Da wir gerade über Ida Presti geschrieben haben - bei Idis sind auch Aufnahmen wiederver- öffentlicht worden, die sie im Duo mit Alexandre Lagoya (1927 bis 1999) eingespielt hat. Der Ehe- mann der Gitarristin war ein Schüler von Andrés Segovia.
Das Paar musiziert ausgesprochen harmonisch; Presti und Lagoya spielen wie aus demselben Ge- danken und dem gleichen Atem- zug. Wer diese Aufnahmen gehört hat, der ahnt, warum die beiden großartigen Musiker als Gitarrenduo ebenso berühmt waren, wie zuvor als Solisten.
Donnerstag, 31. Januar 2013
The Art of Ida Presti (Idis)
Ida Presti - eigentlich hieß sie Ida Yvette Montagnon - (1924 bis 1967) war eine legendäre Gitarri- stin. Sie stammte aus Frankreich, und erhielt den ersten Unterricht auf diesem Instrument bereits im Vorschulalter. Ihr Vater war ihr Mentor und ihr Lehrer, bis er 1938 starb. Sie soll auch durch Mario Maccaferri unterrichtet worden sein. Ihr offizielles Debüt gab Ida Presti 1934 - und wurde dafür euphorisch gefeiert; die Presse pries sie als "weiblichen Mozart". In den 50er Jahren gab sie ihre Solokarriere auf, und bildete statt dessen gemeinsam mit ihrem Ehemann Alexandre Lagoya das erste Gitarrenduo von Weltruf. Leider starb sie viel zu früh am Lungen- krebs.
Auf dieser CD ist Ida Presti mit Studioaufnahmen zu hören, die sie in den Jahren 1938 bis 1956 eingespielt hat. Es erklingen Werke von Robert de Visée, Johann Sebastian Bach und Niccolò Paganini, aber auch beispielsweise von Isaac Albéniz, Fedrico Moreno Torrobo, Fernando Sor, Heitor Villa-Lobos oder Emilio Pujol. Die Technik der Gitarristin erweist sich als überragend, und die Auswahl sowie die Gestaltung der eingespielten Werke lässt auf einen ausgeprägten Sinn für Qualität schließen. Dieses Wunderkind ist nicht verglüht wie so manche andere Sternschnuppe, die nur kurz am Musikerhimmel zu bewundern ist. Presti trotzte den widrigen Zeitumständen, und beeindruckt uns noch heute durch ihr meisterhaftes Gitarrenspiel.
Auf dieser CD ist Ida Presti mit Studioaufnahmen zu hören, die sie in den Jahren 1938 bis 1956 eingespielt hat. Es erklingen Werke von Robert de Visée, Johann Sebastian Bach und Niccolò Paganini, aber auch beispielsweise von Isaac Albéniz, Fedrico Moreno Torrobo, Fernando Sor, Heitor Villa-Lobos oder Emilio Pujol. Die Technik der Gitarristin erweist sich als überragend, und die Auswahl sowie die Gestaltung der eingespielten Werke lässt auf einen ausgeprägten Sinn für Qualität schließen. Dieses Wunderkind ist nicht verglüht wie so manche andere Sternschnuppe, die nur kurz am Musikerhimmel zu bewundern ist. Presti trotzte den widrigen Zeitumständen, und beeindruckt uns noch heute durch ihr meisterhaftes Gitarrenspiel.
Vinci: Artaserse (Virgin Classics)
Wollte ein normales Stadttheater diese Oper aufführen - es hätte enorme Probleme mit der Besetzung. Denn Artaserse, ein Hauptwerk des heute nahezu vergessenen Leonardo Vinci (vermutlich 1696 bis 1730), wurde ausschließlich für Männerstimmen komponiert. Als die Oper während der Karnevalssaison 1730 am Teatro delle Dame in Rom ihre umjubelte Uraufführung erlebte, war Sängerinnen das öffentliche Auftreten noch durch die Kirche verboten. Und so wurden auch die Frauenrollen durch Kastraten übernommen.
Das hat zur Folge, dass nicht nur die Partien des Königs Artaserse und seines Freundes Arbace mit Sopran-Kastraten besetzt wurden. Auch die der beiden Damen Mandane und Semira, die Schwestern der Helden und jeweils verliebt in den Freund des Bruders, wurden durch Sopran-Kastraten gesungen. Die Partie des abtrünnigen Generals Megabise übernahm ein Alt-Kastrat. Einzig die Rolle des Verschwö- rers Artabano, Kommandant der königlichen Leibwache und Vater Arbaces, wurde für einen Tenor komponiert. Er hat somit kurioser- weise die tiefste Stimme in dieser Oper.
Sämtliche Partien sind anspruchsvoll. Das ist kein Wunder, denn sie wurden für Stars der römischen Oper komponiert, für Sänger wie Giacinto Fontana, Giovanni Carestini und den damals weithin berühmten Tenor Francesco Tolve. Wie also bringt man diese Oper heute auf die Bühne? Parnassus Art Productions, ein Unternehmen aus Baden/Österreich, das wie ein klassischer Impresario Opern- inszenierungen organisiert, hat für Artaserse gleich fünf junge Coun- tertenöre engagiert. In Anlehnung an die ursprüngliche Tradition brachte diese Produktion, die durch Georg Lang und Max Emanuel Cencic bewerkstelligt wurde, einige der heutigen Stars dieses Stimmfachs gemeinsam auf die Bühne. Zu hören sind außerdem der Coro della Radiotelevisione svizzera aus Lugano sowie das Ensemble Concerto Köln, das sich auf Barockmusik spezialisiert hat, und hier unter Leitung von Diego Fasolis musiziert.
Bei Virgin Classics erschien nun der Mitschnitt - und man muss sagen, dieser Artaserse war wirklich ein musikalisches Ereignis. Zu hören sind die Countertenöre Philippe Jaroussky in der Titelrolle, Max Emanuel Cencic als Mandane, Franco Fagioli als Arbace, Valer Barna-Sabadus als Semira und Juri Mynenko als Megabise. Tenor Daniel Behle hat die Partie des Artabano übernommen. Und obwohl er von Haus aus eigentlich kein Spezialist für "Alte" Musik ist, kommt er mit den Anforderungen erstaunlich gut zurande. So beeindruckt dieses Sängerensemble durch Virtuosität ebenso wie durch die Individu- alität der Sänger, die sich in Timbre und Technik faszinierend unterscheiden. Wer die Barockoper sowie den Klang der hohen Männerstimme schätzt, der sollte sich diese einzigartige Aufnahme unbedingt zulegen - es ist nicht damit zu rechnen, dass man diese Oper in nächster Zeit noch einmal anderweitig anhören kann.
Samstag, 26. Januar 2013
Bach: Organ Trio Sonatas - Arranged for multiple instruments (Channel Classics)
Bachs Triosonaten für Orgel mit den Möglichkeiten der Kammer- musik wiederzugeben, das wagt hier das Ensemble Florilegium. Denn obwohl die Form der Trio- sonate seinerzeit sehr beliebt und in ganz Europa weit verbreitet war, hat der Thomaskantor für diese kleine Besetzung so gut wie nichts komponiert.
Ashley Solomon, Traversflöte, Rodolfo Richter, Violine und Viola, Reiko Ichise, Viola da gamba, Jennifer Morsches, Violoncello und Violoncello piccolo, Eligio Quinteiro, Laute und James John- stone am Cembalo haben daher diese Werke, die der Komponist ursprünglich für die Orgel geschrieben hat, als "echte" Triosonaten arrangiert und eingespielt. Das funktioniert erstaunlich gut; allerdings war bei einigen der Werke ein Tonartwechsel nicht zu vermeiden. Ansonsten orientierten sich die Musiker an den wenigen originalen Triosonaten von Johann Sebastian Bach, insbesondere an den Trio- sonaten für zwei Flöten und Continuo BWV 1039 und an der Trioso- nate aus dem Musikalischen Opfer BWV 1079. So gelingt es ihnen relativ problemlos, die Stimmen einzelnen Instrumenten zuzuweisen, und gleichzeitig ähnliche Klangeffekte zu erzielen, wie dies an der Orgel durch die Wahl der Register möglich ist.
Das Ergebnis ist eine gelungene Variante der beliebten und bekannten Orgelstücke; Bach, der seine Musik selbst vielfach bearbeitet und verschiedenen Besetzungen angepasst hat, hätte dazu wohl zufrieden genickt. Und musiziert wird auch gekonnt. Wer Bachs Triosonaten schätzt, der sollte sich diese CD unbedingt anhören. So glasklar und harmonisch, wie sie hier zu erleben sind, kriegt das nicht jeder Orga- nist hin.
Ashley Solomon, Traversflöte, Rodolfo Richter, Violine und Viola, Reiko Ichise, Viola da gamba, Jennifer Morsches, Violoncello und Violoncello piccolo, Eligio Quinteiro, Laute und James John- stone am Cembalo haben daher diese Werke, die der Komponist ursprünglich für die Orgel geschrieben hat, als "echte" Triosonaten arrangiert und eingespielt. Das funktioniert erstaunlich gut; allerdings war bei einigen der Werke ein Tonartwechsel nicht zu vermeiden. Ansonsten orientierten sich die Musiker an den wenigen originalen Triosonaten von Johann Sebastian Bach, insbesondere an den Trio- sonaten für zwei Flöten und Continuo BWV 1039 und an der Trioso- nate aus dem Musikalischen Opfer BWV 1079. So gelingt es ihnen relativ problemlos, die Stimmen einzelnen Instrumenten zuzuweisen, und gleichzeitig ähnliche Klangeffekte zu erzielen, wie dies an der Orgel durch die Wahl der Register möglich ist.
Das Ergebnis ist eine gelungene Variante der beliebten und bekannten Orgelstücke; Bach, der seine Musik selbst vielfach bearbeitet und verschiedenen Besetzungen angepasst hat, hätte dazu wohl zufrieden genickt. Und musiziert wird auch gekonnt. Wer Bachs Triosonaten schätzt, der sollte sich diese CD unbedingt anhören. So glasklar und harmonisch, wie sie hier zu erleben sind, kriegt das nicht jeder Orga- nist hin.
Donnerstag, 24. Januar 2013
Mendelssohn Bartholdy: Harmoniemusik for Wind Quintet (MDG)
Darf man Kompositionen von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 bis 1847) für ein Bläserquintett arrangieren? Der Komponist hätte über eine solche Nachfrage wahrscheinlich ungläubig gestaunt - denn er hat selber, wie es damals üblich war, etliche seiner Werke für die sogenannte Harmoniemusik bearbeitet.
So hatte Ulf-Guido Schäfer für sein Arrangement der Schauspielmusik von Mendelssohn Bartholdy zu Shakespeares Ein Sommernachts- traum sogar eine Vergleichsversion. Das hat den Klarinettisten des Ma'alot Quintettes aber nicht daran gehindert, das Material neu zu sichten und zu gruppieren. Denn nicht jeder Klangeffekt lässt sich auf Bläser übertragen. So entschied Schäfer, auf die Ouvertüre mit ihren flirrenden Streicherklängen zu verzichten, und startet mit dem Intermezzo und dem anschließenden Auftritt der Handwerker. Etliche Teile des Werkes hat der Arrangeur verwendet und zu einer Suite zusammengefasst. Auf den berühmten Hochzeitsmarsch freilich wird man vergeblich warten - dafür folgt auf das verträumte Notturno aber ein unterhaltsamer Rüpeltanz.
Stephanie Winkler, Flöte, Christian Wetzel, Oboe, Ulf-Guido Schäfer, Klarinette, Volker Grewel, Horn und Volker Tessmann am Fagott zeigen, dass ein Bläserquintett mit seiner Vielfalt an Klangfarben durchaus ähnlich abwechslungsreich aufspielen kann wie ein "richtiges" Orchester. Manche Melodie nimmt man erst durch die Bearbeitung so richtig wahr, weil die Bläser vom Klangbild her deutlich transparenter wirken. Spannend wird dies bei Schäfers Bearbeitung des Streichquartettes in Es-Dur op. 44/3, denn dieses Genre setzt eigentlich auf die Verschmelzung des Klanges der vier Streichinstrumente. Wenn die fünf Bläser ein solches Werk spielen, dann kommt eine gehörige Portion Farbe ins Spiel. Hier passt das sehr gut, wie der Hörer feststellen wird.
Zum Abschluss erklingt ein Stück, das Mendelssohn 1824 für ein kleines Orchester, die sogenannte Hofharmonie von Bad Doberan, geschrieben und später als op. 24 in einer Fassung für großes Blas- orchester veröffentlicht hat. Es hat eine interessante Geschichte, denn dieses Werk erklang später, als Mendelssohn in Leipzig Gewandhauskapellmeister war, alljährlich als Ständchen zu seinem Geburtstag. Der Kontrast zur Bläserquintett-Version ist da logi- scherweise nicht ganz so groß. Gelungen freilich sind die Bearbeitun- gen alle. Und die fünf Musiker spielen exzellent. Resümée: Unbedingt anhören!
So hatte Ulf-Guido Schäfer für sein Arrangement der Schauspielmusik von Mendelssohn Bartholdy zu Shakespeares Ein Sommernachts- traum sogar eine Vergleichsversion. Das hat den Klarinettisten des Ma'alot Quintettes aber nicht daran gehindert, das Material neu zu sichten und zu gruppieren. Denn nicht jeder Klangeffekt lässt sich auf Bläser übertragen. So entschied Schäfer, auf die Ouvertüre mit ihren flirrenden Streicherklängen zu verzichten, und startet mit dem Intermezzo und dem anschließenden Auftritt der Handwerker. Etliche Teile des Werkes hat der Arrangeur verwendet und zu einer Suite zusammengefasst. Auf den berühmten Hochzeitsmarsch freilich wird man vergeblich warten - dafür folgt auf das verträumte Notturno aber ein unterhaltsamer Rüpeltanz.
