Eigentlich wollte sie gar nicht Sängerin werden. Emma Carolyn Kirkby hat in Oxford Altphilologie studiert. Sie arbeitete als Lehrerin, und sang in ihrer Freizeit in diversen Kammerchören. So entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Musik der Renaissance und des Barock.
1971 trat sie dem Taverner Choir bei. Damit war sie zum idealen Zeitpunkt im richtigen Ensemble. Im Zuge der Originalklang-Bewegung waren die Instrumentalisten seinerzeit mit Hingabe auf der Suche nach dem historisch korrekten Ton. Nur harmonierten die klassisch am Opernrepertoire geschulten Stimmen dummerweise damit überhaupt nicht. Und so wurde Emma Kirkby doch Sängerin. Denn ihre schlanke, helle Sopranstimme passte perfekt zu den Klangvorstellungen der sogenannten „Alten“ Musik. Und die Intelligenz, mit der sie ihre Partien gestaltet, beeindruckt noch immer.
Im Laufe der Jahre hat Kirkby unter anderem Werke von Bach, Händel, Monteverdi, Dowland, Purcell, Edwards, Campion, Dowland und Morley gesungen, und mit zahlreichen Ensembles und Dirigenten gemeinsam musiziert. Insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Lautenisten Anthony Rooley sowie mit dem Dirigenten Christopher Hogwood und der Academy Of Ancient Music haben ihre Entwicklung geprägt. Mit diesen und anderen künstlerischen Partnern hat sie bis in die 90er Jahre hinein eine Vielzahl von Aufnahmen bei Editions de L'Oiseau-Lyre eingespielt, Deccas auf Alte Musik spezialisiertem Label.
Jetzt legt Decca auf zwölf CD die Aufnahmen dieses Labels mit der Sängerin vor, die am 26. Februar übrigens bereits ihren 66. Geburtstag feiern kann. Die schön gestaltete Box wird zunächst exklusiv über jpc erhältlich sein.
Der Zuhörer darf sich über viele Stunden an Kirkbys wasserklaren, beweglichen Sopran erfreuen – und an etlichen beliebten Einspielungen. Enthalten sind in der Kollektion nicht nur Kantaten von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel, auch wenn vier komplette CD allein dem Schaffen der beiden Komponisten gewidmet sind. Zwei weitere CD sind für Werke Mozarts reserviert. Zu hören sind ausgewählte Arien sowie die berühmte Solomotette Exsultate, jubilate, nebst weniger bekannten Motetten des Komponisten.
Auf drei weiteren CD erklingen Duette – vorgetragen von Kirkby gemein- sam mit dem Bass David Thomas, dem Tenor Martyn Hill und mit der amerikanischen Sopranistin Judith Nelson, geordnet nach Pastoral Dialogues, Amorous Dialogues und Duetti da Camera, also Bukolischen Zwiegesprächen, Liebesgeflüster und den sogenannten Kammerduetten, zumeist hochvirtuosen Werken, die hohe Anforderungen an Sänger stellen. Dass Ausdruck eine Stärke der Sängerin ist, zeigen auch ein faszinierendes Album mit Songs und Airs des von Henry Purcell sowie wie The Lady Musick, eine CD mit Lautenliedern aus dem elisabethanischen England. Diese Aufnahmen machen zudem deutlich, mit welcher Sorgfalt und Hingabe das Repertoire dafür zusammmengestellt worden ist. Denn auf diesen CD sind etliche Ersteinspielungen verborgen. Und außerdem wird man immer wieder schöne Details entdecken, wenn man der Sängerin und ihren Kollegen lauscht. Hinreißend!
Samstag, 31. Januar 2015
Freitag, 30. Januar 2015
Paganini: La Lanterna magica (Carpe Diem)
„La sua musica da camera ci parla della sua anima appassionata e bruciante eppure semplice ad un tempo; della stretta relazione tra la musica popolare ed il belcanto italiano che permea ogni sua pagina; del piccolo mondo in cui era nato, della sua Genova con le strade strettissime incastrate tra i monti ed il mare“, begeistert sich Rosario Conte für die Kammermusik von Niccolò Paganini. Auf dieser CD hat der Gitarrist gemeinsam mit der japanischen Geigerin Keiko Yamaguchi eine Auswahl davon eingespielt; mit Ausnahme des Cantabile op. 17 stammen die Werke allesamt aus dem Centone di Sonate per Violino e Chitarra.
Es ist spürbar, dass diese Musik – obwohl sie keineswegs trivial daher- kommt – nicht für das Konzertpodium komponiert worden ist, sondern eher zum privaten Gebrauch, für das Musizieren unter Freunden, im heimischen Salon. Yamaguchi spielt auf einer Violine von Nicolas Lupot, entstanden 1822 in Paris. Dieses Instrument überrascht mit einem sehr eigenen Klangspektrum – es ist nicht der strahlende, brillante Virtuosen- ton, den man bei Paganini üblicherweise im Ohr hat, er wirkt vielmehr eher gedeckt, dunkel, erdig. Zum Klang von Contes Gitarre, über die man leider im Beiheft nichts erfährt, passt dies aber gut. Die beiden Musiker erzeugen eine intensive, sehr intime Atmosphäre. Ihr Zusammenspiel wirkt harmonisch und natürlich. Mein Urteil über diese CD: Sehr gelungen!
Es ist spürbar, dass diese Musik – obwohl sie keineswegs trivial daher- kommt – nicht für das Konzertpodium komponiert worden ist, sondern eher zum privaten Gebrauch, für das Musizieren unter Freunden, im heimischen Salon. Yamaguchi spielt auf einer Violine von Nicolas Lupot, entstanden 1822 in Paris. Dieses Instrument überrascht mit einem sehr eigenen Klangspektrum – es ist nicht der strahlende, brillante Virtuosen- ton, den man bei Paganini üblicherweise im Ohr hat, er wirkt vielmehr eher gedeckt, dunkel, erdig. Zum Klang von Contes Gitarre, über die man leider im Beiheft nichts erfährt, passt dies aber gut. Die beiden Musiker erzeugen eine intensive, sehr intime Atmosphäre. Ihr Zusammenspiel wirkt harmonisch und natürlich. Mein Urteil über diese CD: Sehr gelungen!
Junhong Kuang (Naxos)
In Iserlohn, wo ein ausgesprochen renommiertes Gitarren-Symposion stattfindet, wurde er bestaunt: Beim
5. Internationalen Gitarrenwettbe- werb, dem höchstdotierten in Deutschland, erregte Junhong Kuang schon bei seinem Debüt 2012 Aufsehen. Damals belegte er den dritten Platz, obwohl er gerade einmal zwölf Jahre alt war. Mit
14 Jahren durfte der junge Virtuose in Iserlohn bereits im Eröffnungs- konzert spielen, und belegte im Wettbewerb Platz zwei. Das ist ein ziemliches Wunder, denn das Festival gilt als eine Art Familientreffen der weltbesten Gitarristen, und zugleich als Sprungbrett für eine internationale Konzertkarriere.
Junhong Kuang, der aus Tibet stammt, übt seit seinem sechsten Lebens- jahr auf dem Instrument. Irgendwann hat er allerdings beschlossen, dass er nicht, wie sein Vater, Rockgitarrist werden möchte. So spielte er 2009 am Sichuan-Konservatorium in Chengdu vor – und seitdem besucht er vormittags dort die Schule, und am Nachmittag übt er, viele Stunden täglich. Das hat sich ausgezahlt. Denn mit Unterstützung durch seinen Professor Xu Bao ist aus dem Jungen ein virtuoser Gitarrist geworden, der in bedeutenden Konzertsälen gastiert und zudem etliche wichtige Wettbewerbserfolge vorzuweisen hat. So hat er mittlerweile selbst in der Carnegie Hall in New York gespielt, wo ihn das Publikum mit Standing Ovations feierte. Sein Debütalbum ist nun im Rahmen der Laureate Series bei Naxos erschienen. Wer es nicht weiß, der wird gar nicht bemerken, dass die anspruchsvolle Gitarrenmusik auf dieser CD, von Bach bis Castelnuovo-Tedesco, durch einen Jungen vorgetragen wird. Junhong Kuang spielt technisch unglaublich perfekt, und mit tief empfundenem Ausdruck. Bravo!
5. Internationalen Gitarrenwettbe- werb, dem höchstdotierten in Deutschland, erregte Junhong Kuang schon bei seinem Debüt 2012 Aufsehen. Damals belegte er den dritten Platz, obwohl er gerade einmal zwölf Jahre alt war. Mit
14 Jahren durfte der junge Virtuose in Iserlohn bereits im Eröffnungs- konzert spielen, und belegte im Wettbewerb Platz zwei. Das ist ein ziemliches Wunder, denn das Festival gilt als eine Art Familientreffen der weltbesten Gitarristen, und zugleich als Sprungbrett für eine internationale Konzertkarriere.
Junhong Kuang, der aus Tibet stammt, übt seit seinem sechsten Lebens- jahr auf dem Instrument. Irgendwann hat er allerdings beschlossen, dass er nicht, wie sein Vater, Rockgitarrist werden möchte. So spielte er 2009 am Sichuan-Konservatorium in Chengdu vor – und seitdem besucht er vormittags dort die Schule, und am Nachmittag übt er, viele Stunden täglich. Das hat sich ausgezahlt. Denn mit Unterstützung durch seinen Professor Xu Bao ist aus dem Jungen ein virtuoser Gitarrist geworden, der in bedeutenden Konzertsälen gastiert und zudem etliche wichtige Wettbewerbserfolge vorzuweisen hat. So hat er mittlerweile selbst in der Carnegie Hall in New York gespielt, wo ihn das Publikum mit Standing Ovations feierte. Sein Debütalbum ist nun im Rahmen der Laureate Series bei Naxos erschienen. Wer es nicht weiß, der wird gar nicht bemerken, dass die anspruchsvolle Gitarrenmusik auf dieser CD, von Bach bis Castelnuovo-Tedesco, durch einen Jungen vorgetragen wird. Junhong Kuang spielt technisch unglaublich perfekt, und mit tief empfundenem Ausdruck. Bravo!
Donnerstag, 29. Januar 2015
Marenzio: Primo Libro di Madrigali (Glossa)
Die Compagnia del Madrigale hat bei Glossa eine Aufnahme des ersten Madrigalbuches von Luca Marenzio (vermutlich 1553 bis 1599) veröffent- licht. Es ist 1580 in Venedig erschienen, und war Kardinal Luigi d'Este gewidmet, dem Dienstherrn des Musikers. Die prächtigen Gesänge lassen erahnen, wie glanzvoll und wie luxuriös damals in Rom die Herrschenden lebten und vor allem feierten. Kardinäle und Fürsten förderten Künste und Wissenschaften – und die Künstler und Forscher wiederum mehrten mit ihren Werken das Ansehen ihrer Mäzene. In seinem Erstling präsentiert sich Marenzio als ein ebenso versierter wie ehrgeiziger Komponist. Er legte größten Wert auf eine expressive Vertonung seiner Texte, die den Sinn der Worte verdeutlicht und zugleich ihren affektiven Gehalt vermittelt.
Die sechs Sängerinnen und Sänger der Compagnia del Madrigale tragen Marenzios Madrigale gekonnt und ausgesprochen farbenreich vor. Sie blasen den Staub von der alten Pracht, und entführen den Zuhörer in ein längst vergangenes goldenes Zeitalter. Il Primo Libro de Madrigali wird auf dieser CD ergänzt durch die Sestine Mentre ti fui si grato aus der Publikation Dolci affetti, die 1582 von sechs Musikern gemeinsam herausgegeben wurde. An dem Gemeinschaftswerk beteiligte sich auch Marenzio. Abschließend erklingt zudem Donna bel e crudel, das früheste bekannte Werk des Komponisten. Da davon nur canto und alto überliefert sind, hat der Musikwissenschaftler James Chater die fehlenden Stimmen – quinto sowie Tenor und Bass – rekonstruiert. So könnte es also geklungen haben.
Die sechs Sängerinnen und Sänger der Compagnia del Madrigale tragen Marenzios Madrigale gekonnt und ausgesprochen farbenreich vor. Sie blasen den Staub von der alten Pracht, und entführen den Zuhörer in ein längst vergangenes goldenes Zeitalter. Il Primo Libro de Madrigali wird auf dieser CD ergänzt durch die Sestine Mentre ti fui si grato aus der Publikation Dolci affetti, die 1582 von sechs Musikern gemeinsam herausgegeben wurde. An dem Gemeinschaftswerk beteiligte sich auch Marenzio. Abschließend erklingt zudem Donna bel e crudel, das früheste bekannte Werk des Komponisten. Da davon nur canto und alto überliefert sind, hat der Musikwissenschaftler James Chater die fehlenden Stimmen – quinto sowie Tenor und Bass – rekonstruiert. So könnte es also geklungen haben.
