Diese CD ist einem ganz besonderen Instrument gewidmet: Die „Arpa Barberini“, angefertigt um 1620, ist bis heute nahezu unverändert erhalten geblieben. Nicht nur die aufwendige Verzierung macht diese Harfe außergewöhnlich. So wird die Säule, vergoldet und üppig mit Putten geschmückt, vom Wappen der Barberini gekrönt. Die Saiten der Harfe sind zudem in drei Reihen angeordnet, was das chromatische Spiel in allen Tonarten ermöglicht.
Das kostbare Instrument ist erhalten; es befindet sich heute im Museo Nazionale degli Strumenti Musicali in Rom. Margret Köll musiziert auf einer 2007 angefertigten Kopie, wenn sie auf dieser CD gemeinsam mit der Sopranistin Roberta Invernizzi Musik von Komponisten vorstellt, die mit dem Hof der Barberini in Verbindung zu bringen sind. Die Auswahl ist groß, denn die Barberini waren reich und mächtig; die Familie stellte etliche Kardinäle und sogar einen Papst, Urban VIII. Er verstand sich als Förderer der Künste und der Wisssenschaft, bewahrte seinen Jugendfreund Galileo Galilei vor dem Scheiterhaufen und weihte 1626 den Petersdom ein.
Freitag, 29. Juli 2016
Donnerstag, 28. Juli 2016
Scene! - Christiane Karg (Berlin Classics)
Wenn besondere Stimmen bedeutende Komponisten inspirierten, dann sind oftmals Konzertarien entstanden, Nachfolgerinnen der Solo-Kantate, wenn man so will – allerdings wesentlich dramatischer, exaltierter. „Nach meiner CD mit Mozart- und Gluck-Arien hielt ich es für richtig, einen Schritt über die Klassik hinaus und etwas weiter im Fach zu gehen, ohne dass ich nun eine Isolde werden möchte“, erläutert Christiane Karg im Beiheft zu dieser CD ihre Hinwen- dung zu diesem anspruchsvollen Repertoire. „Ich bin Mitte Dreißig und will nicht bei den leichten Damenrollen hängenbleiben. Dass es mit anderen Farben weitergeht, ist ganz normal.“
Nach dem grandiosen Strauss-Liederalbum „Heimliche Aufforderung“ ist die vierte CD der Sopranistin wieder eine Orchesteraufnahme. Neben ihrem bewährten Klavierbegleiter Malcolm Martineau hat daran das Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen mitgewirkt, und die Geigerin Alina Pogostkina. Sie gestaltet ein ausdrucksstarkes Violinsolo für die Konzert- arie Infelice pensier von Felix Mendelssohn Bartholdy, auf dieser CD zu hören in der Londoner Erstfassung. Mit all diesen Partnern ist Christiane Karg bestens vertraut, was offenbar eine gute Basis für die gemeinsame Arbeit an den virtuosen Stücken geschaffen hat.
Einmal mehr hat die Sängerin ein faszinierendes Programm zusammen- gestellt, diesmal gruppiert um Ludwig van Beethovens Ah, perfido!, uraufgeführt 1796 in Leipzig von der Prager Star-Sopranistin Josepha Duschek. Ergänzt wird es zudem durch Konzertarien von Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart.
Was sie an diesen Arien fasziniert? „Riesige Emotionen auf kleinstem Raum und im Mittelpunkt verlorene Gestalten – Verlorenheit, die auch in Hass umschlagen kann. Darum geht es, und das will ich zeigen.“ Gelungen ist das Christiane Karg exzellent. Sie singt beeindruckend, farbenreich und mit einer gehörigen Portion Theatralik. Dass die Sopranistin für diese CD nun mit einem Echo Klassik ausgezeichnet wird, ist nur angemessen. Gratulation!
Nach dem grandiosen Strauss-Liederalbum „Heimliche Aufforderung“ ist die vierte CD der Sopranistin wieder eine Orchesteraufnahme. Neben ihrem bewährten Klavierbegleiter Malcolm Martineau hat daran das Ensemble Arcangelo unter Jonathan Cohen mitgewirkt, und die Geigerin Alina Pogostkina. Sie gestaltet ein ausdrucksstarkes Violinsolo für die Konzert- arie Infelice pensier von Felix Mendelssohn Bartholdy, auf dieser CD zu hören in der Londoner Erstfassung. Mit all diesen Partnern ist Christiane Karg bestens vertraut, was offenbar eine gute Basis für die gemeinsame Arbeit an den virtuosen Stücken geschaffen hat.
Einmal mehr hat die Sängerin ein faszinierendes Programm zusammen- gestellt, diesmal gruppiert um Ludwig van Beethovens Ah, perfido!, uraufgeführt 1796 in Leipzig von der Prager Star-Sopranistin Josepha Duschek. Ergänzt wird es zudem durch Konzertarien von Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart.
Was sie an diesen Arien fasziniert? „Riesige Emotionen auf kleinstem Raum und im Mittelpunkt verlorene Gestalten – Verlorenheit, die auch in Hass umschlagen kann. Darum geht es, und das will ich zeigen.“ Gelungen ist das Christiane Karg exzellent. Sie singt beeindruckend, farbenreich und mit einer gehörigen Portion Theatralik. Dass die Sopranistin für diese CD nun mit einem Echo Klassik ausgezeichnet wird, ist nur angemessen. Gratulation!
Mittwoch, 27. Juli 2016
Beethoven: Sämtliche Werke für Violoncello und Klavier (Hänssler Classic)
„Sie wissen, wie man einen Ochsen in eine Nachtigall verwandelt“, meinte einst der Philosoph Voltaire zum Cello-Virtuosen Jean-Louis Duport (1749 bis 1819). Nachdem es lange vor allem als Generalbass- instrument eingesetzt wurde, setzte damals eine Wiederentdeckung des Violoncellos auch als Soloinstrument ein. So musizierte Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827) im Jahre 1796 auf der einzigen größeren Reise seines Lebens in Potsdam im Schloss Sanssouci gemeinsam mit Duport, dem Cellolehrer des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen, der eben- falls brillant Violoncello gespielt haben soll. Der Komponist widmete dem Monarchen schließlich seine Sonaten op. 5.
Beethoven liebte den Klang des Violoncellos, seinen ebenso edlen wie wandlungsfähigen Ton. Nur für das Klavier hat er mehr Werke geschaffen. Bei Hänssler Classic ist jetzt auf drei CD eine Gesamteinspielung sämtli- cher Musikstücke erhältlich, bei denen Beethoven beide Lieblingsinstru- mente eingesetzt hat. Eingespielt wurde sie von David Geringas, Violon- cello, gemeinsam mit dem Pianisten Ian Fountain.
Die Musiker hatten vor einigen Jahren die Stimmen für die neue Urtext- ausgabe eingerichtet, die im G. Henle Verlag erschienen ist. Wie tief- greifend sie sich mit den Cellokompositionen Beethovens auseinander- gesetzt haben, das spürt man in dieser Aufnahme in nahezu jedem Takt. Cellist und Pianist musizieren bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt. Jedes Werk ist mit einer Sorgfalt gearbeitet, die beeindruckt. Eine großartige Einspielung, die neben den fünf Sonaten für Klavier und Violoncello auch die drei Variationszyklen sowie die Hornsonate op. 17 in Beethovens Fassung für Violoncello und die Duosonate op. 64 umfasst.
Beethoven liebte den Klang des Violoncellos, seinen ebenso edlen wie wandlungsfähigen Ton. Nur für das Klavier hat er mehr Werke geschaffen. Bei Hänssler Classic ist jetzt auf drei CD eine Gesamteinspielung sämtli- cher Musikstücke erhältlich, bei denen Beethoven beide Lieblingsinstru- mente eingesetzt hat. Eingespielt wurde sie von David Geringas, Violon- cello, gemeinsam mit dem Pianisten Ian Fountain.
Die Musiker hatten vor einigen Jahren die Stimmen für die neue Urtext- ausgabe eingerichtet, die im G. Henle Verlag erschienen ist. Wie tief- greifend sie sich mit den Cellokompositionen Beethovens auseinander- gesetzt haben, das spürt man in dieser Aufnahme in nahezu jedem Takt. Cellist und Pianist musizieren bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt. Jedes Werk ist mit einer Sorgfalt gearbeitet, die beeindruckt. Eine großartige Einspielung, die neben den fünf Sonaten für Klavier und Violoncello auch die drei Variationszyklen sowie die Hornsonate op. 17 in Beethovens Fassung für Violoncello und die Duosonate op. 64 umfasst.
Konzert-Raritäten aus dem Pleyel-Museum Vol. 16 (Ars Produktion)
Das Pleyel-Museum, ansässig im niederösterreichischen Ruppersthal im Geburtshaus von Ignaz Joseph Pleyel (1757 bis 1831), überrascht einmal mehr mit einer Neuveröf- fentlichung: Zwei konzertante Sym- phonien und eine Symphonie aus der Feder des Komponisten haben die Camerata pro Musica gemeinsam mit exzellenten Solisten unter Leitung von Christian Birnbaum 2014 in ihrem Neujahrskonzert in Grafen- wörth vorgestellt.
Hört man den Mitschnitt dieser Aufführung, dann fragt man sich einmal mehr, wieso Pleyel, Musiker, Komponist, Musikverleger und Klavierfabrikant und in all dem sehr erfolgreich, derart in Vergessenheit geraten konnte. Seine Symphonie in d-Moll Ben 160, auf dieser CD in Weltersteinspielung, erweist sich als ein dramatisches Stück von hohem Rang.
Außedem erklingen die Symphonie Concertante in A-Dur Ben 114 für Klavier, Violine und Orchester sowie die Symphonie Concertante in F-Dur Ben 115 für Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Orchester, letztere in der Origi- nalversion Pleyels nach dem Erstdruck aus dem Jahre 1802. Die konzer- tierenden Soloinstrumente werden durchweg von erstklassigen Musikern gespielt; der Zuhörer darf sich zudem daran erfreuen, dass Pleyel offenbar ein ausgesprochenes „Händchen“ für Klangfarben und musikalische Effekte hatte. Es ist zu wünschen, dass diese charmanten Werke zukünftig auch in so manchem Abonnementkonzert erklingen – sie dürften sowohl den Solisten als auch dem Publikum Vergnügen bereiten.
Hört man den Mitschnitt dieser Aufführung, dann fragt man sich einmal mehr, wieso Pleyel, Musiker, Komponist, Musikverleger und Klavierfabrikant und in all dem sehr erfolgreich, derart in Vergessenheit geraten konnte. Seine Symphonie in d-Moll Ben 160, auf dieser CD in Weltersteinspielung, erweist sich als ein dramatisches Stück von hohem Rang.
Außedem erklingen die Symphonie Concertante in A-Dur Ben 114 für Klavier, Violine und Orchester sowie die Symphonie Concertante in F-Dur Ben 115 für Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Orchester, letztere in der Origi- nalversion Pleyels nach dem Erstdruck aus dem Jahre 1802. Die konzer- tierenden Soloinstrumente werden durchweg von erstklassigen Musikern gespielt; der Zuhörer darf sich zudem daran erfreuen, dass Pleyel offenbar ein ausgesprochenes „Händchen“ für Klangfarben und musikalische Effekte hatte. Es ist zu wünschen, dass diese charmanten Werke zukünftig auch in so manchem Abonnementkonzert erklingen – sie dürften sowohl den Solisten als auch dem Publikum Vergnügen bereiten.
Dienstag, 26. Juli 2016
Strauss: Ein Leben in Liedern (Tyxart)
Musikalische Nachlese zum Strauss-Jahr 2014: „Eigentlich sind mir die Lieder das Liebste von allem, was ich geschrieben habe“, so sprach Richard Strauss (1864 bis 1949) einst zu Hans Hotter. Der große Sänger war 1944 zu dem Komponisten gereist, um gemeinsam mit ihm das Programm für einen Festliederabend zu Strauss' 80. Geburtstag im Wiener Musik- verein vorzubereiten.
Lieder hat Strauss immer geschrieben – angefangen vom Weihnachtslied des Sechsjährigen, unter das seine Mutter den Text schreiben musste, weil das Kind es noch nicht konnte, bis hin zu den Vier letzten Liedern aus dem Sterbejahr 1949.
Timothy Sharp, begeisterter Teilnehmer an etlichen Meisterkursen von Hans Hotter, hat eine ganz besondere Beziehung zu Strauss' Liedwerk. Der Bariton hat gemeinsam mit seinem Klavierbegleiter Jan Roelof Wolthuis ein Programm daraus zusammengestellt, das die verschiedenen Stationen im Leben eines Mannes nachvollzieht – er verliebt sich, wirbt und wird erhört; er heiratet, wird Vater, dann Witwer, und denkt schließlich an den Tod.
Die Liedfolge ist, ebenso wie der detailreich ausgearbeitete Text im Beiheft, klug erdacht – allerdings gefällt mir die Umsetzung durch den Sänger nicht. Sharp zitiert Hotter, der wiederum berichtet, Strauss habe gesagt, „man müsse seine Mittel wohl dosieren, da seine Lieder sonst leicht Gefahr laufen, kitschig zu werden.“ Man möge also Sensibilität walten lassen und „seine Lieder wie Schubert-Lieder singen“.
Davon ist hier leider wenig zu spüren: Sharp verwechselt Lautstärke mit Intensität; es mangelt an gestalterischer Delikatesse, und wenn der Text nicht zu verstehen ist, dann ist Liedgesang ohnehin wie der Versuch, ein Haus zu bauen ohne Fundament. Schade drum.
Lieder hat Strauss immer geschrieben – angefangen vom Weihnachtslied des Sechsjährigen, unter das seine Mutter den Text schreiben musste, weil das Kind es noch nicht konnte, bis hin zu den Vier letzten Liedern aus dem Sterbejahr 1949.
Timothy Sharp, begeisterter Teilnehmer an etlichen Meisterkursen von Hans Hotter, hat eine ganz besondere Beziehung zu Strauss' Liedwerk. Der Bariton hat gemeinsam mit seinem Klavierbegleiter Jan Roelof Wolthuis ein Programm daraus zusammengestellt, das die verschiedenen Stationen im Leben eines Mannes nachvollzieht – er verliebt sich, wirbt und wird erhört; er heiratet, wird Vater, dann Witwer, und denkt schließlich an den Tod.
Die Liedfolge ist, ebenso wie der detailreich ausgearbeitete Text im Beiheft, klug erdacht – allerdings gefällt mir die Umsetzung durch den Sänger nicht. Sharp zitiert Hotter, der wiederum berichtet, Strauss habe gesagt, „man müsse seine Mittel wohl dosieren, da seine Lieder sonst leicht Gefahr laufen, kitschig zu werden.“ Man möge also Sensibilität walten lassen und „seine Lieder wie Schubert-Lieder singen“.