Stephanie Winkler, Flöte, Christian Wetzel, Oboe, Ulf-Guido Schäfer, Klarinette, Volker Grewel, Horn und Volker Tessmann am Fagott zeigen, dass ein Bläserquintett mit seiner Vielfalt an Klangfarben durchaus ähnlich abwechslungsreich aufspielen kann wie ein "richtiges" Orchester. Manche Melodie nimmt man erst durch die Bearbeitung so richtig wahr, weil die Bläser vom Klangbild her deutlich transparenter wirken. Spannend wird dies bei Schäfers Bearbeitung des Streichquartettes in Es-Dur op. 44/3, denn dieses Genre setzt eigentlich auf die Verschmelzung des Klanges der vier Streichinstrumente. Wenn die fünf Bläser ein solches Werk spielen, dann kommt eine gehörige Portion Farbe ins Spiel. Hier passt das sehr gut, wie der Hörer feststellen wird.
Zum Abschluss erklingt ein Stück, das Mendelssohn 1824 für ein kleines Orchester, die sogenannte Hofharmonie von Bad Doberan, geschrieben und später als op. 24 in einer Fassung für großes Blas- orchester veröffentlicht hat. Es hat eine interessante Geschichte, denn dieses Werk erklang später, als Mendelssohn in Leipzig Gewandhauskapellmeister war, alljährlich als Ständchen zu seinem Geburtstag. Der Kontrast zur Bläserquintett-Version ist da logi- scherweise nicht ganz so groß. Gelungen freilich sind die Bearbeitun- gen alle. Und die fünf Musiker spielen exzellent. Resümée: Unbedingt anhören!
Sarasate: Boléro - Music for Violin and Piano 3 (Naxos)
Das Label Naxos führt seine Sarasate-Edition weiter - auf die Gesamteinspielung der Werke des großen spanischen Violinvirtuosen für Violine und Orchester folgen nun offenbar seine Kompositionen für Violine und Klavier. Zu hören ist erneut die junge chinesische Violinistin Tianwa Yang, sie musi- ziert gemeinsam mit dem Pianisten Markus Hadulla.
Das erweist sich als eine exzellente Kombination. Yang begeistert ein- mal mehr durch eine phänomenale Technik, Temperament und Charme. Sie setzt die Werke Pablo de Sarasates (1844 bis 1908) gekonnt in Szene, macht aber dennoch keine Zirkusnummern daraus - man könnte fast vergessen, dass es überwiegend virtuose Showstücke sind, so mühelos wirkt Yangs Interpretation. Und Hadulla begleitet die junge Geigerin mit einer Eleganz, die begeistert. Phantastisch!
Das erweist sich als eine exzellente Kombination. Yang begeistert ein- mal mehr durch eine phänomenale Technik, Temperament und Charme. Sie setzt die Werke Pablo de Sarasates (1844 bis 1908) gekonnt in Szene, macht aber dennoch keine Zirkusnummern daraus - man könnte fast vergessen, dass es überwiegend virtuose Showstücke sind, so mühelos wirkt Yangs Interpretation. Und Hadulla begleitet die junge Geigerin mit einer Eleganz, die begeistert. Phantastisch!
Montag, 21. Januar 2013
Debussy: Preludes; Ljubimov (Melodija)
Der russische Pianist Alexej Ljubi- mow, Jahrgang 1944, studierte am Moskauer Konservatorium als einer der letzten Schüler von Hein- rich Neuhaus. In seinem Debüt- konzert spielte er 1968 Werke von John Cage und Terry Riley - und bekam prompt Ärger, denn west- liche Avantgarde war nicht unbe- dingt das, was Kulturfunktionäre damals unters interessierte Volk gebracht sehen wollten.
So verlegte sich der Pianist dann auf die Erkundung der Traditionen, und gehörte 1976 zu den Mitbe- gründern des Moskauer Barock-Quartetts sowie der Moskauer Kammerakademie. 1987 durfte Ljubimow dann seine internationale Karriere starten. Und noch immer gilt sein Engagement sowohl der zeitgenössischen Musik - wo er zahlreiche Werke von russischen Komponisten auch im Westen vorgestellt hat - als auch der historisch informierten Aufführungspraxis.
Daher ist es interessant, seiner Einspielung der Préludes von Claude Debussy zu lauschen. Quasi im Kontrast zu einer neuen Aufnahme, die bei ECM erschienen ist, hat das russische Label Melodija zum Debus- sy-Jubiläum im vergangenen Jahr seine frühe Version der Préludes aus dem Jahre 1971 wiederveröffentlicht. Ljubimow spielt sie ziemlich distanziert-technisch. So wirken sie wie impressionistische Gemälde, allerdings aus Tönen dahingetupft - und mal in hellen, mal in eher gedeckten Farben gestaltet. Das passt zu dieser Musik prima, und macht diese Aufnahme hörenswert.
So verlegte sich der Pianist dann auf die Erkundung der Traditionen, und gehörte 1976 zu den Mitbe- gründern des Moskauer Barock-Quartetts sowie der Moskauer Kammerakademie. 1987 durfte Ljubimow dann seine internationale Karriere starten. Und noch immer gilt sein Engagement sowohl der zeitgenössischen Musik - wo er zahlreiche Werke von russischen Komponisten auch im Westen vorgestellt hat - als auch der historisch informierten Aufführungspraxis.
Daher ist es interessant, seiner Einspielung der Préludes von Claude Debussy zu lauschen. Quasi im Kontrast zu einer neuen Aufnahme, die bei ECM erschienen ist, hat das russische Label Melodija zum Debus- sy-Jubiläum im vergangenen Jahr seine frühe Version der Préludes aus dem Jahre 1971 wiederveröffentlicht. Ljubimow spielt sie ziemlich distanziert-technisch. So wirken sie wie impressionistische Gemälde, allerdings aus Tönen dahingetupft - und mal in hellen, mal in eher gedeckten Farben gestaltet. Das passt zu dieser Musik prima, und macht diese Aufnahme hörenswert.
Schubert: Winterreise; Jarnot, Schmalcz (Oehms Classics)
Konrad Jarnot und Alexander Schmalcz haben bereits eine CD mit Schuberts Schöner Müllerin für Oehms Classics eingespielt. Nun ergänzen der Bariton und der Pia- nist diese Edition um die Winter- reise. Ein solches Unterfangen ist stets auch ein Wagnis, denn dieser Liederzyklus nach Gedichten von Wilhelm Müller gehört zu jenen Werken, die nicht eben selten auf CD zu hören sind.
Der Sänger und sein Klavierbeglei- ter gehen dieses Risiko ein - und ihnen ist hier erneut eine hörenswerte Interpretation gelungen. Jarnot und Schmalcz gestalten jedes einzelne Lied mit großer Sorgfalt und Empathie. So werden lauter Miniaturen daraus, die die beiden Musiker mit Leidenschaft und Können vortragen. Man spürt, dass Jarnot ein Schüler von Dietrich Fischer Dieskau war - und dennoch findet er seinen eigenen Weg, der auf Dauer vermutlich eher zur Oper als zum Liedgesang führen dürfte.
Der Sänger und sein Klavierbeglei- ter gehen dieses Risiko ein - und ihnen ist hier erneut eine hörenswerte Interpretation gelungen. Jarnot und Schmalcz gestalten jedes einzelne Lied mit großer Sorgfalt und Empathie. So werden lauter Miniaturen daraus, die die beiden Musiker mit Leidenschaft und Können vortragen. Man spürt, dass Jarnot ein Schüler von Dietrich Fischer Dieskau war - und dennoch findet er seinen eigenen Weg, der auf Dauer vermutlich eher zur Oper als zum Liedgesang führen dürfte.
Sonntag, 20. Januar 2013
Eilenberg: Petersburger Schlittenfahrt (cpo)
Ähnlich populär wie die Strauß-Familie in Wien war einst in Berlin Richard Eilenberg (1848 bis 1927). Sein Vater war Stabstrompeter beim 12. Husarenregiment in Merseburg bei Leipzig. So wird Richard Eilen- berg mit Militärmusik aufgewachsen sein. Ausgebildet wurde er dann im Militärknabenerziehungsinstitut im sächsischen Annaberg. Mit Fleiß widmete er sich dort insbesondere dem Klavierspiel und dem Fach Komposition; mit 16 Jahren legte Eilenberg bereits eine Konzert- ouvertüre vor. 1873 ging er als Musikdirektor und Dirigent nach Stettin.
Eilenberg scheint ein versierter Kapellmeister gewesen zu sein; er erhielt Einladungen zu Gastspielreisen aus ganz Europa, unter anderem von Zar Alexander II. und vom rumänischen König. 1889 zog er nach Berlin um. Und stets komponierte er - Operetten, ein Ballett, Charakterstücke, Tänze, Märsche, Salonmusik, etwa 350 Werke Eilenbergs sind überliefert. Dennoch ist seine Musik auf dem Konzertpodium heute kaum noch zu hören. Dass der Komponist nicht vollends dem Vergessen anheim gefallen ist, verdankt er in erster Linie der berühmten Petersburger Schlittenfahrt - einem Werk, das ähnlich populär ist wie etwa An der schönen blauen Donau. Jeder Klassikfreund kann diese Melodien mitpfeifen.
Das WDR Rundfunkorchester hat sich unter Leitung von Christian Simonis schon des öfteren selten gespielter Musik angenommen. So hat das Orchester, dass auf Unterhaltungsmusik auf höchstem Niveau spezialisiert ist, bei cpo bereits eine CD mit Werken von Benjamin Bilse vorgelegt. Hier folgt nun eine Entdeckungsreise durch das Werk Eilenbergs. Das ist er- freulich, denn diese Musik erweist sich als abwechslungsreich, ideenreich, und anschaulich, wo sie charakterisiert. Wie der Komponist in der Mando- linen-Serenade op. 117 die Violinen einsetzt, wie er die Norwegische Rentierpost op. 314 dahinflitzen lässt oder den Kosakenritt op. 149, das ist schon großes Kino. Schade nur, dass diese witzigen Werke so selten zu hören sind. Um so dankbarer ist der Zuhörer Simonis und dem WDR Rundfunkorchester, das diese Perlen der leichten Muse mit Esprit zele- briert.
Eilenberg scheint ein versierter Kapellmeister gewesen zu sein; er erhielt Einladungen zu Gastspielreisen aus ganz Europa, unter anderem von Zar Alexander II. und vom rumänischen König. 1889 zog er nach Berlin um. Und stets komponierte er - Operetten, ein Ballett, Charakterstücke, Tänze, Märsche, Salonmusik, etwa 350 Werke Eilenbergs sind überliefert. Dennoch ist seine Musik auf dem Konzertpodium heute kaum noch zu hören. Dass der Komponist nicht vollends dem Vergessen anheim gefallen ist, verdankt er in erster Linie der berühmten Petersburger Schlittenfahrt - einem Werk, das ähnlich populär ist wie etwa An der schönen blauen Donau. Jeder Klassikfreund kann diese Melodien mitpfeifen.
Das WDR Rundfunkorchester hat sich unter Leitung von Christian Simonis schon des öfteren selten gespielter Musik angenommen. So hat das Orchester, dass auf Unterhaltungsmusik auf höchstem Niveau spezialisiert ist, bei cpo bereits eine CD mit Werken von Benjamin Bilse vorgelegt. Hier folgt nun eine Entdeckungsreise durch das Werk Eilenbergs. Das ist er- freulich, denn diese Musik erweist sich als abwechslungsreich, ideenreich, und anschaulich, wo sie charakterisiert. Wie der Komponist in der Mando- linen-Serenade op. 117 die Violinen einsetzt, wie er die Norwegische Rentierpost op. 314 dahinflitzen lässt oder den Kosakenritt op. 149, das ist schon großes Kino. Schade nur, dass diese witzigen Werke so selten zu hören sind. Um so dankbarer ist der Zuhörer Simonis und dem WDR Rundfunkorchester, das diese Perlen der leichten Muse mit Esprit zele- briert.
Samstag, 19. Januar 2013
Kompositionen für Corno da caccia & Orgel (Fagott)
Die Orgel der evangelischen Kirche in St. Margarethen, gelegen im Kanton St. Gallen in der Schweiz, ist ein Neubau aus dem Jahre 1992. Der Orgelklang lässt auf- horchen - denn auch wenn der Stimmton modern ist, so imitiert dieses Instrument, das durch die Firma Orgelbau Felsberg errichtet wurde, doch ganz eindeutig mitteldeutsche Barockorgeln. Insbesondere die Werke des berühmten Orgelbauers Gottfried Silbermann (1683 bis 1753) sorgten dafür, dass sächsische Dorfkirchen für Kenner und Liebhaber zu Pilgerstätten geworden sind.
Auch Orgelbau Felsberg hat die alten Instrumente mit Sorgfalt studiert, und dann für St. Margarethen ein neues angefertigt, das die Silbermann-Tradition und seinen charakteristischen Klang in die Moderne transponiert. Organist Alexander Koschel stellt auf dieser CD diese Orgel vor. Dazu hat er Raritäten ausgewählt, die - mit einer Ausnahme - von Komponisten aus Mitteldeutschland stammen.