2Cellos - Celloverse (Sony)
Wie schafft man es, beim Vortragen eines einzigen Stückes einen Cello-Bogen so zu ruinieren, dass er zum Instrumentenbauer zur Reparatur muss? Die Antwort auf diese interessante Frage findet sich in einem Video von 2Cellos. Dort spielt das Duo Thunderstruck, ein legen- däres Stück von AC/DC – mit einem Intro, das zunächst ganz brav wie Vivaldis Cellosonate RV 40 daher- kommt. Die kroatischen Cellisten Luka Sulic und Stjepan Hauser haben ohne Zweifel ein Händchen dafür, Klassik und Heavy Metal zu verschmelzen. So beginnt ihr neues Album Celloverse mit The Trooper (Overture), und neben dem bekannten Stück von Iron Maiden findet sich hier die Ouvertüre zu Wilhelm Tell von Gioacchino Rossini. Die beiden Cellisten spielen zudem Filmmusik von Hans Zimmer – und das brillant, teilweise begeistert mich ihre Version noch mehr als das Original, und das will wirklich etwas heißen. Außerdem erklingen Arrangements von Songs wie Hysteria (Muse), Shape of my heart (Sting), oder They don't care about us (Michael Jackson). Bei Live and let die musiziert übrigens Lang Lang als special guest mit 2Cellos. Die Titelmelodie des gleichnamigen James-Bond-Films, komponiert von Linda und Paul McCartney, gibt es ja bereits in einer Version von Guns N'Roses – doch was die beiden Cellisten daraus machen, das hat ebenfalls durchaus Qualität. Luka Sulic und Stjepan Hauser beherrschen ihre Instrumente souverän, und sie entwickeln viele unkonventionelle Ideen, wie man mit dem Cello Geräusche erzeugen kann, gern auch ohne Elektronik und abseits von pizzicato und arco. Die beiden sehen gut aus, was sich auf dem Musikmarkt in jedem Falle gut macht, und sie haben zu jedem Stück mindestens ein Video auf Youtube. Ihr Publikum laden sie ein, unbedingt auch ins Konzert zu kommen: „We have so much intensity, energy and audience interaction that you really have to see us live!“, so Hauser. Mit Celloverse, dem letzten Stück, zeigen die Musiker zum Abschluss, dass sie nicht nur clever arrangieren können, sondern auch eigene Stücke schreiben. Sehr spannend!
Csakan und Biedermeier (Amati)
Zur Zeit des Biedermeier liebten die Wiener Spazierstöcke – ganz besonders dann, wenn sie mehr waren als nur ein Gehstock. Geschickte Handwerker brachten darin allerlei nützliche Dinge unter, wie Tabaksdosen, Uhren, Regen- schirme oder aber Musikinstrumente. Diese CD stellt Musik vor, die für die Spazierstock-Blockflöte geschrieben wurde, den sogenannten Csakan. Dieses kuriose Instrument, das seinen Ursprung in Ungarn haben soll, wurde am oberen Ende durch einen Griff ergänzt, und am unteren Ende durch einen massiven Stock – und schon konnte, wer wollte, seine Flöte sozusagen Gassi führen.
Gespielt wurde sie natürlich auch, zum Vergnügen im Freien, oder aber virtuos im Salon. Die Profis ließen sich eigens dafür Instrumente mit Klappen anfertigen, was schließlich dazu führte, dass der Csakan eher wie eine Oboe aussah. Wie er geklungen hat, das demonstriert das Trio Krähmerata; welche Instrumente allerdings die beiden Flötisten Cordula Schertler und Martin Jung spielen, darüber erfährt man aus dem Beiheft leider gar nichts. Pianist Peer Findeisen musiziert auf einem historischen Hammerflügel des Wiener Fortepianobauers Conrad Graf aus den Beständen der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim.
Es erklingen Werke von Johann Ernst Krähmer (1795 bis 1837) und das Duo Nr. 1 von Anton Kargl. Über Kargl ist so gut wie nichts bekannt. Krähmer begann seine Laufbahn als Militärmusiker im sächsischen Annaberg und anschließend in Dresden. Von 1815 bis 1822 war er Oboist am kaiserlichen Hoftheater in Wien. Dann erhielt er den Titel eines Kaiserlichen Hof- und Kammermusikers, und ging fortan auf Konzert- reisen. Seine besondere Liebe galt dem Csakan, für den er zahlreiche Mu- sikstücke schuf. Wer gehobene Unterhaltungsmusik aus dem 19. Jahr- hundert schätzt, liebevoll ausgewählt und vorgetragen, der wird an dieser CD großes Vergnügen haben.
Gespielt wurde sie natürlich auch, zum Vergnügen im Freien, oder aber virtuos im Salon. Die Profis ließen sich eigens dafür Instrumente mit Klappen anfertigen, was schließlich dazu führte, dass der Csakan eher wie eine Oboe aussah. Wie er geklungen hat, das demonstriert das Trio Krähmerata; welche Instrumente allerdings die beiden Flötisten Cordula Schertler und Martin Jung spielen, darüber erfährt man aus dem Beiheft leider gar nichts. Pianist Peer Findeisen musiziert auf einem historischen Hammerflügel des Wiener Fortepianobauers Conrad Graf aus den Beständen der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim.
Es erklingen Werke von Johann Ernst Krähmer (1795 bis 1837) und das Duo Nr. 1 von Anton Kargl. Über Kargl ist so gut wie nichts bekannt. Krähmer begann seine Laufbahn als Militärmusiker im sächsischen Annaberg und anschließend in Dresden. Von 1815 bis 1822 war er Oboist am kaiserlichen Hoftheater in Wien. Dann erhielt er den Titel eines Kaiserlichen Hof- und Kammermusikers, und ging fortan auf Konzert- reisen. Seine besondere Liebe galt dem Csakan, für den er zahlreiche Mu- sikstücke schuf. Wer gehobene Unterhaltungsmusik aus dem 19. Jahr- hundert schätzt, liebevoll ausgewählt und vorgetragen, der wird an dieser CD großes Vergnügen haben.
Mittwoch, 28. Januar 2015
Bach: Six Partitas for harpsichord (Challenge Classics)
Ton Koopman gilt in Sachen Barockmusik zu Recht als Experte. Der engagierte Musiker hat bereits etliche aufsehenerregende Editionen vorgelegt. Darunter sind nicht nur die Werke Buxtehudes und die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Auch das komplette Orgelwerk des einstigen Thomaskantors hat Koopman bereits eingespielt. Jetzt setzte er sich ans Cembalo, und widmete sich den Sechs Partiten aus dem ersten Buch der Clavierübung ein. Er spielt sie wohlüberlegt, ausbalanciert und klar strukturiert. Die auch klanglich hervorragende Aufnahme setzt einen weiteren Glanz- punkt in Koopmans Diskographie.
Montag, 26. Januar 2015
Josef Strauss meets Offenbach (Naxos)
Wenn es nach seinem Vater Johann, dem Gründer der Walzer-Dynastie, gegangen wäre, dann hätte Josef Strauss (1827 bis 1870) Karriere beim Militär gemacht. Doch das erschien dem Sohn offenbar wenig verlockend. Er studierte am Wiener Polytechnikum, danach arbeitete er als Bauleiter und konstruierte Kehrmaschinen. Als aber sein Bruder Johann 1852 vollkommen erschöpft von einer Konzertreise zurückkehrte, half der Ingenieur am Kapellmeister- pult aus. In den folgenden Jahren vertrat Josef immer häufiger seinen Bruder. Er beschäftigte sich mit Kompositionslehre, und lernte, Violine zu spielen. Zudem komponierte er mehr als 300 Werke. Insbesondere die Musik von Jacques Offenbach hatte es Josef Strauss wohl angetan. Diese CD zeigt, wie er die beliebten Themen aus Opern Offenbachs in mitreis- sende Quadrillen verwandelte. Und weil die wirklich schmissig sind, hat Naxos gleich noch weitere Quadrillen des Komponisten über Opernthemen von Charles Gounod und anderen Zeitgenossen hinzugefügt. Es musiziert zumeist die Slowakische Nationalphilharmonie unter wechselnden Dirigenten.
Janina Jansen - Bach Concertos (Decca)
Janine Jansen hat mit einem kleinen Ensemble handverlesener Musiker- freunde Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach eingespielt. Gemeinsam mit Ramón Ortega Quero ist sie zudem im c-Moll-Konzert für Violine und Oboe zu hören, das aus einem Cembalo-Konzert rekonstruiert worden ist. Die beiden Solisten harmonieren exzellent miteinander. Auch sonst ist diese CD geprägt von fröhlicher Gelassenheit und ent- spannter Musizierlust. Sie überzeugt weniger durch vordergründige Virtuosität als durch Geschmeidigkeit und Eleganz. Eine gelungene CD, die obendrein durch zwei der Bachschen Violinsonaten abgerundet wird – quasi als Hausmusik, denn den Cembalo-Part hat Jan Jansen, der Vater der Solistin, übernommen.
Sonntag, 25. Januar 2015
Schumann: Symphony "Zwickauer" (cpo)
Nach der Neuinterpretation der vier Sinfonien durch die Robert-Schu- mann-Philharmonie Chemnitz folgt nun bei cpo eine weitere CD mit weniger bekannten Orchesterwerken des Komponisten. Sie beginnt mit Ouvertüre, Scherzo und Finale op. 52 – einem Werk, das Schumann unmittelbar nach der Uraufführung seiner Frühlings-Symphonie geschrieben hat. Der Komponist wollte dem Publikum wohl eine Sinfonie ohne langsamen Satz bescheren – originell, mit heiterem Charakter, markanten Themen und packenden Orchestersätzen. Verstanden freilich hat das seinerzeit aber niemand, und noch heute ist diese farbenreiche Musik im Konzert nur selten zu hören.
Bekannt ist, dass sich Schumann sehr für Literatur begeisterte. Als Sohn eines Zwickauer Buchhändlers, Schriftstellers und Verlegers war er mit Büchern aufgewachsen, immer wieder inspirierten sie ihn. Anhand von drei Ouvertüren demonstriert die Robert-Schumann-Philharmonie unter ihrem Chefdirigenten Frank Beermann, wie er literarische Inhalte in Musik umsetzte.
Nahezu unbekannt ist Schumanns erste, die sogenannte „Zwickauer“ Symphonie in g-Moll; der erste Satz wurde 1832 im Gewandhaus seiner Vaterstadt uraufgeführt. Das renommierte Chemnitzer Orchester hat sich an eine Erstaufnahme nach der Neuausgabe von Dr. Matthias Wendt gewagt. Dieser hat für die Neue Schumann-Gesamtausgabe bei Schott/Mainz alle noch vorhandenen Quellen ausgewertet, und dann eine Edition des Werkes erarbeitet, das durch den Komponisten zwar mehrfach revidiert wurde, aber letztendlich ein Fragment geblieben ist. Zu erleben ist hier der junge Schumann, der weniger mit der Sonatenhauptsatzform an sich als vielmehr mit der Instrumentierung ringt. So erweist sich dieser Erstling als ein kühnes Experiment, bei dem Schumann mitunter zu faszinierenden Lösungen findet – gelegentlich aber schlicht auch sein Handwerkszeug ausprobiert, das Risiko des Scheiterns inbegriffen.
Bekannt ist, dass sich Schumann sehr für Literatur begeisterte. Als Sohn eines Zwickauer Buchhändlers, Schriftstellers und Verlegers war er mit Büchern aufgewachsen, immer wieder inspirierten sie ihn. Anhand von drei Ouvertüren demonstriert die Robert-Schumann-Philharmonie unter ihrem Chefdirigenten Frank Beermann, wie er literarische Inhalte in Musik umsetzte.
Nahezu unbekannt ist Schumanns erste, die sogenannte „Zwickauer“ Symphonie in g-Moll; der erste Satz wurde 1832 im Gewandhaus seiner Vaterstadt uraufgeführt. Das renommierte Chemnitzer Orchester hat sich an eine Erstaufnahme nach der Neuausgabe von Dr. Matthias Wendt gewagt. Dieser hat für die Neue Schumann-Gesamtausgabe bei Schott/Mainz alle noch vorhandenen Quellen ausgewertet, und dann eine Edition des Werkes erarbeitet, das durch den Komponisten zwar mehrfach revidiert wurde, aber letztendlich ein Fragment geblieben ist. Zu erleben ist hier der junge Schumann, der weniger mit der Sonatenhauptsatzform an sich als vielmehr mit der Instrumentierung ringt. So erweist sich dieser Erstling als ein kühnes Experiment, bei dem Schumann mitunter zu faszinierenden Lösungen findet – gelegentlich aber schlicht auch sein Handwerkszeug ausprobiert, das Risiko des Scheiterns inbegriffen.
Franck: Gehet hin in alle Welt (MDG)
Melchior Franck (um 1580 bis 1639) stammte aus dem sächsischen Städt- chen Zittau. Über den Lebensweg des Musikers ist wenig bekannt. Als gesichert gilt allerdings, dass er in Augsburg die Schule besuchte und ein Schüler von Hans Leo Haßler war. Mit ihm ging er dann auch nach Nürnberg, wo er als Schulgehilfe an St. Egidien tätig war. 1603 wirkte er bereits als Hofkapellmeister des kunstinteressierten Herzogs Johann Casimir in Coburg.
In seinen letzten Lebensjahren wurde Franck von schweren Schicksals- schlägen getroffen. Der Dreißigjährige Krieg mit Plünderungen, Bränden und Seuchen ereilte 1632 auch Coburg; der Musiker verlor wohl dadurch Weib und Kind. Dazu kam 1633 der Tod seines Dienstherren, der zur Auflösung der Hofhaltung führte. Da die beiden Ehen Johann Casimirs kinderlos geblieben waren, übernahm sein Bruder Johann Ernst die Regierung; er blieb allerdings in Eisenach. Franck wurde zwar nicht entlassen, aber aus zwei Eingaben, die er 1635 und 1638 an den Fürsten richtete, wissen wir, dass er zuletzt in Sorgen und Not lebte.
