begleitet werden, sei das Continuo eigens mit dem Ziel verfasst worden, dass die ursprüngliche Begleitung, so Telemann, „verhoffentlich nicht vermisset werden wird“.
Kantaten-Arien für die Advents- und Weihnachtszeit aus dieser Kollektion hat die Sopranistin Gudrun Sidonie Otto mit ihrem GSO Consort und dem Bariton Ingolf Seidel im Jahre 2013, jahreszeitlich passend, in einem Konzert im Rahmen der Magdeburger Sonntagsmusiken vorgetragen. Ein kurzes Gastspiel gibt zudem der Altus David Erler, begleitet von Caroline Kang, Violoncello, Karl Nyhlin, Gallichon, und Aleksandra Grychtolik, Cembalo/Orgel. Der Live-Mitschnitt ist nun bei cpo erschienen.
Die Arien beziehen sich auf die Evangelien des jeweiligen Sonntages. Es wird vermutet, dass die Texte der Eisenacher Musiker und Sekretär Johann Friedrich Helbig geschrieben hat. Telemanns Vertonung setzt das Wort eindrucksvoll in Musik um. Allerdings lässt die Beschränkung auf eine Singstimme und Generalbass, bei aller Bemühung der Ausführenden, nach einer gewissen Zeit dann doch Abwechslung vermissen. Christine Schwark, Violoncello, Michael Freimuth, Laute und Theorbe, und Wolf- gang Brunner, Cembalo und Orgelpositiv, bringen die Klangfarben ihrer Instrumente gekonnt zum Einsatz – doch irgendwann kommt beim Zuhörer Sehnsucht nach den originalen Ritornellen und Melodie-Instru- menten auf.
Samstag, 10. Dezember 2016
Surrounded by Angels (Sono Luminus)
Ein wenig blass und kitschig sieht es aus, das Cover dieser CD. Fast hätte ich sie übersehen – wenn sie nicht bei Sono Luminus erschienen wäre. Dieses Label ist immer wieder für Überraschungen gut; noch nie hatte ich eine Neuerscheinung von Sono Luminus, die nicht überzeugen konnte. Und nur aus diesem Grunde habe ich mir Surrounded by Angels angehört.
Und was soll ich sagen – es hat sich gelohnt! Das Ensemble Galilei hat, im Mai 2013, ein abwechslungs- reiches und erfreulich unpathetisches Programm mit weihnachtlicher Musik vorwiegend aus Westeuropa eingespielt. Wer die Melodien nicht kennt, der wird sich an den geschickt arrangierten Klängen erfreuen, die man vielleicht am ehesten als Folk-Music bezeichnen könnte. Handwerklich perfekt gemacht, mit einem breiten Spektrum an Instrumenten – von diversen Flöten über den irischen Dudelsack und die Schalmei, gleich zwei virtuos gespielte Fiddles, Banjo und Gambe bis hin zur Harfe. Nur gesungen wird auf dieser CD nicht. Sehr hörenswert!
Und was soll ich sagen – es hat sich gelohnt! Das Ensemble Galilei hat, im Mai 2013, ein abwechslungs- reiches und erfreulich unpathetisches Programm mit weihnachtlicher Musik vorwiegend aus Westeuropa eingespielt. Wer die Melodien nicht kennt, der wird sich an den geschickt arrangierten Klängen erfreuen, die man vielleicht am ehesten als Folk-Music bezeichnen könnte. Handwerklich perfekt gemacht, mit einem breiten Spektrum an Instrumenten – von diversen Flöten über den irischen Dudelsack und die Schalmei, gleich zwei virtuos gespielte Fiddles, Banjo und Gambe bis hin zur Harfe. Nur gesungen wird auf dieser CD nicht. Sehr hörenswert!