Davon ist hier leider wenig zu spüren: Sharp verwechselt Lautstärke mit Intensität; es mangelt an gestalterischer Delikatesse, und wenn der Text nicht zu verstehen ist, dann ist Liedgesang ohnehin wie der Versuch, ein Haus zu bauen ohne Fundament. Schade drum.
Reger: Das Orgelwerk; Rapf (MPS)
Umfangreich und anspruchsvoll ist das Orgelwerk Max Regers (1873 bis 1916). Der Komponist hat oftmals alles daran gesetzt, das Ausdrucks- vermögen der Instrumente seiner Zeit voll auszureizen. Jede Gesamtauf- nahme ist aber nicht nur für den Interpreten, sondern auch für die beteiligten Tontechniker eine Herausforderung. Mit besonderer Hingabe verfolgte ein solches Projekt das Label MPS gemeinsam mit dem legendären Kurt Rapf (1932 bis 2007). Der Wiener Musiker arbeitete 14 Jahre daran, von 1970 bis 1984, das Orgelwerk Regers für MPS auf den großen Orgeln Europas einzuspielen.
Dabei ist es nicht geblieben, denn auch in New York, in der Riverside Church, fanden sich Orgeln, die im Jahre 1975 für die Aufnahmen der Choralvorspiele op. 67 einbezogen wurden. Dem Selbstverständnis des Labels entsprechend, wurden die einzelnen Kompositionen Regers auf sorgsam ausgewählten, dem jeweiligen Werk adäquaten Instrumenten, mit dem höchsten Anspruch an die Interpretation und den Aufnahmeklang eingespielt. Rupf musizierte unter anderem an der Bruckner-Orgel im Stift St. Florian, Linz, an der Marcussen-Orgel im Dom zu Lübeck, an der Großen Orgel von Joseph Zeilhuber im Dom zu München, an Orgeln im Kaiserdom zu Speyer, in Hameln, Zürich, Freiburg, sowie in den Bene- diktinerabteien Weingarten und Ottobeuren – also an wirklich vielen bedeutenden Instrumenten.
Bei dieser Aufnahmetour wurde Rapf von Hans Georg Brunner-Schwer begleitet, dem Gründer des Labels, der die Aufnahmen als Produzent betreute, und vom MPS-Aufnahmeteam. Ziel war es, auch bei Orgel- aufnahmen den Most Perfect Sound zu verwirklichen. Das Ergebnis ist nun wieder zugänglich. Tonmeister Christoph Stickel hat die originalen Masterbänder aufwendig restauriert und remastered. In einer 14-CD-Box sind die meisten Einspielungen in höchstmöglicher Qualität erstmals digital verfügbar. Sie enthält alle Aufnahmen, die bis 1980 in sieben Folgen auf LP erschienen waren. Leider hat sich herausgestellt, dass die bisher unveröffentlichten Aufnahmen aus Villingen, Speyer, Luzern, Salisbury und Wien wohl als verloren angesehen müssen: Die Master- bänder für Volume 8 sind nicht mehr auffindbar. Und die Aufnahmen für Volume 9 sollen sich auf U-matic-(Video)-Kassetten befinden; ihnen sei aber selbst mit größtem technischen Aufwand kein Ton mehr zu entlocken gewesen.
Auch wenn sie also unvollständig bleiben muss, lohnt sich diese sorgsam aufbereitete Gesamtaufnahme. Denn Kurt Rapf, der auch als Dirigent und Komponist sehr geschätzt wurde, macht mit seiner Interpretation Struktu- ren transparent – Sonnenaufgang über Regers Klanggebirgen.
Dabei ist es nicht geblieben, denn auch in New York, in der Riverside Church, fanden sich Orgeln, die im Jahre 1975 für die Aufnahmen der Choralvorspiele op. 67 einbezogen wurden. Dem Selbstverständnis des Labels entsprechend, wurden die einzelnen Kompositionen Regers auf sorgsam ausgewählten, dem jeweiligen Werk adäquaten Instrumenten, mit dem höchsten Anspruch an die Interpretation und den Aufnahmeklang eingespielt. Rupf musizierte unter anderem an der Bruckner-Orgel im Stift St. Florian, Linz, an der Marcussen-Orgel im Dom zu Lübeck, an der Großen Orgel von Joseph Zeilhuber im Dom zu München, an Orgeln im Kaiserdom zu Speyer, in Hameln, Zürich, Freiburg, sowie in den Bene- diktinerabteien Weingarten und Ottobeuren – also an wirklich vielen bedeutenden Instrumenten.
Bei dieser Aufnahmetour wurde Rapf von Hans Georg Brunner-Schwer begleitet, dem Gründer des Labels, der die Aufnahmen als Produzent betreute, und vom MPS-Aufnahmeteam. Ziel war es, auch bei Orgel- aufnahmen den Most Perfect Sound zu verwirklichen. Das Ergebnis ist nun wieder zugänglich. Tonmeister Christoph Stickel hat die originalen Masterbänder aufwendig restauriert und remastered. In einer 14-CD-Box sind die meisten Einspielungen in höchstmöglicher Qualität erstmals digital verfügbar. Sie enthält alle Aufnahmen, die bis 1980 in sieben Folgen auf LP erschienen waren. Leider hat sich herausgestellt, dass die bisher unveröffentlichten Aufnahmen aus Villingen, Speyer, Luzern, Salisbury und Wien wohl als verloren angesehen müssen: Die Master- bänder für Volume 8 sind nicht mehr auffindbar. Und die Aufnahmen für Volume 9 sollen sich auf U-matic-(Video)-Kassetten befinden; ihnen sei aber selbst mit größtem technischen Aufwand kein Ton mehr zu entlocken gewesen.
Auch wenn sie also unvollständig bleiben muss, lohnt sich diese sorgsam aufbereitete Gesamtaufnahme. Denn Kurt Rapf, der auch als Dirigent und Komponist sehr geschätzt wurde, macht mit seiner Interpretation Struktu- ren transparent – Sonnenaufgang über Regers Klanggebirgen.
Montag, 25. Juli 2016
Music for Brass Septet 4 (Naxos)
„No series of brass recordigs would be complete without reference to the original golden age of brass ensem- ble music“, stellt Posaunist Matthew Knight fest. Die Bläser von Septura widmen also diese CD Italien, speziell Venedig, im 16. Jahrhundert.
Und da ist, neben Canzonen und Mo- tetten von Giovanni Gabrieli, auch noch einiges mehr zu entdecken, was in Bearbeitungen für sieben virtuose Blechbläser ganz ausgezeichnet klingt: Motetten des spanischen Komponisten Tomás Luis de Victoria, der Werke in Venedig drucken ließ, die berühmte Missa Papae Marcelli von Giovanni Pierluigi da Palestrina, der allerdings in Rom wirkte, und Lagrime di San Pietro von Orlando di Lasso, der als Sängerknabe aus den Niederlanden nach Italien kam, und dann etliche Jahre als Hofkapellmeister in München tätig war. Dass all diese Werke eigentlich nicht für Bläser geschrieben sind, ist nicht zu hören – die Arrangements von Trompeter Simon Fox und Matthew Knight sind exzellent. Zu Lebzeiten der Komponisten war es ohnehin üblich, die Singstimmen durch Instrumente mitspielen zu lassen. Mit dieser CD beweist Septura einmal mehr, dass das Ensemble zu den besten der Welt gehört.
Und da ist, neben Canzonen und Mo- tetten von Giovanni Gabrieli, auch noch einiges mehr zu entdecken, was in Bearbeitungen für sieben virtuose Blechbläser ganz ausgezeichnet klingt: Motetten des spanischen Komponisten Tomás Luis de Victoria, der Werke in Venedig drucken ließ, die berühmte Missa Papae Marcelli von Giovanni Pierluigi da Palestrina, der allerdings in Rom wirkte, und Lagrime di San Pietro von Orlando di Lasso, der als Sängerknabe aus den Niederlanden nach Italien kam, und dann etliche Jahre als Hofkapellmeister in München tätig war. Dass all diese Werke eigentlich nicht für Bläser geschrieben sind, ist nicht zu hören – die Arrangements von Trompeter Simon Fox und Matthew Knight sind exzellent. Zu Lebzeiten der Komponisten war es ohnehin üblich, die Singstimmen durch Instrumente mitspielen zu lassen. Mit dieser CD beweist Septura einmal mehr, dass das Ensemble zu den besten der Welt gehört.
Piffarissimo (Challenge Classics)
Ein Papst und zwei Gegenpäpste, Streitereien und bewaffnete Ausein- andersetzungen – als Sigismund von Luxemburg König wurde, sah er es als seine vordringliche Aufgabe, Ordnung und Frieden in Europa wiederherzustellen. Nach zähen Verhandlungen, in denen unter anderem der Ort der Zusammenkunft ausgehandelt wurde, trafen sich 1414 alle Beteiligten in Konstanz.
Dem Konzil gelang es schließlich im Jahre 1418, das Abendländische Schisma zu überwinden und mit Martin V. einen neuen, von allen akzeptierten Papst zu wählen. Wenn aber damals ein Herrscher anreiste, um seinesgleichen zu treffen, dann führte er im Gefolge auch seine besten Musiker mit – man will ja beeindrucken. „Item pfiffer, prusuner, bögger, saitenspiler (..), dero was ccclxv“, berichtet Ulrich von Richenthal. Die drei Posaunisten und vier Pfeifer im Gefolge des Earls von Warwick, Richard Beauchamps, schildert der Chronist, „prusonettend überainander mit dry stimmen, als man gewonlich singet“.
Mit dieser CD wandelt das Ensemble Capella de la Torre auf den Spuren dieses Ereignisses. Stilecht spielen die Musiker um Katharina Bäuml Melodien jener Zeit auf Instrumenten, wie sie einst in Konstanz erklungen sind. Dabei stellen sie Unterschiede in der Musizierpraxis einzelner Länder heraus, und improvisieren um die Wette – hinreißend!
Dem Konzil gelang es schließlich im Jahre 1418, das Abendländische Schisma zu überwinden und mit Martin V. einen neuen, von allen akzeptierten Papst zu wählen. Wenn aber damals ein Herrscher anreiste, um seinesgleichen zu treffen, dann führte er im Gefolge auch seine besten Musiker mit – man will ja beeindrucken. „Item pfiffer, prusuner, bögger, saitenspiler (..), dero was ccclxv“, berichtet Ulrich von Richenthal. Die drei Posaunisten und vier Pfeifer im Gefolge des Earls von Warwick, Richard Beauchamps, schildert der Chronist, „prusonettend überainander mit dry stimmen, als man gewonlich singet“.
Mit dieser CD wandelt das Ensemble Capella de la Torre auf den Spuren dieses Ereignisses. Stilecht spielen die Musiker um Katharina Bäuml Melodien jener Zeit auf Instrumenten, wie sie einst in Konstanz erklungen sind. Dabei stellen sie Unterschiede in der Musizierpraxis einzelner Länder heraus, und improvisieren um die Wette – hinreißend!
Muffat: Missa in labore requies (Audite)
Die Klosterkirche St. Martin der ehemaligen Benediktinerabtei Muri, gelegen im Kanton Aargau, ist ein ganz besonderer Raum. Es handelt sich dabei um ein barockes Oktogon, errichtet in den Jahren 1694 bis 1697 nach den Plänen des Baumeisters Giovanni Battista Bettini – noch heute der größte Kuppelzentralbau der Schweiz.
Mit ihren vier Musizier-Emporen lädt diese Kirche zur Aufführung mehrchöriger Musik geradezu ein. Dazu kommt, dass das ehemalige Hauskloster der Habsburger im 18. Jahrhundert nicht nur mit Altären, Stuck, Schnitzwerk und Ausmalungen üppig ausgestattet wurde, sondern auch über fünf Orgeln verfügt. Zwei davon, die Epistel- und die Evangelienorgel, 1743 erbaut von Joseph und Viktor Ferdinand Bossart, und dazu drei Truhenorgeln, sind auf dieser CD zu hören.
Die Cappella Murensis, gegründet 2002 durch den Kirchenmusiker Johan- nes Strobl, hat den Raum genutzt, um die Missa In labore requies von Georg Muffat (1653 bis 1704) aufzuführen – eine Komposition mit 24 (!) Stimmen in fünf Chören. Die Partitur dieser Rarität befand sich zunächst im Besitz Joseph Haydns; heute ist sie ein Bestandteil der Musikalien- sammlung der Fürsten Esterházy und wird in der Széchényi-National- bibliothek in Budapest aufbewahrt. In welcher Weise die Sänger und Musiker dabei im Kirchenraum positioniert worden sind, das wurde mit einigem Aufwand im Beiheft zu dieser CD dokumentiert.
Außerdem erklingen groß besetzte Kirchensonaten von Antonio Bertali (1605 bis 1669), Heinrich Ignaz Franz Biber (1644 bis 1704) und Johann Heinrich Schmelzer (um 1623 bis 1680). Das Label Audite hat dieses musikalische Ereignis aufgezeichnet – angesichts der Raumsituation kein einfaches Unterfangen, wie auch das gemeinsame Musizieren derart ver- teilter Ensembles nicht ganz unkompliziert ist. Der Zuhörer aber hat den akustischen Eindruck, mitten im Kirchenraum zu sitzen. Dieses Klang- erlebnis sollte man sich nicht entgehen lassen, zumal sowohl die Sänger der (professionellen) Cappella Murensis als auch die Mitwirkenden vom Trompetenconsort Innsbruck und Les Cornets Noirs sehr hörenswert musizieren.
Mit ihren vier Musizier-Emporen lädt diese Kirche zur Aufführung mehrchöriger Musik geradezu ein. Dazu kommt, dass das ehemalige Hauskloster der Habsburger im 18. Jahrhundert nicht nur mit Altären, Stuck, Schnitzwerk und Ausmalungen üppig ausgestattet wurde, sondern auch über fünf Orgeln verfügt. Zwei davon, die Epistel- und die Evangelienorgel, 1743 erbaut von Joseph und Viktor Ferdinand Bossart, und dazu drei Truhenorgeln, sind auf dieser CD zu hören.
Die Cappella Murensis, gegründet 2002 durch den Kirchenmusiker Johan- nes Strobl, hat den Raum genutzt, um die Missa In labore requies von Georg Muffat (1653 bis 1704) aufzuführen – eine Komposition mit 24 (!) Stimmen in fünf Chören. Die Partitur dieser Rarität befand sich zunächst im Besitz Joseph Haydns; heute ist sie ein Bestandteil der Musikalien- sammlung der Fürsten Esterházy und wird in der Széchényi-National- bibliothek in Budapest aufbewahrt. In welcher Weise die Sänger und Musiker dabei im Kirchenraum positioniert worden sind, das wurde mit einigem Aufwand im Beiheft zu dieser CD dokumentiert.