Von seinen Zeitgenossen wurde Melchior Franck sehr geschätzt. Als Komponist war er ungemein produktiv. Er schuf geistliche wie weltliche Vokalwerke sowie Instrumentalmusik. Diese CD präsentiert eine Auswahl aus seinen Gemmulae Evangeliorum Musicae. Dabei handelt es sich um 66 Evangelienmotetten in deutscher Sprache, entstanden für den Gebrauch „in den geringsten Cantoreyen“, so Franck. Es ist ein kompletter Satz von Evangeliumsvertonungen für das ganze Kirchenjahr.
Die musikalisch eher schlichten vierstimmigen Sätze erklangen bei der zentralen Lesung im protestantischen Gottesdienst. Entsprechend große Bedeutung hat daher der Text, der durch den Komponisten musikalisch ausgedeutet wird. Franck übersetzt das Bibelwort in klingende Bilder, doch davon kommt leider nicht viel beim Zuhörer an: Der Norddeutsche Kammerchor unter Leitung seiner Gründerin Maria Jürgensen singt zwar sauber, aber auch sterbenslangweilig. Es gelingt den Sängern nicht, die Emotionen, die in der Musik „verpackt“ sind, zu erkennen und in eine entsprechende Phrasierung und dynamische Differenzierung umzusetzen. Schade!
In seinen letzten Lebensjahren wurde Franck von schweren Schicksals- schlägen getroffen. Der Dreißigjährige Krieg mit Plünderungen, Bränden und Seuchen ereilte 1632 auch Coburg; der Musiker verlor wohl dadurch Weib und Kind. Dazu kam 1633 der Tod seines Dienstherren, der zur Auflösung der Hofhaltung führte. Da die beiden Ehen Johann Casimirs kinderlos geblieben waren, übernahm sein Bruder Johann Ernst die Regierung; er blieb allerdings in Eisenach. Franck wurde zwar nicht entlassen, aber aus zwei Eingaben, die er 1635 und 1638 an den Fürsten richtete, wissen wir, dass er zuletzt in Sorgen und Not lebte.
Von seinen Zeitgenossen wurde Melchior Franck sehr geschätzt. Als Komponist war er ungemein produktiv. Er schuf geistliche wie weltliche Vokalwerke sowie Instrumentalmusik. Diese CD präsentiert eine Auswahl aus seinen Gemmulae Evangeliorum Musicae. Dabei handelt es sich um 66 Evangelienmotetten in deutscher Sprache, entstanden für den Gebrauch „in den geringsten Cantoreyen“, so Franck. Es ist ein kompletter Satz von Evangeliumsvertonungen für das ganze Kirchenjahr.
Die musikalisch eher schlichten vierstimmigen Sätze erklangen bei der zentralen Lesung im protestantischen Gottesdienst. Entsprechend große Bedeutung hat daher der Text, der durch den Komponisten musikalisch ausgedeutet wird. Franck übersetzt das Bibelwort in klingende Bilder, doch davon kommt leider nicht viel beim Zuhörer an: Der Norddeutsche Kammerchor unter Leitung seiner Gründerin Maria Jürgensen singt zwar sauber, aber auch sterbenslangweilig. Es gelingt den Sängern nicht, die Emotionen, die in der Musik „verpackt“ sind, zu erkennen und in eine entsprechende Phrasierung und dynamische Differenzierung umzusetzen. Schade!
Samstag, 24. Januar 2015
Sokolov - The Salzburg Recital (Deutsche Grammophon)
„Grigory Sokolovs Klavierspiel bewegt sich mehr und mehr im intergalaktischen Raum. Längst ist der russische Pianist sein eigenes Universum“, urteilten die „Salzburger Nachrichten“ über das Konzert, das er im Sommer 2008 bei den Salzburger Festspielen gegeben hat. Der Mitschnitt ist nun bei der Deutschen Grammophon erschienen. Das Unternehmen teilte jüngst mit, der Musiker habe im Oktober 2014 einen Vertrag mit dem Label unterzeichnet.
Beides löst großes Erstaunen aus – denn Sokolov ist bekannt für seinen rigiden künstlerischen Anspruch. So tritt er schon seit Jahren nicht mehr mit Orchestern auf, weil er die üblichen Probenzeiten als unzureichend empfindet. Er spielt ausschließlich Solo-Abende, und nur 70 Konzerte pro Jahr. Jeweils im Januar und Oktober wechselt er das Repertoire. Die letzte Aufnahme eines Konzertes mit Grigory Sokolov ist 1996 erschienen; sie war bereits 1992 aufgezeichnet worden.
Sokolovs Manager hat allerdings veranlasst, dass einige Konzerte des Pianisten mitgeschnitten wurden – zum einen, um seine Kunst für die Nachwelt zu dokumentieren, zum anderen in der Hoffnung darauf, dass der Künstler sie eines Tages für eine CD-Veröffentlichung freigeben wird. Mit der Deutschen Grammophon scheint Sokolov nun ein Label gefunden zu haben, das zu seinen Ideen passt. Die vorliegende CD sei „ein Statement“, so das Unternehmen: „Seine Alben werden ausschließlich Live-Auftritte wiedergeben. Kein Stück spielt er zweimal auf die gleiche Weise. Daher werden die Aufnahmen auch nicht bearbeitet. Sie sind, wie sie sind. Einmalig. Glücklicherweise kann sich Sokolov mit dem Gedanken anfreunden, diese einmaligen Erlebnisse einer größeren Hörerschaft zugänglich zu machen.“
„Sokolov – The Salzburg Recital“ gibt einen Vorgeschmack auf all die phantastischen Konzerte, die in Zukunft zumindest auf CD zu erleben sind, wenn man nicht zu den Privilegierten gehört, die es sich leisten können, dem Pianisten hinterherzureisen. In Salzburg spielte Sokolov zunächst die zwei Sonaten in F-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart KV 280 und 332. Da ist nichts Hübsches, Oberflächlich-verspieltes zu vernehmen; Sokolov interpretiert Mozarts Werke mit großer Sorgfalt, Klarheit und Intensität. Und man staunt, wie nahe diese Musik plötzlich Beethovens Klavier- sonaten ist – das ist nicht das galante Rokoko, das ist schon fast Wiener Klassik, mit ihrer ganzen Ausdruckstiefe.
In den 24 Préludes op. 28 von Frédéric Chopin begeistert Sokolov mit einer schier überwältigenden Palette an Klangfarben. Auch die beiden Chopin-Mazurken, die der Pianist im Anschluss als Zugaben spielt, gestaltet er mit höchster Präzision und schier unglaublichen Nuancen. Sokolov eilt nicht, seine Tempi sind so gewählt, dass jede Phrase perfekt erklingt und wirken kann. Das ist faszinierend, ja, das hat magische Kraft; so möchte man diese Musik immer und immer wieder hören.
Zu den sechs (!) Zugaben gehören zudem zwei rätselhaft-flüchtige Poèmes von Alexander Scriabin und das reich ausgezierte Les Sauvages aus den Nouvelles Suiten de pièces de clavecin von Jean-Philippe Rameau. Sokolov beendet das Programm mit dem Choralvorspiel Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ aus Johann Sebastian Bachs Orgelbüchlein. Da bei diesem Piani- sten nichts Zufall ist, mag man das als Botschaft verstehen. Es gibt eben keine virtuose Turnübung, keinen brillanten Kehraus zum Finale. Auch das ist große Kunst. Auf die nächsten Konzert-Mitschnitte mit Grigory Sokolov jedenfalls darf man bereits sehr gespannt sein.
Beides löst großes Erstaunen aus – denn Sokolov ist bekannt für seinen rigiden künstlerischen Anspruch. So tritt er schon seit Jahren nicht mehr mit Orchestern auf, weil er die üblichen Probenzeiten als unzureichend empfindet. Er spielt ausschließlich Solo-Abende, und nur 70 Konzerte pro Jahr. Jeweils im Januar und Oktober wechselt er das Repertoire. Die letzte Aufnahme eines Konzertes mit Grigory Sokolov ist 1996 erschienen; sie war bereits 1992 aufgezeichnet worden.
Sokolovs Manager hat allerdings veranlasst, dass einige Konzerte des Pianisten mitgeschnitten wurden – zum einen, um seine Kunst für die Nachwelt zu dokumentieren, zum anderen in der Hoffnung darauf, dass der Künstler sie eines Tages für eine CD-Veröffentlichung freigeben wird. Mit der Deutschen Grammophon scheint Sokolov nun ein Label gefunden zu haben, das zu seinen Ideen passt. Die vorliegende CD sei „ein Statement“, so das Unternehmen: „Seine Alben werden ausschließlich Live-Auftritte wiedergeben. Kein Stück spielt er zweimal auf die gleiche Weise. Daher werden die Aufnahmen auch nicht bearbeitet. Sie sind, wie sie sind. Einmalig. Glücklicherweise kann sich Sokolov mit dem Gedanken anfreunden, diese einmaligen Erlebnisse einer größeren Hörerschaft zugänglich zu machen.“
„Sokolov – The Salzburg Recital“ gibt einen Vorgeschmack auf all die phantastischen Konzerte, die in Zukunft zumindest auf CD zu erleben sind, wenn man nicht zu den Privilegierten gehört, die es sich leisten können, dem Pianisten hinterherzureisen. In Salzburg spielte Sokolov zunächst die zwei Sonaten in F-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart KV 280 und 332. Da ist nichts Hübsches, Oberflächlich-verspieltes zu vernehmen; Sokolov interpretiert Mozarts Werke mit großer Sorgfalt, Klarheit und Intensität. Und man staunt, wie nahe diese Musik plötzlich Beethovens Klavier- sonaten ist – das ist nicht das galante Rokoko, das ist schon fast Wiener Klassik, mit ihrer ganzen Ausdruckstiefe.
In den 24 Préludes op. 28 von Frédéric Chopin begeistert Sokolov mit einer schier überwältigenden Palette an Klangfarben. Auch die beiden Chopin-Mazurken, die der Pianist im Anschluss als Zugaben spielt, gestaltet er mit höchster Präzision und schier unglaublichen Nuancen. Sokolov eilt nicht, seine Tempi sind so gewählt, dass jede Phrase perfekt erklingt und wirken kann. Das ist faszinierend, ja, das hat magische Kraft; so möchte man diese Musik immer und immer wieder hören.
Zu den sechs (!) Zugaben gehören zudem zwei rätselhaft-flüchtige Poèmes von Alexander Scriabin und das reich ausgezierte Les Sauvages aus den Nouvelles Suiten de pièces de clavecin von Jean-Philippe Rameau. Sokolov beendet das Programm mit dem Choralvorspiel Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ aus Johann Sebastian Bachs Orgelbüchlein. Da bei diesem Piani- sten nichts Zufall ist, mag man das als Botschaft verstehen. Es gibt eben keine virtuose Turnübung, keinen brillanten Kehraus zum Finale. Auch das ist große Kunst. Auf die nächsten Konzert-Mitschnitte mit Grigory Sokolov jedenfalls darf man bereits sehr gespannt sein.
Dienstag, 20. Januar 2015
Corelli: La Follia (Our Recordings)
Sie sind nicht wirklich schwierig, die Six Solos for a flute and a bass By Archangelo Corelli Being The second part of hin Fifth Opera (..) The whole exactly Transpos'd and made fitt for a flute and a bass with the aproba- tion of several Eminent Masters. Doch die Sammlung enthält ihre Kabinettstückchen, wie die Sonata Nr. 12, La Follia. Zudem klingen die Werke durchweg zauberhaft schön. Und wenn man sie hübsch auszieren will, wie seinerzeit üblich, dann lässt sich der Schwierigkeitsgrad selbstredend beträchtlich steigern. Michala Petri und der junge, aber höchst virtuose Cembalist Mahan Esfahani demonstrieren mit dieser CD, wie so etwas klingen kann. Petri spielt die Blockflöte(n) phänomenal gut; es gibt noch immer weltweit keinen weiteren Solisten, der ihr das Wasser reichen kann. Ihre Musizierlust ist hinreißend. Und selbst schnellste Figurationen klingen bei ihr niemals gehetzt und bemüht. In Esfahani hat sie offenbar einen Partner gefunden, der ebenso souverän agiert, und dabei perfekt mit ihr harmoniert. Es ist rundum ein Vergnügen, den beiden Musikern zu lauschen.
Die Sonaten von Arcangelo Corelli (1653 bis 1713) sind zu Recht populär, auch wennn sie nicht ganz so bekannt sind wie beispielswiese Vivaldis Vier Jahreszeiten. Es hat schon seinen Grund, dass der Komponist zu den ganz großen Stars seiner Zeit gehörte. „Indeed, all over the world, archives contain Corelli's sonatas copied, re-copied, re-published, and arranged for all sorts of instruments or re-composed as full ensemble works“, schreibt Mahan Esfahani voll Bewunderung im Beiheft zu dieser CD. „So widespread was Corelli's appeal that hin work would have been played not only in the expected European musical centres but even in America (he was known to be a favourite composer of U.S.'s third president, Thomas Jefferson), St. Petersburg, Stockholm, Constantinople, and perhaps even in British India. It can be said without any exaggeration that Corelli was the first world-famous composer.“
Die Sonaten von Arcangelo Corelli (1653 bis 1713) sind zu Recht populär, auch wennn sie nicht ganz so bekannt sind wie beispielswiese Vivaldis Vier Jahreszeiten. Es hat schon seinen Grund, dass der Komponist zu den ganz großen Stars seiner Zeit gehörte. „Indeed, all over the world, archives contain Corelli's sonatas copied, re-copied, re-published, and arranged for all sorts of instruments or re-composed as full ensemble works“, schreibt Mahan Esfahani voll Bewunderung im Beiheft zu dieser CD. „So widespread was Corelli's appeal that hin work would have been played not only in the expected European musical centres but even in America (he was known to be a favourite composer of U.S.'s third president, Thomas Jefferson), St. Petersburg, Stockholm, Constantinople, and perhaps even in British India. It can be said without any exaggeration that Corelli was the first world-famous composer.“
Pure Mussorgsky (Berlin Classics)
Der russische Pianist Andrej Hoteev gibt sich nicht damit zufrieden, fleißig Konzerte zu spielen. Immer wieder hinterfragt er kritisch, was ihm Verlage aufs Pult stellen. So hat er bereits mehrere Werke Tschaikowskis in Urfassungen vorgestellt.