Bei einigen Werken erklingt zudem das Corno da caccia. Es wird von dem in Basel ansässigen Trompeter Urban F. Walser geblasen. Anders als Ludwig Güttler, der bei ähnlichen Einspielungen das Corno da caccia verwendet hat, um seiner Partie Glanz und Strahlkraft zu verleihen, wählt Walser einen hornartigen, eher gedeckten Klang. So bleibt die Orgel Königin - für ein Orgelporträt ist dies eine interes- sante Variante.
Auch Orgelbau Felsberg hat die alten Instrumente mit Sorgfalt studiert, und dann für St. Margarethen ein neues angefertigt, das die Silbermann-Tradition und seinen charakteristischen Klang in die Moderne transponiert. Organist Alexander Koschel stellt auf dieser CD diese Orgel vor. Dazu hat er Raritäten ausgewählt, die - mit einer Ausnahme - von Komponisten aus Mitteldeutschland stammen.
Bei einigen Werken erklingt zudem das Corno da caccia. Es wird von dem in Basel ansässigen Trompeter Urban F. Walser geblasen. Anders als Ludwig Güttler, der bei ähnlichen Einspielungen das Corno da caccia verwendet hat, um seiner Partie Glanz und Strahlkraft zu verleihen, wählt Walser einen hornartigen, eher gedeckten Klang. So bleibt die Orgel Königin - für ein Orgelporträt ist dies eine interes- sante Variante.
Freitag, 18. Januar 2013
Viva Verdi - Ouvertures & Preludes (Decca)
Die Beziehung zwischen dem Komponisten Giuseppe Verdi und der Mailänder Scala war nicht ganz unkompliziert. Zwar erlebten auf der Bühne des renommierten Opernhauses fünf seiner sieben frühen Opern ihre Premiere. Doch dann vergingen 24 Jahre, in denen der maestro in der Scala über- haupt nicht präsent war. Als er dann wieder dort erschien, diri- gierte er Opern, die er andernorts schon vorgestellt hatte. Doch so ganz schien er der Sache nicht zu trauen, denn er hat seine Werke eigens für diese Aufführung über- arbeitet.
Riccardo Chailly kann dies egal sein, denn das Orchestra Filharmo- nica della Scala spielt Verdi heutzutage so routiniert wie jedes andere professionelle Orchester auf der Welt - vielleicht aber mit einem Fünkchen mehr Herzblut. Diese Aufnahme, die mit der Sinfonia aus I vespri siciliani beginnt und mit der Sinfonia aus La forza del destino endet, unterstreicht den Sinn des Komponisten für das Dramatische. Auch wenn die Ouvertüren und Vorspiele des Komponisten formal erstaunlich unterschiedlich sind, so sind sie doch stets geniale Lösungen der Aufgabe, das Publikum auf das folgende Werk einzu- stimmen. Chailly präsentiert seine Auswahl gemeinsam mit den Musikern mit Vergnügen an den dramaturgischen Kunstkniffen Verdis, mit Sinn für Theatralik und Freude an der Melodie. Eine würdige Ouvertüre zum Verdi-Jahr 2013.
Riccardo Chailly kann dies egal sein, denn das Orchestra Filharmo- nica della Scala spielt Verdi heutzutage so routiniert wie jedes andere professionelle Orchester auf der Welt - vielleicht aber mit einem Fünkchen mehr Herzblut. Diese Aufnahme, die mit der Sinfonia aus I vespri siciliani beginnt und mit der Sinfonia aus La forza del destino endet, unterstreicht den Sinn des Komponisten für das Dramatische. Auch wenn die Ouvertüren und Vorspiele des Komponisten formal erstaunlich unterschiedlich sind, so sind sie doch stets geniale Lösungen der Aufgabe, das Publikum auf das folgende Werk einzu- stimmen. Chailly präsentiert seine Auswahl gemeinsam mit den Musikern mit Vergnügen an den dramaturgischen Kunstkniffen Verdis, mit Sinn für Theatralik und Freude an der Melodie. Eine würdige Ouvertüre zum Verdi-Jahr 2013.
Donnerstag, 17. Januar 2013
Rolando Villazón sings Verdi (Virgin Classics)
Nahezu zeitgleich mit dem Album, das zuvor in diesem Blog vorge- stellt worden ist, erschien eine sehr ähnliche Auswahl mit Verdi-Arien bei Virgin Classics. Dieses Kuriosum beruht darauf, dass Rolando Villazón bis 2007 bei EMI Records unter Vertrag stand.
In den Archiven dieses Labels befinden sich etliche Aufnahmen aus jenen Anfangsjahren, in denen der Sänger noch im Vollbesitz seiner stimmlichen Mittel war - und sie schonungslos zu Markte getragen hat. So hat Virgin Classics nun Arien daraus zusammengefasst, und man stellt fest, dass die Auswahl jener stark ähnelt, die auch die Deutsche Grammophon veröffentlicht hat. Wer möchte, der kann vergleichen. In jedem Falle wird der Hörer zwar feststellen, dass das Münchner Rundfunkorchester unter Marcello Viotti bzw. besonders unter Michel Plasson sowie das Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Roma, unter Antonio Pappano in einer anderen Liga spielen. Und er wird frustriert fest- stellen, dass nach knapp 38 Minuten Schluss ist - und dass Virgin Classics auch beim Beiheft gespart hat. Das wiederum ist schade.
In den Archiven dieses Labels befinden sich etliche Aufnahmen aus jenen Anfangsjahren, in denen der Sänger noch im Vollbesitz seiner stimmlichen Mittel war - und sie schonungslos zu Markte getragen hat. So hat Virgin Classics nun Arien daraus zusammengefasst, und man stellt fest, dass die Auswahl jener stark ähnelt, die auch die Deutsche Grammophon veröffentlicht hat. Wer möchte, der kann vergleichen. In jedem Falle wird der Hörer zwar feststellen, dass das Münchner Rundfunkorchester unter Marcello Viotti bzw. besonders unter Michel Plasson sowie das Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Roma, unter Antonio Pappano in einer anderen Liga spielen. Und er wird frustriert fest- stellen, dass nach knapp 38 Minuten Schluss ist - und dass Virgin Classics auch beim Beiheft gespart hat. Das wiederum ist schade.
Villazón Verdi (Deutsche Grammophon)
Auch in diesem Jahr feiert die Musikwelt wieder etliche Jubiläen. So gehört nicht viel Phantasie dazu, vorherzusagen, dass 2013 eine Wagner-Woge über uns hereinbrechen wird. Und im Oktober 1813 wurde der italie- nische Komponist Giuseppe Verdi geboren - Grund genug, schon vor dem Jahreswechsel die ersten CD auf den Markt zu bringen. Ein Album mit Arien von Verdi legt beispielsweise die Deutsche Grammophon vor. Das Label hat Rolando Villazón zu seinem "Verdi-Botschafter" ernannt.
Der mexikanisch-französische Sänger ist derzeit ohne Frage der be- kannteste Verdi-Tenor. Er hat für dieses Album eine sehr persönliche Auswahl aus dem enorm umfangreichen Werk des Komponisten getroffen - und folgt zugleich seinem Lebensweg von den frühesten Werken bis zur letzten Arie, die Verdi je für Tenor geschrieben hat. So kann sich der Musikfreund neben den bekannten Hits aus den Opern Rigoletto und La Traviata auch über einige Arien freuen, die weniger häufig zu hören sind.
Den Sänger begleitet das Orchestra Teatro Regio Torino unter Gian- andrea Noseda. Bei aller stimmlichen Malaise, die Villazón in den letzten Jahren verfolgt wie ein schwarzer Schatten, ist diese CD dennoch gelungen. Das liegt nicht zuletzt mit daran, dass Villazón klug ausgewählt hat und die großen Helden vemeidet. Auch wenn ihm das sicher nicht leicht fällt - aber der Tenor gibt hier nicht mehr stets 150 Prozent. Das Publikum dürfte auch mit hundert Prozent recht zufrieden sein; und für die eine oder andere Stelle, wo es doch zu hören ist, dass diese Stimme gelitten hat, entschädigt eine insgesamt intelligentere Stimmführung. Wenn Villazón auf den Volldampf-Ge- sang verzichtet, dann kommt mitunter eine Eleganz zum Vorschein, die durchaus ausbauwürdig erscheint. Hoffen wir, dass sich ein Sänger mit einem solchen Potential zügeln kann - und sich in Zukunft nicht mehr verheizen lässt. Wir drücken beide Daumen!
Der mexikanisch-französische Sänger ist derzeit ohne Frage der be- kannteste Verdi-Tenor. Er hat für dieses Album eine sehr persönliche Auswahl aus dem enorm umfangreichen Werk des Komponisten getroffen - und folgt zugleich seinem Lebensweg von den frühesten Werken bis zur letzten Arie, die Verdi je für Tenor geschrieben hat. So kann sich der Musikfreund neben den bekannten Hits aus den Opern Rigoletto und La Traviata auch über einige Arien freuen, die weniger häufig zu hören sind.
Den Sänger begleitet das Orchestra Teatro Regio Torino unter Gian- andrea Noseda. Bei aller stimmlichen Malaise, die Villazón in den letzten Jahren verfolgt wie ein schwarzer Schatten, ist diese CD dennoch gelungen. Das liegt nicht zuletzt mit daran, dass Villazón klug ausgewählt hat und die großen Helden vemeidet. Auch wenn ihm das sicher nicht leicht fällt - aber der Tenor gibt hier nicht mehr stets 150 Prozent. Das Publikum dürfte auch mit hundert Prozent recht zufrieden sein; und für die eine oder andere Stelle, wo es doch zu hören ist, dass diese Stimme gelitten hat, entschädigt eine insgesamt intelligentere Stimmführung. Wenn Villazón auf den Volldampf-Ge- sang verzichtet, dann kommt mitunter eine Eleganz zum Vorschein, die durchaus ausbauwürdig erscheint. Hoffen wir, dass sich ein Sänger mit einem solchen Potential zügeln kann - und sich in Zukunft nicht mehr verheizen lässt. Wir drücken beide Daumen!
Mittwoch, 16. Januar 2013
Schumann: Dichterliebe; Behle (Capriccio)
Der Zyklus Dichterliebe von Ro- bert Schumann nach Texten von Heinrich Heine gehört zu jenen Werken, die selbst gestandene Interpreten zum Grübeln bringen. Denn im Konzertsaal sind sie ebenso präsent wie auf Tonträger.
"Bei einem so oft gesungenen Werk kann ich nichts Neues erfinden", sagt Daniel Behle. "Was wir aller- dings bewusst angestrebt haben - und das ist mein Credo für alle Liedeinspielungen -, ist die äußer- ste Schlichtheit. Noch mehr als bei Schubert ist es dem Sänger verboten, den Dichter zu verkitschen, die Emotionen zu vergrößern und damit zu vergröbern."
Der Tenor Daniel Behle präsentiert sich auf dieser CD als ein großarti- ger Liedersänger, der zwischen Schuberts Heidenröslein und Schu- manns Im Rhein, im heiligen Strome eine Vielzahl von Ausdrucks- nuancen aufzeigt. Besonders beeindruckend ist Schuberts Lied Nachthelle für eine Singstimme und vierstimmigen Männerchor mit Begleitung des Pianoforte. Hier erfreuen zwölf Herren des Rias-Kammerchores mit kraftvollem Chorgesang, über den sich strahlend die Solostimme erhebt.
Schumanns Dichterliebe singt der lyrische Tenor Daniel Behle mit edlem Timbre und analytischem Blick in die Partitur. Seine schlanke, fokussierte Stimmführung und insbesondere auch der Klang seiner Stimme in der Höhe erinnern an Wunderlich - was der Sänger natürlich weiß, und was aber gerade Anlass sein sollte, Wunderlichs Schmachtseufzer nicht zu kopieren. Ansonsten ist Behles Gesang von Manierismen erfreulich frei.
Mit dem norwegischen Pianisten Sveinung Bjelland steht Behle ein exzellenter Klavierbegleiter zur Seite. Die beiden haben 2009 bereits eine weitere Schubert-CD aufgenommen. Ihre Version des Lieder- zyklus Die schöne Müllerin sollte man vom Ende her hören. Bjelland macht den Bach zu einem Protagonisten des Kammerspiels um den Müllerburschen, der sich aussichtslos in eine Beziehung verrennt, die - daran lässt die Musik keinen Zweifel - niemals bestanden hat. Wenn das Wasser am Ende sein Lied singt, dann ist das hier das Finale jenes Dialoges, den der Müller zu Beginn des Liederzyklus mit dem Bach geführt hat. Und um den Eindruck abzurunden, haben die Musiker noch Auf dem Strom angefügt, ein Rellstab-Lied, das im Konzert selten zu hören ist, weil Schubert eine Stimme dem Solo-Horn zugewiesen hat. Den anspruchsvollen Horn-Part hat auf der CD Ab Koster übernommen.
"Bei einem so oft gesungenen Werk kann ich nichts Neues erfinden", sagt Daniel Behle. "Was wir aller- dings bewusst angestrebt haben - und das ist mein Credo für alle Liedeinspielungen -, ist die äußer- ste Schlichtheit. Noch mehr als bei Schubert ist es dem Sänger verboten, den Dichter zu verkitschen, die Emotionen zu vergrößern und damit zu vergröbern."
Der Tenor Daniel Behle präsentiert sich auf dieser CD als ein großarti- ger Liedersänger, der zwischen Schuberts Heidenröslein und Schu- manns Im Rhein, im heiligen Strome eine Vielzahl von Ausdrucks- nuancen aufzeigt. Besonders beeindruckend ist Schuberts Lied Nachthelle für eine Singstimme und vierstimmigen Männerchor mit Begleitung des Pianoforte. Hier erfreuen zwölf Herren des Rias-Kammerchores mit kraftvollem Chorgesang, über den sich strahlend die Solostimme erhebt.