Außerdem erklingen groß besetzte Kirchensonaten von Antonio Bertali (1605 bis 1669), Heinrich Ignaz Franz Biber (1644 bis 1704) und Johann Heinrich Schmelzer (um 1623 bis 1680). Das Label Audite hat dieses musikalische Ereignis aufgezeichnet – angesichts der Raumsituation kein einfaches Unterfangen, wie auch das gemeinsame Musizieren derart ver- teilter Ensembles nicht ganz unkompliziert ist. Der Zuhörer aber hat den akustischen Eindruck, mitten im Kirchenraum zu sitzen. Dieses Klang- erlebnis sollte man sich nicht entgehen lassen, zumal sowohl die Sänger der (professionellen) Cappella Murensis als auch die Mitwirkenden vom Trompetenconsort Innsbruck und Les Cornets Noirs sehr hörenswert musizieren.
Samstag, 23. Juli 2016
Telemann: Die Sonaten für Blockflöte (Brilliant Classics)
Bunt wirkt die Musik, die Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) für Blockflöte geschrieben hat. Der Komponist, der das Instrument selbst offenbar meisterhaft beherrschte, kombinierte italienische, französi- sche, deutsche und polnische Elemente; der Stil wird daher heute auch „vermischt“ genannt.
Blockflötenspezialist Erik Bosgraaf und Cembalist Francesco Corti haben für diese Einspielung aus verschie- denen Quellen neun Telemann-Sonaten ausgewählt, die aber sämtlich durch Virtuosität und Lebensfreude begeistern – und makellos gespielt werden sie obendrein. Hörvergnügen garantiert! Unwiderstehlich.
Blockflötenspezialist Erik Bosgraaf und Cembalist Francesco Corti haben für diese Einspielung aus verschie- denen Quellen neun Telemann-Sonaten ausgewählt, die aber sämtlich durch Virtuosität und Lebensfreude begeistern – und makellos gespielt werden sie obendrein. Hörvergnügen garantiert! Unwiderstehlich.
Mozart: Gran Partita (Linn)
Die Serenade KV 361 von Wolfgang Amadeus Mozart, besser bekannt als Gran Partita, hat das Royal Academy of Music Soloists Ensemble unter Trevor Pinnock eingespielt. Das Programm wird ergänzt durch das Notturno Nr. 8 in G-Dur, Hob. II:27 von Joseph Haydn. Beide Stücke sind, wenn man so will, gehobene Unter- haltungsmusik für eine Gesellschaft, die sich im Freien versammelt – im Schlosspark beispielsweise. Und so locker werden sie durch das Solisten- ensemble der Londoner Musikhoch- schule auch musiziert; allerdings halte ich die Wahl der Tempi nicht durchweg für gelungen.
Magdalena Kozená - Monteverdi (Deutsche Grammophon)
Die Musik von Claudio Monteverdi machte sie zum Klassikstar: Magda- lena Kožená sang einst als Vertretung der erkrankten Anne Sofie von Otter in seiner Oper L’Incoronazione di Poppea bei den Wiener Festwochen. Dies war der Beginn einer beeindruk- kenden Karriere.
Monteverdi gehört noch immer zu den Favoriten der tschechischen Mezzo- sopranistin – nicht nur, weil sie seinerzeit mit seinen Stücken Italie- nisch gelernt hat, wie sie im Beiheft berichtet: „Die Qualität seiner Texte ist unglaublich, seine Libretti sind so tief. Oft mag ich in der Oper die Rezitative lieber als die Arien, weil ich als Sänger Geschichten erzählen und mit den Worten spielen möchte. Und Monteverdis Arien sind im Stil des Recitar cantando komponiert, also einer Art rezitierendem Gesang.“
Zwölf Stücke wurden für die CD ausgewählt; drei davon sind Instrumental- musik von Monteverdi-Zeitgenossen. Das Barockorchester La Cetra aus Basel, geleitet von Andrea Marcon vom Cembalo aus, erhält so Gelegen- heit, eigene Akzente zu setzen. Mit Magdalena Kožená harmoniert das Orchester prächtig; vermutlich war diese Einspielung nicht das erste gemeinsame Projekt.
Zu hören sind Ausschnitte aus Monteverdis Oper L'Incoronazione di Poppea, drei Stücke aus den Scherzi musicali, und eine kleine Auswahl aus dem Settimo bzw. dem Ottavo libro de’ madrigali, darunter das berühmte Combattimento di Tancredi e Clorinda und der ebenfalls sehr bekannte Klagegesang Lamento della ninfa.
Magdalena Kožená beeindruckt durch ihre Ausdrucksstärke. Damit wird sie Monteverdi bestens gerecht, den sie in seinen Werken vor allem als „Geschichtenerzähler“ sieht, „der nicht so sehr an der reinen Schönheit der Stimme oder aufregenden Koloraturen interessiert ist. Ihm ist vor allem wichtig, dass der Sänger die Geschichte so erzählt, dass sie wahrhaftig wird und den Zuhörer berührt.“ Und das gelingt der Sängerin hervorra- gend. Man höre nur den Bericht vom Kampf zwischen dem christlichen Ritter Tancredi und der Sarazenin Clorinda, eigentlich ein Liebespaar. Doch dann begegnen sie sich auf dem Schlachtfeld, und erkennen einander zu spät. Kožená gibt sowohl dem Erzähler als auch die beiden Protagoni- sten Stimme, und gestaltet diese Figuren souverän. „Es war Andrea Marconis Idee, dass ich alle drei Rollen singe“, sagt die Sängerin. „Auf diese Idee wäre ich gar nicht gekommen.“ Das Album enthält mit Pur ti miro und Zefiro torna zudem zwei zauberhafte Duette mit Koloratur- sopranistin Anna Prohaska. Großartig!
Monteverdi gehört noch immer zu den Favoriten der tschechischen Mezzo- sopranistin – nicht nur, weil sie seinerzeit mit seinen Stücken Italie- nisch gelernt hat, wie sie im Beiheft berichtet: „Die Qualität seiner Texte ist unglaublich, seine Libretti sind so tief. Oft mag ich in der Oper die Rezitative lieber als die Arien, weil ich als Sänger Geschichten erzählen und mit den Worten spielen möchte. Und Monteverdis Arien sind im Stil des Recitar cantando komponiert, also einer Art rezitierendem Gesang.“
Zwölf Stücke wurden für die CD ausgewählt; drei davon sind Instrumental- musik von Monteverdi-Zeitgenossen. Das Barockorchester La Cetra aus Basel, geleitet von Andrea Marcon vom Cembalo aus, erhält so Gelegen- heit, eigene Akzente zu setzen. Mit Magdalena Kožená harmoniert das Orchester prächtig; vermutlich war diese Einspielung nicht das erste gemeinsame Projekt.
Zu hören sind Ausschnitte aus Monteverdis Oper L'Incoronazione di Poppea, drei Stücke aus den Scherzi musicali, und eine kleine Auswahl aus dem Settimo bzw. dem Ottavo libro de’ madrigali, darunter das berühmte Combattimento di Tancredi e Clorinda und der ebenfalls sehr bekannte Klagegesang Lamento della ninfa.
Magdalena Kožená beeindruckt durch ihre Ausdrucksstärke. Damit wird sie Monteverdi bestens gerecht, den sie in seinen Werken vor allem als „Geschichtenerzähler“ sieht, „der nicht so sehr an der reinen Schönheit der Stimme oder aufregenden Koloraturen interessiert ist. Ihm ist vor allem wichtig, dass der Sänger die Geschichte so erzählt, dass sie wahrhaftig wird und den Zuhörer berührt.“ Und das gelingt der Sängerin hervorra- gend. Man höre nur den Bericht vom Kampf zwischen dem christlichen Ritter Tancredi und der Sarazenin Clorinda, eigentlich ein Liebespaar. Doch dann begegnen sie sich auf dem Schlachtfeld, und erkennen einander zu spät. Kožená gibt sowohl dem Erzähler als auch die beiden Protagoni- sten Stimme, und gestaltet diese Figuren souverän. „Es war Andrea Marconis Idee, dass ich alle drei Rollen singe“, sagt die Sängerin. „Auf diese Idee wäre ich gar nicht gekommen.“ Das Album enthält mit Pur ti miro und Zefiro torna zudem zwei zauberhafte Duette mit Koloratur- sopranistin Anna Prohaska. Großartig!
Donnerstag, 21. Juli 2016
Chaminade: Piano Works (MDG)
Der Pianist Johann Blanchard, der mit dieser CD sein Solo-Debüt bei Dabringshaus und Grimm gibt, hat eine enge persönliche Beziehung zu Cécile Chaminade: Sein Vater, ebenfalls Konzertpianist, studierte bei dem Cortot-Schüler Wilfrid Maggiar, der sich in seinen letzten Lebens- jahren fast ausschließlich mit den Werken der Komponistin beschäf- tigte. Von diesem erbte er schließlich auch eine große Menge an Noten.
Bei einem Besuch in Frankreich wiederum fragte Blanchard danach – und konnte einen musikalischen Schatz heben: „Es stellte sich heraus, dass die Noten bei einer Cousine in der Garage aufbewahrt wurden“, berichtet der Pianist. „Als ich nun die in mehr als zwanzig Kartons verpackten Noten durchstöberte, fand ich sehr viele unbekannte Werke und handschriftliche Noten verschiedenster Komponisten aus jener Zeit. Darunter verlegte und handschriftliche Noten, aber auch unveröffentlichte Werke von Cécile Chaminade.“
Cécile Louise Stéphanie Chaminade (1857 bis 1944) lernte das Klavierspiel zunächst bei ihrer Mutter, die selbst eine exzellente Pianistin war. Bereits als Achtjährige spielte sie Georges Bizet, der sein Landhaus neben dem der Familie hatte, eigene Werke vor. Er riet daraufhin zu einer musikalischen Ausbildung, und so erhielt die junge Dame Privatunterricht; ihr Debüt gab Chaminade 1877 im Salle Pleyel mit einem Klaviertrio von Charles-Marie Widor. Die junge Musikerin war sehr erfolgreich: Sie reiste zu Konzerten durch nahezu ganz Europa und nach Amerika. Ob in der Türkei oder in Kanada – überall wurde Cécile Chaminade gefeiert. In England wurde sie von Königin Victoria empfangen; in den USA entstanden sogar Chamina- de-Societies, und in Frankreich wurde sie 1913 als erste Komponistin in die Légion d'Honneur aufgenommen. Im Ersten Weltkrieg leitete sie allerdings ein Krankenhaus; sie zog sich mehr und mehr aus dem Musikleben und der Öffentlichkeit zurück. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in Monte Carlo, wo sie 1944 starb. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits weitgehend vergessen; lange galt Cécile Chaminade als Thema maximal für Aktivistinnen der Frauenbewegung.
Verdient freilich hat sie das nicht, wie diese CD beweist. Natürlich ist unter den mehr als 400 Werken der Komponistin auch Salonmusik. Doch ihre Stücke sind kraftvoll, leidenschaftlich, zupackend, dabei aber stets elegant und von beeindruckendem Melodienreichtum. Johann Blanchard hat für diese CD die einzige Klaviersonate von Cécile Chaminade sowie einige ihrer Konzertetüden eingespielt. Als Weltersteinspielung erklingt zudem Souvenir d'enfance.
Bei einem Besuch in Frankreich wiederum fragte Blanchard danach – und konnte einen musikalischen Schatz heben: „Es stellte sich heraus, dass die Noten bei einer Cousine in der Garage aufbewahrt wurden“, berichtet der Pianist. „Als ich nun die in mehr als zwanzig Kartons verpackten Noten durchstöberte, fand ich sehr viele unbekannte Werke und handschriftliche Noten verschiedenster Komponisten aus jener Zeit. Darunter verlegte und handschriftliche Noten, aber auch unveröffentlichte Werke von Cécile Chaminade.“
Cécile Louise Stéphanie Chaminade (1857 bis 1944) lernte das Klavierspiel zunächst bei ihrer Mutter, die selbst eine exzellente Pianistin war. Bereits als Achtjährige spielte sie Georges Bizet, der sein Landhaus neben dem der Familie hatte, eigene Werke vor. Er riet daraufhin zu einer musikalischen Ausbildung, und so erhielt die junge Dame Privatunterricht; ihr Debüt gab Chaminade 1877 im Salle Pleyel mit einem Klaviertrio von Charles-Marie Widor. Die junge Musikerin war sehr erfolgreich: Sie reiste zu Konzerten durch nahezu ganz Europa und nach Amerika. Ob in der Türkei oder in Kanada – überall wurde Cécile Chaminade gefeiert. In England wurde sie von Königin Victoria empfangen; in den USA entstanden sogar Chamina- de-Societies, und in Frankreich wurde sie 1913 als erste Komponistin in die Légion d'Honneur aufgenommen. Im Ersten Weltkrieg leitete sie allerdings ein Krankenhaus; sie zog sich mehr und mehr aus dem Musikleben und der Öffentlichkeit zurück. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in Monte Carlo, wo sie 1944 starb. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits weitgehend vergessen; lange galt Cécile Chaminade als Thema maximal für Aktivistinnen der Frauenbewegung.
Verdient freilich hat sie das nicht, wie diese CD beweist. Natürlich ist unter den mehr als 400 Werken der Komponistin auch Salonmusik. Doch ihre Stücke sind kraftvoll, leidenschaftlich, zupackend, dabei aber stets elegant und von beeindruckendem Melodienreichtum. Johann Blanchard hat für diese CD die einzige Klaviersonate von Cécile Chaminade sowie einige ihrer Konzertetüden eingespielt. Als Weltersteinspielung erklingt zudem Souvenir d'enfance.
Dienstag, 19. Juli 2016
Anne Hunter's Salon - Joseph Haydn (cpo)
Dr. John Hunter (1728 bis 1793), war ein berühmter Chirurg und Anatom; er gilt als Vater der modernen Chirur- gie und der Pocken-Reihenimpfung. Seine Gattin Anne führte in London einen ebenso berühmten Salon. Sie interessierte sich für die Dichtkunst, schrieb auch selbst Verse – und inspirierte Joseph Haydn (1732 bis 1809), der in ihrem Hause offenbar ein und aus ging.
Zwischen 1791 und 1805 schuf Haydn im Auftrag schottischer Musikverleger 426 (!) Arrangements zu vermeintlichen Volksliedern; in Wahrheit scheint es sich dabei eher um Salonmusik gehandelt zu haben. Allerdings erhielt er für diese Tätigkeit, die sehr gut bezahlt wurde, nur Melodien, wie Ludger Rémy in seinem informativen, langen Aufsatz im Beiheft berichtet: Der Komponist mahnte mehrfach, man möge ihm doch bitte Texte mitliefern – doch diese scheinen die Verleger erst nachträglich hinzugefügt zu haben. Verwendet wurden Gedichte von Robert Burns bis zu Anne Hunter.