Nun hat er sich zwei bekannten Werken von Modest Petrowitsch Mussorgski (1839 bis 1881) zuge- wandt. Dazu hat er in St. Petersburg die Originalhandschriften des berühmten Klavierzyklus Bilder einer Ausstellung und der Lieder und Tänze des Todes studiert. Im Beiheft zu dieser CD listet Hoteev sorgsam auf, worin sich die Manuskripte und die wichtigsten Editionen unterscheiden.
„Mussorgskys beste Freunde – Rimsky-Korssakow, Glasunow und Stassow –, die für die Publikation dieses Werkes verantwortlich waren, schätzten Mussorgskys musikalisches Talent sehr hoch. Nichtsdesto- weniger interpretierten sie seine revolutionären, manchmal sogar radikalen kompositorischen Neuerungen – in der Harmonik, Artiku- lation, musikalischen Logik, dem Pedalgebrauch usw. - oft als Fehler eines nicht gründlich ausgebildeten Genies ohne Diplom“, erklärt Hoteev die Entstehung dieser Abweichungen. Mit besten Absichten korrigierten sie daher diese vermeintlichen Fehler ihres Freundes.
Neue Ausgaben, so der Pianist, hätten die Mängel ihrer Vorgänger zwar überarbeitet, aber zugleich neue Korrekturen eingebracht. Dazu gesellen sich dann noch die Tücken der Technik. So stellte Hoteev fest, dass es sich bei dem „Promenaden-Akkord“, den die Bärenreiter-Urtext-Ausgabe enthält, schlicht um einen Lesefehler handelt, zustande gekommen durch eine schlechte Reproduktion. Die vorliegende Aufnahme basiert daher auf den Originalmanuskripten beider Werke, die sich in der Russischen Nationalbibliothek St. Petersburg befinden. Im Beiheft werden die wichtigsten Abweichungen auch anhand von Abbildungen aus den Manuskripten nachvollziehbar erläutert.
Hoteev macht es somit möglich, Mussorgski neu zu hören. Es sind viele kleine, aber wichtige Details, die er geändert hat. Hier ein Akkord, dort eine Repetition, hier eine Phrasierung, dort ein Rhythmus, da ein Vorzeichen – das Ergebnis ist erstaunlich, zumal sich diese „Kleinigkeiten“ summieren. Das Klangbild unterscheidet sich krass von dem, was man üblicherweise im Ohr hat. Auch beim Tempo geht der Pianist eigene Wege. Seine Promenade bespielsweise erfolgt im Schlenderschritt. Hoteev musiziert sehr überlegt und sorgsam. Davon profitieren nicht nur die Küken, die hier wirklich tanzen. Die Lieder und Tänze des Todes hingegen sind regelrecht gruslig. Die vier Lieder werden auf dieser CD durch Elena Pankratova erstmals in den tatsächlich vorgesehenen Tonarten gesungen. Die russische Sopranistin verfügt über den dafür erforderlichen sehr großen Stimmumfang und ein faszinierendes Timbre. Leitstern dieser Aufnahme ist der Respekt vor den Absichten des Komponisten – und das bekommt der musikalischen Substanz ganz hervorragend. Andrej Hoteev hat sich damit ohne Zweifel große Verdienste erworben.
Nun hat er sich zwei bekannten Werken von Modest Petrowitsch Mussorgski (1839 bis 1881) zuge- wandt. Dazu hat er in St. Petersburg die Originalhandschriften des berühmten Klavierzyklus Bilder einer Ausstellung und der Lieder und Tänze des Todes studiert. Im Beiheft zu dieser CD listet Hoteev sorgsam auf, worin sich die Manuskripte und die wichtigsten Editionen unterscheiden.
„Mussorgskys beste Freunde – Rimsky-Korssakow, Glasunow und Stassow –, die für die Publikation dieses Werkes verantwortlich waren, schätzten Mussorgskys musikalisches Talent sehr hoch. Nichtsdesto- weniger interpretierten sie seine revolutionären, manchmal sogar radikalen kompositorischen Neuerungen – in der Harmonik, Artiku- lation, musikalischen Logik, dem Pedalgebrauch usw. - oft als Fehler eines nicht gründlich ausgebildeten Genies ohne Diplom“, erklärt Hoteev die Entstehung dieser Abweichungen. Mit besten Absichten korrigierten sie daher diese vermeintlichen Fehler ihres Freundes.
Neue Ausgaben, so der Pianist, hätten die Mängel ihrer Vorgänger zwar überarbeitet, aber zugleich neue Korrekturen eingebracht. Dazu gesellen sich dann noch die Tücken der Technik. So stellte Hoteev fest, dass es sich bei dem „Promenaden-Akkord“, den die Bärenreiter-Urtext-Ausgabe enthält, schlicht um einen Lesefehler handelt, zustande gekommen durch eine schlechte Reproduktion. Die vorliegende Aufnahme basiert daher auf den Originalmanuskripten beider Werke, die sich in der Russischen Nationalbibliothek St. Petersburg befinden. Im Beiheft werden die wichtigsten Abweichungen auch anhand von Abbildungen aus den Manuskripten nachvollziehbar erläutert.
Hoteev macht es somit möglich, Mussorgski neu zu hören. Es sind viele kleine, aber wichtige Details, die er geändert hat. Hier ein Akkord, dort eine Repetition, hier eine Phrasierung, dort ein Rhythmus, da ein Vorzeichen – das Ergebnis ist erstaunlich, zumal sich diese „Kleinigkeiten“ summieren. Das Klangbild unterscheidet sich krass von dem, was man üblicherweise im Ohr hat. Auch beim Tempo geht der Pianist eigene Wege. Seine Promenade bespielsweise erfolgt im Schlenderschritt. Hoteev musiziert sehr überlegt und sorgsam. Davon profitieren nicht nur die Küken, die hier wirklich tanzen. Die Lieder und Tänze des Todes hingegen sind regelrecht gruslig. Die vier Lieder werden auf dieser CD durch Elena Pankratova erstmals in den tatsächlich vorgesehenen Tonarten gesungen. Die russische Sopranistin verfügt über den dafür erforderlichen sehr großen Stimmumfang und ein faszinierendes Timbre. Leitstern dieser Aufnahme ist der Respekt vor den Absichten des Komponisten – und das bekommt der musikalischen Substanz ganz hervorragend. Andrej Hoteev hat sich damit ohne Zweifel große Verdienste erworben.
Freitag, 16. Januar 2015
Clementi: Piano Duets on Broadwood 1798 (Quintone)
Diese CD mit Klaviermusik "for Two Performers on One Piano Forte" von Muzio Clementi (1752 bis 1832) gibt zugleich Einblick in die Geschichte des Klavierbaus. Heutzutage ist der Konzertflügel so selbstverständlich und so allgegenwärtig, dass man beinahe vergisst, wie jung dieses Instrument doch eigentlich ist. Musikhistoriker haben ermittelt, dass das allererste Konzert auf einem Klavier in England beispielsweise 1767 stattgefunden hat – auf einem Tafelklavier, um genau zu sein. Die ersten englischen Konzertflügel erklangen nach 1780; zehn Jahre später waren sie bereits so etabliert, dass Virtuosen aus ganz Europa anreisten, um darauf zu musizieren.
Diese Instrumente wurden immer weiter vervollkommnet, und sie waren bald sehr begehrt. Dank der industriellen Revolution wurden daher aus etlichen Klavierbau-Werkstätten Klavierfabriken. Zu Beginn des 19. Jahr- hunderts fertigte, so erfährt man aus dem Beiheft zu dieser CD, allein John Broadwood & Son um die 400 Instrumente jährlich. Wie die Hammerflügel von Broadwood klangen, das zeigt exemplarisch diese Einspielung auf einem beeindruckenden Instrument aus dem Jahre 1798. Es hat einen Tonumfang von fünfeinhalb Oktaven, wurde sorgsam restauriert und befindet sich heute in der Sammlung von Eckart Sellheim.
Galina Draganova und Vasily Ilisavsky, seit 2005 gemeinsam unterwegs als Duo Hammerklavier, präsentieren auf dem Broadwood Werke von Muzio Clementi. Das ist insofern witzig, als der „father of the pianoforte“ es nicht dabei beließ, als Virtuose zu konzertieren, zu komponieren und zwei berühmte pädagogische Schriften zu veröffentlichen – „Introduction to playing the Piano-Forte“, erschienen 1801, sowie die Etüdensammlung „Gradus ad Parnassum“, erstmals veröffentlicht 1817. Clementi interessier- te sich ebenfalls sehr für den Klavierbau, und er beteiligte sich sogar an der Klavierfabrik eines Freundes (und verlor wohl eine Menge Geld dabei).
Diese Instrumente wurden immer weiter vervollkommnet, und sie waren bald sehr begehrt. Dank der industriellen Revolution wurden daher aus etlichen Klavierbau-Werkstätten Klavierfabriken. Zu Beginn des 19. Jahr- hunderts fertigte, so erfährt man aus dem Beiheft zu dieser CD, allein John Broadwood & Son um die 400 Instrumente jährlich. Wie die Hammerflügel von Broadwood klangen, das zeigt exemplarisch diese Einspielung auf einem beeindruckenden Instrument aus dem Jahre 1798. Es hat einen Tonumfang von fünfeinhalb Oktaven, wurde sorgsam restauriert und befindet sich heute in der Sammlung von Eckart Sellheim.
Galina Draganova und Vasily Ilisavsky, seit 2005 gemeinsam unterwegs als Duo Hammerklavier, präsentieren auf dem Broadwood Werke von Muzio Clementi. Das ist insofern witzig, als der „father of the pianoforte“ es nicht dabei beließ, als Virtuose zu konzertieren, zu komponieren und zwei berühmte pädagogische Schriften zu veröffentlichen – „Introduction to playing the Piano-Forte“, erschienen 1801, sowie die Etüdensammlung „Gradus ad Parnassum“, erstmals veröffentlicht 1817. Clementi interessier- te sich ebenfalls sehr für den Klavierbau, und er beteiligte sich sogar an der Klavierfabrik eines Freundes (und verlor wohl eine Menge Geld dabei).
Mittwoch, 14. Januar 2015
Bach: The Orchestral Suites (Accent)
Sigiswald Kuijken hat mit seinem Orchester La Petite Bande nach den Brandenburgischen Konzerten nun auch die vier Orchestersuiten von Johann Sebastian Bach eingespielt. „Vor etwa dreißig Jahren haben wir diese Suiten mit der damaligen Besetzung von La Petite Bande in einer (sehr) großen Besetzung aufgenommen“, blickt Kuijken zurück. „Damals war ich so gefesselt vom reichen Klang des Lully-Orchesters in Versailles, (den wir zu dieser Zeit gerade neu entdeckt hatten...), dass ich in meinem Enthusiasmus auch die viel kompliziertere Musik Bachs im gleichen Klangkonzept auszuführen versuchte.“ Das habe schön geklungen, meint der Geiger, „doch nach meiner heutigen Ansicht spricht nichts mehr für eine so große Anzahl von Spielern, weder historisch noch musikalisch.“ Und so sind die Stimmen bei dieser Neueinspielung solistisch, maximal aber doppelt besetzt.
Diese schlanke Formation hat in der Tat Vorzüge. Das beginnt bei Details in der Stimmführung, wie der Auszierung. Besonders beeindruckt jedoch die enorme Transparenz und Durchhörbarkeit dieser Aufnahme. Und bei der Auswahl der Instrumente gibt es diesmal auch keine Kompromisse. Statt der Celli verwendet Kuijken den sogenannten Violone, eine Bassvioline, die bedeutend größer ist als das moderne Violoncello, und einen faszinierend satten Bassklang einbringt.
Die Trompetenpartien spielen Jean-Francois Madeuf, Jérôme Princé und Graham Nicholson auf „echten“ Naturtrompeten, ohne Hilfslöcher. Sie müssen daher wie zu Bachs Zeiten mit der Naturtonreihe ihrer Instrumente zurandekommen. Das Clarinblasen ist eine hohe Kunst; nicht umsonst waren seinerzeit Trompetenvirtuosen sehr angesehen und wurden an den Höfen auch entsprechend bezahlt. Die drei Solisten meistern Bachs heikle Trompetenparts so locker, als wären es Anfänger-Etüden - Respekt!
Musiziert wird flott, aber keineswegs hektisch, zwar mit tänzerischem Gestus, aber nicht wirklich als Tanzmusik. La Petite Bande zelebriert barocke Klangpracht, untersetzt mit protestantischem Qualitäts- bewusstsein. Ein ausgesprochenes Hörvergnügen, und in jedem Falle auch einmal mehr eine Referenzaufnahme.
Diese schlanke Formation hat in der Tat Vorzüge. Das beginnt bei Details in der Stimmführung, wie der Auszierung. Besonders beeindruckt jedoch die enorme Transparenz und Durchhörbarkeit dieser Aufnahme. Und bei der Auswahl der Instrumente gibt es diesmal auch keine Kompromisse. Statt der Celli verwendet Kuijken den sogenannten Violone, eine Bassvioline, die bedeutend größer ist als das moderne Violoncello, und einen faszinierend satten Bassklang einbringt.