Schumanns Dichterliebe singt der lyrische Tenor Daniel Behle mit edlem Timbre und analytischem Blick in die Partitur. Seine schlanke, fokussierte Stimmführung und insbesondere auch der Klang seiner Stimme in der Höhe erinnern an Wunderlich - was der Sänger natürlich weiß, und was aber gerade Anlass sein sollte, Wunderlichs Schmachtseufzer nicht zu kopieren. Ansonsten ist Behles Gesang von Manierismen erfreulich frei.
Mit dem norwegischen Pianisten Sveinung Bjelland steht Behle ein exzellenter Klavierbegleiter zur Seite. Die beiden haben 2009 bereits eine weitere Schubert-CD aufgenommen. Ihre Version des Lieder- zyklus Die schöne Müllerin sollte man vom Ende her hören. Bjelland macht den Bach zu einem Protagonisten des Kammerspiels um den Müllerburschen, der sich aussichtslos in eine Beziehung verrennt, die - daran lässt die Musik keinen Zweifel - niemals bestanden hat. Wenn das Wasser am Ende sein Lied singt, dann ist das hier das Finale jenes Dialoges, den der Müller zu Beginn des Liederzyklus mit dem Bach geführt hat. Und um den Eindruck abzurunden, haben die Musiker noch Auf dem Strom angefügt, ein Rellstab-Lied, das im Konzert selten zu hören ist, weil Schubert eine Stimme dem Solo-Horn zugewiesen hat. Den anspruchsvollen Horn-Part hat auf der CD Ab Koster übernommen.
Dienstag, 15. Januar 2013
Mit Myrten und Rosen - Isang Enders (Berlin Classics)
Mit dieser CD präsentiert sich ein junger Musiker, der bereits zu einer Legende geworden ist. Denn er erhielt 2008 die Stelle des er- sten Konzertmeisters der Violon- celli an der Staatskapelle Dresden. Sie war zuvor mehr als zehn Jahre lang unbesetzt geblieben. Isang Enders wurde mit gerade einmal 20 Jahren Nachfolger von Jan Vogler, der die Stelle 1997 aufge- geben hatte, um sich ganz auf das solistische Konzertieren konzen- trieren zu können.
Enders vereint auf seiner CD Myrten und Rosen, deutsche Romantik und Moderne: Er spielt jeweils das komplette Werk für Violoncello und Klavier von Robert Schumann und Isang Yun - und es zeigt sich bald, dass diese Stücke einander näher sind, als 150 Jahre Musik- geschichte vermuten lassen.
Der deutsch-koreanische Komponist Isang Yun (1917 bis 1995) verknüpfte in seinen Werken asiatische Musiktraditionen mit den Experimenten der europäischen Avantgarde. Ebenso spektakulär wie seine Musik erscheint seine Biographie. Denn er wagte 1963 von Deutschland aus eine Reise nach Nordkorea - und wurde dafür 1967 vom südkoreanischen Geheimdienst nach Seoul entführt. Dort wurde Yun des Landesverrates angeklagt und zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Aufgrund internationaler Proteste wurde der Musiker 1969 freigelassen. Er kehrte nach Deutschland zurück, und wurde 1971 deutscher Staatsbürger.
"Robert Schumann und Isang Yun scheint wenig zu verbinden", schreibt Enders, der aus einer koreanisch-deutschen Musikerfamilie stammt. "Dennoch möchte ich sie in ihren verschiedenen Sprachen gemeinsam vorstellen, weil sich doch beide Komponisten dem Anspruch des Gesanglichen so sehr verpflichtet haben." Und so verknüpft der Cellist Espace I und Nore von Yun mit den Original- werken und Bearbeitungen, die Schumann geschaffen hat. Da wären zunächst die Fünf Stücke im Volkston op. 102. Schumann schrieb aber auch von Adagio und Allegro As-Dur op. 70 für Horn und Klavier, von den Fantasiestücken op. 73 für Klarinette und Klavier und vom Andante cantabile A-Dur aus dem Klavierquartett Es-Dur op. 47 Versionen für Violoncello. Es ist kaum zu glauben, aber dieses erklingt hier in Ersteinspielung. Enders selbst übertrug Mit Myrten und Rosen aus dem Liederkreis nach Heinrich Heine op. 24 auf sein Instrument.
Am Klavier begleitet ihn Andreas Hering. Die beiden Musiker zeich- nen sich aus durch einen beherzten, eher männlich-herben als sentimentalischen Zugriff auf Schumanns Musik. Dabei widmen sie sich aber mit Sorgfalt den Details und Kontrasten; ihr Spiel wirkt erfrischend, und nicht etwa knallig-krawallig. Enders begeistert durch einen warmen, intensiven Celloton. Im Zusammenspiel mit Hering setzt er aber nicht nur auf Poesie. Er lässt auch ahnen, dass die Form Abgründe bändigt - die herrlichen Melodiebögen und die Sinnlichkeit sind gebunden an Melancholie.
Enders vereint auf seiner CD Myrten und Rosen, deutsche Romantik und Moderne: Er spielt jeweils das komplette Werk für Violoncello und Klavier von Robert Schumann und Isang Yun - und es zeigt sich bald, dass diese Stücke einander näher sind, als 150 Jahre Musik- geschichte vermuten lassen.
Der deutsch-koreanische Komponist Isang Yun (1917 bis 1995) verknüpfte in seinen Werken asiatische Musiktraditionen mit den Experimenten der europäischen Avantgarde. Ebenso spektakulär wie seine Musik erscheint seine Biographie. Denn er wagte 1963 von Deutschland aus eine Reise nach Nordkorea - und wurde dafür 1967 vom südkoreanischen Geheimdienst nach Seoul entführt. Dort wurde Yun des Landesverrates angeklagt und zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Aufgrund internationaler Proteste wurde der Musiker 1969 freigelassen. Er kehrte nach Deutschland zurück, und wurde 1971 deutscher Staatsbürger.
"Robert Schumann und Isang Yun scheint wenig zu verbinden", schreibt Enders, der aus einer koreanisch-deutschen Musikerfamilie stammt. "Dennoch möchte ich sie in ihren verschiedenen Sprachen gemeinsam vorstellen, weil sich doch beide Komponisten dem Anspruch des Gesanglichen so sehr verpflichtet haben." Und so verknüpft der Cellist Espace I und Nore von Yun mit den Original- werken und Bearbeitungen, die Schumann geschaffen hat. Da wären zunächst die Fünf Stücke im Volkston op. 102. Schumann schrieb aber auch von Adagio und Allegro As-Dur op. 70 für Horn und Klavier, von den Fantasiestücken op. 73 für Klarinette und Klavier und vom Andante cantabile A-Dur aus dem Klavierquartett Es-Dur op. 47 Versionen für Violoncello. Es ist kaum zu glauben, aber dieses erklingt hier in Ersteinspielung. Enders selbst übertrug Mit Myrten und Rosen aus dem Liederkreis nach Heinrich Heine op. 24 auf sein Instrument.
Am Klavier begleitet ihn Andreas Hering. Die beiden Musiker zeich- nen sich aus durch einen beherzten, eher männlich-herben als sentimentalischen Zugriff auf Schumanns Musik. Dabei widmen sie sich aber mit Sorgfalt den Details und Kontrasten; ihr Spiel wirkt erfrischend, und nicht etwa knallig-krawallig. Enders begeistert durch einen warmen, intensiven Celloton. Im Zusammenspiel mit Hering setzt er aber nicht nur auf Poesie. Er lässt auch ahnen, dass die Form Abgründe bändigt - die herrlichen Melodiebögen und die Sinnlichkeit sind gebunden an Melancholie.
Schubert: Winterreise; Koningsberger, Braun
Aufnahmen des Liederzyklus Winterreise von Franz Schubert gibt es reichlich. Neugierig, wie ein Kritiker ja immer sein sollte, habe ich mir diese hier angehört - ob- wohl sie von Bariton Maarten Ko- ningsberger und seinem Pianisten Roger Braun ohne Unterstützung durch ein Label veröffentlicht worden ist.
Was die beiden Musiker zur dieser Produktion getrieben hat? Keine Ahnung, ich habe es nicht heraus- gefunden. Denn diese Interpreta- tion ist bis in den letzten Takt langweilig und konventionell. Und über die Gesangstechnik von Koningsberger soll an dieser Stelle höflich geschwiegen werden. Sein Bariton hat wohl auch schon bessere Zeiten gesehen. Und besser geklungen.
Was die beiden Musiker zur dieser Produktion getrieben hat? Keine Ahnung, ich habe es nicht heraus- gefunden. Denn diese Interpreta- tion ist bis in den letzten Takt langweilig und konventionell. Und über die Gesangstechnik von Koningsberger soll an dieser Stelle höflich geschwiegen werden. Sein Bariton hat wohl auch schon bessere Zeiten gesehen. Und besser geklungen.
Montag, 14. Januar 2013
Louis Spohr - The forgotten master (Alpha)
Die vier Klarinettenkonzerte von Louis Spohr (1784 bis 1859) hat Paul Meyer gemeinsam mit dem Orchestre de Chambre de Lausanne eingespielt. Man fragt sich, warum man diese wunder- volle Musik noch nie gehört hat - weder im Konzertsaal, noch vollständig auf CD. Sabine Meyer hat, wenn ich mich recht erinnere, zwei davon eingespielt - andere Aufnahmen sind mir jedenfalls nicht bekannt.
Auch die anderen Werke Spohrs haben im Musikleben heutzutage kaum eine Bedeutung. Dabei galt der Kasseler Hofkapellmeister nach Mendelssohns und Beethovens Tod unangefochten als der führende deutsche Komponist, und zudem teilte er sich mit Paganini in den Ruhm des größten Violinvirtuosen seiner Zeit.
Spohrs Klarinettenkonzerte erweisen sich als überaus gelungene Kompositionen, die an Mozarts einziges Konzert anknüpfen. Sie sind ausgesprochen feinsinnig, und bis in die Orchesterbegleitung hinein mit Sorgfalt ausgearbeitet. Meyer begeistert mit seinem traumhaft schönen Ton und der Noblesse seiner Interpretation. Er spielt großartig, und wer ihn spielen hört, der denkt keine Sekunde daran, dass der Solopart sämtlicher Spohr-Konzerte als überaus schwierig gilt. Noch heute gehören seine Werke zu den technisch anspruchs- vollsten der Konzertliteratur.
Das liegt daran, dass Spohr sie für einen Klarinettisten komponierte, der selbst ein Ausnahmevirtuose war: Johann Simon Hermstedt (1778 bis 1846) stammte aus dem thüringischen Langensalza, und war zunächst Premier-Hautboist und schließlich Hofkapellmeister in Sondershausen. Mit Spohr war er befreundet; die beiden Musiker hatten einander kennengelernt, als Spohr Konzertmeister im nahe- gelegenen Gotha war. Das erste Klarinettenkonzert bestellte 1808 Hermstedts Dienstherr, Günther Friedrich Karl I. von Schwarzburg-Sondershausen, der das Instrument auch selbst spielte - allerdings auf Liebhaber-Niveau.
Spohrs Werk freilich war selbst für den Profi unspielbar. Hermstedt aber veränderte lieber seine Klarinette, als Änderungen einzufordern. Diese Anstrengungen zahlten sich aus, denn im Winterhalbjahr ging der Virtuose regelmäßig auf Konzertreisen. Die Kritik stand Kopf; selbst im musikbesessenen Dresden schwärmte die Zeitung: "In solcher Vollkommenheit hörten wir dieses Instrument noch nicht." Wer Meyer zuhört, der möchte die Musikalität dieses Klarinettisten und seine extrem gute Technik mit ähnlichen Superlativen bedenken. Das Kammerorchester sekundiert einmal mehr ganz phantastisch. Bravi!
Auch die anderen Werke Spohrs haben im Musikleben heutzutage kaum eine Bedeutung. Dabei galt der Kasseler Hofkapellmeister nach Mendelssohns und Beethovens Tod unangefochten als der führende deutsche Komponist, und zudem teilte er sich mit Paganini in den Ruhm des größten Violinvirtuosen seiner Zeit.
Spohrs Klarinettenkonzerte erweisen sich als überaus gelungene Kompositionen, die an Mozarts einziges Konzert anknüpfen. Sie sind ausgesprochen feinsinnig, und bis in die Orchesterbegleitung hinein mit Sorgfalt ausgearbeitet. Meyer begeistert mit seinem traumhaft schönen Ton und der Noblesse seiner Interpretation. Er spielt großartig, und wer ihn spielen hört, der denkt keine Sekunde daran, dass der Solopart sämtlicher Spohr-Konzerte als überaus schwierig gilt. Noch heute gehören seine Werke zu den technisch anspruchs- vollsten der Konzertliteratur.
Das liegt daran, dass Spohr sie für einen Klarinettisten komponierte, der selbst ein Ausnahmevirtuose war: Johann Simon Hermstedt (1778 bis 1846) stammte aus dem thüringischen Langensalza, und war zunächst Premier-Hautboist und schließlich Hofkapellmeister in Sondershausen. Mit Spohr war er befreundet; die beiden Musiker hatten einander kennengelernt, als Spohr Konzertmeister im nahe- gelegenen Gotha war. Das erste Klarinettenkonzert bestellte 1808 Hermstedts Dienstherr, Günther Friedrich Karl I. von Schwarzburg-Sondershausen, der das Instrument auch selbst spielte - allerdings auf Liebhaber-Niveau.