Dorothee Mields, eine der führenden Interpretinnen für die Musik des
17. und 18. Jahrhunderts, stellt auf dieser CD eine Auswahl Schottischer Lieder und Englischer Canzonetten von Joseph Haydn vor. Begleitet wird die Sopranistin dabei vom Ensemble Les Amis de Philippe, insbesondere Eva Salonen, Violine, und Gregor Anthony, Violoncello, mit Ludger Rémy am Klavier – welches, erfährt man leider nicht; dafür enthält das Beiheft aber lange Passagen über London und die dort lebenden Menschen zur Zeit Haydns.
Zwischen 1791 und 1805 schuf Haydn im Auftrag schottischer Musikverleger 426 (!) Arrangements zu vermeintlichen Volksliedern; in Wahrheit scheint es sich dabei eher um Salonmusik gehandelt zu haben. Allerdings erhielt er für diese Tätigkeit, die sehr gut bezahlt wurde, nur Melodien, wie Ludger Rémy in seinem informativen, langen Aufsatz im Beiheft berichtet: Der Komponist mahnte mehrfach, man möge ihm doch bitte Texte mitliefern – doch diese scheinen die Verleger erst nachträglich hinzugefügt zu haben. Verwendet wurden Gedichte von Robert Burns bis zu Anne Hunter.
Dorothee Mields, eine der führenden Interpretinnen für die Musik des
17. und 18. Jahrhunderts, stellt auf dieser CD eine Auswahl Schottischer Lieder und Englischer Canzonetten von Joseph Haydn vor. Begleitet wird die Sopranistin dabei vom Ensemble Les Amis de Philippe, insbesondere Eva Salonen, Violine, und Gregor Anthony, Violoncello, mit Ludger Rémy am Klavier – welches, erfährt man leider nicht; dafür enthält das Beiheft aber lange Passagen über London und die dort lebenden Menschen zur Zeit Haydns.
Sonntag, 17. Juli 2016
Mannheim Cellists (Passacaille)
Was waren das doch für Zeiten, als Herrscher darum wetteiferten, die besten Musiker an ihre Höfe zu engagieren – man muss sich das in der Tat so ähnlich vorstellen, wie heute Transfers von Fußballstars. Ein solcher Regent war Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, der die einstige Festung Mannheim in eine Kunst- metropole verwandelte und dort innerhalb weniger Jahre eine Hofkapelle etablierte, die in ganz Europa bewundert wurde.
„Kein Orchester der Welt hat es je in der Ausführung dem Mannheimer zuvorgethan“, schwärmte Christian Friedrich Daniel Schubart 1784. „Sein Forte ist ein Donner, sein Crescendo ein Catarakt, sein Diminuendo ein in der Ferne plätschernder Krystallfluss, sein Piano ein Frühlingshauch.“ Und Charles Burney, der Mannheim natürlich ebenfalls besucht hat, berichtete, in diesem Orchester „there are more solo players and good composers, then perhaps in any other orchestra in Europe. It is an army of generals, equally fit to plan a battle, as to fight it.“
Karl Theodor holte Musiker aus den verschiedensten Ländern in sein Orchester; er ermöglichte ihnen dann ein Studium in Italien, oder aber er gestattete ihnen, auf Konzertreisen zu gehen – eine clevere Strategie, denn Erfolge seiner Musiker in Wien oder in Paris mehrten letztendlich auch den Ruhm des Kurfürsten.
Die vorliegende CD stellt Cellisten vor, die in Mannheim wirkten. Dazu gehörten Innocenz Danzi, auf dieser CD nicht vertreten, und der ihm als Zweiter Cellist nachgeordnete Anton Filtz (1733 bis 1760). Zu hören ist auch ein Werk von Filtz' Schüler Johann Georg Christoph Schetky (1737 bis 1824), der 1772 auf einer Konzertreise nach London eine Stelle in Edinburgh annahm – und dort blieb.
Jean Balthasar Triklir (1750 bis 1813) stammte aus Dijon; er ging mit 15 Jahren nach Mannheim, wo er erst studierte und dann in der Hofkapelle musizierte, bis er schließlich 1783 als Erster Cellist nach Dresden wechselte. In Mannheim blieb hingegen Peter Ritter (1763 bis 1846) – er wurde in der Stadt geboren, er lernte und musizierte, und er starb dann auch dort. Er war ein Schüler Danzis. Ritter entschied sich 1783, nicht mit der Hofkapelle nach München umzuziehen, sondern im Orchester des neugegründeten Nationaltheaters in Mannheim zu spielen. Er war dort zunächst Erster Cellist, dann ab 1801 Konzertmeister und schließlich Kapellmeister.
Marco Testori, Violoncello, und Davide Pozzi, Hammerklavier, zeigen anhand der ausgewählten Sonaten, dass das Violoncello seinerzeit rasant Karriere machte: Es wurde nicht länger vorrangig als Continuo-Cello eingesetzt, sondern es bekam solistische Aufgaben, die immer höhere technische Anforderungen stellten. Auch die Begleitung sagte dem Generalbass-Zeitalter Adieu; das Tasteninstrument wird schließlich nicht mehr kontrapunktisch, sondern eher dialogisch geführt. Spannend!
„Kein Orchester der Welt hat es je in der Ausführung dem Mannheimer zuvorgethan“, schwärmte Christian Friedrich Daniel Schubart 1784. „Sein Forte ist ein Donner, sein Crescendo ein Catarakt, sein Diminuendo ein in der Ferne plätschernder Krystallfluss, sein Piano ein Frühlingshauch.“ Und Charles Burney, der Mannheim natürlich ebenfalls besucht hat, berichtete, in diesem Orchester „there are more solo players and good composers, then perhaps in any other orchestra in Europe. It is an army of generals, equally fit to plan a battle, as to fight it.“
Karl Theodor holte Musiker aus den verschiedensten Ländern in sein Orchester; er ermöglichte ihnen dann ein Studium in Italien, oder aber er gestattete ihnen, auf Konzertreisen zu gehen – eine clevere Strategie, denn Erfolge seiner Musiker in Wien oder in Paris mehrten letztendlich auch den Ruhm des Kurfürsten.
Die vorliegende CD stellt Cellisten vor, die in Mannheim wirkten. Dazu gehörten Innocenz Danzi, auf dieser CD nicht vertreten, und der ihm als Zweiter Cellist nachgeordnete Anton Filtz (1733 bis 1760). Zu hören ist auch ein Werk von Filtz' Schüler Johann Georg Christoph Schetky (1737 bis 1824), der 1772 auf einer Konzertreise nach London eine Stelle in Edinburgh annahm – und dort blieb.
Jean Balthasar Triklir (1750 bis 1813) stammte aus Dijon; er ging mit 15 Jahren nach Mannheim, wo er erst studierte und dann in der Hofkapelle musizierte, bis er schließlich 1783 als Erster Cellist nach Dresden wechselte. In Mannheim blieb hingegen Peter Ritter (1763 bis 1846) – er wurde in der Stadt geboren, er lernte und musizierte, und er starb dann auch dort. Er war ein Schüler Danzis. Ritter entschied sich 1783, nicht mit der Hofkapelle nach München umzuziehen, sondern im Orchester des neugegründeten Nationaltheaters in Mannheim zu spielen. Er war dort zunächst Erster Cellist, dann ab 1801 Konzertmeister und schließlich Kapellmeister.
Marco Testori, Violoncello, und Davide Pozzi, Hammerklavier, zeigen anhand der ausgewählten Sonaten, dass das Violoncello seinerzeit rasant Karriere machte: Es wurde nicht länger vorrangig als Continuo-Cello eingesetzt, sondern es bekam solistische Aufgaben, die immer höhere technische Anforderungen stellten. Auch die Begleitung sagte dem Generalbass-Zeitalter Adieu; das Tasteninstrument wird schließlich nicht mehr kontrapunktisch, sondern eher dialogisch geführt. Spannend!
Paul Badura-Skoda - Tänze aus Wien (Gramola)
„Er tanzte nie, war aber stets bereit, sich ans Klavier zu setzen, wo er stundenlang die schönsten Walzer improvisierte; jene, die ihm gefielen, wiederholte er, um sie zu behalten und in der Folge aufzuschreiben“, berichtete Leopold von Sonnleithner über Franz Schubert (1797 bis 1828). Zwei ganze Notenbände sind es schließlich geworden. Paul Badura-Skoda spielt auf seiner CD „Tänze aus Wien“ etliche davon, teilweise zusam- mengestellt zu einer Walzerkette.
Ein zweiter Schwerpunkt sind Polkas nach Melodien von Johann Strauß II (1825 bis 1899), arrangiert von Otto Schulhof (1889 bis 1958), dem verehrten Lehrer Badura-Skodas. „Otto Schulhof war ein typisch Wiener Phänomen“, erinnert sich der Pianist im Beiheft. „Mit seiner enormen Musikalität und seiner verblüffenden technischen Meisterschaft hätte er eine Weltkarriere als Pianist machen können. Weil ihm aber lange Reisen und mühsame Hotelübernachtungen zu unbequem waren, zog er vor, der beliebteste Klavierbegleiter in Wien zu werden. Er begleitete alles, was Sang und Rang hatte, seine Fähigkeit, vom Blatt zu lesen, war phänomenal, seine frühen Schallplatten mit Pablo Casals sind Legende.“ Wie Schulhof bekannte Melodien, unter anderem aus der Operette Die Fledermaus, in seinen schwungvollen Tänzen verarbeitet hat, das ist hörenswert – und wie Paul Badura-Skoda musiziert, das begeistert. Große Klavierkunst! Unbedingt anhören!
Ein zweiter Schwerpunkt sind Polkas nach Melodien von Johann Strauß II (1825 bis 1899), arrangiert von Otto Schulhof (1889 bis 1958), dem verehrten Lehrer Badura-Skodas. „Otto Schulhof war ein typisch Wiener Phänomen“, erinnert sich der Pianist im Beiheft. „Mit seiner enormen Musikalität und seiner verblüffenden technischen Meisterschaft hätte er eine Weltkarriere als Pianist machen können. Weil ihm aber lange Reisen und mühsame Hotelübernachtungen zu unbequem waren, zog er vor, der beliebteste Klavierbegleiter in Wien zu werden. Er begleitete alles, was Sang und Rang hatte, seine Fähigkeit, vom Blatt zu lesen, war phänomenal, seine frühen Schallplatten mit Pablo Casals sind Legende.“ Wie Schulhof bekannte Melodien, unter anderem aus der Operette Die Fledermaus, in seinen schwungvollen Tänzen verarbeitet hat, das ist hörenswert – und wie Paul Badura-Skoda musiziert, das begeistert. Große Klavierkunst! Unbedingt anhören!
Samstag, 16. Juli 2016
Reger: Complete Organ Works; Haas (MDG)
Rosalinde Haas ist die Tochter eines Organisten; sie wuchs in Schramberg im Schwarzwald auf und musste ins benachbarte Königsfeld laufen zum Klavierunterricht, nach der russischen Schule. Sie studierte dann in Stuttgart und in Rom, wo sie bei Fernando Germani, dem Organisten des Peters- domes, ihr Konzertdiplom mit Aus- zeichnung erhielt.
Von 1956 bis 1992 war sie als Kirchen- musikerin in Frankfurt/Main tätig; 1967 wurde Haas zur Kirchenmusik- direktorin ernannt. Außerdem lehrte sie als Honorarprofesssorin an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf.
An der Albiez-Orgel der Pfarrkirche „Mutter vom guten Rat“ in Frankfurt-Niederrad, wo die Organistin viele Jahre wirkte, hat sie in den Jahren 1988 bis 1991 sämtliche Orgelwerke Max Regers eingespielt, tatkräftig unterstützt von ihrem Mann Peter Krams. Ergänzt wird diese enorme Leistung durch zwei weitere CD, aufgezeichnet 1993, mit ausgewählten Klavierwerken Johann Sebastian Bachs in Bearbeitungen Regers für die Orgel.
Die Albiez-Orgel, eingeweiht im Jahre 1983, ist ein relativ großes Instru- ment mit 52 Registern auf drei Manualen und Pedal. Regers Orgelmusik lässt sich darauf sehr gut spielen; sowohl von seinen dynamischen Möglichkeiten als auch in den verfügbaren Klangfarben passt das vorletzte Instrument des Orgelbauers Winfried Albiez dazu.
Rosalinde Haas spielt Regers Orgelwerke einerseits unter Betonung ihres oftmals virtuosen Charakters. Sie schaut sehr genau nach Regers Spiel- anweisungen, passt ihren Vortrag aber der Raumakustik an, und hinter- fragt die Vorgaben des Komponisten offensichtlich auch. In Kombination mit moderner, klug eingesetzter Aufnahmetechnik ergab dies eine lebendige, ja, feurige und dennoch sehr ausgewogene Interpretation, die beim Hörer mit einer Klarheit ankommt, wie das in der Kirche selbst wohl nicht möglich gewesen wäre. Diese großartige Einspielung hat das Label Dabringhaus und Grimm nunmehr in einer 14-CD-Box wieder zugänglich gemacht. Eine würdige Erinnerung an den hundertsten Todestag Regers.
Von 1956 bis 1992 war sie als Kirchen- musikerin in Frankfurt/Main tätig; 1967 wurde Haas zur Kirchenmusik- direktorin ernannt. Außerdem lehrte sie als Honorarprofesssorin an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf.
An der Albiez-Orgel der Pfarrkirche „Mutter vom guten Rat“ in Frankfurt-Niederrad, wo die Organistin viele Jahre wirkte, hat sie in den Jahren 1988 bis 1991 sämtliche Orgelwerke Max Regers eingespielt, tatkräftig unterstützt von ihrem Mann Peter Krams. Ergänzt wird diese enorme Leistung durch zwei weitere CD, aufgezeichnet 1993, mit ausgewählten Klavierwerken Johann Sebastian Bachs in Bearbeitungen Regers für die Orgel.
Die Albiez-Orgel, eingeweiht im Jahre 1983, ist ein relativ großes Instru- ment mit 52 Registern auf drei Manualen und Pedal. Regers Orgelmusik lässt sich darauf sehr gut spielen; sowohl von seinen dynamischen Möglichkeiten als auch in den verfügbaren Klangfarben passt das vorletzte Instrument des Orgelbauers Winfried Albiez dazu.