Die Trompetenpartien spielen Jean-Francois Madeuf, Jérôme Princé und Graham Nicholson auf „echten“ Naturtrompeten, ohne Hilfslöcher. Sie müssen daher wie zu Bachs Zeiten mit der Naturtonreihe ihrer Instrumente zurandekommen. Das Clarinblasen ist eine hohe Kunst; nicht umsonst waren seinerzeit Trompetenvirtuosen sehr angesehen und wurden an den Höfen auch entsprechend bezahlt. Die drei Solisten meistern Bachs heikle Trompetenparts so locker, als wären es Anfänger-Etüden - Respekt!
Musiziert wird flott, aber keineswegs hektisch, zwar mit tänzerischem Gestus, aber nicht wirklich als Tanzmusik. La Petite Bande zelebriert barocke Klangpracht, untersetzt mit protestantischem Qualitäts- bewusstsein. Ein ausgesprochenes Hörvergnügen, und in jedem Falle auch einmal mehr eine Referenzaufnahme.
Saxony (Genuin)
Saxony heißt die aktuelle CD der Sächsischen Bläserphilharmonie. Das passt zur aktuellen Werbe- kampagne des Freistaates. Doch was ist eigentlich Musik aus Sachsen, was zeichnet sie aus?
Die Sächsische Bläserphilharmonie hat für ihr mittlerweile fünftes Album bei Genuin Musik von drei Komponisten ausgewählt, die eine enge Beziehung zum Freistaat haben. Richard Wagner kam in Leipzig zur Welt. In Leipzig studierte er Musik, und in Leipzig komponierte er seine ersten Werke.
Felix Mendelssohn Bartholdy wirkte in Leipzig als Gewandhaus-Kapellmeister, und er gründete zudem das Konservatorium – die erste Musikhochschule in Deutschland. Und dass Johann Sebastian Bach Thomaskantor in Leipzig war, das ist jedem Musikfreund bekannt. So schreitet diese CD also von den bekannten Melodien aus Wagners Opern über Präludium und Fuge in c-Moll op. 37 von Mendelssohn Bartholdy festlich zurück, bis hin zu Bachs Orchestersuite BWV 1068. Die sächsischen Bläser zelebrieren diese Musik unter ihrem Chefdirigenten Thomas Clamor mit dem notwendigen Pomp, mit Hingabe und mit sächsischem Temperament. Gekonnt setzen sie so manchen Glanzpunkt.
Die Sächsische Bläserphilharmonie hat für ihr mittlerweile fünftes Album bei Genuin Musik von drei Komponisten ausgewählt, die eine enge Beziehung zum Freistaat haben. Richard Wagner kam in Leipzig zur Welt. In Leipzig studierte er Musik, und in Leipzig komponierte er seine ersten Werke.
Felix Mendelssohn Bartholdy wirkte in Leipzig als Gewandhaus-Kapellmeister, und er gründete zudem das Konservatorium – die erste Musikhochschule in Deutschland. Und dass Johann Sebastian Bach Thomaskantor in Leipzig war, das ist jedem Musikfreund bekannt. So schreitet diese CD also von den bekannten Melodien aus Wagners Opern über Präludium und Fuge in c-Moll op. 37 von Mendelssohn Bartholdy festlich zurück, bis hin zu Bachs Orchestersuite BWV 1068. Die sächsischen Bläser zelebrieren diese Musik unter ihrem Chefdirigenten Thomas Clamor mit dem notwendigen Pomp, mit Hingabe und mit sächsischem Temperament. Gekonnt setzen sie so manchen Glanzpunkt.
Dienstag, 13. Januar 2015
Moniuszko: Overtures (Naxos)
Stanisław Moniuszko (1819 bis 1872) gilt als Vater der polnischen Nationaloper. Der Komponist entstammte dem Adel, was ihn aber nicht davor bewahrte, hart für den Unterhalt seiner Familie arbeiten zu müssen. Seine musikalische Ausbildung absolvierte er in Warschau, Minsk und Berlin, wo er mit eigenen Werken bereits erste Erfolge erzielen konnte. 1839 kehrte er nach Polen zurück und heiratete. Er wirkte in Vilnius als Organist und als Dirigent des Theaterorchesters, und verdiente zusätzlich Geld als Klavierlehrer. Denn die Ehe erwies sich als glücklich, und bald hatte Moniuszko zehn Kinder zu ernähren, plus das übliche Hauspersonal.
Man staunt, wie er bei diesem Arbeitspensum noch Zeit zum Komponieren fand. Insbesondere die Oper hatte es Moniuszko angetan. Er kombinierte romantische Klänge mit patriotischen Gedanken – und hatte schon mit seiner ersten Oper Halka enormen Erfolg. 1858 wurde Moniuszko Chefdirigent der Polnischen Nationaloper; später unterrichtete er zudem am Warschauer Konservatorium.
Diese CD stellt eine Auswahl seiner Ouvertüren vor. Es sind Werke in bester romantischer Tradition, gekonnt orchestriert und sehr abwechslungsreich – eine Fundgrube schöner Melodien. Und wer könnte diese Musik besser präsentieren als die Warschauer Philharmonie, das polnische Nationalorchester, unter ihrem Leiter Antoni Wit? Man wird so recht neugierig auf die dazugehörigen Opern – und man fragt sich, warum etwa Straszny Dwór, Paria oder Hrabina im Theater hierzulande so gar nicht zu erleben sind. Wenn die Musik so weitergeht wie die Ouvertüre, dann jedenfalls dürften diese Opern in eine Reihe gehören beispielsweise mit Smetanas Verkaufter Braut oder mit Webers Freischütz.
Man staunt, wie er bei diesem Arbeitspensum noch Zeit zum Komponieren fand. Insbesondere die Oper hatte es Moniuszko angetan. Er kombinierte romantische Klänge mit patriotischen Gedanken – und hatte schon mit seiner ersten Oper Halka enormen Erfolg. 1858 wurde Moniuszko Chefdirigent der Polnischen Nationaloper; später unterrichtete er zudem am Warschauer Konservatorium.
Diese CD stellt eine Auswahl seiner Ouvertüren vor. Es sind Werke in bester romantischer Tradition, gekonnt orchestriert und sehr abwechslungsreich – eine Fundgrube schöner Melodien. Und wer könnte diese Musik besser präsentieren als die Warschauer Philharmonie, das polnische Nationalorchester, unter ihrem Leiter Antoni Wit? Man wird so recht neugierig auf die dazugehörigen Opern – und man fragt sich, warum etwa Straszny Dwór, Paria oder Hrabina im Theater hierzulande so gar nicht zu erleben sind. Wenn die Musik so weitergeht wie die Ouvertüre, dann jedenfalls dürften diese Opern in eine Reihe gehören beispielsweise mit Smetanas Verkaufter Braut oder mit Webers Freischütz.
Montag, 12. Januar 2015
Telemann: Luther Cantatas (cpo)
Kantaten von Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) hat Gotthold
Schwarz mit dem Sächsischen Barockorchester und dem Bach Consort
Leipzig eingespielt. Das kleine, ausgeglichen besetzte Sängerensemble
wird dabei in den Chören verstärkt durch Ripienisten.
Die CD beweist einmal mehr, dass Telemann von seinen Zeitgenossen zu Recht überaus geschätzt wurde. Seine Musik ist sorgsam gearbeitet, und nahe am vertonten Text, den er zudem stets mit Sorgfalt ausgewählt hat. Auch das zeigen die fünf Kantaten auf dieser CD. So vertonte Telemann etliche Texte von Erdmann Neumeister, einem bedeutenden geistlichen Dichter jener Zeit. Immer wieder zitierte er zudem die Lieder Luthers, so auch in den Kantaten, die Schwarz für dieses Programm zusammengestellt hat. Es erklang anlässlich der Magdeburger Telemanntage 2012 in der Schlosskirche von Torgau; dort wurde es mitgeschnitten.
Die CD beweist einmal mehr, dass Telemann von seinen Zeitgenossen zu Recht überaus geschätzt wurde. Seine Musik ist sorgsam gearbeitet, und nahe am vertonten Text, den er zudem stets mit Sorgfalt ausgewählt hat. Auch das zeigen die fünf Kantaten auf dieser CD. So vertonte Telemann etliche Texte von Erdmann Neumeister, einem bedeutenden geistlichen Dichter jener Zeit. Immer wieder zitierte er zudem die Lieder Luthers, so auch in den Kantaten, die Schwarz für dieses Programm zusammengestellt hat. Es erklang anlässlich der Magdeburger Telemanntage 2012 in der Schlosskirche von Torgau; dort wurde es mitgeschnitten.
Samstag, 10. Januar 2015
Bach: Recreation for the Soul (Channel Classics)
Johann Sebastian Bach war der Meinung, dass „die wahre Musik der Ehre Gottes dienen und eine Erholung für die Seele sein sollte“. Beides vereinen die Kantaten, die Peter Harvey hier mit seinem 2008 gegründeten Magdalena Consort eingespielt hat.
Er folgt dabei der These von Joshua Rifkin, Bachs Kantaten seien ursprünglich nicht durch einen Chor, sondern lediglich durch einen Sänger pro Stimme vorgetragen worden. In diesem Falle sind dies Elin Manahan Thomas, Sopran, Daniel Taylor, Alto, James Gilchrist, Tenor, und Harvey selbst im Bass.
Dummerweise sind vier Solisten, bei allen individuellen Qualitäten, aber noch kein Ensemble. Und man fragt sich die ganze Zeit, wieso sie ausgerechnet Bach und warum diese drei Kantaten singen. Eine Antwort habe ich nicht herausgefunden, das wirkt alles etwas beliebig und ziellos.
Harvey reiht im Beiheft allerlei Überlegungen aneinander zu Bach, diverser Zahlenmystik und verdeckten Anspielungen, die sich im Text aufspüren lassen. Das ist ja wirklich nett; es gibt anderweitig in der Tat lange Aufsätze darüber. Aber es bleibt Spielerei, wenn es nicht dabei hilft, Bachs Musik mit Leben und vor allem mit Ausdruck zu füllen. Man höre im Vergleich dazu die Einspielungen mit Sigiswald Kuijken und seinem Ensemble La Petite Bande, mit ebenfalls solistisch besetzten Gesangsparts. Dazwischen liegen, leider, Welten. Schade.
Er folgt dabei der These von Joshua Rifkin, Bachs Kantaten seien ursprünglich nicht durch einen Chor, sondern lediglich durch einen Sänger pro Stimme vorgetragen worden. In diesem Falle sind dies Elin Manahan Thomas, Sopran, Daniel Taylor, Alto, James Gilchrist, Tenor, und Harvey selbst im Bass.
Dummerweise sind vier Solisten, bei allen individuellen Qualitäten, aber noch kein Ensemble. Und man fragt sich die ganze Zeit, wieso sie ausgerechnet Bach und warum diese drei Kantaten singen. Eine Antwort habe ich nicht herausgefunden, das wirkt alles etwas beliebig und ziellos.
Harvey reiht im Beiheft allerlei Überlegungen aneinander zu Bach, diverser Zahlenmystik und verdeckten Anspielungen, die sich im Text aufspüren lassen. Das ist ja wirklich nett; es gibt anderweitig in der Tat lange Aufsätze darüber. Aber es bleibt Spielerei, wenn es nicht dabei hilft, Bachs Musik mit Leben und vor allem mit Ausdruck zu füllen. Man höre im Vergleich dazu die Einspielungen mit Sigiswald Kuijken und seinem Ensemble La Petite Bande, mit ebenfalls solistisch besetzten Gesangsparts. Dazwischen liegen, leider, Welten. Schade.
Bach: Six Trio Sonatas (Chaconne)
Die Orgelsonaten BWV 525-530 von Johann Sebastian Bach sind seltsame Musikstücke. Sie haben drei Sätze, wie ein Konzert; Kirchensonaten hingegen hatten typischerweise vier Sätze. Sie sind mit großer Sorgfalt gearbeitet, und erscheinen eher übersichtlich. Es ist bekannt, dass Bachs Schüler sie im Unterricht spielten; so berichtet Bachs Biograph Johann Nikolaus Forkel, sie seien ursprünglich als Lehrstücke für seinen ältesten Sohn Wilhelm Friedemann Bach bestimmt gewesen.
Einigen Sätzen kann man zudem in anderen Werken erneut begegnen, beispielsweise als Sinfonia in einer Kantate. Es wird daher vermutet, dass diese Sonaten Bearbeitungen verloren gegangener Triosonaten sein könnten. Wie diese einst geklungen haben könnten, erkunden auf dieser CD die Tempesta di Mare Chamber Players.
Arrangiert hat die Stücke dafür Richard Stone, der Lautenist des Ensembles. Er nahm sich dabei alle Freiheiten, die auch zu Bachs Zeiten üblich waren. Hört man die Bearbeitungen, so wird man feststellen, dass sie überall dort gut klingen, wo die beiden Diskantstimmen Instrumenten zugewiesen worden sind, die sich in Oktavlage und Lautstärke ähneln. Das gilt beispielsweise für Geige und Flöte. Sehr hörenswert ist auch die Version der Sonate BWV 528 für Laute und Cembalo. Weniger geschickt erscheint die Kombination von Traversflöte und Viola da gamba. Eine Oboe beispielsweise passt auch in die Zeit – und hätte zusätzliche Klangfarben eingebracht. Lobenswert ist allerdings die Spielfreude der Interpreten. Die Tempesta di Mare Chamber Players musizieren mit Schwung und Eleganz.