Freitag, 9. Dezember 2016
Brahms: Violin Concerto / Double Concerto; Accardo (Eloquence)
Wer von Felix Mendelssohn Barthol- dys Violinkonzert spricht, meint damit üblicherweise das populäre Konzert in e-Moll op. 64 – ein Kuriosum der Musikgeschichte, denn der Komponist hatte in seinen Jugendjahren bereits ein komplettes Violinkonzert in d-Moll geschrieben. Es war für Eduard Rietz bestimmt; aus unerfindlichen Gründen ist es dann aber in Vergessenheit geraten, bis schließlich Yehudi Menuhin 1952 die Autographen in die Hände bekam, und eine erste Edition veröffentlichte. Salvatore Accardo spielte beide Kon- zerte 1976 für Philips mit Charles Dutoit und dem London Philharmonic Orchestra ein.
Und noch eine weitere großartige Aufnahme hat das Label Eloquence zum 75. Geburtstag des italienischen Geigers im Oktober 2016 wieder zugäng- lich gemacht: Mit Kurt Masur und dem Gewandhausorchester Leipzig hat Accardo 1978, ebenfalls für Philips, zwei wichtige Konzerte von Johannes Brahms eingespielt – das Violinkonzert in D-Dur, op. 77, und das Konzert für Violine, Violoncello und Orchester in a-Moll op. 102, letzteres gemein- sam mit Heinrich Schiff.
Und noch eine weitere großartige Aufnahme hat das Label Eloquence zum 75. Geburtstag des italienischen Geigers im Oktober 2016 wieder zugäng- lich gemacht: Mit Kurt Masur und dem Gewandhausorchester Leipzig hat Accardo 1978, ebenfalls für Philips, zwei wichtige Konzerte von Johannes Brahms eingespielt – das Violinkonzert in D-Dur, op. 77, und das Konzert für Violine, Violoncello und Orchester in a-Moll op. 102, letzteres gemein- sam mit Heinrich Schiff.
Donnerstag, 8. Dezember 2016
Bach: Violin Concertos / Vivaldi: The Four Seasons (Eloquence)
Und da wir gerade über Salvatore Accardo geschrieben haben – bei Eloquence sind jüngst gleich ein halbes Dutzend CD bzw. Doppel-CD erschienen, die berühmte Einspie- lungen des Geigers wieder zugänglich machen. Die Aufnahmen machen zugleich deutlich, wie sehr die Ansichten von Musikern darüber, wie eine Partitur zu interpretieren ist, Veränderungen unterliegen – man ist mitunter beinahe geneigt, es „Moden“ zu nennen. Man höre nur, mit welcher Sorgfalt Accardo Bach spielt. Da wird jeder Ton zu hundert Prozent geformt, jede Phrase aufmerksam gestaltet. Entsprechend langsam sind die Tempi gewählt; doch selbst im Vivace gibt es keine in Rasanz verschwim- menden Tonleitern, keine verhuschten Figurationen. Accardo lässt seine Geige singen – eine Kunst, die man heutzutage suchen kann. Die Bach-Aufnahmen mit dem Chamber Orchestra of Europe entstanden 1985, darunter sind interessante Adaptionen von Cembalokonzerten, teils durch Accardo selbst.
Kombiniert sind Bachs Konzerte auf einer Doppel-CD mit den Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi. Accardos Aufnahme dieser Konzerte mit den I Solisti di Napoli verdankt ihren aufsehenerregenden Klang nicht zuletzt legendären Violinen: Der Musiker spielte 1987 in seinem Konzert auf dem Cremona Festival, bei dem dieser Live-Mitschnitt entstanden ist, gleich drei Geigen von Antonio Stradivari. Zu hören sind im Frühling die Il Cremonese aus dem Jahre 1715, einst ein Instrument von Joseph Joachim und nun der Stadt Verona gehörend, im Sommer die Le Reynier (1727), im Herbst die Firebird ex Saint Exupéry (1718), und im Winter schließlich noch einmal die Le Reynier. Dieses Instrument wird auch als Hart ex Francescatti bezeichnet; es befand sich damals, wie auch die Firebird, im Besitz von Salvatore Accardo. Es ist faszinierend, wie der Geiger es versteht, die individuellen Vorzüge der drei Instrumente voll zur Geltung zu bringen und für seine Interpretation zu nutzen.