Rosalinde Haas spielt Regers Orgelwerke einerseits unter Betonung ihres oftmals virtuosen Charakters. Sie schaut sehr genau nach Regers Spiel- anweisungen, passt ihren Vortrag aber der Raumakustik an, und hinter- fragt die Vorgaben des Komponisten offensichtlich auch. In Kombination mit moderner, klug eingesetzter Aufnahmetechnik ergab dies eine lebendige, ja, feurige und dennoch sehr ausgewogene Interpretation, die beim Hörer mit einer Klarheit ankommt, wie das in der Kirche selbst wohl nicht möglich gewesen wäre. Diese großartige Einspielung hat das Label Dabringhaus und Grimm nunmehr in einer 14-CD-Box wieder zugänglich gemacht. Eine würdige Erinnerung an den hundertsten Todestag Regers.
William Youn plays Mozart Sonatas Vol. 3 (Oehms Classics)
William Youn hat bei Oehms Classics seine dritte CD mit Mozart-Klavier- sonaten veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine kleine Sensation, denn bei der Klaviersonate A-Dur
KV 331 – eben der mit dem berühmten Finalsatz Alla Turca – verwendet er eine neue Notenedition von Wolf-Dieter Seiffert aus dem G. Henle Verlag. Sie weicht in wesentlichen Punkten von bisherigen Ausgaben ab. Das liegt daran, dass sich die Quellenlage entscheidend verbessert hat: Im Jahre 2014 wurde in Budapest eine Doppelseite entdeckt, die wesentliche Teile des Werkes enthielt, handschriftlich notiert von Wolf- gang Amadeus Mozart.
Was der Komponist auf diesem Notenblatt fixiert hatte, das unterschied sich sehr deutlich von der Erstausgabe, bisher der Ausgangspunkt für alle kritischen Editionen. Und man konnte feststellen, dass die Sonate nicht, wie bisher angenommen, 1778 in Paris, sondern erst 1783 in Salzburg oder in Wien zu Papier gebracht wurde – ein Jahr nach der Uraufführung von Mozarts Singspiel Die Entführung aus dem Serail, das beim Publikum hervorragend angekommen war. Auf dieser CD ist nun die Klaviersonate mit den Anklängen an die Janitscharenmusik erstmals in der neuen Version zu hören.
Eingerahmt wird dieses Werk von den Klaviersonaten C-Dur KV 279 und F-Dur KV 533. William Youn erweist sich als ein idealer Mozart-Interpret, mit einer exzellenten Technik und einem Gespür für den perfekten Fluss der Musik. Sein Spiel bestätigt einmal mehr, wie wichtig gerade bei Mozart die Wahl der richtigen Tempi und eine gewisse Leichtigkeit im Vortrag ist. Der koreanische Pianist, der bei Karl-Heinz Kämmerling studiert hat, leistet hier Großes – bravo!
KV 331 – eben der mit dem berühmten Finalsatz Alla Turca – verwendet er eine neue Notenedition von Wolf-Dieter Seiffert aus dem G. Henle Verlag. Sie weicht in wesentlichen Punkten von bisherigen Ausgaben ab. Das liegt daran, dass sich die Quellenlage entscheidend verbessert hat: Im Jahre 2014 wurde in Budapest eine Doppelseite entdeckt, die wesentliche Teile des Werkes enthielt, handschriftlich notiert von Wolf- gang Amadeus Mozart.
Was der Komponist auf diesem Notenblatt fixiert hatte, das unterschied sich sehr deutlich von der Erstausgabe, bisher der Ausgangspunkt für alle kritischen Editionen. Und man konnte feststellen, dass die Sonate nicht, wie bisher angenommen, 1778 in Paris, sondern erst 1783 in Salzburg oder in Wien zu Papier gebracht wurde – ein Jahr nach der Uraufführung von Mozarts Singspiel Die Entführung aus dem Serail, das beim Publikum hervorragend angekommen war. Auf dieser CD ist nun die Klaviersonate mit den Anklängen an die Janitscharenmusik erstmals in der neuen Version zu hören.
Eingerahmt wird dieses Werk von den Klaviersonaten C-Dur KV 279 und F-Dur KV 533. William Youn erweist sich als ein idealer Mozart-Interpret, mit einer exzellenten Technik und einem Gespür für den perfekten Fluss der Musik. Sein Spiel bestätigt einmal mehr, wie wichtig gerade bei Mozart die Wahl der richtigen Tempi und eine gewisse Leichtigkeit im Vortrag ist. Der koreanische Pianist, der bei Karl-Heinz Kämmerling studiert hat, leistet hier Großes – bravo!
Freitag, 15. Juli 2016
Music for a while (Spektral)
Zwei Violoncelli und Orgel – das ist eine ganz aparte Kombination, wie diese CD beweist. Joachim Wohlgemuth und Caroline Busser, Violoncello, sowie Christian Bischof, Orgel, haben ein ziemlich buntes Programm eingespielt, das von einzigen Doppelkonzert in g-Moll RV 531 für zwei Violoncelli von Antonio Vivaldi bis hin zu den Drei Stücken für zwei Violoncelli und Orgel op. 62 des Leipziger Cellisten Julius Klengel und von Josef Gabriel Rheinbergers Abendlied aus den Drei Stücken für Violoncello und Orgel
op. 150 bis zu Camille Saint-Saens' Prière op. 158. Musik der Romantik auf einer ungleichstufig gestimmten Orgel anzuhören, das ist allerdings dem Ohr nicht durchweg angenehm.
Die eher selten zu hörenden Originalkompositionen haben die Musiker durch eine Reihe von Bearbeitungen populärer Werke ergänzt, beispiels- weise um Henry Purcells Music for a while, im Original für Singstimme und Continuo, den Abendsegen aus Engelbert Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel oder um eine Cello-Version des Largos aus Bachs berühmtem Konzert für zwei Violinen BWV 1043.
Sowohl die beiden Streicher als auch der Organist erhalten zudem Gelegen- heit, ihre Instrumente pur zu präsentieren. Die Toccata Septima aus Georg Muffats Apparatus musico-organisticus gibt Christian Bischof nicht nur die Gelegenheit, eine der raren Quadrupelfugen vorzutragen. Zugleich vermittelt er auch ein Klangbild der Orgel in der ehemaligen Klosterkirche St. Michael, Attel. Dabei handelt es sich um einen Neubau nach Anton Bayr (1716 bis 1792), zu Lebzeiten einer der bedeutendsten Orgelbauer in Bayern. Das Instrument in Attel, erbaut von ihm im Jahre 1769, war damals im weiten Umkreis eines der größten. Allerdings sind von ihm nach mehreren Umbauten nur das Gehäuse sowie vier Register Metall- pfeifen erhalten geblieben. Daher erfolgte 2013 ein Neubau nach histori- schem Vorbild, mit behutsamer Erweiterung und unter Einbeziehung der originalen Reste.
op. 150 bis zu Camille Saint-Saens' Prière op. 158. Musik der Romantik auf einer ungleichstufig gestimmten Orgel anzuhören, das ist allerdings dem Ohr nicht durchweg angenehm.
Die eher selten zu hörenden Originalkompositionen haben die Musiker durch eine Reihe von Bearbeitungen populärer Werke ergänzt, beispiels- weise um Henry Purcells Music for a while, im Original für Singstimme und Continuo, den Abendsegen aus Engelbert Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel oder um eine Cello-Version des Largos aus Bachs berühmtem Konzert für zwei Violinen BWV 1043.
Sowohl die beiden Streicher als auch der Organist erhalten zudem Gelegen- heit, ihre Instrumente pur zu präsentieren. Die Toccata Septima aus Georg Muffats Apparatus musico-organisticus gibt Christian Bischof nicht nur die Gelegenheit, eine der raren Quadrupelfugen vorzutragen. Zugleich vermittelt er auch ein Klangbild der Orgel in der ehemaligen Klosterkirche St. Michael, Attel. Dabei handelt es sich um einen Neubau nach Anton Bayr (1716 bis 1792), zu Lebzeiten einer der bedeutendsten Orgelbauer in Bayern. Das Instrument in Attel, erbaut von ihm im Jahre 1769, war damals im weiten Umkreis eines der größten. Allerdings sind von ihm nach mehreren Umbauten nur das Gehäuse sowie vier Register Metall- pfeifen erhalten geblieben. Daher erfolgte 2013 ein Neubau nach histori- schem Vorbild, mit behutsamer Erweiterung und unter Einbeziehung der originalen Reste.
Mittwoch, 13. Juli 2016
Zelenka: Missa Divi Xaverii / Litaniae de Sancto Xaverio (Accent)
Noch einmal Musik aus Dresden: Dort wurde 1729 das Fest des Heiligen Franz Xaver mit besonderer Inbrunst begangen. Denn im Vorjahr war der älteste Sohn von Maria Josepha von Habsburg, Gattin des sächsischen Kronprinzen Friedrich August II., an den Pocken gestorben. Ein weiterer Sohn, Christian Friedrich, saß im Rollstuhl und sollte eigentlich den geistlichen Stand erwählen. Dass er dereinst zwar kurz, aber doch recht erfolgreich regieren sollte, das konnte Maria Josepha nicht ahnen. Ihr persönlicher Schutz- patron sollte dem jungen Paar daher nicht zuletzt dabei behilflich sein, einen männlichen Erben in die Welt zu setzen.
Entsprechend glanzvoll gestaltete Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) die Musik für die Feier der Oktav des Heiligen: Die Missa Divi Xaverii ZWV 12 ist für eine der größten Besetzungen geschrieben, die Zelenka jemals verwendet hat: Solisten und Chor, jeweils vierstimmig, Pauken und vier Trompeten, zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Hörner, Fagott, Streicher sowie Basso continuo.
Man wundert sich, dass dieses beeindruckende Werk bislang noch nie- mand eingespielt hat. Zelenkas Musik ist grandios, und Vaclav Luks präsentiert mit einem exzellenten Solistenensemble sowie seinem Colle- gium Vocale 1704 bzw. Collegium 1704 die Messe nun in einer ebenfalls großartigen Aufnahme bei Accent. Man höre nur die Blechbläser – phantastisch! Zu hören ist zudem eine Litanei Zelenkas für den Gedenk- tag des Heiligen.
Entsprechend glanzvoll gestaltete Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) die Musik für die Feier der Oktav des Heiligen: Die Missa Divi Xaverii ZWV 12 ist für eine der größten Besetzungen geschrieben, die Zelenka jemals verwendet hat: Solisten und Chor, jeweils vierstimmig, Pauken und vier Trompeten, zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Hörner, Fagott, Streicher sowie Basso continuo.
Man wundert sich, dass dieses beeindruckende Werk bislang noch nie- mand eingespielt hat. Zelenkas Musik ist grandios, und Vaclav Luks präsentiert mit einem exzellenten Solistenensemble sowie seinem Colle- gium Vocale 1704 bzw. Collegium 1704 die Messe nun in einer ebenfalls großartigen Aufnahme bei Accent. Man höre nur die Blechbläser – phantastisch! Zu hören ist zudem eine Litanei Zelenkas für den Gedenk- tag des Heiligen.
Dresdner Fagottkonzerte aus Schranck II (Ars Produktion)
Die Dresdner Kapellsolisten, 1994 gegründet von Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle und geleitet von Helmut Branny, bringen Musik wieder zum Klingen, die zur Zeit Augusts des Starken von der Dresdner Hofkapelle gespielt wurde. Die Auswahl ist groß, denn die umfangreiche Musikaliensammlung des damaligen Dresdner Konzert- meisters Johann Georg Pisendel ist nahezu komplett überliefert. Sie wurde nach ihrem Ankauf durch den Hof im „Schranck No: II“ aufbewahrt; über diese spektakuläre Noten- kollektion, die sich heute in den Beständen der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden befindet, wurde in diesem Blog bereits mehrfach berichtet.
Auf dieser CD sind nun aus den Beständen des „Schranck No: II“ zwei Fagottkonzerte von Antonín Reichenauer (?1694 biss 1730) sowie eines von Johann Gottlieb Graun (1703 bis 1771) und eines von Franz Horneck (um 1690 bis nach 1724) zu hören, vorbildlich interpretiert von Solo-Fagottist Erik Reike. Diese erstmals eingespielten Konzerte dürften Fagottisten generell erfreuen (sobald Noten-Editionen erschienen sind), denn sie bereichern das nicht übermäßig umfangreiche Repertoire für dieses Instrument um vier echte Perlen. Man staunt, welche Schätze im „Schrank No: II“ immer noch verborgen liegen!
Georg Philipp Telemanns (1681 bis 1767) Concerto für zwei Hörner, Streicher und Basso continuo in Es-Dur, TWV 52: Es 1, befindet sich nicht in Pisendels Sammlung. Es ist aber bekannt, dass der Komponist 1719 zur Kurprinzenhochzeit in Dresden war, und Musik dafür geschrieben hat. Vermutet wird, dass dieses Konzert für die virtuosen Hornisten der Hof- kapelle entstanden ist, und 1719 während der Feierlichkeiten von diesen aufgeführt wurde. Nicht umsonst beginnt es mit einer majestätischen Polonaise. Den anspruchsvollen Solo-Part haben Harald Heim und Klaus Gayer übernommen.
Auf dieser CD sind nun aus den Beständen des „Schranck No: II“ zwei Fagottkonzerte von Antonín Reichenauer (?1694 biss 1730) sowie eines von Johann Gottlieb Graun (1703 bis 1771) und eines von Franz Horneck (um 1690 bis nach 1724) zu hören, vorbildlich interpretiert von Solo-Fagottist Erik Reike. Diese erstmals eingespielten Konzerte dürften Fagottisten generell erfreuen (sobald Noten-Editionen erschienen sind), denn sie bereichern das nicht übermäßig umfangreiche Repertoire für dieses Instrument um vier echte Perlen. Man staunt, welche Schätze im „Schrank No: II“ immer noch verborgen liegen!
Georg Philipp Telemanns (1681 bis 1767) Concerto für zwei Hörner, Streicher und Basso continuo in Es-Dur, TWV 52: Es 1, befindet sich nicht in Pisendels Sammlung. Es ist aber bekannt, dass der Komponist 1719 zur Kurprinzenhochzeit in Dresden war, und Musik dafür geschrieben hat. Vermutet wird, dass dieses Konzert für die virtuosen Hornisten der Hof- kapelle entstanden ist, und 1719 während der Feierlichkeiten von diesen aufgeführt wurde. Nicht umsonst beginnt es mit einer majestätischen Polonaise. Den anspruchsvollen Solo-Part haben Harald Heim und Klaus Gayer übernommen.