Einigen Sätzen kann man zudem in anderen Werken erneut begegnen, beispielsweise als Sinfonia in einer Kantate. Es wird daher vermutet, dass diese Sonaten Bearbeitungen verloren gegangener Triosonaten sein könnten. Wie diese einst geklungen haben könnten, erkunden auf dieser CD die Tempesta di Mare Chamber Players.
Arrangiert hat die Stücke dafür Richard Stone, der Lautenist des Ensembles. Er nahm sich dabei alle Freiheiten, die auch zu Bachs Zeiten üblich waren. Hört man die Bearbeitungen, so wird man feststellen, dass sie überall dort gut klingen, wo die beiden Diskantstimmen Instrumenten zugewiesen worden sind, die sich in Oktavlage und Lautstärke ähneln. Das gilt beispielsweise für Geige und Flöte. Sehr hörenswert ist auch die Version der Sonate BWV 528 für Laute und Cembalo. Weniger geschickt erscheint die Kombination von Traversflöte und Viola da gamba. Eine Oboe beispielsweise passt auch in die Zeit – und hätte zusätzliche Klangfarben eingebracht. Lobenswert ist allerdings die Spielfreude der Interpreten. Die Tempesta di Mare Chamber Players musizieren mit Schwung und Eleganz.
Donnerstag, 8. Januar 2015
Lars Vogt - Chopin (Avi-Music)
„Vielleicht hat er das Klavier gewählt, weil es ein Instrument ist, wo man auch für sich singen kann“, sinniert Lars Vogt über Frédéric Chopin. „Wenn man das vokal machen würde, müsste man immer etwas nach außen singen. Das Klavier ist vielleicht sogar noch einen Schritt intimer.“ Lars Vogt, Pianist, Professor für Klavier an der Musikhochschule Hannover, Dirigent und zudem künstlerischer Leiter des Kammermusikfestes „Spannungen“ in der Eifel, hat sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt, und Musik des polnisch-französischen Komponisten eingespielt. Es ist, meint der Pianist, nicht in erster Linie virtuose, sondern emotionale Musik. Und so bemüht sich Vogt weniger darum, Strukturen aufzuzeigen: „Es ist schon toll, sich in den Sog dieser Musik voll reinzugeben, durchaus auch darin zu zerfließen, dieses Gefühl ganz zuzulassen“, erläutert der Musiker in einem Interview im Beiheft. „Sich wirklich in absinkende Phrasen hineinzugeben und die Aufschwünge auch ganz persönlich zu erleben. Man muss sich identifizieren. Nicht zuviel Distanz!“
Mit Verlaub, aber hier scheint mir der Künstler im Irrtum. Denn der Musiker ist, wenn er an sein Instrument tritt, eher ein Medium, ein Vermittler; das Gefühl soll beim Publikum entstehen. Poesie aber erwächst aus Präzision, aus tiefgründiger Analyse, Überlegung und aus exakt austarierter Interpretation. Vogts Chopin ist zwar gefühlig, aber leider kein bisschen poetisch. Und das ist wirklich schade.
Mit Verlaub, aber hier scheint mir der Künstler im Irrtum. Denn der Musiker ist, wenn er an sein Instrument tritt, eher ein Medium, ein Vermittler; das Gefühl soll beim Publikum entstehen. Poesie aber erwächst aus Präzision, aus tiefgründiger Analyse, Überlegung und aus exakt austarierter Interpretation. Vogts Chopin ist zwar gefühlig, aber leider kein bisschen poetisch. Und das ist wirklich schade.
Mittwoch, 7. Januar 2015
Graupner: Trio Sonatas (Ondine)
Mitunter fragt man sich, warum die Musikgeschichte gerade so und nicht ganz anders verlaufen ist. Was beispielsweise hätte sich daraus ergeben, wenn Christoph Graupner (1683 bis 1760) nicht in Darmstadt geblieben, sondern nach Leipzig gegangen wäre? Und wenn Johann Sebastian Bach beispielsweise Dom- und Hoforganist in Berlin anstatt Thomaskantor geworden wäre?
Schließlich hatte sich der Darm- städter Hofkapellmeister beworben, er wollte wechseln, und eigentlich war Graupner auch der Favorit der Leipziger Stadtväter. Doch dann erhöhte sein Dienstherr, Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt, ihm die Bezüge, und verweigerte ihm zugleich den Abschied. Solchen Argumenten pflegten sich Musiker üblicherweise zu beugen. Und so erhielt der Kollege aus Köthen das Amt.
Kirchenmusik hat Graupner dennoch in großen Mengen komponiert; Aufnahmen seiner Kantaten wurden in diesem Blog bereits an anderer Stelle vorgestellt. Das Finnische Barockorchester hat bei Ondine bereits Orchestersuiten eingespielt. Nun haben sich einige Solisten dieses Ensembles auch der Triosonaten des Komponisten angenommen. Aus der großen Anzahl seiner Werke haben sie dazu einige ausgewählt. Dabei scheinen sie auf die wenigen bereits edierten Sonaten zurückgegriffen zu haben.
Auffällig ist die farbenreiche Besetzung – neben Traversflöte und Violine setzt Graupner auch Viola d'amore, Fagott sowie das Chalumeau, einen Vorgänger der Klarinette, ein. Im Continuo, notiert für das Cembalo als unbezifferte Basslinie, verwenden die Musiker zusätzlich Barock-Violoncello, Viola da gamba, Barocklaute sowie einmal auch die Orgel. Das macht die CD klanglich attraktiv. Graupner scheint allerdings auch bei seinen Triosonaten mehr auf Ausdruck und Melodik als auch vordergrün- dige Virtuosität bedacht gewesen zu sein. Er überrascht eher durch unerwartete Harmonik als durch kühne Figurationen. Das ist wirklich spannend; man darf neugierig bleiben, welche Schätze sich in Graupners unglaublich umfangreichem Nachlass in Zukunft noch anfinden werden.
Schließlich hatte sich der Darm- städter Hofkapellmeister beworben, er wollte wechseln, und eigentlich war Graupner auch der Favorit der Leipziger Stadtväter. Doch dann erhöhte sein Dienstherr, Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt, ihm die Bezüge, und verweigerte ihm zugleich den Abschied. Solchen Argumenten pflegten sich Musiker üblicherweise zu beugen. Und so erhielt der Kollege aus Köthen das Amt.
Kirchenmusik hat Graupner dennoch in großen Mengen komponiert; Aufnahmen seiner Kantaten wurden in diesem Blog bereits an anderer Stelle vorgestellt. Das Finnische Barockorchester hat bei Ondine bereits Orchestersuiten eingespielt. Nun haben sich einige Solisten dieses Ensembles auch der Triosonaten des Komponisten angenommen. Aus der großen Anzahl seiner Werke haben sie dazu einige ausgewählt. Dabei scheinen sie auf die wenigen bereits edierten Sonaten zurückgegriffen zu haben.
Auffällig ist die farbenreiche Besetzung – neben Traversflöte und Violine setzt Graupner auch Viola d'amore, Fagott sowie das Chalumeau, einen Vorgänger der Klarinette, ein. Im Continuo, notiert für das Cembalo als unbezifferte Basslinie, verwenden die Musiker zusätzlich Barock-Violoncello, Viola da gamba, Barocklaute sowie einmal auch die Orgel. Das macht die CD klanglich attraktiv. Graupner scheint allerdings auch bei seinen Triosonaten mehr auf Ausdruck und Melodik als auch vordergrün- dige Virtuosität bedacht gewesen zu sein. Er überrascht eher durch unerwartete Harmonik als durch kühne Figurationen. Das ist wirklich spannend; man darf neugierig bleiben, welche Schätze sich in Graupners unglaublich umfangreichem Nachlass in Zukunft noch anfinden werden.
Per Monsieur Pisendel 2 (Avie Records)
Mit dieser CD schließt der Barock- geiger Adrian Chandler einen Kreis: Mit der CD Per Monsieur Pisendel hatte er vor mehr als zehn Jahren sein Debüt gegeben.
Johann Georg Pisendel (1687 bis 1755), langjähriger Konzertmeister am Dresdner Hof, war ein Ausnah- memusiker gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen muss er bereits als Kind unglaublich gut Geige gespielt haben. Während seiner Jahre als Kapellknabe am Ansbacher Hof unterrichtete ihn Giuseppe Torelli – dieser berühmte Virtuose wird wohl kaum Anfänger persönlich unterwiesen haben.
Auf dem Wege nach Leipzig, wo Pisendel Jura studierte, traf er in Weimar auf Johann Sebastian Bach, den er nachhaltig beeindruckte. 1712 nahm Pisendel eine Stelle als stellvertretender Konzertmeister der Dresdner Hofkapelle an. Im Gefolge des Kurprinzen besuchte er Paris, Berlin und Venedig. Dort wurde er ein Schüler Antonio Vivaldis; dieser widmete Pisendel immerhin fünf Sonaten und sechs Konzerte. Auch zu anderen Musikern pflegte Pisendel enge Beziehungen. Das brachte dem sächsischen Hof erhebliche Notenbestände ein, die im legendären „Schranck No:II“ glücklicherweise zumeist bis heute erhalten geblieben sind.
Pisendel muss aber auch ein vortrefflicher Musikpädagoge gewesen sein. Er hat nicht nur etliche Schüler zu hoher Meisterschaft geführt; Pisendel brachte als Konzertmeister gemeinsam mit Kapellmeister Hasse die Hofkapelle auf jenen hohen Stand, der sie zu einer europäischen Legende werden ließ.
Wenn ein Geiger heute Werke einspielt, die für Pisendel entstanden sind, oder die dieser gar selbst komponiert hat, dann tritt er also in große Fußstapfen. Chandler hat im Bereich der Barockmusik sehr viel Erfahrung und große Erfolge vorzuweisen. So wurde er mit seinen Aufnahmen mehrfach für den Gramophone nominiert. Er spielt in der Tat exzellent, und hat in Gareth Deats, Violoncello, Thomas Dunford, Theorbe und Robert Howarth, Orgel und Cembalo, versierte Begleiter im Continuo. Musiziert wird mit Lust und mit Temperament, aber auch mit Präzision und mit beeindruckender Technik. Mehr davon!
Johann Georg Pisendel (1687 bis 1755), langjähriger Konzertmeister am Dresdner Hof, war ein Ausnah- memusiker gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen muss er bereits als Kind unglaublich gut Geige gespielt haben. Während seiner Jahre als Kapellknabe am Ansbacher Hof unterrichtete ihn Giuseppe Torelli – dieser berühmte Virtuose wird wohl kaum Anfänger persönlich unterwiesen haben.
Auf dem Wege nach Leipzig, wo Pisendel Jura studierte, traf er in Weimar auf Johann Sebastian Bach, den er nachhaltig beeindruckte. 1712 nahm Pisendel eine Stelle als stellvertretender Konzertmeister der Dresdner Hofkapelle an. Im Gefolge des Kurprinzen besuchte er Paris, Berlin und Venedig. Dort wurde er ein Schüler Antonio Vivaldis; dieser widmete Pisendel immerhin fünf Sonaten und sechs Konzerte. Auch zu anderen Musikern pflegte Pisendel enge Beziehungen. Das brachte dem sächsischen Hof erhebliche Notenbestände ein, die im legendären „Schranck No:II“ glücklicherweise zumeist bis heute erhalten geblieben sind.
Pisendel muss aber auch ein vortrefflicher Musikpädagoge gewesen sein. Er hat nicht nur etliche Schüler zu hoher Meisterschaft geführt; Pisendel brachte als Konzertmeister gemeinsam mit Kapellmeister Hasse die Hofkapelle auf jenen hohen Stand, der sie zu einer europäischen Legende werden ließ.
Wenn ein Geiger heute Werke einspielt, die für Pisendel entstanden sind, oder die dieser gar selbst komponiert hat, dann tritt er also in große Fußstapfen. Chandler hat im Bereich der Barockmusik sehr viel Erfahrung und große Erfolge vorzuweisen. So wurde er mit seinen Aufnahmen mehrfach für den Gramophone nominiert. Er spielt in der Tat exzellent, und hat in Gareth Deats, Violoncello, Thomas Dunford, Theorbe und Robert Howarth, Orgel und Cembalo, versierte Begleiter im Continuo. Musiziert wird mit Lust und mit Temperament, aber auch mit Präzision und mit beeindruckender Technik. Mehr davon!
Dienstag, 6. Januar 2015
Schumann: Dichterliebe, Berg: Sieben frühe Lieder (Oehms Classics)
Ein ausgezeichneter Tenor ist zu erleben bei dieser Aufnahme von Robert Schumanns Dichterliebe. So exzellent gesungen hört man das selten. Und obendrein hat sich Arnold Bezuyen gemeinsam mit seinem Klavierpartner Jura Margulis dazu entschieden, auch die vier vor Drucklegung ausgesonderten Lieder Dein Angesicht so lieb und schön und Lehn' deine Wang' an meine Wang' – ursprünglich die Nummern 5 und 6 – sowie Es leuchtet meine Liebe und Mein Wagen rollet langsam – vor- gesehen als die Nummern 15 und 16 – mit einzuschließen. Betrachtet man die Editionsgeschichte, so erscheint dies als eine kluge Wahl. Denn hatte nicht Bote & Bock 1840 die Veröffent- lichung des Zyklus abgelehnt, weil er zu umfangreich sei? Die schiere Menge könnte auch die Ursache dafür gewesen sein, dass schließlich 1844 bei Peters nur 16 der 20 Lieder erschienen sind.
