Musik von Johann Sebastian Bach, virtuos vorgetragen auf drei Blockflöten – das bietet diese CD aus dem Hause Hänssler Classic. „Es ist uns ein Vergnügen, diese Stücke, die Bach überwiegend für Tasten- instrumente geschrieben hat, mit Blockflöten zu spielen und sie damit dem großen Meister mit einem Augenzwinkern auf einer ,lebendi- gen Orgel' darzubieten“, schreibt Irmhild Beutler im Beiheft. Das Ensemble Dreiklang Berlin, in dem außerdem Martin Ripper und Sylvia Corinna Rosin mitwirken, spielt in der Tat so homogen, dass man mitunter meint, eine Orgel vor sich zu haben. Selbst die Ansprechgeräusche der Pfeifen sind zu hören.
Die ausgewählten Werke reichen von kleinen Stücken aus dem Noten- büchlein für Anna Magdalena Bach bis zu Fughetten und Fugen aus dem Clavierbüchlein für Wilhelm Friedemann, von den Französischen und Englischen Suiten bis hin zum Wohltemperierten Klavier und von den Inventionen und Sinfonien über die Triosonaten für Orgel bis hin zur Ouvertüre BWV 1067.
Dienstag, 30. Januar 2018
Mozart: Complete Flute Quartets (Alpha)
Einspielungen von Mozarts Flöten- quartetten gibt es in großer Zahl. Diese hier ist in einem spektakulären Konzertsaal entstanden: Die Ferme de Villefavard ist ein ehemaliger Bauernhof im Limousin; einen früheren Getreidespeicher dort haben Architekt Gilles Ebersoft und der renommierte Akustiker Albert Yaying Xu in einen Saal mit einer phantasti- schen Atmosphäre umgewandelt. In dieser ländlichen Idylle, fernab vom Lärm und vom Trubel der Großstadt, haben Juliette Hurel und das Qua- tuor Voce diese CD aufgenommen.
Juliette Hurel hat zahlreiche Wettbewerbe gewonnen, und ist seit 1998 Solo-Flötistin des Rotterdam Philharmonic Orchestra; seit 2010 unterrichtet sie zudem am Rotterdamer Konservatorium. Das Quatuor Voce, 2004 gegründet, wurde ebenfalls vielfach ausgezeichnet; es gehört zu den besten Streichquartetten Frankreichs.
Wenn sich derart renommierte Musiker zusammenfinden, dann erhofft man sich davon natürlich eine großartige Einspielung. In diesem Falle wurde ich aber ein wenig enttäuscht. Das liegt zum einen daran, dass diese Aufnahme auch akustisch die Flöte stark in den Vordergrund stellt. Man wünscht sich, Cécile Roubin bzw. Sarah Dayan, Violine – die sich fair in die Geigenparts teilen – Guillaume Becker, Viola und Lydia Shelley, Violoncello, weniger als Begleitformation, und viel deutlicher als Kammermusikpartner wahrnehmen zu können. Musikalisch würde sich das lohnen.
Gespielt wird frisch bis forsch, was heute offenbar modern ist – aber der Grat zwischen lebendig und hektisch ist mitunter ein sehr schmaler. Und mir persönlich ist ein sanglicher Mozart mit schönen Linien und gekonnter Phrasierung allemal lieber als ein bemüht origineller.
Juliette Hurel hat zahlreiche Wettbewerbe gewonnen, und ist seit 1998 Solo-Flötistin des Rotterdam Philharmonic Orchestra; seit 2010 unterrichtet sie zudem am Rotterdamer Konservatorium. Das Quatuor Voce, 2004 gegründet, wurde ebenfalls vielfach ausgezeichnet; es gehört zu den besten Streichquartetten Frankreichs.
Wenn sich derart renommierte Musiker zusammenfinden, dann erhofft man sich davon natürlich eine großartige Einspielung. In diesem Falle wurde ich aber ein wenig enttäuscht. Das liegt zum einen daran, dass diese Aufnahme auch akustisch die Flöte stark in den Vordergrund stellt. Man wünscht sich, Cécile Roubin bzw. Sarah Dayan, Violine – die sich fair in die Geigenparts teilen – Guillaume Becker, Viola und Lydia Shelley, Violoncello, weniger als Begleitformation, und viel deutlicher als Kammermusikpartner wahrnehmen zu können. Musikalisch würde sich das lohnen.
Gespielt wird frisch bis forsch, was heute offenbar modern ist – aber der Grat zwischen lebendig und hektisch ist mitunter ein sehr schmaler. Und mir persönlich ist ein sanglicher Mozart mit schönen Linien und gekonnter Phrasierung allemal lieber als ein bemüht origineller.