Montag, 11. Juli 2016
Luther tanzt (Deutsche Harmonia Mundi)
„Ich habe oft auf Reisen nur vom Gesang der Mädchen und der Pflüger auf den Feldern wahrgenommen, an welchem Ort nach welcher Kirchen- lehre geleitet und gelebt wird“, so schrieb Philipp Melanchthon. Martin Luther war der Musik bekanntlich sehr zugetan; er sang leidenschaftlich gern und spielte selbst auch Laute. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass nicht gregorianische Weisen, sondern bekannte Melodien aus der Reformationszeit über einen langen Zeitraum hinweg den evangelisch-lutherischen Gottesdienst prägten.
Das ist allerdings keineswegs selbstverständlich. Denn an der Liturgie änderte sich zunächst nichts, erläutert Dr. Christoph G. Schmidt im Beiheft. Der musikbegeisterte Schleswiger Archäologe hat The Playfords bei der Arbeit an diesem Album beraten. Zwar entstanden in der Reforma- tionszeit und auch danach zahlreiche Lieder; Luthers Freund Johann Walter beispielsweise gilt als Urkantor der evangelischen Kirche. Doch ihren Platz hatten sie zunächst im Privatbereich – vor allem in der häuslichen Andacht. Von dort aus eroberten die Kirchenlieder schließlich auch den Gottesdienst, so Schmidt.
The Playfords, benannt nach dem Sammelband The English Dancing Master von John und Henry Playford, sind ein mitteldeutsches Ensemble, das sich in erster Linie der europäischen Tanzmusik aus Renaissance und Frühbarock verschrieben hat. Die originalen Melodien – oftmals ist nur eine Melodiestimme überliefert – singen und spielen sie auf Nachbauten historischer Instrumente. Dabei geht es ihnen weniger um museal korrekte als vielmehr um lebendige, zeitgemäße Interpretationen.
Auf der jüngsten CD, der ersten bei dem Label Deutsche Harmonia Mundi, spürt das Ensemble frühen Kirchenliedern nach – und ihren weltlichen Zwillingen, denn ein beliebtes Verfahren, ein neues Lied zu erschaffen, war seinerzeit die sogenannte Kontrafaktur: Man nehme eine bekannte Melodie, und dichte einfach einen neuen Text darauf. Ein klassisches Beispiel dafür ist Martin Luthers Vom Himmel hoch, da komm ich her, nach dem Reigen Ich komm aus fremden Landen her. Paul Gerhardts andächtiges O Haupt voll Blut und Wunden basiert auf Hans Leo Hasslers Mein G'müt ist mir verwirret, wie überhaupt so manche fromme Weise ziemlich deftig weltliche Wurzeln hat.
Wer die alten Kirchenlieder in bunter Mischung mit den ursprünglichen Fassungen hören möchte, verjazzt und ziemlich modern improvisierend umrankt von Annegret Fischers Blockflöten, der sollte sich diese CD besorgen. Wer sich durch das tänzerisch-frohsinnige Herangehen der jungen Musiker an die alten Weisen und durch Arrangements, die alle irgendwie ähnlich klingen, eher genervt fühlt, der sollte allerdings dieses Album meiden. Eines ist nicht schwer vorherzusagen: Live dürfte dieses Programm der Playfords beim Publikum gut ankommen – und das Luther-Jubiläum naht...
Das ist allerdings keineswegs selbstverständlich. Denn an der Liturgie änderte sich zunächst nichts, erläutert Dr. Christoph G. Schmidt im Beiheft. Der musikbegeisterte Schleswiger Archäologe hat The Playfords bei der Arbeit an diesem Album beraten. Zwar entstanden in der Reforma- tionszeit und auch danach zahlreiche Lieder; Luthers Freund Johann Walter beispielsweise gilt als Urkantor der evangelischen Kirche. Doch ihren Platz hatten sie zunächst im Privatbereich – vor allem in der häuslichen Andacht. Von dort aus eroberten die Kirchenlieder schließlich auch den Gottesdienst, so Schmidt.
The Playfords, benannt nach dem Sammelband The English Dancing Master von John und Henry Playford, sind ein mitteldeutsches Ensemble, das sich in erster Linie der europäischen Tanzmusik aus Renaissance und Frühbarock verschrieben hat. Die originalen Melodien – oftmals ist nur eine Melodiestimme überliefert – singen und spielen sie auf Nachbauten historischer Instrumente. Dabei geht es ihnen weniger um museal korrekte als vielmehr um lebendige, zeitgemäße Interpretationen.
Auf der jüngsten CD, der ersten bei dem Label Deutsche Harmonia Mundi, spürt das Ensemble frühen Kirchenliedern nach – und ihren weltlichen Zwillingen, denn ein beliebtes Verfahren, ein neues Lied zu erschaffen, war seinerzeit die sogenannte Kontrafaktur: Man nehme eine bekannte Melodie, und dichte einfach einen neuen Text darauf. Ein klassisches Beispiel dafür ist Martin Luthers Vom Himmel hoch, da komm ich her, nach dem Reigen Ich komm aus fremden Landen her. Paul Gerhardts andächtiges O Haupt voll Blut und Wunden basiert auf Hans Leo Hasslers Mein G'müt ist mir verwirret, wie überhaupt so manche fromme Weise ziemlich deftig weltliche Wurzeln hat.
Wer die alten Kirchenlieder in bunter Mischung mit den ursprünglichen Fassungen hören möchte, verjazzt und ziemlich modern improvisierend umrankt von Annegret Fischers Blockflöten, der sollte sich diese CD besorgen. Wer sich durch das tänzerisch-frohsinnige Herangehen der jungen Musiker an die alten Weisen und durch Arrangements, die alle irgendwie ähnlich klingen, eher genervt fühlt, der sollte allerdings dieses Album meiden. Eines ist nicht schwer vorherzusagen: Live dürfte dieses Programm der Playfords beim Publikum gut ankommen – und das Luther-Jubiläum naht...
Schubert: Four Impromptus - Sonata in G (Avi-Music)
„Diese Werke begleiten mich seit meiner frühesten Jugend – natur- gemäß hat mein ,Verhältnis' zu ihnen einige Wandlungen durchlaufen, wird es in der Zukunft hoffentlich auch weiterhin tun“, schreibt Sheila Arnold im Beiheft zu dieser CD. „Die vorliegende Momentaufnahme spiegelt aber neben den Einflüssen des Lebens, durch menschliche und literarische Begegnungen, insbe- sondere meine Erfahrungen mit historischen Instrumenten wider.“
Die Pianistin hat die Impromptus D 899 und die Sonate für Klavier G-Dur D 894 von Franz Schubert (1797 bis 1828) auf einem Steinway D einge- spielt – dem Standard-Konzertflügel. Sie musiziert aber so farbenreich und so differenziert, dass man mitunter meint, ein Fortepiano zu hören.
„Seien es die hörbaren Registerwechsel, die Klarheit der Bassregion, die bisweilen zu einer unerhört grollenden und präsenten Lesart führen muss, der seelenvolle Klang, die präzise und minutiöse Setzung der Artikulationszeichen, die klaren Bezeichnungen der Dynamik und nicht zuletzt das relativ schnelle Verklingen des einzelnen Tones“, schildert Arnold Details ihres Spiels, die sie aus der Beschäftigung mit dem Hammerflügel herleitet. „Diese Erfahrungen ziehen auch Konsequenzen der Pedalisierung, des Timings oder der Tempowahl nach sich.“
Die Pianistin liest tiefgreifende existenzielle Konflikte aus dem Notentext heraus, die sie im Beiheft sehr gelungen erläutert. „Gerade in der Subjek- tivität liegt das Herz dieser Musik“, betont Sheila Arnold. Die Form ist nur noch Hülle: „Das Assoziative, das Fragmentarische, die innere Zerrissen- heit, die Aufhebung der Grenzen zwischen Realität und Scheinwelt, zwischen Leben und Tod, das Erleben der Natur als Projektion des Innenlebens“, beschreibt die Musikerin, was die Werke Schuberts kenn- zeichnet: „Keine Affektenlehre mehr, sondern Psychogramm.“ Daran orientiert sich auch ihr Klavierspiel. Es singt, und es poltert, es murmelt und grollt, mal überirdisch schwebend, mal irdisch zornig. Sehr hörens- wert!
Die Pianistin hat die Impromptus D 899 und die Sonate für Klavier G-Dur D 894 von Franz Schubert (1797 bis 1828) auf einem Steinway D einge- spielt – dem Standard-Konzertflügel. Sie musiziert aber so farbenreich und so differenziert, dass man mitunter meint, ein Fortepiano zu hören.
„Seien es die hörbaren Registerwechsel, die Klarheit der Bassregion, die bisweilen zu einer unerhört grollenden und präsenten Lesart führen muss, der seelenvolle Klang, die präzise und minutiöse Setzung der Artikulationszeichen, die klaren Bezeichnungen der Dynamik und nicht zuletzt das relativ schnelle Verklingen des einzelnen Tones“, schildert Arnold Details ihres Spiels, die sie aus der Beschäftigung mit dem Hammerflügel herleitet. „Diese Erfahrungen ziehen auch Konsequenzen der Pedalisierung, des Timings oder der Tempowahl nach sich.“
Die Pianistin liest tiefgreifende existenzielle Konflikte aus dem Notentext heraus, die sie im Beiheft sehr gelungen erläutert. „Gerade in der Subjek- tivität liegt das Herz dieser Musik“, betont Sheila Arnold. Die Form ist nur noch Hülle: „Das Assoziative, das Fragmentarische, die innere Zerrissen- heit, die Aufhebung der Grenzen zwischen Realität und Scheinwelt, zwischen Leben und Tod, das Erleben der Natur als Projektion des Innenlebens“, beschreibt die Musikerin, was die Werke Schuberts kenn- zeichnet: „Keine Affektenlehre mehr, sondern Psychogramm.“ Daran orientiert sich auch ihr Klavierspiel. Es singt, und es poltert, es murmelt und grollt, mal überirdisch schwebend, mal irdisch zornig. Sehr hörens- wert!
Samstag, 9. Juli 2016
Trauerode (BIS)
Masaaki Suzuki rundet seine Bach-Kantaten-Edition mit dem Bach-Collegium Japan ab, indem er nunmehr auch die Kantaten des Thomaskantors einspielt, die nicht für den regulären Gottesdienst ent- standen sind. Es sind dies Auftrags- werke, wie Huldigungskantaten oder aber Musiken für Geburtstage, Hoch- zeiten und Begräbnisse.
Drei Beispiele für letzteres sind auf der vorliegenden CD anzuhören. Lass, Fürstin, lass noch einen Strahl BWV 198, die sogenannte Trauer-Ode, wurde 1727 bei der Gedenkfeier für die verstorbene Ehefrau Augusts des Starken, Christiane Eberhardine, in der Leipziger Paulinerkirche aufgeführt. Sie war beim sächsischen Volk sehr angesehen, weil sie protestantisch geblieben war, derweil ihr Gatte zum Katholizismus konvertierte, um König von Polen werden zu können. Organisiert wurde die repräsentative Trauerfeier in der Universitätskirche der Messestadt von einem adligen Studenten, der bei Johann Sebastian Bach die Musik für diesen durchaus politischen Festakt orderte. Den Text dazu ließ er sich von Johann Christoph Gottsched schreiben. Er folgt den Konventionen von Herrscherlob und Totenklage; Bach hat ihn gekonnt vertont (und die Musik später mehrfach wiederverwendet; bekannt ist ihre Nutzung in der Trauermusik für seinen früheren Dienstherrn Fürst Leopold von Anhalt-Köthen sowie in der Markuspassion).
Die Alt-Arie Schlage doch, gewünschte Stunde BWV 53 stammt wahr- scheinlich ebenfalls aus einer Trauermusik. Die Forschung hat allerdings herausgefunden, dass dieses Werk nicht von Bach, sondern von Melchior Hoffmann (?1679 bis 1715) stammt, der ab 1705 Musikdirektor der Leipziger Neuen Kirche war.
Tilge, Höchster, meine Sünden BWV 1083 gibt der Musikwissenschaft eine Reihe von Rätseln auf. Für wen Bach diese Duett-Kantate geschaffen hat, ist ebenso unbekannt wie der Grund dafür, dass er sich auf diese Weise mit dem Stabat mater von Giovanni Battista Pergolesi (1710 bis 1736) ausein- andergesetzt hat. Eine Verwendung im Gottesdienst dürfte auszuschließen sein, auch wenn der ursprüngliche Text der Sequenz durch eine Neudich- tung nach Psalm 51 von einem unbekannten, aber versierten Autor ersetzt wurde. Bach hat Pergolesis Musik nicht einfach angepasst, er hat sie obendrein nach seinem stilistischen Empfinden modifiziert. Das Ergebnis klingt erstaunlich altmodisch – das Original wirkt vergleichsweise moder- ner. Wirklich verblüffend.
Drei Beispiele für letzteres sind auf der vorliegenden CD anzuhören. Lass, Fürstin, lass noch einen Strahl BWV 198, die sogenannte Trauer-Ode, wurde 1727 bei der Gedenkfeier für die verstorbene Ehefrau Augusts des Starken, Christiane Eberhardine, in der Leipziger Paulinerkirche aufgeführt. Sie war beim sächsischen Volk sehr angesehen, weil sie protestantisch geblieben war, derweil ihr Gatte zum Katholizismus konvertierte, um König von Polen werden zu können. Organisiert wurde die repräsentative Trauerfeier in der Universitätskirche der Messestadt von einem adligen Studenten, der bei Johann Sebastian Bach die Musik für diesen durchaus politischen Festakt orderte. Den Text dazu ließ er sich von Johann Christoph Gottsched schreiben. Er folgt den Konventionen von Herrscherlob und Totenklage; Bach hat ihn gekonnt vertont (und die Musik später mehrfach wiederverwendet; bekannt ist ihre Nutzung in der Trauermusik für seinen früheren Dienstherrn Fürst Leopold von Anhalt-Köthen sowie in der Markuspassion).
Die Alt-Arie Schlage doch, gewünschte Stunde BWV 53 stammt wahr- scheinlich ebenfalls aus einer Trauermusik. Die Forschung hat allerdings herausgefunden, dass dieses Werk nicht von Bach, sondern von Melchior Hoffmann (?1679 bis 1715) stammt, der ab 1705 Musikdirektor der Leipziger Neuen Kirche war.
Tilge, Höchster, meine Sünden BWV 1083 gibt der Musikwissenschaft eine Reihe von Rätseln auf. Für wen Bach diese Duett-Kantate geschaffen hat, ist ebenso unbekannt wie der Grund dafür, dass er sich auf diese Weise mit dem Stabat mater von Giovanni Battista Pergolesi (1710 bis 1736) ausein- andergesetzt hat. Eine Verwendung im Gottesdienst dürfte auszuschließen sein, auch wenn der ursprüngliche Text der Sequenz durch eine Neudich- tung nach Psalm 51 von einem unbekannten, aber versierten Autor ersetzt wurde. Bach hat Pergolesis Musik nicht einfach angepasst, er hat sie obendrein nach seinem stilistischen Empfinden modifiziert. Das Ergebnis klingt erstaunlich altmodisch – das Original wirkt vergleichsweise moder- ner. Wirklich verblüffend.