Kombiniert sind Bachs Konzerte auf einer Doppel-CD mit den Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi. Accardos Aufnahme dieser Konzerte mit den I Solisti di Napoli verdankt ihren aufsehenerregenden Klang nicht zuletzt legendären Violinen: Der Musiker spielte 1987 in seinem Konzert auf dem Cremona Festival, bei dem dieser Live-Mitschnitt entstanden ist, gleich drei Geigen von Antonio Stradivari. Zu hören sind im Frühling die Il Cremonese aus dem Jahre 1715, einst ein Instrument von Joseph Joachim und nun der Stadt Verona gehörend, im Sommer die Le Reynier (1727), im Herbst die Firebird ex Saint Exupéry (1718), und im Winter schließlich noch einmal die Le Reynier. Dieses Instrument wird auch als Hart ex Francescatti bezeichnet; es befand sich damals, wie auch die Firebird, im Besitz von Salvatore Accardo. Es ist faszinierend, wie der Geiger es versteht, die individuellen Vorzüge der drei Instrumente voll zur Geltung zu bringen und für seine Interpretation zu nutzen.
Paganini: Violin Concertos 1 & 2 (SWR Music)
Das Werk von Niccolò Paganini hat Salvatore Accardo, geboren 1941 in Turin, schon früh fasziniert: Bereits als 13jähriger spielte der Geiger, ein Schüler von Luigi d'Ambrosio und Yvonne Astruc, öffentlich die 24 Capricci op. 1 – und zwar alle. Im Laufe seiner Karriere hat Accardo dann auch sämtliche Violinkonzerte Paganinis im Konzert gespielt, und mehrfach eingespielt, inklusive der rekonstruierten.
Im Hans-Rosbaud-Studio Baden-Baden sind einige Aufnahmen entstanden, die nun nach einem digitalen Remastering der SWR-Originalbänder aus den Jahren 1961 bis 1970 auf CD veröffentlicht worden sind. Zu hören sind das Violinkonzert Nr. 1 D-Dur op. 6, die Caprice a-Moll op. 1 Nr. 24, die Variationen über God Save the King, mit Maria Bergmann am Klavier, und das Violin- konzert Nr. 2 h-Moll op. 7, bekannt als La Campanella. Die Orchester- introduktion im Kopfsatz des ersten Konzertes wurde sehr stark gekürzt; das war damals nicht unüblich, zumal Paganini seinen Orchestersatz bewusst einfach gehalten hatte. Insofern hält sich der Verlust in Grenzen. Das damalige Sinfonieorchester des Südwestfunks in Baden-Baden wurde von Ernest Bour geleitet, einem Dirigenten, der offenbar akkurates Musi- zieren mit einer großen Portion Eleganz zu verbinden wusste.
Im Hans-Rosbaud-Studio Baden-Baden sind einige Aufnahmen entstanden, die nun nach einem digitalen Remastering der SWR-Originalbänder aus den Jahren 1961 bis 1970 auf CD veröffentlicht worden sind. Zu hören sind das Violinkonzert Nr. 1 D-Dur op. 6, die Caprice a-Moll op. 1 Nr. 24, die Variationen über God Save the King, mit Maria Bergmann am Klavier, und das Violin- konzert Nr. 2 h-Moll op. 7, bekannt als La Campanella. Die Orchester- introduktion im Kopfsatz des ersten Konzertes wurde sehr stark gekürzt; das war damals nicht unüblich, zumal Paganini seinen Orchestersatz bewusst einfach gehalten hatte. Insofern hält sich der Verlust in Grenzen. Das damalige Sinfonieorchester des Südwestfunks in Baden-Baden wurde von Ernest Bour geleitet, einem Dirigenten, der offenbar akkurates Musi- zieren mit einer großen Portion Eleganz zu verbinden wusste.