Ergänzt wird die Dichterliebe auf dieser CD durch die Sieben Frühen Lieder von Alban Berg. Sie werden zumeist von einer Frauenstimme gesungen – was aber mit Blick auf ihren Text eigentlich nicht so recht nachvollziehbar ist. Bezuyen singt diese Stücke, die man aufgrund ihrer imposanten Melodik und ihrer engen Beziehung zwischen Klang und Poesie fast dem Jugendstil zuzuweisen geneigt ist, mit beinahe instrumentalen Linien.
Der Sänger beeindruckt mit einer großen Stimme, die er aber sanft und sehr geschmeidig zu führen weiß, in der Höhe leicht, strahlend und scheinbar völlig ohne Anstrengung. Es ist kein Wunder, dass der niederländische Tenor an den Opernhäusern von Mailand bis New York und von London bis Bayreuth singt – als Loge ist er bestimmt phantastisch. Arnold Bezuyen erweist sich aber auch ein großartiger Liedersänger, wobei er mehr durch Noblesse beeindruckt und als durch Dramatik. Jura Margulis ist ihm ein formidabler Liedbegleiter; allerdings reicht er an das sprechende Klavierspiel eines Hubert Giesen oder eines Gerald Moore noch nicht heran.
Ergänzt wird die Dichterliebe auf dieser CD durch die Sieben Frühen Lieder von Alban Berg. Sie werden zumeist von einer Frauenstimme gesungen – was aber mit Blick auf ihren Text eigentlich nicht so recht nachvollziehbar ist. Bezuyen singt diese Stücke, die man aufgrund ihrer imposanten Melodik und ihrer engen Beziehung zwischen Klang und Poesie fast dem Jugendstil zuzuweisen geneigt ist, mit beinahe instrumentalen Linien.
Der Sänger beeindruckt mit einer großen Stimme, die er aber sanft und sehr geschmeidig zu führen weiß, in der Höhe leicht, strahlend und scheinbar völlig ohne Anstrengung. Es ist kein Wunder, dass der niederländische Tenor an den Opernhäusern von Mailand bis New York und von London bis Bayreuth singt – als Loge ist er bestimmt phantastisch. Arnold Bezuyen erweist sich aber auch ein großartiger Liedersänger, wobei er mehr durch Noblesse beeindruckt und als durch Dramatik. Jura Margulis ist ihm ein formidabler Liedbegleiter; allerdings reicht er an das sprechende Klavierspiel eines Hubert Giesen oder eines Gerald Moore noch nicht heran.
Montag, 5. Januar 2015
Orff: Carmina Burana (Zig-Zag Territoires)
Die Carmina Burana von Carl Orff gehören zu den bedeutendsten und auch beliebtesten Chorwerken des
20. Jahrhunderts. Gesungen werden sie zumeist von großen Chören, in Begleitung eines stark besetzten Sinfonieorchesters.
Jos van Immerseel hat nun die Carmina Burana mit seinem Orchester Anima Eterna Brügge neu eingespielt, und dabei nicht nur darauf geachtet, Instrumente genau so einzusetzen, wie sie in den 30er Jahren gespielt worden sind. Er hat auch mit kritischem Blick in die Partitur geschaut – und dabei festgestellt, dass die Streicher hier nicht die Hauptrolle spielen: „De hoofdrol ist weggelegd voor de percussie en de blazers, vaak in ongewone combinaties“, erläutert van Immerseel. „De celesta met de fluiten, de contrafagot met de tuba, de hoge fagot met die drei trombones... Echt verbazende zaken die ook verbazend goed klingen!“
Für eine Konzertreise im Februar 2014 durch Belgien und die Niederlande haben sich die Musiker mit dem Collegium Vocale Gent zusammengetan, das die Chorpartien übernommen hat – allerdings ist jede Stimme nur dreifach besetzt. Das macht überhaupt nichts, wie man staunend feststellt – die 36 Profis bringen hinreichend Wucht auf für die großen Chöre, und die intimen Momente gelingen ihnen hinreißend. Der Königlich Belgische Knabenchor Schola Cantorum Cantate Dominum unter David De Geest wirkt als Kinderchor mit. Auch die Vokalsolisten hat van Immerseel mit Sorgfalt ausgesucht. Yeree Suh, Sopran, Yves Saelens, Tenor, und Thomas Bauer, Bariton, brillieren in ihren Partien. Insbesondere Saelens' Klage- gesang des Schwans ist ein Ereignis.
Eine farbensatte, detailreiche, spannungsvolle Interpretation, die ihren Platz in der schmalen Reihe der Referenzaufnahmen unter den vielen Einspielungen finden wird. Beachtlich!
20. Jahrhunderts. Gesungen werden sie zumeist von großen Chören, in Begleitung eines stark besetzten Sinfonieorchesters.
Jos van Immerseel hat nun die Carmina Burana mit seinem Orchester Anima Eterna Brügge neu eingespielt, und dabei nicht nur darauf geachtet, Instrumente genau so einzusetzen, wie sie in den 30er Jahren gespielt worden sind. Er hat auch mit kritischem Blick in die Partitur geschaut – und dabei festgestellt, dass die Streicher hier nicht die Hauptrolle spielen: „De hoofdrol ist weggelegd voor de percussie en de blazers, vaak in ongewone combinaties“, erläutert van Immerseel. „De celesta met de fluiten, de contrafagot met de tuba, de hoge fagot met die drei trombones... Echt verbazende zaken die ook verbazend goed klingen!“
Für eine Konzertreise im Februar 2014 durch Belgien und die Niederlande haben sich die Musiker mit dem Collegium Vocale Gent zusammengetan, das die Chorpartien übernommen hat – allerdings ist jede Stimme nur dreifach besetzt. Das macht überhaupt nichts, wie man staunend feststellt – die 36 Profis bringen hinreichend Wucht auf für die großen Chöre, und die intimen Momente gelingen ihnen hinreißend. Der Königlich Belgische Knabenchor Schola Cantorum Cantate Dominum unter David De Geest wirkt als Kinderchor mit. Auch die Vokalsolisten hat van Immerseel mit Sorgfalt ausgesucht. Yeree Suh, Sopran, Yves Saelens, Tenor, und Thomas Bauer, Bariton, brillieren in ihren Partien. Insbesondere Saelens' Klage- gesang des Schwans ist ein Ereignis.
Eine farbensatte, detailreiche, spannungsvolle Interpretation, die ihren Platz in der schmalen Reihe der Referenzaufnahmen unter den vielen Einspielungen finden wird. Beachtlich!
Sonntag, 4. Januar 2015
Rolla: Three Duets for Violin and Viola Op. 15 (Dynamic)
Alessandro Rolla (1757 bis 1841) war ein Virtuose nicht nur auf der Violine, sondern auch auf der Viola. Sein Engagement für beide Instrumente spiegeln vielleicht am schönsten die Duette op. 15.
Es sind hochvirtuose Werke, an die sich nur ausgesprochen versierte Musiker wagen können. Hier sind Salvatore Accardo und Luigi Alberto Bianchi zu hören, die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1972. „In keinem anderen Duett für Violine und Viola sind derartige akrobati- sche Passagen von überwältigender Virtuosität zu finden“, merkt Bianchi im Beiheft an. „Ein gutes Beispiel für ein solches Feuerwerk ist das Rondò alla Polacca im Duett Nr. 1, ent- standen möglicherweise für einige der hervorragenden Musiker, die Rolla am Mailänder Konservatorium unterrichtet hat.“ Doch nicht die platten zirzensischen Effekte stehen im Vordergrund; Rolla hat einmal mehr wundervolle Musik geschrieben. Accardo und Bianchi haben hörbar ihr Vergnügen an diesen Kabinettstückchen, und spielen sie mit Hingabe. Phantastisch!
Es sind hochvirtuose Werke, an die sich nur ausgesprochen versierte Musiker wagen können. Hier sind Salvatore Accardo und Luigi Alberto Bianchi zu hören, die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1972. „In keinem anderen Duett für Violine und Viola sind derartige akrobati- sche Passagen von überwältigender Virtuosität zu finden“, merkt Bianchi im Beiheft an. „Ein gutes Beispiel für ein solches Feuerwerk ist das Rondò alla Polacca im Duett Nr. 1, ent- standen möglicherweise für einige der hervorragenden Musiker, die Rolla am Mailänder Konservatorium unterrichtet hat.“ Doch nicht die platten zirzensischen Effekte stehen im Vordergrund; Rolla hat einmal mehr wundervolle Musik geschrieben. Accardo und Bianchi haben hörbar ihr Vergnügen an diesen Kabinettstückchen, und spielen sie mit Hingabe. Phantastisch!
Romberg: Quintets for flute, violin, 2 violas and violoncello (MDG)
Und noch eine Entdeckung findet sich bei Dabringhaus und Grimm: Das Ardinghello Ensemble um Karl Kaiser beschäftigt sich in einer Ersteinspielung mit den Flöten- quintetten von Andreas Romberg. Dass diese Werke nicht ganz leichte Kost sind, wird man schon anhand der Besetzung feststellen.
Nicht das Divertimento stand hier Pate, die leichte Unterhaltung, son- dern das ernsthafte Streichquintett – und so musiziert Traversflötist Kaiser hier gemeinsam mit Annette Reh- berger, Violine, Sebastian Wohlfahrt und Bodo Friedrich, Viola, und Ursula Kaiser, Violoncello.
Andreas Jakob Romberg (1767 bis 1821) entstammte einer Musiker- dynastie. Den ersten Unterricht erhielt er bei seinem Vater, einem Militärmusiker, der hervorragend Klarinette und auch Geige spielte. Die ersten Erfolge seines Leben feierte Romberg junior gemeinsam mit seinem Vetter Bernhard Romberg, der Violoncello spielte. Sie musizierten zusammen, gingen gemeinsam auf Konzertreisen quer durch Europa, und sie spielten in der Münsteraner Hofkapelle. Im Herbst 1790 wurden die Rombergs Mitglieder der Bonner Hofkapelle. Dort trafen sie auf eine illustre Kollegenschar; in dem Orchester musizierten seinerzeit unter anderem der junge Beethoven, Anton und Josef Reicha, der Geiger Franz Anton Ries sowie der Hornist und spätere Musikverleger Nikolaus Simrock.
Leider bereiteten die französischen Truppen dem rheinischen Idyll bald ein Ende. Die Rombergs gingen nach Hamburg, wo sie etliche Jahre wirkten, immer wieder unterbrochen durch ausgedehnte Konzertreisen. Andreas Romberg erwarb sich nicht nur als Geiger einen exzellenten Ruf, sondern bald auch als Komponist. Allerdings wurde das Leben in Hamburg nach 1810 infolge der Kontinentalsperre schwierig. 1815 nahm Romberg daher, nach langem Zögern, die Nachfolge von Louis Spohr als Konzertmeister der Gothaer Hofkapelle an. Er erhielt ein großzügiges Gehalt, aber er hatte auch eine große Familie zu ernähren, was ihm wohl erhebliches Kopf- zerbrechen bereitete. Schließlich erkrankte er; Cousin Bernhard meinte, Andreas sei letztendlich vor Kummer gestorben, weil er nicht wusste, wie er seine in Gotha angehäuften Schulden bezahlen sollte.
Romberg hat insgesamt sechs Flötenquintette geschrieben. Entstanden sind sie in seinen Hamburger Jahren. „Romberg zeigt sich hier auf einer kompositorischen Höhe, die tatsächlich Vergleiche mit den Großmeistern der Epoche nicht zu scheuen braucht“, urteilt Kaiser in dem sehr infor- mativen Beiheft zu dieser CD. Die Flöte führt in diesen Werken allerdings klar und eindeutig; die anderen vier Instrumente dürfen sich an dem motivischen Geschehen zwar gelegentlich ein Stück weit beteiligen, haben ansonsten aber eher Begleitfunktion. Auch sonst wird man erstaunt feststellen, wie sehr diese Quintette schon der Romantik vorgreifen. Die klassischen Formen werden sehr persönlich, in op. 41,1 sogar hoch- politisch, genutzt. Auf die Fortsetzung dieser Edition darf man jedenfalls sehr gespannt sein.
Nicht das Divertimento stand hier Pate, die leichte Unterhaltung, son- dern das ernsthafte Streichquintett – und so musiziert Traversflötist Kaiser hier gemeinsam mit Annette Reh- berger, Violine, Sebastian Wohlfahrt und Bodo Friedrich, Viola, und Ursula Kaiser, Violoncello.
Andreas Jakob Romberg (1767 bis 1821) entstammte einer Musiker- dynastie. Den ersten Unterricht erhielt er bei seinem Vater, einem Militärmusiker, der hervorragend Klarinette und auch Geige spielte. Die ersten Erfolge seines Leben feierte Romberg junior gemeinsam mit seinem Vetter Bernhard Romberg, der Violoncello spielte. Sie musizierten zusammen, gingen gemeinsam auf Konzertreisen quer durch Europa, und sie spielten in der Münsteraner Hofkapelle. Im Herbst 1790 wurden die Rombergs Mitglieder der Bonner Hofkapelle. Dort trafen sie auf eine illustre Kollegenschar; in dem Orchester musizierten seinerzeit unter anderem der junge Beethoven, Anton und Josef Reicha, der Geiger Franz Anton Ries sowie der Hornist und spätere Musikverleger Nikolaus Simrock.