Spohrs Werk freilich war selbst für den Profi unspielbar. Hermstedt aber veränderte lieber seine Klarinette, als Änderungen einzufordern. Diese Anstrengungen zahlten sich aus, denn im Winterhalbjahr ging der Virtuose regelmäßig auf Konzertreisen. Die Kritik stand Kopf; selbst im musikbesessenen Dresden schwärmte die Zeitung: "In solcher Vollkommenheit hörten wir dieses Instrument noch nicht." Wer Meyer zuhört, der möchte die Musikalität dieses Klarinettisten und seine extrem gute Technik mit ähnlichen Superlativen bedenken. Das Kammerorchester sekundiert einmal mehr ganz phantastisch. Bravi!
Willaert: Vespro della Beata Vergine (Ricercar)
Adriaen Willaert (um 1490 bis 1562) gilt als Vater der venezia- nischen Mehrchörigkeit. Der Komponist, der ursprünglich aus Flandern stammte, studierte in Paris, und trat 1515 in Rom in den Dienst des Kardinals Ippolito I. d'Este. Nach dessen Tod 1520 wirkte er bei Herzog Alfonso, dem Bruder des Kardinals. 1527 wurde er zum Kapellmeister an St. Markus in Venedig ernannt.
Willaert verstand es, den Raum und die exzellenten Sänger, die in der Hauskirche des Dogen zur Ver- fügung standen, virtuos in seine Musik einzubinden. Und er kombi- nierte die flämischen Prinzipien kontrapunktischer Komposition mit neuen Ideen, die er in Italien kennengelernt hatte. Wie prachtvoll das Ergebnis klang, das belegt diese CD, auf der die Capilla Flamenca unter Dirk Sneling eine Marienvesper rekonstruiert hat. Unterstützt wurde das Ensemble dabei durch Professor Dr. Wolfgang Horn von der Universität Regensburg, der noch nicht publizierte Transkriptio- nen für diese Einspielung zur Verfügung stellte.
Die Herren der Capilla Flamenca singen betörend. Und so stellt die Aufnahme nicht zuletzt die Klangpracht der venezianischen Mehrchörigkeit heraus, die bei den Zeitgenossen des Komponisten eine überwältigende Wirkung erzielt haben muss. Das war durchaus beabsichtigt, denn Venedigs Dogen hatten große Macht, und zeigten dies auch sehr deutlich. So erklangen an hohen Feiertagen die repräsentativen mehrchörigen Vesperpsalmen, wie sie in dem Band Di Adriano e di Iachet i salmi appartenenti alli Vesperi durch den Verleger Antonio Gardano 1550 veröffentlicht wurden. Sie wurden für diese CD durch zusätzliche Werke Willaerts zu Ehren der Jungfrau Maria aus anderen Sammlungen ergänzt. Als einziges Instrument erklingt hier die Orgel, aber nicht gleichzeitig mit dem Chor. Joris Verdin spielt Werke von Willaert sowie von Annibale Padovano (1527 bis 1575). Dieser war bis 1565 Organist der Markuskirche, und ging dann an den Hof von Erzherzog Karl II. nach Graz.
Die Herren der Capilla Flamenca singen betörend. Und so stellt die Aufnahme nicht zuletzt die Klangpracht der venezianischen Mehrchörigkeit heraus, die bei den Zeitgenossen des Komponisten eine überwältigende Wirkung erzielt haben muss. Das war durchaus beabsichtigt, denn Venedigs Dogen hatten große Macht, und zeigten dies auch sehr deutlich. So erklangen an hohen Feiertagen die repräsentativen mehrchörigen Vesperpsalmen, wie sie in dem Band Di Adriano e di Iachet i salmi appartenenti alli Vesperi durch den Verleger Antonio Gardano 1550 veröffentlicht wurden. Sie wurden für diese CD durch zusätzliche Werke Willaerts zu Ehren der Jungfrau Maria aus anderen Sammlungen ergänzt. Als einziges Instrument erklingt hier die Orgel, aber nicht gleichzeitig mit dem Chor. Joris Verdin spielt Werke von Willaert sowie von Annibale Padovano (1527 bis 1575). Dieser war bis 1565 Organist der Markuskirche, und ging dann an den Hof von Erzherzog Karl II. nach Graz.
Samstag, 12. Januar 2013
Wanderer. Andreas Scholl, Tamar Halperin (Decca)
"Es geht mir nicht darum, der erste Countertenor zu sein, der irgend- ein Lied singt. Ich will nur die Lieder vortragen, die mich per- sönlich berühren", beteuert Andreas Scholl. "Und das kann ebenso ein Lied von Schubert, Mozart oder Haydn sein wie eines von Dowland."
Text mit Klangfarben untersetzen, Geschichten erzählen - diese Herausforderungen begleiten jeden Sänger ein Musikerleben lang. Scholl fand nicht gleich Zugang zu den Kunstliedern der Romantik, berichtet er im Beiheft zu dieser CD: "Erst als ich mit einem lettischen Studenten, einem Bari- ton, an der Winterreise arbeitet, erkannte ich, dass diesem Repertoire Schlichtheit zugutekommt", erinnert sich der Sänger. "Viele Interpreten vergessen das bei ihrem Bestreben, ein Lied gleichsam neu zu erfinden. Der Ausdruck ist jedoch in der Musik bereits mitkomponiert. Bei Liedern, wie bei allem, was ich singe, geht es mir vorrangig um Schlichtheit und Aufrichtigkeit."
Das prägt sowohl die drei Kanzonetten von Joseph Haydn als auch die fünf Lieder, die Scholl aus den 49 Deutschen Volksliedern von Johan- nes Brahms ausgewählt hat. An den beiden Liedern von Wolfgang Amadeus Mozart interessierten den Sänger wohl vor allem die Geschichten, die sie mit musikalischen Mitteln erzählen. So wird Das Veilchen, Generationen von Gesangsschülern bestens vertraut, fast zu einem Kurzkrimi. Scholl macht die Hoffnung des Blümchens nachvollziehbar, und lässt uns sein schmähliches Ende miterleben.
Bei den Liedern von Franz Schubert hingegen wird der Zuhörer feststellen, dass die Musik fast immer klüger ist als der Text. Insbesondere das Klavier übernimmt hier einen Part, der weit über die Begleitung des Sängers hinausreicht. Tamar Halperin zeichnet Landschaftsbilder, gibt Stimmungen vor oder antwortet auf Phrasen des Sängers. Sie spielt zudem einen Walzer von Schubert und das A-Dur-Intermezzo aus Brahms' 1893 veröffentlichten Sechs Klavier- stücken. Sie präsentiert sich auf dieser CD als versierte, aber (noch) nicht überragende Partnerin des Sängers.
Andreas Scholl, Jahrgang 1967, zeigt sich noch immer gut bei Stimme. Vielleicht klingt seine Höhe nicht mehr ganz so weich wie früher, doch dank seiner überragenden Technik und seiner intelli- genten Gestaltung hört man ihn immer wieder gern. Ohne Zweifel ist er noch immer einer der besten Countertenöre, die derzeit weltweit zu erleben sind. Insofern ist diese CD unbedingt zu empfehlen - auch wenn sich Schubert und Brahms vermutlich gewundert hätten, ihre Lieder in dieser Stimmlage zu hören. Derart hohe Männerstimmen erklangen zu ihren Lebzeiten nämlich ausschließlich in der Kirche.
Text mit Klangfarben untersetzen, Geschichten erzählen - diese Herausforderungen begleiten jeden Sänger ein Musikerleben lang. Scholl fand nicht gleich Zugang zu den Kunstliedern der Romantik, berichtet er im Beiheft zu dieser CD: "Erst als ich mit einem lettischen Studenten, einem Bari- ton, an der Winterreise arbeitet, erkannte ich, dass diesem Repertoire Schlichtheit zugutekommt", erinnert sich der Sänger. "Viele Interpreten vergessen das bei ihrem Bestreben, ein Lied gleichsam neu zu erfinden. Der Ausdruck ist jedoch in der Musik bereits mitkomponiert. Bei Liedern, wie bei allem, was ich singe, geht es mir vorrangig um Schlichtheit und Aufrichtigkeit."
Das prägt sowohl die drei Kanzonetten von Joseph Haydn als auch die fünf Lieder, die Scholl aus den 49 Deutschen Volksliedern von Johan- nes Brahms ausgewählt hat. An den beiden Liedern von Wolfgang Amadeus Mozart interessierten den Sänger wohl vor allem die Geschichten, die sie mit musikalischen Mitteln erzählen. So wird Das Veilchen, Generationen von Gesangsschülern bestens vertraut, fast zu einem Kurzkrimi. Scholl macht die Hoffnung des Blümchens nachvollziehbar, und lässt uns sein schmähliches Ende miterleben.
Bei den Liedern von Franz Schubert hingegen wird der Zuhörer feststellen, dass die Musik fast immer klüger ist als der Text. Insbesondere das Klavier übernimmt hier einen Part, der weit über die Begleitung des Sängers hinausreicht. Tamar Halperin zeichnet Landschaftsbilder, gibt Stimmungen vor oder antwortet auf Phrasen des Sängers. Sie spielt zudem einen Walzer von Schubert und das A-Dur-Intermezzo aus Brahms' 1893 veröffentlichten Sechs Klavier- stücken. Sie präsentiert sich auf dieser CD als versierte, aber (noch) nicht überragende Partnerin des Sängers.
Andreas Scholl, Jahrgang 1967, zeigt sich noch immer gut bei Stimme. Vielleicht klingt seine Höhe nicht mehr ganz so weich wie früher, doch dank seiner überragenden Technik und seiner intelli- genten Gestaltung hört man ihn immer wieder gern. Ohne Zweifel ist er noch immer einer der besten Countertenöre, die derzeit weltweit zu erleben sind. Insofern ist diese CD unbedingt zu empfehlen - auch wenn sich Schubert und Brahms vermutlich gewundert hätten, ihre Lieder in dieser Stimmlage zu hören. Derart hohe Männerstimmen erklangen zu ihren Lebzeiten nämlich ausschließlich in der Kirche.
Paganini: Ghiribizzi for guitar; Baschiera (Newton)
Zwar hat er dieses Instrument nie im Konzert gespielt, doch Nicolò Paganini, der "Teufelsgeiger", war auch ein begnadeter Gitarrist. Er komponierte auch erstaunlich viel Musik dafür, so 37 Sonaten, Quartette und Trios für Streicher und Gitarre, diverse Werke für Violine und Gitarre und zahlreiche kleine Stücke.
Einer Sammlung mit 43 Miniaturen gab Paganini den Titel Ghiribizzi, was man mit Launen oder Schrul- len übersetzen kann. 1990 hat sie der Gitarrist Alfonso Baschiera eingespielt. Diese Werkchen bleiben durchweg in Tonarten, die für Gitarristen bequem zu bewältigen sind. Auch klingen etliche davon wie jene Stücke, die Gitarrenschüler üblicherweise im Unterricht spielen, um Technik und Ausdruck zu verbessern. Das ist kein Wunder: Die Ghiribizzi schuf Paganini für ein kleines Mädchen aus Neapel. Ihr Vater, ein gewisser Signor Botto, war mit Paganini be- freundet und hatte ihn um ein paar kurze Stücke gebeten.
Doch Paganini hat in den Ghiribizzi so manchen musikalischen Scherz versteckt. So bedient er sich bei etlichen populären Werken. Eine bekannte Mozart-Arie wird wohl jeder erkennen. Und die Nummer
37 besteht aus zwei Teilen - der erste ist mit Rossini, der zweite mit Paganini überschrieben. Je mehr sich der Virtuose mit seinem Material beschäftigt, desto anspruchsvoller wird die Musik.
37 besteht aus zwei Teilen - der erste ist mit Rossini, der zweite mit Paganini überschrieben. Je mehr sich der Virtuose mit seinem Material beschäftigt, desto anspruchsvoller wird die Musik.
Gitarrist Baschiera kann leider mit den einfachen Werken nicht viel anfangen; er spielt sie ziemlich lieblos, und ohne sie ansprechend zu gestalten. Wo es schwieriger wird, wächst auch sein Engagement, und er präsentiert die hübschen Stücke zunehmend mit Esprit. Insgesamt aber gehört diese CD nicht zu jenen Aufnahmen, die man unbedingt haben muss.
Freitag, 11. Januar 2013
Tessarini: Complete twelve violin Concertos Opus 1 (Indesens)
Über den Lebensweg von Carlo Tessarini (um 1690 bis nach 1766) ist nicht sehr viel bekannt. Der Musiker stammte aus Rimini. Wo er seine Ausbildung erhielt, lässt sich nicht sicher feststellen - doch 1720 wird er erstmals als Violinist an St. Markus in Venedig erwähnt. 1723 finden wir den Musiker als maestro dei concertos am Ospeda- le dei Poveri Derelitti, einem der vier Waisenhäuser der Republik. Er war damit ein Kollege Vivaldis, der die gleiche Position am Ospedale della Pietà inne hatte. Und noch etwas hatte er mit Vivaldi gemein- sam: Johann Georg Pisendel, Konzertmeister der Dresdner Hofka- pelle, hat auf seiner Italien-Reise 1716/17 Werke von beiden Kompo- nisten kopiert.
1731 erhielt Tessarini eine Stelle in der cappella der Kathedrale von Urbino, die er gut 30 Jahre lang behielt. Nebenbei freilich ging er auf ausgedehnte Konzertreisen. So musizierte er in Brünn am Hofe des Kardinals Schrattenbach, in London, Frankfurt am Main und in Rom, wo 1741 auch seine Violinschule Grammatica di musica erschien. Die Spur des Musikers verliert sich in den Niederlanden. Es wird vermu- tet, dass er dort 1767 gestorben ist - doch belegt ist das nicht.