Wilhelm Friedemann Bach: Complete Organ Music / Complete Harpsichord Music (Brilliant Classics)
Johann Sebastians ältester Sohn Wilhelm Friedemann Bach (1710 bis 1784) galt zu Lebzeiten als seinem Vater ebenbürtiger Orgelvirtuose: „Deutschland hat an ihm seinen ersten Orgelspieler und die musikalische Welt überhaupt einen Mann verloren, dessen Verlust unersetzlich ist“, klagte beispiels- weise ein Nachruf im „Magazin der Musik“.
Mit seinem Anspruch und seiner Persönlichkeit freilich war Wilhelm Friedemann Bach kein unkomplizier- tes Dasein beschieden; über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog schon mehrfach berichtet. Leider sind dadurch auch nur sehr wenige seiner Kompositionen im Druck erschienen. Wer sich also mit dem Gesamtwerk auseinandersetzen möchte, der muss sich mit Handschriften beschäftigen.
Es ist bemerkenswert, dass immer wieder neue Funde gelingen, die das Bild komplettieren. So hat Filippo Turri Wilhelm Friedemann Bachs vollständiges Orgelwerk für Brilliant Classics in Padua an einer kleinen Truhenorgel von Luigi Patella aus dem Jahre 1998 und der Zanin-Orgel der Kirche Sant'Antonio Abate aus dem Jahre 2007 eingespielt. Zu hören sind auf den beiden CD 18 Fugen und sieben Choralvorspiele.
Claudio Astronio, der vor einiger Zeit bereits die Cembalokonzerte des Komponisten eingespielt hat, erkundete für Brilliant Classics nun sämtliche Musikstücke für Tasteninstrumente solo – und dabei stellte er auch vier weitere Choralvorspiele vor, die als Handschrift in der Litauischen Nationalbibliothek in Vilnius aufgespürt und transkribiert wurden. Dort fanden sich außerdem eine Ouvertüre, ein Menuett mit 13 Variationen, und etliche weitere kleinere Stücke, die auf CD 6 dieser Box sämtlich in Weltersteinspielung zu hören sind.
Einige Werke erklingen in beiden Editionen. Wie viele Komponisten seiner Zeit schrieb Wilhelm Friedemann Bach seine Werke für „Clavier“ – was vom Clavichord über Cembalo und Orgel bis hin zum Fortepiano eine ganze Reihe von Tasteninstrumenten einschloss. Es bedarf daher detektivischen Spürsinns, herauszufinden, für welches Instrument ein konkretes Werk entstanden sein könnte.
Astronio zeigt sich überzeugt, der „Hallesche Bach“ habe in erster Linie für das Cembalo komponiert. Und an diesem lassen sich natürlich auch die dreistimmigen Fugen spielen; warum Astronio allerdings die Fugen F31, F32 und F33 aufgenommen, die Fuge F34 hingegen ausgelassen hat, erschließt sich mir nicht.
In jedem Falle bietet diese Box mit insgesamt sechs CD den wohl derzeit umfassendsten Überblick über das Schaffen Wilhelm Friedemann Bachs für Tasteninstrumente solo. Enthalten sind neben den Fugen die Fantasien F14 bis F23, Sonaten, die zwölf Polonaisen F12, Polonaise und Trio F 13, das Concerto in G für Cembalo solo F40, und die Suite in g-Moll F24.
Mit seinem Anspruch und seiner Persönlichkeit freilich war Wilhelm Friedemann Bach kein unkomplizier- tes Dasein beschieden; über seinen Lebensweg wurde in diesem Blog schon mehrfach berichtet. Leider sind dadurch auch nur sehr wenige seiner Kompositionen im Druck erschienen. Wer sich also mit dem Gesamtwerk auseinandersetzen möchte, der muss sich mit Handschriften beschäftigen.
Es ist bemerkenswert, dass immer wieder neue Funde gelingen, die das Bild komplettieren. So hat Filippo Turri Wilhelm Friedemann Bachs vollständiges Orgelwerk für Brilliant Classics in Padua an einer kleinen Truhenorgel von Luigi Patella aus dem Jahre 1998 und der Zanin-Orgel der Kirche Sant'Antonio Abate aus dem Jahre 2007 eingespielt. Zu hören sind auf den beiden CD 18 Fugen und sieben Choralvorspiele.