Flautissimo! (K&K)
Einen weiteren Live-Mitschnitt aus dem Kloster Maulbronn mit seiner einzigartigen Atmosphäre haben Andreas Otto Grimminger und Josef-Stefan Kindler bei ihrem Label K & K veröffentlicht. Im August 2014 konzertierte dort der Flötist Michael Martin Kofler. Es war bereits wäh- rend seines Studiums Soloflötist im Gustav-Mahler-Jugendorchester unter Claudio Abbado; 1987 berief ihn Sergiu Celibidache in gleicher Posi- tion zu den Münchner Philharmoni- kern. Kofler spielt Konzerte weltweit. Seit 1989 ist der Musiker Professor am Mozarteum in Salzburg; er unterrichtet Meisterklassen und ist als Jury- mitglied bei bedeutenden Wettbewerben tätig.
In Maulbronn musizierte er gemeinsam mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim. Es wurde 1950 von dem Hindemith-Schüler Friedrich Tilegant gegründet, und ist noch heute eines der wenigen Full-time-Kammerorchester mit einer Stammbesetzung von 14 Musikern, die bei Bedarf um weitere Streicher und Bläser aufgestockt werden kann. In der Saison 2013/14 übernahm Timo Handschuh, Generalmusikdirektor am Theater Ulm, die Position des künstlerischen Leiters und Chefdirigenten.
Hier präsentiert er ein Programm, das mit der Symphonie Es-Dur von Carl Philipp Stamitz beginnt. Es folgen das bekannte Konzert für Flöte, Streicher und Basso continuo in G-Dur von Johann Joachim Quantz, und die Sinfonia in C-Dur von Giovanni Battista Sammartini. Der Solist bringt sich noch einmal ein mit Mozarts Flötenkonzert Nr. 1 in G-Dur KV 313; abschließend erklingt die Symphonie Nr. 21 in A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart. Musiziert wird solide, aber nicht überragend; Über- raschungen gibt es keine – eine CD, die man nicht unbedingt haben muss.
In Maulbronn musizierte er gemeinsam mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim. Es wurde 1950 von dem Hindemith-Schüler Friedrich Tilegant gegründet, und ist noch heute eines der wenigen Full-time-Kammerorchester mit einer Stammbesetzung von 14 Musikern, die bei Bedarf um weitere Streicher und Bläser aufgestockt werden kann. In der Saison 2013/14 übernahm Timo Handschuh, Generalmusikdirektor am Theater Ulm, die Position des künstlerischen Leiters und Chefdirigenten.
Hier präsentiert er ein Programm, das mit der Symphonie Es-Dur von Carl Philipp Stamitz beginnt. Es folgen das bekannte Konzert für Flöte, Streicher und Basso continuo in G-Dur von Johann Joachim Quantz, und die Sinfonia in C-Dur von Giovanni Battista Sammartini. Der Solist bringt sich noch einmal ein mit Mozarts Flötenkonzert Nr. 1 in G-Dur KV 313; abschließend erklingt die Symphonie Nr. 21 in A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart. Musiziert wird solide, aber nicht überragend; Über- raschungen gibt es keine – eine CD, die man nicht unbedingt haben muss.
Wald. Horn. Lied (Genuin)
Hörnerklang und Männergesang – wer denkt da nicht sofort an Wald und Weidwerk? Das Leipziger Vokalquintett Amarcord und das Hornquartett German Hornsound beschwören auf ihrer neuen CD in der Tat raunende Wipfel und die Freuden der Jagd. Bei der Zusammenstellung des Programms sind sie selbst auf die Pirsch gegangen - und haben einige Raritäten aufzubieten. So beginnt die CD mit einem herrlichen Waldlied von August Horn (1825 bis 1893), einem Leipziger Kapellmeister, der insbesondere als Arrangeur seinerzeit weithin geschätzt und gerühmt wurde. Von Robert Schumann erklingen die Fünf Gesänge aus Heinrich Laubes Jagdbrevier op. 137. Sie zeigen den Komponisten als einen Mann von Humor; so warnt eines der Lieder „Habet acht auf der Jagd! Mancher ist zu Grund gegangen, weil der Nachbar sich verfangen und ein Lauf ist losgegangen! Habet acht auf der Jagd!“
Abwechslung bringt das Quartett für vier Jagdhörner op. 38 von Constan- tin Fjodorowitsch Homilius (1840 bis möglicherweise 1918). Sein Vater war 1838 von Dresden nach St. Petersburg gegangen, wo er zunächst als Erster Waldhornist im Orchester der Kaiserlichen Theater musizierte, später dann als Professor am Konservatorium unterrichtete, und der St. Petersburger Philharmonischen Gesellschaft als Direktor und Schatz- meister vorstand. Sein erstgeborener Sohn Constantin wurde erst Geiger an der Kaiserlichen Oper, und war dann von 1866 bis 1910 Organist der deutschen reformierten Kirche. Danach verliert sich seine Spur. Das Horn- quartett könnte für die Hornklasse seines Vaters entstanden sein. Es ist großartige Musik, wirklich eine Entdeckung.
Das gilt auch für Meeresstille und Glückliche Fahrt für Männerchor und Hörnerbegleitung op. 16 von Carl Goldmark (1830 bis 1915). Damit verlassen wir den sächsischen Wald und machen einen Abstecher nach Wien. Dort lebte Goldmark, der Sohn eines jüdischen Kantors, geboren und aufgewachsen in Ungarn, und fristete sein Dasein als Theatergeiger und indem er Klavierunterricht gab. Von 1862 bis 1865 leitete er zudem sehr erfolgreich einen Männerchor. Als Komponist aber wurde er dann berühmt – auch wenn Hanslick ihn „Dissonanzenkönig“ nannte, feierten ihn sowohl die Kritiker als auch das Publikum. Mit dem Anschluss ans Dritte Reich verschwanden allerdings die Werke Carl Goldmarks von der Bühne; auch nach 1945 interessierte sich niemand mehr für das Schaffen des einst so populären Komponisten. Hört man die farbenreichen Gesänge, wünscht man sich unbedingt die Re-Integration dieses Gesamtwerkes in den Konzert- und Spielbetrieb – das lohnt sich garantiert.
Ins Grüne kehrt die CD anschließend zurück, mit der Waldwanderung von Ferdinand Hummel (1855 bis 1928), sechs Gesängen für Männerchor und Hörner in wechselnder Besetzung. Er war Musikdirektor am Königlichen Schauspielhaus zu Berlin und einer der ersten Filmkomponisten überhaupt. Ohne Hörner erklingen dann die Vier Gesänge op. 17 D 983 von Franz Schubert. Sein Nachtgesang im Walde D 913, nun wieder mit Hornquartett, ist ein bezauberndes Stück, mit sehr viel Atmosphäre. Ähnlich viel Waldes- rauschen findet sich in Waldeinsamkeit op. 38 von Carl Steinhauer (1852 bis 1934). Er hatte in Leipzig studiert und prägte dann über Jahrzehnte den Chorgesang in seiner Heimatstadt Düsseldorf sowie in Oberhausen. Als städtischer Musikdirektor, hochgeachtet und geehrt, ging er 1921 in Rente.
Die beiden Ensembles, die diese Werke abseits des üblichen Repertoires herausgesucht haben, haben bis zum Ruhestand glücklicherweise noch viele Jahre vor sich – wir gratulieren zu einer gelungenen CD, und hoffen auf weitere gemeinsame Projekte. Bravi!
Abwechslung bringt das Quartett für vier Jagdhörner op. 38 von Constan- tin Fjodorowitsch Homilius (1840 bis möglicherweise 1918). Sein Vater war 1838 von Dresden nach St. Petersburg gegangen, wo er zunächst als Erster Waldhornist im Orchester der Kaiserlichen Theater musizierte, später dann als Professor am Konservatorium unterrichtete, und der St. Petersburger Philharmonischen Gesellschaft als Direktor und Schatz- meister vorstand. Sein erstgeborener Sohn Constantin wurde erst Geiger an der Kaiserlichen Oper, und war dann von 1866 bis 1910 Organist der deutschen reformierten Kirche. Danach verliert sich seine Spur. Das Horn- quartett könnte für die Hornklasse seines Vaters entstanden sein. Es ist großartige Musik, wirklich eine Entdeckung.
Das gilt auch für Meeresstille und Glückliche Fahrt für Männerchor und Hörnerbegleitung op. 16 von Carl Goldmark (1830 bis 1915). Damit verlassen wir den sächsischen Wald und machen einen Abstecher nach Wien. Dort lebte Goldmark, der Sohn eines jüdischen Kantors, geboren und aufgewachsen in Ungarn, und fristete sein Dasein als Theatergeiger und indem er Klavierunterricht gab. Von 1862 bis 1865 leitete er zudem sehr erfolgreich einen Männerchor. Als Komponist aber wurde er dann berühmt – auch wenn Hanslick ihn „Dissonanzenkönig“ nannte, feierten ihn sowohl die Kritiker als auch das Publikum. Mit dem Anschluss ans Dritte Reich verschwanden allerdings die Werke Carl Goldmarks von der Bühne; auch nach 1945 interessierte sich niemand mehr für das Schaffen des einst so populären Komponisten. Hört man die farbenreichen Gesänge, wünscht man sich unbedingt die Re-Integration dieses Gesamtwerkes in den Konzert- und Spielbetrieb – das lohnt sich garantiert.
Ins Grüne kehrt die CD anschließend zurück, mit der Waldwanderung von Ferdinand Hummel (1855 bis 1928), sechs Gesängen für Männerchor und Hörner in wechselnder Besetzung. Er war Musikdirektor am Königlichen Schauspielhaus zu Berlin und einer der ersten Filmkomponisten überhaupt. Ohne Hörner erklingen dann die Vier Gesänge op. 17 D 983 von Franz Schubert. Sein Nachtgesang im Walde D 913, nun wieder mit Hornquartett, ist ein bezauberndes Stück, mit sehr viel Atmosphäre. Ähnlich viel Waldes- rauschen findet sich in Waldeinsamkeit op. 38 von Carl Steinhauer (1852 bis 1934). Er hatte in Leipzig studiert und prägte dann über Jahrzehnte den Chorgesang in seiner Heimatstadt Düsseldorf sowie in Oberhausen. Als städtischer Musikdirektor, hochgeachtet und geehrt, ging er 1921 in Rente.
Die beiden Ensembles, die diese Werke abseits des üblichen Repertoires herausgesucht haben, haben bis zum Ruhestand glücklicherweise noch viele Jahre vor sich – wir gratulieren zu einer gelungenen CD, und hoffen auf weitere gemeinsame Projekte. Bravi!
Mittwoch, 6. Juli 2016
Mayr: Requiem (Naxos)
Geradezu kriminalistische Fähig- keiten waren erforderlich, um die Musik zu rekonstruieren, die auf diesen beiden CD zu hören ist. Zwar war bereits eine Grande Messa da Requiem von Johann Simon Mayr (1763 bis 1845) bekannt; bei Archivrecherchen zeigte sich aber, dass es noch ein weiteres Requiem des Komponisten gegeben haben muss. „Dieses bislang in der Forschung nicht erwähnte Werk übertrifft das gedruckte im Umfang und in der Instrumentierung“, be- richtet Franz Hauk im Beiheft. Die einzelnen Sätze fanden sich verstreut in den Beständen der Bibliotheca civica in Bergamo, wo Mayrs Nachlass aufbewahrt wird, sowie an anderen Standorten – mitunter in Form von Einzelstimmen. Mit Spürsinn, Beharr- lichkeit und unter großen Mühen ist es gelungen, die Messe zu rekonstru- ieren und das Notenmaterial für eine Aufführung zu erstellen.
Das hat sich durchaus gelohnt, denn das „Requiem summum“, wie Hauk es nennt, erweist sich als ein überaus beeindruckendes Opus. Mit neun Sänger-Solisten, einem großen Chor und einem ebenso umfangreichen Orchester ist das Werk üppig besetzt. Zwei Sätze hat allerdings nicht Mayr, sondern Gaetano Donizetti (1797 bis 1848) komponiert. Er zeige „bereits in diesen frühen Werken eine eigenständige Handschrift, er kreiert Klang- flächen, mit einfachen Mittel erreicht Mayrs Schüler grandiose Klangwir- kungen“, urteilt Hauk. „Mayr hat Donizettis Partiturvorlage in einigen Stimmen umgeschrieben und ,korrigiert' – ein Problem für Verfechter eines sogenannten ,Urtextes'. Wir musizieren Donizettis Musik in der Mayr-Version.“ Dieses Requiem vereint Wiener Frömmigkeit und italie- nischen Schmelz – grandiose Musik, von den Solisten und vom Simon Mayr Chor und Ensemble unter Franz Hauk sehr hörenswert präsentiert.
Das hat sich durchaus gelohnt, denn das „Requiem summum“, wie Hauk es nennt, erweist sich als ein überaus beeindruckendes Opus. Mit neun Sänger-Solisten, einem großen Chor und einem ebenso umfangreichen Orchester ist das Werk üppig besetzt. Zwei Sätze hat allerdings nicht Mayr, sondern Gaetano Donizetti (1797 bis 1848) komponiert. Er zeige „bereits in diesen frühen Werken eine eigenständige Handschrift, er kreiert Klang- flächen, mit einfachen Mittel erreicht Mayrs Schüler grandiose Klangwir- kungen“, urteilt Hauk. „Mayr hat Donizettis Partiturvorlage in einigen Stimmen umgeschrieben und ,korrigiert' – ein Problem für Verfechter eines sogenannten ,Urtextes'. Wir musizieren Donizettis Musik in der Mayr-Version.“ Dieses Requiem vereint Wiener Frömmigkeit und italie- nischen Schmelz – grandiose Musik, von den Solisten und vom Simon Mayr Chor und Ensemble unter Franz Hauk sehr hörenswert präsentiert.