Auf diesen beiden CD sind seine Zwölf Violinkonzerte op. 1 versam- melt. Sie folgen dem Muster, das Vivaldi und Albinoni entwickelt haben, erreichen aber nicht durchweg das Format der Vorbilder. Marco Pedrona hat mit dem Ensemble Guidantus die erste moderne Gesamtaufnahme eingespielt. Wenn ich die Bilder im Beiheft richtig deute, dann heißt dies, dass die Streicher moderne Instrumente benutzen - und die heute üblichen Spieltechniken, was für den Klang dieser Werke aber nicht unbedingt ein Gewinn ist. Im Continuo hingegen kommen eine Erzlaute und ein Cembalo zum Einsatz. Das wiederum passt nicht ohne weiteres zum modernen Violoncello. Konsequent ist das nicht. Und so kommt auch die ganze Aufnahme nicht auf den Punkt. Man vermisst zudem Spannung und Spielfreude. Schade.
1731 erhielt Tessarini eine Stelle in der cappella der Kathedrale von Urbino, die er gut 30 Jahre lang behielt. Nebenbei freilich ging er auf ausgedehnte Konzertreisen. So musizierte er in Brünn am Hofe des Kardinals Schrattenbach, in London, Frankfurt am Main und in Rom, wo 1741 auch seine Violinschule Grammatica di musica erschien. Die Spur des Musikers verliert sich in den Niederlanden. Es wird vermu- tet, dass er dort 1767 gestorben ist - doch belegt ist das nicht.
Auf diesen beiden CD sind seine Zwölf Violinkonzerte op. 1 versam- melt. Sie folgen dem Muster, das Vivaldi und Albinoni entwickelt haben, erreichen aber nicht durchweg das Format der Vorbilder. Marco Pedrona hat mit dem Ensemble Guidantus die erste moderne Gesamtaufnahme eingespielt. Wenn ich die Bilder im Beiheft richtig deute, dann heißt dies, dass die Streicher moderne Instrumente benutzen - und die heute üblichen Spieltechniken, was für den Klang dieser Werke aber nicht unbedingt ein Gewinn ist. Im Continuo hingegen kommen eine Erzlaute und ein Cembalo zum Einsatz. Das wiederum passt nicht ohne weiteres zum modernen Violoncello. Konsequent ist das nicht. Und so kommt auch die ganze Aufnahme nicht auf den Punkt. Man vermisst zudem Spannung und Spielfreude. Schade.
Donnerstag, 10. Januar 2013
Bizet: Carmen (EMI Classics)
Was für ein Gesindel, und das auf der Bühne der Pariser Opéra-Comique! Soldaten, Gassenjungen, Schmuggler, Zigeuner und Huren sind die Helden der Oper Carmen von Georges Bizet, ein brutaler Mord ist ihr Finale, und als sie 1875 uraufgeführt wurde, da bebte nicht nur die Kritik vor Empörung.
Drei Monate später war der Kom- ponist tot. Mehr als 4.000 Men- schen kamen zu seiner Beisetzung - und auf einmal rühmte man den Komponisten, dessen Werk zuvor durchgefallen war, als eines der größten französischen Talente. Und seine Oper Carmen erklang bald darauf in Wien, an der Hofoper. Sie wird noch immer viel gespielt - im vergangenen Jahr beispielsweise erklang sie zu den Osterfestspielen in Salzburg, mit einem illustren Solistenensemble, Chor und Kinderchor der Deutschen Staatsoper Berlin sowie den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle.
In der Berliner Philharmonie wurde in Anschluss daran im April 2012 diese Studio-Aufnahme aufgezeichnet. Sie ist durchaus hörenswert. Insbesondere Magdalena Kozená als Carmen und Jonas Kaufmann als Don José sind brillant; so intensiv und ausdrucksstark sind diese Partien selten zu hören. Der Sopran von Genia Kühmeier erscheint mir für eine Micaela allerdings zu mächtig, ein junges Mädchen vom Lande stellt man sich weniger dramatisch vor. Auch die kleineren Rollen, wie Escamillo, Zuniga, Moralès und die sonstigen sind solide besetzt.
Die Chöre sind ein Ereignis. Auch die Berliner Philharmoniker erweisen sich als ein interessantes Opernorchester - obwohl dieser Elite-Klangkörper, der es sich geleistet hat, den Salzburger Oster- festspielen die Zusammenarbeit für die Zukunft aufzukündigen, normalerweise keine Dienste im Graben schiebt. Das freilich ist bei der Staatskapelle Dresden anders. Man darf gespannt darauf sein, was die Nachfolger der Berliner in diesem Jahr in Salzburg leisten - ein Thielemann dürfte in jedem Falle eigene Akzente setzen.
Drei Monate später war der Kom- ponist tot. Mehr als 4.000 Men- schen kamen zu seiner Beisetzung - und auf einmal rühmte man den Komponisten, dessen Werk zuvor durchgefallen war, als eines der größten französischen Talente. Und seine Oper Carmen erklang bald darauf in Wien, an der Hofoper. Sie wird noch immer viel gespielt - im vergangenen Jahr beispielsweise erklang sie zu den Osterfestspielen in Salzburg, mit einem illustren Solistenensemble, Chor und Kinderchor der Deutschen Staatsoper Berlin sowie den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle.
In der Berliner Philharmonie wurde in Anschluss daran im April 2012 diese Studio-Aufnahme aufgezeichnet. Sie ist durchaus hörenswert. Insbesondere Magdalena Kozená als Carmen und Jonas Kaufmann als Don José sind brillant; so intensiv und ausdrucksstark sind diese Partien selten zu hören. Der Sopran von Genia Kühmeier erscheint mir für eine Micaela allerdings zu mächtig, ein junges Mädchen vom Lande stellt man sich weniger dramatisch vor. Auch die kleineren Rollen, wie Escamillo, Zuniga, Moralès und die sonstigen sind solide besetzt.
Die Chöre sind ein Ereignis. Auch die Berliner Philharmoniker erweisen sich als ein interessantes Opernorchester - obwohl dieser Elite-Klangkörper, der es sich geleistet hat, den Salzburger Oster- festspielen die Zusammenarbeit für die Zukunft aufzukündigen, normalerweise keine Dienste im Graben schiebt. Das freilich ist bei der Staatskapelle Dresden anders. Man darf gespannt darauf sein, was die Nachfolger der Berliner in diesem Jahr in Salzburg leisten - ein Thielemann dürfte in jedem Falle eigene Akzente setzen.
Reinthaler: Das Käthchen von Heilbronn (cpo)
Carl Martin Reinthaler (1822 bis 1896) wuchs in Erfurt auf. Dort leitete sein Vater das Martinsstift im Augustinerkloster, dessen Aufgabe die Versorgung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen war. Auch Carl Reinthaler studierte zunächst Theologie in Berlin, wandte sich aber zunehmend der Musik zu. 1858 ging er schließlich nach Bremen, wo er viele Jahre lang als Domorganist, Leiter des Dom- chores und der Singakademie sowie als städtischer Musikdirektor das Musikleben prägte.
Das Register der Werke Reinthalers ist nicht allzu umfangreich. Bekannt ist in erster Linie sein Oratorium Jephta und seine Tochter. Doch auch Chormusik, Klavierlieder, einige wenige Instrumental- werke und zwei Opern hat Reinthaler komponiert. Inspiriert durch das Kleist-Jubiläum, das irrtümlicherweise 1876 begangen wurde, schuf Reinthaler nach einem Libretto des Bremer Autors Heinrich Bulthaupt seine zweite Oper Das Käthchen von Heilbronn. Damit gewann der Komponist den Wettbewerb um die Eröffnung des neuen Stadttheaters in Frankfurt am Main, wo dann 1881 die Uraufführung erfolgte. In den darauffolgenden Jahren übernahmen etliche Bühnen das Werk; in Bremen hielt es sich bis 1892 im Repertoire. Dann ver- schwand es aus dem Spielplan und dem Gedächtnis der Opernfreunde, bis das Theater Erfurt 2009 das Stück wiederentdeckte.
Ein Mitschnitt erschien bei cpo. Er macht allerdings auch deutlich, dass das "große historische Ritterschauspiel" nicht ganz zu Unrecht im Archiv verschwunden ist. Denn auch wenn Reinthaler ein Meister im Orchestrieren ist - dieses Werk ist deutsches Stadttheater, vom ersten bis zum letzten Ton und vom ersten bis zum letzten Wort. Die Auffüh- rung in Erfurt ist ebenfalls Stadttheater, was in diesem Falle kein Kompliment ist. Und so wird sich schon bald der Staub der Jahrhun- derte wieder über der rührseligen Geschichte sammeln. Das ist in diesem Falle wohl kein Verlust.
Das Register der Werke Reinthalers ist nicht allzu umfangreich. Bekannt ist in erster Linie sein Oratorium Jephta und seine Tochter. Doch auch Chormusik, Klavierlieder, einige wenige Instrumental- werke und zwei Opern hat Reinthaler komponiert. Inspiriert durch das Kleist-Jubiläum, das irrtümlicherweise 1876 begangen wurde, schuf Reinthaler nach einem Libretto des Bremer Autors Heinrich Bulthaupt seine zweite Oper Das Käthchen von Heilbronn. Damit gewann der Komponist den Wettbewerb um die Eröffnung des neuen Stadttheaters in Frankfurt am Main, wo dann 1881 die Uraufführung erfolgte. In den darauffolgenden Jahren übernahmen etliche Bühnen das Werk; in Bremen hielt es sich bis 1892 im Repertoire. Dann ver- schwand es aus dem Spielplan und dem Gedächtnis der Opernfreunde, bis das Theater Erfurt 2009 das Stück wiederentdeckte.
Ein Mitschnitt erschien bei cpo. Er macht allerdings auch deutlich, dass das "große historische Ritterschauspiel" nicht ganz zu Unrecht im Archiv verschwunden ist. Denn auch wenn Reinthaler ein Meister im Orchestrieren ist - dieses Werk ist deutsches Stadttheater, vom ersten bis zum letzten Ton und vom ersten bis zum letzten Wort. Die Auffüh- rung in Erfurt ist ebenfalls Stadttheater, was in diesem Falle kein Kompliment ist. Und so wird sich schon bald der Staub der Jahrhun- derte wieder über der rührseligen Geschichte sammeln. Das ist in diesem Falle wohl kein Verlust.
Mittwoch, 9. Januar 2013
Montéclair: Cantatas à voix seule (BIS)
Über den Lebensweg von Michel Pignolet de Montéclair (1667 bis 1737) wurde in diesem Blog bereits ausführlich geschrieben. Seine Kammerkantaten führen in die Welt der Nymphen und Schäfer, in die Antike, wie sie im Rokoko gesehen wurde - als Kulisse für höfische Grazie, Leichtigkeit und Amüsement. Nicht die Tragödie, sondern das Idyll war gefragt. Es ist doch erstaunlich, wie die bekannten Geschichten aus Vergils Aeneis auch das hergeben, wenn man sie etwas bearbeitet. Im Mittelpunkt dieser Werke steht die Stimme des Sängers, eingebettet in ein kleines Ensemble, das dennoch erstaunliche Klangeffekte erzielen kann.
Insbesondere die Violinen werden hier sehr vielseitig eingesetzt - sie imitieren ebenso die Jagdhörner Dianas wie Friedenstrompeten, Dudelsäcke oder die Pfeife Pans. Mit einer erstaunlichen Palette an Klangfarben glänzen Musiker des Ensembles London Baroque: Ingrid Seifert und Richard Gwilt, Violine, Charles Medlam und William Hunt, Viola da gamba, und Steven Devine am Cembalo.
Es ist dies allerdings die erste CD, auf der mich Emma Kirkby, eigent- lich eine großartige Sopranistin, nicht vollends überzeugt. Ihre Stimme lässt Leichtigkeit und Eleganz vermissen, sie klingt ange- strengt und hat diese ätherische Aura verloren, die ich bislang an ihr so bewundert habe. Schade.
Insbesondere die Violinen werden hier sehr vielseitig eingesetzt - sie imitieren ebenso die Jagdhörner Dianas wie Friedenstrompeten, Dudelsäcke oder die Pfeife Pans. Mit einer erstaunlichen Palette an Klangfarben glänzen Musiker des Ensembles London Baroque: Ingrid Seifert und Richard Gwilt, Violine, Charles Medlam und William Hunt, Viola da gamba, und Steven Devine am Cembalo.
Es ist dies allerdings die erste CD, auf der mich Emma Kirkby, eigent- lich eine großartige Sopranistin, nicht vollends überzeugt. Ihre Stimme lässt Leichtigkeit und Eleganz vermissen, sie klingt ange- strengt und hat diese ätherische Aura verloren, die ich bislang an ihr so bewundert habe. Schade.
Schubert: Winterreise; Kupfer, Giesa (Meisterklang)
Schon während des Studiums an der Leipziger Musikhochschule begann die Zusammenarbeit zwischen dem Bariton Jochen Kupfer und der Pianistin Susanne Giesa. Die beiden Interpreten haben bereits eine Einspielung von Schuberts Schöner Müllerin vor- gelegt - und wurden dafür von der Kritik sehr gelobt und durch Grammophone mit dem Choice of the month ausgezeichnet.