Leider bereiteten die französischen Truppen dem rheinischen Idyll bald ein Ende. Die Rombergs gingen nach Hamburg, wo sie etliche Jahre wirkten, immer wieder unterbrochen durch ausgedehnte Konzertreisen. Andreas Romberg erwarb sich nicht nur als Geiger einen exzellenten Ruf, sondern bald auch als Komponist. Allerdings wurde das Leben in Hamburg nach 1810 infolge der Kontinentalsperre schwierig. 1815 nahm Romberg daher, nach langem Zögern, die Nachfolge von Louis Spohr als Konzertmeister der Gothaer Hofkapelle an. Er erhielt ein großzügiges Gehalt, aber er hatte auch eine große Familie zu ernähren, was ihm wohl erhebliches Kopf- zerbrechen bereitete. Schließlich erkrankte er; Cousin Bernhard meinte, Andreas sei letztendlich vor Kummer gestorben, weil er nicht wusste, wie er seine in Gotha angehäuften Schulden bezahlen sollte.
Romberg hat insgesamt sechs Flötenquintette geschrieben. Entstanden sind sie in seinen Hamburger Jahren. „Romberg zeigt sich hier auf einer kompositorischen Höhe, die tatsächlich Vergleiche mit den Großmeistern der Epoche nicht zu scheuen braucht“, urteilt Kaiser in dem sehr infor- mativen Beiheft zu dieser CD. Die Flöte führt in diesen Werken allerdings klar und eindeutig; die anderen vier Instrumente dürfen sich an dem motivischen Geschehen zwar gelegentlich ein Stück weit beteiligen, haben ansonsten aber eher Begleitfunktion. Auch sonst wird man erstaunt feststellen, wie sehr diese Quintette schon der Romantik vorgreifen. Die klassischen Formen werden sehr persönlich, in op. 41,1 sogar hoch- politisch, genutzt. Auf die Fortsetzung dieser Edition darf man jedenfalls sehr gespannt sein.
Samstag, 3. Januar 2015
Palestrina: Missa Hodie Christus natus est (Hyperion)
Noch eine letzte Weihnachts-CD sei an dieser Stelle nachgetragen. Giovanni Pierluigi da Palestrina (um 1525 bis 1594) gehört zu den großen Kirchenkomponisten. Er wirkte stets im Umfeld des Vatikans, auch wenn er einst die Cappella Musicale Pontificale Sistina verlassen musste, weil er verheiratet war. Die Päpste schätzten ihn, und seine Missa Papae Marcelli wurde im Zuge des Konzils von Trient zum Vorbild für die Reform der Kirchenmusik.
Diese CD bringt einige seiner Kompositionen für die Adventszeit und das Weihnachtsfest in unsere Wohnzimmer. Es sind prächtige, oftmals mehrchörige Gesänge von schier überirdischen Schönheit und Strahlkraft. Aufgezeichnet wurden sie 2003 in London; es singt der West- minster Cathedral Choir unter Martin Baker.
Diese CD bringt einige seiner Kompositionen für die Adventszeit und das Weihnachtsfest in unsere Wohnzimmer. Es sind prächtige, oftmals mehrchörige Gesänge von schier überirdischen Schönheit und Strahlkraft. Aufgezeichnet wurden sie 2003 in London; es singt der West- minster Cathedral Choir unter Martin Baker.
Chopin: Complete Etudes; Rittner (MDG)
„Die technische Fertigkeit, die Präzision eines Automaten, wird jetzt als das Höchste gepriesen und gefeiert“, so schrieb einst Heinrich Heine. „Wie Heuschreckenscharen kommen die Klaviervirtuosen jeden Winter nach Paris, weniger um Geld zu erwerben, als vielmehr um sich hier einen Namen zu machen, der ihnen in anderen Ländern desto reichlicher eine pekuniäre Ernte verschafft.“
Wer Klavier spielen lernt, der übt dieses an Trainingsstücken, soge- nannten Etüden, die üblicherweise dafür komponiert worden sind, dem Schüler jeweils über eine bestimmte technische Klippe zu helfen. Das können Werke großer Meister sein, ein gutes Beispiel dafür gibt Clementis Gradus ad parnassum. Es können aber auch peinliche Klimpereien sein, die man absolviert, wie man Turn- übungen eben hinter sich bringt.
Frédéric Chopin gehörte zu den ersten Musikern, die Etüden öffentlich spielten. Eine neue Gattung entstand – die Konzertetüde, mit der ein Solist seine technische Meisterschaft demonstrieren kann. Chopin allerdings versah seine Werke obendrein mit einem Fünkchen Poesie, und begeisterte damit sein Publikum in den Pariser Salons. All seine Nachfolger, und davon gab es eine Menge, mussten sich an diesem Vorbild messen lassen.
Hardy Rittner hat sämtliche Etüden Chopins bei Dabringhaus und Grimm eingespielt. Das schließt auch die Trois nouvelles Etudes von 1893 mit ein; sie sind offenbar für den Unterricht entstanden und längst nicht so eindrucksvoll wie ihre brillanten Schwestern, die Etudes op. 10 und op. 25. Diese lässt Rittner funkeln und leuchten; er scheut kein Pathos, und kann auch zupacken, wo dies angebracht ist. Obwohl Chopin die Instrumente von Pleyel bevorzugte, hat Rittner für diese Einspielung einen Flügel des Wiener Klavierbauers Conrad Graf aus dem Jahre 1835 ausgewählt. Ein baugleiches Instrument hatte Chopin während seiner Aufenthalte in Wien gespielt und sehr gelobt. Und noch ein anderes Argument, so Rittner, spricht für den ausgewählten Flügel: „Seine dynamische Bandbreite, die trotz der konservativen Bauweise überraschend viel Brillanz und Klangvolumen ermöglicht“, erläutert der Pianist. „Gleichzeitig lassen sich durch das Vorhandensein eines Moderator- sowie Doppel-Moderator-Pedals, worüber viele andere Instrumente dieser Zeit schon lange nicht mehr verfügen, auch zarteste Farben höchst individuell gestalten.“
Wer Klavier spielen lernt, der übt dieses an Trainingsstücken, soge- nannten Etüden, die üblicherweise dafür komponiert worden sind, dem Schüler jeweils über eine bestimmte technische Klippe zu helfen. Das können Werke großer Meister sein, ein gutes Beispiel dafür gibt Clementis Gradus ad parnassum. Es können aber auch peinliche Klimpereien sein, die man absolviert, wie man Turn- übungen eben hinter sich bringt.
Frédéric Chopin gehörte zu den ersten Musikern, die Etüden öffentlich spielten. Eine neue Gattung entstand – die Konzertetüde, mit der ein Solist seine technische Meisterschaft demonstrieren kann. Chopin allerdings versah seine Werke obendrein mit einem Fünkchen Poesie, und begeisterte damit sein Publikum in den Pariser Salons. All seine Nachfolger, und davon gab es eine Menge, mussten sich an diesem Vorbild messen lassen.
Hardy Rittner hat sämtliche Etüden Chopins bei Dabringhaus und Grimm eingespielt. Das schließt auch die Trois nouvelles Etudes von 1893 mit ein; sie sind offenbar für den Unterricht entstanden und längst nicht so eindrucksvoll wie ihre brillanten Schwestern, die Etudes op. 10 und op. 25. Diese lässt Rittner funkeln und leuchten; er scheut kein Pathos, und kann auch zupacken, wo dies angebracht ist. Obwohl Chopin die Instrumente von Pleyel bevorzugte, hat Rittner für diese Einspielung einen Flügel des Wiener Klavierbauers Conrad Graf aus dem Jahre 1835 ausgewählt. Ein baugleiches Instrument hatte Chopin während seiner Aufenthalte in Wien gespielt und sehr gelobt. Und noch ein anderes Argument, so Rittner, spricht für den ausgewählten Flügel: „Seine dynamische Bandbreite, die trotz der konservativen Bauweise überraschend viel Brillanz und Klangvolumen ermöglicht“, erläutert der Pianist. „Gleichzeitig lassen sich durch das Vorhandensein eines Moderator- sowie Doppel-Moderator-Pedals, worüber viele andere Instrumente dieser Zeit schon lange nicht mehr verfügen, auch zarteste Farben höchst individuell gestalten.“
Freitag, 2. Januar 2015
Fauré: Requiem (Evil Penguin Records Classic)
Der Flämische Rundfunkchor stellt auf dieser CD gemeinsam mit Solisten der Brüsseler Philharmoniker unter Hervé Niquet die Variante von 1893 vor, herausgegeben von John Rutter. Auf die Knabenstimmen verzichtet die Aufnahme; dafür gibt Niquet im Beiheft eine längere und ziemlich launige Begründung. Das Pie Jesu, üblicherweise ein Sopran-Solo, lässt er die Choristinnen singen. Das Bariton-Solo hingegen vergibt er an Bassbariton Andrew Foster-Williams. Die Streicher werden durch vier Hörner berei- chert. Dennoch wirkt Faurés Musik in dieser Einspielung seltsam kraft- und farblos; man ist geneigt, die klanglich deutlich attraktivere Version letzter Hand herbeizusehen.
Wesentlich spannender sind die beiden anderen Stücke, die diese CD komplettieren: Das Ave Verum, vor allem aber Les sept paroles du Christ sur la croix von Charles Gounod (1818 bis 1893). Hier wird hörbar, dass der Komponist die Werke der „Alten“ Meister, insbesondere auch Palestri- nas, mit Hingabe studiert hat. Diese A-capella-Andachtsmusik mit ihren Anleihen beim stile antico ist von höchster Intensität und Ausdruckskraft – und der Chor kann endlich zeigen, was er kann. Dieser Teil der CD ist wirklich beeindruckend.
Donnerstag, 1. Januar 2015
Il Violino Boemo (Supraphon)
Aus Böhmen kamen im 18. Jahr- hundert zahlreiche talentierte Komponisten und Musiker, berühmte Hornisten beispielsweise, aber auch nicht wenige exzellente Geiger. Diese CD sucht nach den Spuren, die diese Virtuosen in Prag hinterlassen ha- ben. Dabei fanden sich glücklicher- weise einige Werke von Frantisek Benda (1709 bis 1786), der mehrfach unter abenteuerlichen Umständen den Dienstherrn wechselte, am kur- sächsischen Hof musizierte, und schließlich als Geiger in der Hof- kapelle Friedrichs des Großen zu hohen Ehren kam. Benda war berühmt für sein adagio – für seine Melodien und für seine Ausdrucksstärke.
In Dresden wirkte auch Frantisek Jiránek ((1698 bis 1778). Er stand zunächst im Dienst des Grafen Wenzel Morzins, der den Musiker so schätzte, dass er ihn für zwei Jahre zur Ausbildung nach Venedig schickte. Nach dem Tode des Grafen wurde das Orchester aufgelöst; Jiránek musizierte dann als bestbezahltes Mitglied in der Privatkapelle des Grafen Brühl in Dresden. In Sachsen blieb er bis an sein Lebensende.
Josef Antonín Gurecký (1709 bis 1769) war, wie auch sein älterer Bruder Václav Matyás, bei dem Olmützer Bischof und Kardinal Wolfgang Hannibal von Schrattenbach beschäftigt. Er scheint sich einige Zeit in Dresden aufgehalten und um eine Anstellung bei Hofe bemüht zu haben. Als er damit keinen Erfolg hatte, kehrte er nach Mähren zurück, und trat erneut in die Dienste des Olmützer Bischofs; dieser hieß mittlerweile Jakob Ernst von Liechtenstein-Kastelkorn. 1743 wurde Gurecký Kapellmeister am Olmützer Dom. Von ihm stammt die technisch wohl ambitionierteste Violinsonate auf dieser CD. Sie erinnert mit ihren vier Sätzen an die traditionelle sonata da chiesa, ist aber im galanten Stil verfasst und verlangt vom Violinsolisten nicht nur Fingerfertigkeit. Lenka Torgersen, Barockvioline, Václav Luks, Cembalo und Libor Masek, Violoncello, stellen all diese Entdeckungen souverän vor.
In Dresden wirkte auch Frantisek Jiránek ((1698 bis 1778). Er stand zunächst im Dienst des Grafen Wenzel Morzins, der den Musiker so schätzte, dass er ihn für zwei Jahre zur Ausbildung nach Venedig schickte. Nach dem Tode des Grafen wurde das Orchester aufgelöst; Jiránek musizierte dann als bestbezahltes Mitglied in der Privatkapelle des Grafen Brühl in Dresden. In Sachsen blieb er bis an sein Lebensende.
Josef Antonín Gurecký (1709 bis 1769) war, wie auch sein älterer Bruder Václav Matyás, bei dem Olmützer Bischof und Kardinal Wolfgang Hannibal von Schrattenbach beschäftigt. Er scheint sich einige Zeit in Dresden aufgehalten und um eine Anstellung bei Hofe bemüht zu haben. Als er damit keinen Erfolg hatte, kehrte er nach Mähren zurück, und trat erneut in die Dienste des Olmützer Bischofs; dieser hieß mittlerweile Jakob Ernst von Liechtenstein-Kastelkorn. 1743 wurde Gurecký Kapellmeister am Olmützer Dom. Von ihm stammt die technisch wohl ambitionierteste Violinsonate auf dieser CD. Sie erinnert mit ihren vier Sätzen an die traditionelle sonata da chiesa, ist aber im galanten Stil verfasst und verlangt vom Violinsolisten nicht nur Fingerfertigkeit. Lenka Torgersen, Barockvioline, Václav Luks, Cembalo und Libor Masek, Violoncello, stellen all diese Entdeckungen souverän vor.