Dienstag, 5. Juli 2016
Accordato - Habsburg violin music ex Vienna (Pan Classics)
Die Handschrift XIV 726 des Wiener Minoritenkonvents enthält zahlreiche erlesene Musikstücke für die Violine. Damit zählt sie zu den bedeutendsten Quellen österreichischer Barock- musik. „Ein besonderes Merkmal aller im Konvolut vereinigten Sonaten ist die Forcierung des virtuosen Elements“, schreibt Gunar Letzbor, und sinniert: „Wer hat sich wohl die Arbeit gemacht, über hundert Sonaten mit der Hand zu Papier zu bringen, wenn nicht ein Geiger, der diese Sonaten selbst musizieren konnte? Es muss ein sehr guter Violinist gewesen sein, sonst hätte er nicht gerade diese anspruchs- volle Musik notiert.“
Letzbor hat mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria bereits zwei CD mit Werken aus dieser Handschrift veröfffentlicht. Eines dieser Programme widmete er anonym überlieferter Musik, das andere Stücken speziell für skordierte, umgestimmte, Violine. Im dritten Teil, zum Abschluss dieser Serie, spielt er Sonaten von Rupert Ignaz Mayr, Bonaventura Viviani, Antonio Bertali, Johann Caspar Teubner, Johann Heinrich Schmelzer und Heinrich Ignaz Franz Biber.
Die Einspielung ist erneut hörenswert, zumal die meisten Stücke bislang anderweitig noch nicht zugänglich sind. Auf die zukünftigen Entdeckun- gen dieses Ensembles darf man gespannt bleiben.
Letzbor hat mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria bereits zwei CD mit Werken aus dieser Handschrift veröfffentlicht. Eines dieser Programme widmete er anonym überlieferter Musik, das andere Stücken speziell für skordierte, umgestimmte, Violine. Im dritten Teil, zum Abschluss dieser Serie, spielt er Sonaten von Rupert Ignaz Mayr, Bonaventura Viviani, Antonio Bertali, Johann Caspar Teubner, Johann Heinrich Schmelzer und Heinrich Ignaz Franz Biber.
Die Einspielung ist erneut hörenswert, zumal die meisten Stücke bislang anderweitig noch nicht zugänglich sind. Auf die zukünftigen Entdeckun- gen dieses Ensembles darf man gespannt bleiben.
Montag, 4. Juli 2016
Jean-Nicolas Savary - The Stradivari of the Bassoon (Pan Classics)
Der Pariser Instrumentenbauer Jean-Nicolas Savary le jeune (1786 bis 1853) hat die Entwicklung des Fagot- tes entscheidend mit beeinflusst. Zeitgenossen galt er als „the Stradi- vari of the bassoon“, so Charles Russel Day 1891; seine Instrumente waren nicht nur in Frankreich, sondern auch in England sehr begehrt und wurden von den besten Musikern seiner Zeit gespielt. Es verwundert daher nicht, dass andere Werkstätten sich an diesen Fagotten mehr oder minder deutlich orientierten.
Mehr als 60 Fagotte des Instrumentenbauers sind bis zum heutigen Tage erhalten geblieben; einige davon sind auch noch spielbar. In einem For- schungsprojekt an der Hochschule der Künste Bern haben Musikwissen- schaftler Sebastian Werr und Fagottist Lyndon Watts diese Instrumente untersucht und festgestellt, dass eine Entwicklung vom Fagott des späten 18. Jahrhunderts hin zum typischen französischen Basson, mit seinem markanten Klang, zu verzeichnen ist. Verändert habe sich auch die Mechanik; sie wurde von acht auf 17 Klappen erweitert.
Savary le jeunes Originalinstrumente sind noch heute gesucht – nach- gebaut wurden sie aber bislang nicht. Das wollten die Forschenden ändern, mit dem Ziel, romantische Fagotte für den heutigen Spielbetrieb verfügbar zu machen. Sie fanden ein Savary-Fagott, das sich als Vorbild eignete. Der Schweizer Fagottbauer Walter Bassetto aus Frauenfeld fertigte dann ein Instrument an. Es wird wohl nicht das letzte gewesen sein; die Hochschule jedenfalls will zukünftig jungen Musikern die Auseinander- setzung mit französischer und italienischer Musik jener Zeit in historisch informierter Aufführungspraxis als Vertiefungsrichtung anbieten.
Auf dieser CD präsentiert Lyndon Watts den Savary-Nachbau; gemeinsam mit Edoardo Torbianelli, Hammerklavier, und Marion Treupel-Franck, Flöte, spielt er Werke von Giuseppe Tamplini (1817 bis 1888), Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827), Anton Reicha (1770 bis 1838) und Gioachino Rossini (1792 bis 1868).
Mehr als 60 Fagotte des Instrumentenbauers sind bis zum heutigen Tage erhalten geblieben; einige davon sind auch noch spielbar. In einem For- schungsprojekt an der Hochschule der Künste Bern haben Musikwissen- schaftler Sebastian Werr und Fagottist Lyndon Watts diese Instrumente untersucht und festgestellt, dass eine Entwicklung vom Fagott des späten 18. Jahrhunderts hin zum typischen französischen Basson, mit seinem markanten Klang, zu verzeichnen ist. Verändert habe sich auch die Mechanik; sie wurde von acht auf 17 Klappen erweitert.
Savary le jeunes Originalinstrumente sind noch heute gesucht – nach- gebaut wurden sie aber bislang nicht. Das wollten die Forschenden ändern, mit dem Ziel, romantische Fagotte für den heutigen Spielbetrieb verfügbar zu machen. Sie fanden ein Savary-Fagott, das sich als Vorbild eignete. Der Schweizer Fagottbauer Walter Bassetto aus Frauenfeld fertigte dann ein Instrument an. Es wird wohl nicht das letzte gewesen sein; die Hochschule jedenfalls will zukünftig jungen Musikern die Auseinander- setzung mit französischer und italienischer Musik jener Zeit in historisch informierter Aufführungspraxis als Vertiefungsrichtung anbieten.
Auf dieser CD präsentiert Lyndon Watts den Savary-Nachbau; gemeinsam mit Edoardo Torbianelli, Hammerklavier, und Marion Treupel-Franck, Flöte, spielt er Werke von Giuseppe Tamplini (1817 bis 1888), Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827), Anton Reicha (1770 bis 1838) und Gioachino Rossini (1792 bis 1868).
Sonntag, 3. Juli 2016
L'Harmonium excentrique de Karg-Elert (Gallo)
Sigfrid Karg-Elert (1877 bis 1933), eigentlich Siegfried Theodor Karg, verbrachte den größten Teil seines Lebens in Leipzig. Dort sang der Knabe im Chor der Johanniskirche, ging zum Klavierunterricht und komponierte erste Werke. Ein Stipendium ermöglichte es ihm, am Konservatorium zu studieren, wo unter anderem Carl Reinecke und Robert Teichmüller zu seinen Lehrern gehörten.
Ab 1901 wirkte Karg-Elert vor allem als Klavierlehrer; außerdem kompo- nierte er, überwiegend Klavier- und Kammermusik. In späteren Jahre wandte er sich zudem der Orgel zu. 1919 wurde er Dozent für Musiktheorie und Komposition am Leipziger Konser- vatorium, 1932 Professor. Im Dritten Reich allerdings wurde seine Musik überhaupt nicht geschätzt. Auch in der Nachkriegszeit entsprach sie nicht den Idealen, so dass sie jahrzehntelang wenig gespielt wurde. Mittlerweile ändert sich das. Und es lohnt sich, wie diese CD beweist.
Das Kunstharmonium ist ein Exot unter den Tasteninstrumenten. Karg-Elert, im Jahre 1904 durch den Musikverleger und Instrumentenhändler Carl Simon darauf hingewiesen, war begeistert – und spielte das Kunst- harmonium schon bald virtuos. Mit seinem farbenreichen Klang scheint es ein ideales Medium für seine Kompositionen gewesen zu sein. In Gesamt- werk Karg-Elerts hat die Musik für das Harmonium ganz besonderes Gewicht; niemand hat mehr Werke dafür geschaffen.
Auf dieser CD präsentiert Joris Verdin, von Haus aus eigentlich Organist, Karg-Elerts Kompositionen für Kunstharmonium op. 26, die Sonatine in e-Moll op. 14 Nr. 2 und die Intarsien op 76. Dafür hat er zwei Instrumente aus der Werkstatt von Victor Mustel ausgewählt – ein Harmonium aus dem Jahre 1891 sowie ein Orgue-Célesta von 1927. Letzteres kombiniert auf jeweils einem Manual Célesta und Harmonium. Karg-Elerts Musik erscheint weniger „exzentrisch“ als vielmehr geistreich und handwerklich ungemein gut gemacht. Grandios! Eine Einspielung, die rundum beein- druckt.
Ab 1901 wirkte Karg-Elert vor allem als Klavierlehrer; außerdem kompo- nierte er, überwiegend Klavier- und Kammermusik. In späteren Jahre wandte er sich zudem der Orgel zu. 1919 wurde er Dozent für Musiktheorie und Komposition am Leipziger Konser- vatorium, 1932 Professor. Im Dritten Reich allerdings wurde seine Musik überhaupt nicht geschätzt. Auch in der Nachkriegszeit entsprach sie nicht den Idealen, so dass sie jahrzehntelang wenig gespielt wurde. Mittlerweile ändert sich das. Und es lohnt sich, wie diese CD beweist.
Das Kunstharmonium ist ein Exot unter den Tasteninstrumenten. Karg-Elert, im Jahre 1904 durch den Musikverleger und Instrumentenhändler Carl Simon darauf hingewiesen, war begeistert – und spielte das Kunst- harmonium schon bald virtuos. Mit seinem farbenreichen Klang scheint es ein ideales Medium für seine Kompositionen gewesen zu sein. In Gesamt- werk Karg-Elerts hat die Musik für das Harmonium ganz besonderes Gewicht; niemand hat mehr Werke dafür geschaffen.
Auf dieser CD präsentiert Joris Verdin, von Haus aus eigentlich Organist, Karg-Elerts Kompositionen für Kunstharmonium op. 26, die Sonatine in e-Moll op. 14 Nr. 2 und die Intarsien op 76. Dafür hat er zwei Instrumente aus der Werkstatt von Victor Mustel ausgewählt – ein Harmonium aus dem Jahre 1891 sowie ein Orgue-Célesta von 1927. Letzteres kombiniert auf jeweils einem Manual Célesta und Harmonium. Karg-Elerts Musik erscheint weniger „exzentrisch“ als vielmehr geistreich und handwerklich ungemein gut gemacht. Grandios! Eine Einspielung, die rundum beein- druckt.
Samstag, 2. Juli 2016
Tartini's Violin (Dynamic)
Auf Tartinis Violine musiziert Črtomir Šiškovič, begleitet von Luca Ferrini an Cembalo und Orgel. Das ist keine geringe Ehre: Giuseppe Tartini (1692 bis 1770) gehört zu den großen Violinvirtuosen; mehr noch als seine Werke prägte aber sein Wirken als Musikpädagoge Generationen von Instrumentalisten. 1728 gründete er in Padua seine Geigenschule. Dort unterrichtete er Studenten aus ganz Europa – was Tartini den Beinamen „il maestro delle nazioni“ eintrug.
Über die Biographie des Musikers wurde in diesem Blog bereits an anderer Stelle berichtet. Er stammt aus Piran, im äußersten Südwesten Sloweniens; sein Geburtshaus ist heute ein Kulturzentrum. Dort gibt es auch einen Tartini-Raum mit Gegenständen, die an den Musiker erinnern. Zu sehen sind unter anderem ein Porträt, Linienzieher und Totenmaske des Musikers, diverse Handschriften und Dokumente – und vor allem Tartinis Geige.
Črtomir Šiškovič, geboren ganz in der Nähe im italienischen Triest, hat bei Dynamic bereits Sonaten Tartinis für Violine solo sowie eine CD mit Werken der Schüler des maestros veröffentlicht. Auf Tartinis Geige spielt er vier bekannte Sonaten seines berühmten Kollegen: Die Sonate in g-Moll op. 1 Nr. 10 „Didone abbandonata“, die Teufelstrillersonate, die Sonate in A-Dur „Pastorale“ und die Sonate in B-Dur „Staggion bella“. Šiškovič und Ferrini musizieren exzellent, und auch der Klang von Tartinis Geige beeindruckt. Das ist nicht selbstverständlich, denn Instrumente, die nur in der Vitrine (oder aber im Tresor) liegen, lassen sich teilweise überhaupt nicht mehr spielen. Tartinis Instrument ist glücklicherweise spielbar, und es klingt verblüffend hell und strahlend. Die Tiefe hingegen ist nicht ganz so ausdrucksstark, wie man sich das heute wünschen würde.
Man staunt ein wenig, denn im Beiheft zu dieser CD findet man zwar Texte über Tartinis Schaffen sowie über die beiden Musiker – über diese Geige aber findet sich dort keine Zeile. Das hat seinen Grund: Man weiß über diese Geige auch fast nichts; abgesehen davon, dass sie einst Tartinis Instrument war. Experten vermuten, dass sie von dem Geigenbauer Nicola Amati angefertigt worden ist; ein Zettel im Inneren jedenfalls soll besagen, dass sie aus Bologna kommt.
Über die Biographie des Musikers wurde in diesem Blog bereits an anderer Stelle berichtet. Er stammt aus Piran, im äußersten Südwesten Sloweniens; sein Geburtshaus ist heute ein Kulturzentrum. Dort gibt es auch einen Tartini-Raum mit Gegenständen, die an den Musiker erinnern. Zu sehen sind unter anderem ein Porträt, Linienzieher und Totenmaske des Musikers, diverse Handschriften und Dokumente – und vor allem Tartinis Geige.
Črtomir Šiškovič, geboren ganz in der Nähe im italienischen Triest, hat bei Dynamic bereits Sonaten Tartinis für Violine solo sowie eine CD mit Werken der Schüler des maestros veröffentlicht. Auf Tartinis Geige spielt er vier bekannte Sonaten seines berühmten Kollegen: Die Sonate in g-Moll op. 1 Nr. 10 „Didone abbandonata“, die Teufelstrillersonate, die Sonate in A-Dur „Pastorale“ und die Sonate in B-Dur „Staggion bella“. Šiškovič und Ferrini musizieren exzellent, und auch der Klang von Tartinis Geige beeindruckt. Das ist nicht selbstverständlich, denn Instrumente, die nur in der Vitrine (oder aber im Tresor) liegen, lassen sich teilweise überhaupt nicht mehr spielen. Tartinis Instrument ist glücklicherweise spielbar, und es klingt verblüffend hell und strahlend. Die Tiefe hingegen ist nicht ganz so ausdrucksstark, wie man sich das heute wünschen würde.
Man staunt ein wenig, denn im Beiheft zu dieser CD findet man zwar Texte über Tartinis Schaffen sowie über die beiden Musiker – über diese Geige aber findet sich dort keine Zeile. Das hat seinen Grund: Man weiß über diese Geige auch fast nichts; abgesehen davon, dass sie einst Tartinis Instrument war. Experten vermuten, dass sie von dem Geigenbauer Nicola Amati angefertigt worden ist; ein Zettel im Inneren jedenfalls soll besagen, dass sie aus Bologna kommt.