Auch die zweite CD ist dem Werk Franz Schuberts gewidmet: Kupfer und Giesa wagen sich an Die Winterreise. Dieser Liederzyklus ist nicht eben selten zu hören. Wer ihn einspielt, der muss sich an Aufnahmen wie jenen mit Dietrich Fischer-Dieskau und Jörg Demus oder Gerald Moore, mit Peter Schreier und András Schiff oder Swjatoslaw Richter, sowie der mit Peter Pears und Benjamin Britten und vielen, vielen anderen messen lassen.
Was die vorliegende CD einzigartig macht, das ist das perfekt austa- rierte Zusammenspiel der Pianistin, die ihren Part überaus sensibel auslegt - Liedbegleitung mag man das gar nicht nennen - mit dem Sänger. So durchdacht, wie dieses Duo die Winterreise inszeniert, wird sie zum Ereignis.
Wer nur die ersten Lieder anhört, der wird Jochen Kupfer für einen Schönsänger mit einer kuschelweich timbrierten Stimme halten. Doch bald zeigt sich, dass der Eindruck täuscht: Dieser Sänger gestaltet jedes einzelne Lied mit einer Detailsicherheit, die sehr überrascht. Und das Klavier von Susanne Giesa ergänzt seinen Gesang, baut Stimmungen auf und kommentiert. Man darf gespannt sein, welche Projekte diese beiden künstlerischen Partner in Zukunft vorstellen werden. Diese CD jedenfalls ist grandios gelungen; die beiden jungen Künstler sichern sich damit einen Platz im Olymp der Referenzauf- nahmen. Bravi!
Auch die zweite CD ist dem Werk Franz Schuberts gewidmet: Kupfer und Giesa wagen sich an Die Winterreise. Dieser Liederzyklus ist nicht eben selten zu hören. Wer ihn einspielt, der muss sich an Aufnahmen wie jenen mit Dietrich Fischer-Dieskau und Jörg Demus oder Gerald Moore, mit Peter Schreier und András Schiff oder Swjatoslaw Richter, sowie der mit Peter Pears und Benjamin Britten und vielen, vielen anderen messen lassen.
Was die vorliegende CD einzigartig macht, das ist das perfekt austa- rierte Zusammenspiel der Pianistin, die ihren Part überaus sensibel auslegt - Liedbegleitung mag man das gar nicht nennen - mit dem Sänger. So durchdacht, wie dieses Duo die Winterreise inszeniert, wird sie zum Ereignis.
Wer nur die ersten Lieder anhört, der wird Jochen Kupfer für einen Schönsänger mit einer kuschelweich timbrierten Stimme halten. Doch bald zeigt sich, dass der Eindruck täuscht: Dieser Sänger gestaltet jedes einzelne Lied mit einer Detailsicherheit, die sehr überrascht. Und das Klavier von Susanne Giesa ergänzt seinen Gesang, baut Stimmungen auf und kommentiert. Man darf gespannt sein, welche Projekte diese beiden künstlerischen Partner in Zukunft vorstellen werden. Diese CD jedenfalls ist grandios gelungen; die beiden jungen Künstler sichern sich damit einen Platz im Olymp der Referenzauf- nahmen. Bravi!
Samstag, 5. Januar 2013
Bach - Böhm: Music for weddings and other festivities (Ricercar)
"Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang" - dieser Ausspruch wird keinem geringeren zuge- schrieben als dem Reformator Martin Luther. So wird es nicht verblüffen, dass auch die große Musikerfamilie Bach, wo sie Ursache dazu hatte, offenbar gern gefeiert hat.
Bach-Biograph Johann Nikolaus Forkel schreibt, dass ihm die beiden ältesten Söhne des Thomas- kantors berichtet hätten, die Familie Bach habe die Angewohnheit, sich einmal im Jahr vollzählig zu versammeln. "Da die Gesellschaft aus lauter Cantoren, Organisten und Stadtmusikanten bestand, die sämmtlich mit der Kirche zu thun hatten, und es überhaupt damahls noch eine Gewohnheit war, alle Dinge mit Religion anzufangen, so wurde, wenn sie versammelt waren, zuerst ein Choral angestimmt", so Forkel. "Von diesem andächtigen Anfang gingen sie zu Scherzen über, die häufig sehr gegen denselben abstachen. Sie sangen nemlich nun Volkslieder, theils von possierlichem, theils auch von schlüpfri- gem Inhalt zugleich miteinander aus dem Stegreif so, daß zwar die verschiedenen extemporierten Stimmen eine Art von Harmonie ausmachten, die Texte aber in jeder Stimme andern Inhalts waren. Sie nannten diese Art von extemporierter Zusammenstimmung Quodlibet, und konnten nicht nur selbst recht von ganztem Herzen dabey lachen, sondern erregten auch ein eben so herzliches und unwiderstehliches Lachen bey jedem, der sie hörte."
Als Beispiel für ein solches Quodlibet erklingt zum Abschluss dieser CD BWV 524 - mit einer Fülle von Scherzen und Anspielungen, die uns heute nicht mehr alle verständlich sind, aber doch beweisen, wie ausgelassen im Hause Bach einst gefeiert und gestichelt worden ist. Denn der zentrale Punkt dieses Werkes ist ein Backtrog, den ein Abkömmling der Musikerfamilie einst versuchsweise anstelle eines Schiffes genutzt haben muss - was wohl mit einem Bad im Teich endete. Und wer den Schaden hatte, der braucht hier um Spott nicht zu sorgen.
Das Quodlibet ist leider als Fragment überliefert; es fehlen die ersten und die letzten beiden Seiten. Leonardo García Alarcón und die Mitglieder des Ensembles Clematis haben dieses wenig bekannte Werk dennoch mit Wonne zelebriert - und gleich noch um ein weiteres Zitat bereichert, das aus den Goldberg-Variationen stammt, und ebenfalls ein Quodlibet ist. Die Sänger und Musiker haben für diese CD auch noch weitere Werke herausgesucht, die bei großen Familienfesten der Bachs erklungen sein könnten. Als Hochzeitsmusik für seine eigene Feier 1679 komponierte beispielsweise der Eisenacher Organist Johann Christoph Bach (1642 bis 1703) die Kantate Meine Freundin, du bist schön.
Bach-Biograph Johann Nikolaus Forkel schreibt, dass ihm die beiden ältesten Söhne des Thomas- kantors berichtet hätten, die Familie Bach habe die Angewohnheit, sich einmal im Jahr vollzählig zu versammeln. "Da die Gesellschaft aus lauter Cantoren, Organisten und Stadtmusikanten bestand, die sämmtlich mit der Kirche zu thun hatten, und es überhaupt damahls noch eine Gewohnheit war, alle Dinge mit Religion anzufangen, so wurde, wenn sie versammelt waren, zuerst ein Choral angestimmt", so Forkel. "Von diesem andächtigen Anfang gingen sie zu Scherzen über, die häufig sehr gegen denselben abstachen. Sie sangen nemlich nun Volkslieder, theils von possierlichem, theils auch von schlüpfri- gem Inhalt zugleich miteinander aus dem Stegreif so, daß zwar die verschiedenen extemporierten Stimmen eine Art von Harmonie ausmachten, die Texte aber in jeder Stimme andern Inhalts waren. Sie nannten diese Art von extemporierter Zusammenstimmung Quodlibet, und konnten nicht nur selbst recht von ganztem Herzen dabey lachen, sondern erregten auch ein eben so herzliches und unwiderstehliches Lachen bey jedem, der sie hörte."
Als Beispiel für ein solches Quodlibet erklingt zum Abschluss dieser CD BWV 524 - mit einer Fülle von Scherzen und Anspielungen, die uns heute nicht mehr alle verständlich sind, aber doch beweisen, wie ausgelassen im Hause Bach einst gefeiert und gestichelt worden ist. Denn der zentrale Punkt dieses Werkes ist ein Backtrog, den ein Abkömmling der Musikerfamilie einst versuchsweise anstelle eines Schiffes genutzt haben muss - was wohl mit einem Bad im Teich endete. Und wer den Schaden hatte, der braucht hier um Spott nicht zu sorgen.
Das Quodlibet ist leider als Fragment überliefert; es fehlen die ersten und die letzten beiden Seiten. Leonardo García Alarcón und die Mitglieder des Ensembles Clematis haben dieses wenig bekannte Werk dennoch mit Wonne zelebriert - und gleich noch um ein weiteres Zitat bereichert, das aus den Goldberg-Variationen stammt, und ebenfalls ein Quodlibet ist. Die Sänger und Musiker haben für diese CD auch noch weitere Werke herausgesucht, die bei großen Familienfesten der Bachs erklungen sein könnten. Als Hochzeitsmusik für seine eigene Feier 1679 komponierte beispielsweise der Eisenacher Organist Johann Christoph Bach (1642 bis 1703) die Kantate Meine Freundin, du bist schön.
Kurios ist auch die Geschichte der Hochzeitskantate Der Herr denket an uns BWV 196. Als Pastor Lorenz Stauber im Jahre 1707 in der Kirche zu Dornheim Johann Sebastian und Maria Barbara Bach traute, war unter den Hochzeitsgästen die Schwester der Brautmutter. Sie muss den verwitweten Pfarrer schwer beeindruckt haben; im Juni 1708 heiratete das Paar - und Bach schrieb für den Traugottesdienst eine seiner ersten Kantaten. Was von ihr überliefert ist, das findet sich ebenfalls auf dieser CD.
Georg Böhm (1661 bis 1733) stammte aus Thüringen, und wirkte später als Organist in Lüneburg. Dort verbrachte Johann Sebastian Bach seine letzten Schuljahre. Er war sogenannter Mettenschüler am Michaeliskloster; er musste also kein Schulgeld bezahlen, war aber im Gegenzug verpflichtet, als Chorsänger Dienst zu tun. In der Lüne- burger Residenz des Herzogs Georg Wilhelm konnte der junge Bach die Hofkapelle hören, die den französischen Stil pflegte. Auch lief er große Strecken zu Fuß, um namhafte Organisten spielen zu hören. Möglicherweise hat Böhm den Gymnasiasten im Orgelspiel unter- wiesen. Eines der wenigen Werke für Singstimmen, das von Böhm überliefert ist, eröffnet diese CD. Es ist ein geistliches Konzert über das Hohelied, Mein Freund ist mein, aber es hat mehr mystischen als weltlichen Bezug. Insofern fällt dieses Stück etwas aus dem Rahmen. Das dieses beeindruckende Werk durch die Bach-Familie aufgeführt worden ist, das erscheint nicht sehr wahrscheinlich.
Die Sänger und Musiker von Clematis widmen sich den Raritäten aus der Bach-Zeit mit Hingabe und Sachkenntnis. Das Ensemble, das von Leonardo García Alarcón am Cembalo geleitet wird, musiziert sehr hörenswert und ergänzt durch dieses Album das Bild der Bach-Familie um einen spannenden Aspekt.
Georg Böhm (1661 bis 1733) stammte aus Thüringen, und wirkte später als Organist in Lüneburg. Dort verbrachte Johann Sebastian Bach seine letzten Schuljahre. Er war sogenannter Mettenschüler am Michaeliskloster; er musste also kein Schulgeld bezahlen, war aber im Gegenzug verpflichtet, als Chorsänger Dienst zu tun. In der Lüne- burger Residenz des Herzogs Georg Wilhelm konnte der junge Bach die Hofkapelle hören, die den französischen Stil pflegte. Auch lief er große Strecken zu Fuß, um namhafte Organisten spielen zu hören. Möglicherweise hat Böhm den Gymnasiasten im Orgelspiel unter- wiesen. Eines der wenigen Werke für Singstimmen, das von Böhm überliefert ist, eröffnet diese CD. Es ist ein geistliches Konzert über das Hohelied, Mein Freund ist mein, aber es hat mehr mystischen als weltlichen Bezug. Insofern fällt dieses Stück etwas aus dem Rahmen. Das dieses beeindruckende Werk durch die Bach-Familie aufgeführt worden ist, das erscheint nicht sehr wahrscheinlich.
Die Sänger und Musiker von Clematis widmen sich den Raritäten aus der Bach-Zeit mit Hingabe und Sachkenntnis. Das Ensemble, das von Leonardo García Alarcón am Cembalo geleitet wird, musiziert sehr hörenswert und ergänzt durch dieses Album das Bild der Bach-Familie um einen spannenden Aspekt.
Klughardt: String Quartet op. 42, Piano Quintet op. 43 (Avi-Music)
"Mein Kapellmeister hat zwar noch keinen Bart, aber er hat Haare auf den Zähnen." Mit diesen Worten soll der Direktor des Posener Theaters 1867 seinen Angestellten einen Neuling in dieser Position vorgestellt haben: August Klughardt (1847 bis 1902). Dieser Name dürfte heute kaum noch einem Musikfreund geläufig sein. Wieso eigentlich? fragt man sich verwundert beim Anhören dieser CD.
Der Berufsanfänger erwarb sich rasch einen Ruf als Komponist, Pianist, Dirigent und Orchester- erzieher. Nach Stationen am Theater in Neustrelitz und in Lübeck wurde Klughardt schließlich als Musikdirektor an das Weimarer Hoftheater berufen. Dort wirkte er vier Jahre, und schuf zudem eine Vielzahl von Werken. 1873 ging er als Hofkapellmeister nach Neustre- litz; 1882 übernahm er dann die Hofkapellmeisterstelle in Dessau. Dort blieb er bis zu seinem Tode - eine Einladung, sich um die Leitung der Berliner Singakademie zu bewerben, lehnte er ab.
Sein Streichquartett F-Dur op. 42 wurde 1883 durch das berühmte Joachim-Quartett uraufgeführt - zwischen Mozart und Beethoven. "Die vier haben gespielt wie die Götter", schwärmte Klughardt. "Es ist doch etwas Schönes, so gespielt zu werden." Und die Kritik zeigte sich begeistert. Man wird dieses Urteil nachvollziehen, wenn man die CD mit dem Pleyel Quartett Köln angehört hat. Ingeborg Scheerer, Milena Schuster, Andreas Gerhardus und Nicholas Selo musizieren auf Instrumenten, wie sie noch vor hundert Jahren gebräuchlich waren. Insbesondere der Gebrauch von Darmsaiten und der diffe- renzierte Einsatz des Vibratos führen zu einem Klangbild, das sich von dem heute üblichen doch erstaunlich unterscheidet.
Verstärkt wird dieser Eindruck noch bei dem zweiten Stück auf der CD, dem Klavierquintett g-Moll op. 43. Hier ist statt Milena Schuster Verena Schoeneweg an der zweiten Geige zu hören - und Tobias Koch hat den Klavierpart übernommen. Der Pianist, der seit Jahren leiden- schaftlich für eine buntere Klangwelt auch bei den Tasteninstrumen- ten eintritt, hat für diese Aufnahme ein Fortepiano von Pierre Erard ausgewählt, das 1839 in Paris gebaut worden ist. Der Effekt ist deut- lich.
Das Klavierquintett bietet auch insofern eine Überraschung, als Klug- hardt in diesem Werk sowohl Einflüsse der sogenannten Neudeut- schen Schule um Wagner und Liszt als auch Referenzen an die Tradi- tionalisten um Brahms und Joachim erkennen lässt. Die beiden Lager haben seinerzeit heftig und mit lautstarker Unterstützung durch die Musikkritik darum gestritten, was gute Musik ausmacht. Klughardt nahm, was er gut fand, und schuf damit ein Werk, das man gern öfter im Konzertsaal hören würde. Die Musik des Komponisten nämlich ist großartig - und auch die Interpretation, die hier zu erleben ist, macht Freude. Bravi! und bitte mehr davon.
Der Berufsanfänger erwarb sich rasch einen Ruf als Komponist, Pianist, Dirigent und Orchester- erzieher. Nach Stationen am Theater in Neustrelitz und in Lübeck wurde Klughardt schließlich als Musikdirektor an das Weimarer Hoftheater berufen. Dort wirkte er vier Jahre, und schuf zudem eine Vielzahl von Werken. 1873 ging er als Hofkapellmeister nach Neustre- litz; 1882 übernahm er dann die Hofkapellmeisterstelle in Dessau. Dort blieb er bis zu seinem Tode - eine Einladung, sich um die Leitung der Berliner Singakademie zu bewerben, lehnte er ab.
Sein Streichquartett F-Dur op. 42 wurde 1883 durch das berühmte Joachim-Quartett uraufgeführt - zwischen Mozart und Beethoven. "Die vier haben gespielt wie die Götter", schwärmte Klughardt. "Es ist doch etwas Schönes, so gespielt zu werden." Und die Kritik zeigte sich begeistert. Man wird dieses Urteil nachvollziehen, wenn man die CD mit dem Pleyel Quartett Köln angehört hat. Ingeborg Scheerer, Milena Schuster, Andreas Gerhardus und Nicholas Selo musizieren auf Instrumenten, wie sie noch vor hundert Jahren gebräuchlich waren. Insbesondere der Gebrauch von Darmsaiten und der diffe- renzierte Einsatz des Vibratos führen zu einem Klangbild, das sich von dem heute üblichen doch erstaunlich unterscheidet.
Verstärkt wird dieser Eindruck noch bei dem zweiten Stück auf der CD, dem Klavierquintett g-Moll op. 43. Hier ist statt Milena Schuster Verena Schoeneweg an der zweiten Geige zu hören - und Tobias Koch hat den Klavierpart übernommen. Der Pianist, der seit Jahren leiden- schaftlich für eine buntere Klangwelt auch bei den Tasteninstrumen- ten eintritt, hat für diese Aufnahme ein Fortepiano von Pierre Erard ausgewählt, das 1839 in Paris gebaut worden ist. Der Effekt ist deut- lich.
Das Klavierquintett bietet auch insofern eine Überraschung, als Klug- hardt in diesem Werk sowohl Einflüsse der sogenannten Neudeut- schen Schule um Wagner und Liszt als auch Referenzen an die Tradi- tionalisten um Brahms und Joachim erkennen lässt. Die beiden Lager haben seinerzeit heftig und mit lautstarker Unterstützung durch die Musikkritik darum gestritten, was gute Musik ausmacht. Klughardt nahm, was er gut fand, und schuf damit ein Werk, das man gern öfter im Konzertsaal hören würde. Die Musik des Komponisten nämlich ist großartig - und auch die Interpretation, die hier zu erleben ist, macht Freude. Bravi! und bitte mehr davon.
Mittwoch, 2. Januar 2013
Caro Sposo (Destino Classics)
Auch diese CD widmet Erin Headley einer sagenumwobenen Frauensperson: Katharina von Alexandrien gehört zu den
14 Nothelfern, und gilt unter anderem als Schutzpatronin der Schulen und der philosophischen Fakultäten. Die Jungfrau, der Legende nach eine Königstochter, soll versucht haben, in einem spitzfindigen Disput den römischen Kaiser zum Christentum zu be- kehren. Weder den Gelehrten des Herrschers noch dem Kaiser selbst soll es gelungen sein, sie vom christlichen Glauben abzubringen.
Marco Marazzoli (um 1602 bis 1662) zeigt in seinem Oratorio di Santa Caterina, wie sie dem Werben des Kaisers widersteht, und sich auch durch Drohungen, Kerker und das Martyrium nicht beirren lässt. Das Libretto dazu stammt von Lelio Orsini. Die Dialoge, insbe- sondere zwischen Caterina, berückend gesungen von Katherine Watson, und Kaiser Massimino, gesungen von Christian Immler, sind umfangreich und beeindruckend. Zu hören sind weiter die Soprani- stin Nadine Balbeisi als Erzählerin sowie Juan Sancho und Steve Du- gardin als Soldaten. Der Countertenor übernimmt auch den allego- rischen Part der Hoffnung; als Schicksal zu hören ist die Sopranistin Emily Van Evera. Sie singt auch das zweite Stück auf der CD, das Lamento di Cain aus Cain e Abel von Bernardo Pasquini (1637 bis 1710).
Solche Klagegesänge wurden damals gern durch die Lira da Gamba begleitet. Dieses Streichinstrument, das auch Lirone genannt wird, hat eine Vielzahl von Saiten und einen sehr flachen Steg, so dass beim Spielen stets mehrere Saiten auf einmal erklingen. Erin Headley hat sich für die Wiederentdeckung dieses Instrumentes sehr engagiert; es gibt derzeit weltweit bereits wieder eine Handvoll Musiker, die den Lirone spielen. Mit ihrem Ensemble Atalante hat Headley sich zum Ziel gesetzt, Musik des 17. Jahrhunderts nach jahrhundertelangem Archivschlaf möglichst authentisch wieder zum Klingen zu bringen. Insbesondere die Archive des Vatikans erweisen sich offenbar als unerschöpfliche Fundgrube. So darf man auf die Fortsetzung der Serie Reliquie di Roma sehr gespannt sein.
14 Nothelfern, und gilt unter anderem als Schutzpatronin der Schulen und der philosophischen Fakultäten. Die Jungfrau, der Legende nach eine Königstochter, soll versucht haben, in einem spitzfindigen Disput den römischen Kaiser zum Christentum zu be- kehren. Weder den Gelehrten des Herrschers noch dem Kaiser selbst soll es gelungen sein, sie vom christlichen Glauben abzubringen.
Marco Marazzoli (um 1602 bis 1662) zeigt in seinem Oratorio di Santa Caterina, wie sie dem Werben des Kaisers widersteht, und sich auch durch Drohungen, Kerker und das Martyrium nicht beirren lässt. Das Libretto dazu stammt von Lelio Orsini. Die Dialoge, insbe- sondere zwischen Caterina, berückend gesungen von Katherine Watson, und Kaiser Massimino, gesungen von Christian Immler, sind umfangreich und beeindruckend. Zu hören sind weiter die Soprani- stin Nadine Balbeisi als Erzählerin sowie Juan Sancho und Steve Du- gardin als Soldaten. Der Countertenor übernimmt auch den allego- rischen Part der Hoffnung; als Schicksal zu hören ist die Sopranistin Emily Van Evera. Sie singt auch das zweite Stück auf der CD, das Lamento di Cain aus Cain e Abel von Bernardo Pasquini (1637 bis 1710).
Solche Klagegesänge wurden damals gern durch die Lira da Gamba begleitet. Dieses Streichinstrument, das auch Lirone genannt wird, hat eine Vielzahl von Saiten und einen sehr flachen Steg, so dass beim Spielen stets mehrere Saiten auf einmal erklingen. Erin Headley hat sich für die Wiederentdeckung dieses Instrumentes sehr engagiert; es gibt derzeit weltweit bereits wieder eine Handvoll Musiker, die den Lirone spielen. Mit ihrem Ensemble Atalante hat Headley sich zum Ziel gesetzt, Musik des 17. Jahrhunderts nach jahrhundertelangem Archivschlaf möglichst authentisch wieder zum Klingen zu bringen. Insbesondere die Archive des Vatikans erweisen sich offenbar als unerschöpfliche Fundgrube. So darf man auf die Fortsetzung der Serie Reliquie di Roma sehr gespannt sein.
Dienstag, 1. Januar 2013
Wagenseil: Concertos for organ (Accent)
Georg Christoph Wagenseil (1715 bis 1777) begann seine Musiker- laufbahn als Klavier- und Orgel- schüler von Matteo Palotta und Gottlieb Muffat sowie als Kapell- knabe. Später wurde er Hofscholar und Kompositionsschüler von Johann Joseph Fux. In dieser Zeit schrieb er bereits jede Menge Kirchenmusik, und vertrat zudem Muffat, der Erzherzogin Maria Theresia Clavierunterricht gab.
Die spätere Kaiserin war offenbar angetan. Denn Wagenseil wurde bereits 1738 zum Hofcompositeur ernannt, und wirkte dann bis an sein Lebensende als Musikmeister der Kaiserin. In dieser Funktion unterwies er nicht zuletzt die kaiserlichen Kinder; er war aber auch außerhalb des Hofes bis ins hohe Alter ein gefragter Pädagoge.
Wagenseil schuf eine Vielzahl von Werken in allen Genres seiner Zeit; er gehört zu den Wegbereitern der Wiener Klassik. Dennoch wäre sein Name inzwischen in Vergessenheit geraten, wenn es nicht jene Anek- dote gäbe, die über ein Konzert des kleinen Mozart erzählt wird, der bei Hofe ein Konzert Wagenseils vorspielen sollte. Der Sechsjährige rief den berühmten Virtuosen herbei, und ließ sich von ihm die Noten umwenden.
Das bevorzugte Instrument Wagenseils war ohne Zweifel das Cemba- lo. Das hört man auch bei den vier Konzerten auf dieser CD. Sie stammen aus der Sammlung Six Concertos for the Harpsichord or the Organ with Accompanyments for Two Violins and a Bass, die um 1765 in London gedruckt worden ist. Elisabeth Ullmann spielt diese Werke auf einer Orgel, die ein unbekannter Orgelbauer um 1800 im österreichischen Rust errichtet hat. Die Solistin musiziert gemeinsam mit dem Piccolo Concerto Wien unter Roberto Sensi. Die Musiker sind hervorragend; trotzdem wird man mit dieser Aufnahme nicht recht zufrieden sein. Das liegt möglicherweise am Solo-Instrument. Denn es ist verblüffend, wie deutlich diese hübschen Konzerte für Cembalo bestimmt sind - und ein Rätsel, warum für diese Aufnahme dennoch die Orgel gewählt wurde.
Die spätere Kaiserin war offenbar angetan. Denn Wagenseil wurde bereits 1738 zum Hofcompositeur ernannt, und wirkte dann bis an sein Lebensende als Musikmeister der Kaiserin. In dieser Funktion unterwies er nicht zuletzt die kaiserlichen Kinder; er war aber auch außerhalb des Hofes bis ins hohe Alter ein gefragter Pädagoge.
Wagenseil schuf eine Vielzahl von Werken in allen Genres seiner Zeit; er gehört zu den Wegbereitern der Wiener Klassik. Dennoch wäre sein Name inzwischen in Vergessenheit geraten, wenn es nicht jene Anek- dote gäbe, die über ein Konzert des kleinen Mozart erzählt wird, der bei Hofe ein Konzert Wagenseils vorspielen sollte. Der Sechsjährige rief den berühmten Virtuosen herbei, und ließ sich von ihm die Noten umwenden.
Das bevorzugte Instrument Wagenseils war ohne Zweifel das Cemba- lo. Das hört man auch bei den vier Konzerten auf dieser CD. Sie stammen aus der Sammlung Six Concertos for the Harpsichord or the Organ with Accompanyments for Two Violins and a Bass, die um 1765 in London gedruckt worden ist. Elisabeth Ullmann spielt diese Werke auf einer Orgel, die ein unbekannter Orgelbauer um 1800 im österreichischen Rust errichtet hat. Die Solistin musiziert gemeinsam mit dem Piccolo Concerto Wien unter Roberto Sensi. Die Musiker sind hervorragend; trotzdem wird man mit dieser Aufnahme nicht recht zufrieden sein. Das liegt möglicherweise am Solo-Instrument. Denn es ist verblüffend, wie deutlich diese hübschen Konzerte für Cembalo bestimmt sind - und ein Rätsel, warum für diese Aufnahme dennoch die Orgel gewählt wurde.