Claudio Astronio, der vor einiger Zeit bereits die Cembalokonzerte des Komponisten eingespielt hat, erkundete für Brilliant Classics nun sämtliche Musikstücke für Tasteninstrumente solo – und dabei stellte er auch vier weitere Choralvorspiele vor, die als Handschrift in der Litauischen Nationalbibliothek in Vilnius aufgespürt und transkribiert wurden. Dort fanden sich außerdem eine Ouvertüre, ein Menuett mit 13 Variationen, und etliche weitere kleinere Stücke, die auf CD 6 dieser Box sämtlich in Weltersteinspielung zu hören sind.
Einige Werke erklingen in beiden Editionen. Wie viele Komponisten seiner Zeit schrieb Wilhelm Friedemann Bach seine Werke für „Clavier“ – was vom Clavichord über Cembalo und Orgel bis hin zum Fortepiano eine ganze Reihe von Tasteninstrumenten einschloss. Es bedarf daher detektivischen Spürsinns, herauszufinden, für welches Instrument ein konkretes Werk entstanden sein könnte.
Astronio zeigt sich überzeugt, der „Hallesche Bach“ habe in erster Linie für das Cembalo komponiert. Und an diesem lassen sich natürlich auch die dreistimmigen Fugen spielen; warum Astronio allerdings die Fugen F31, F32 und F33 aufgenommen, die Fuge F34 hingegen ausgelassen hat, erschließt sich mir nicht.
In jedem Falle bietet diese Box mit insgesamt sechs CD den wohl derzeit umfassendsten Überblick über das Schaffen Wilhelm Friedemann Bachs für Tasteninstrumente solo. Enthalten sind neben den Fugen die Fantasien F14 bis F23, Sonaten, die zwölf Polonaisen F12, Polonaise und Trio F 13, das Concerto in G für Cembalo solo F40, und die Suite in g-Moll F24.
Montag, 29. Januar 2018
Schubert: Forellenquintett (Deutsche Grammophon)
Die renommierte Geigerin Anne-Sophie Mutter, mittlerweile seit über 40 Jahren im Klassik-Geschäft, und der exzellente Pianist Daniil Trifonov, jetzt Mitte zwanzig, haben im Juni 2017 im Baden-Badener Festspiel- haus zusammen mit drei jungen Stipendiaten der Anne-Sophie Mutter Stiftung Schuberts Klavierquintett in A-Dur D 667 gespielt, allgemein bekannt als Forellenquintett. Auf dem Programm standen außerdem das Trio in Es-Dur Notturno D 897, ein kühnes spätes Werk für Violine, Cello und Klavier, sowie zwei bekannte Lieder des Komponisten, arrangiert als Encores.
„Die größten Werke der Musikgeschichte sind für kammermusikalische Besetzungen geschrieben“, sagt Anne-Sophie Mutter. „Aber nicht nur deshalb habe ich die Kammermusik schon immer geliebt und liebe sie immer mehr. Es gibt keine Musik von einer solchen Intimität und keine, die so viel Spontaneität erlaubt und Reaktionsfähigkeit benötigt.“
Mit Daniil Trifonov musizierte Anne-Sophie Mutter bei diesem Projekt zum ersten Mal gemeinsam. Beteiligt als Kammermusikpartner sind zudem Hwayoon Lee, Viola, Maximilian Hornung, Violoncello und Roman Patkoló, Kontrabass. Musiziert wird frisch und akzentuiert; festzustellen ist allerdings, dass die Geige und das Klavier sehr oft dominieren.
Auch in den beiden Zugaben zeigen Mutter und Trifonov, wie gut sie trotz des Generationen-Unterschieds miteinander harmonieren. „Es ist eine ganz eigene Literatur mit einem ganz besonderen Stil“, meint die Geigerin. Das Ave Maria beispielsweise hat Jascha Heifetz 1917 in sein Repertoire aufgenommen, und mehr als 200 Mal gespielt. „Das schöne Arrangement des Ständchens (..) bringt doch wunderbar die Einsamkeit, Dunkelheit und Melancholie zum Ausdruck, die über dem Lied liegen“, so Anne-Sophie Mutter. „Auch wenn Daniil, Franz Liszt und ich den Arrangeuren ein bisschen geholfen haben, um die Originale noch etwas besser durchscheinen zu lassen.“
„Die größten Werke der Musikgeschichte sind für kammermusikalische Besetzungen geschrieben“, sagt Anne-Sophie Mutter. „Aber nicht nur deshalb habe ich die Kammermusik schon immer geliebt und liebe sie immer mehr. Es gibt keine Musik von einer solchen Intimität und keine, die so viel Spontaneität erlaubt und Reaktionsfähigkeit benötigt.“
Mit Daniil Trifonov musizierte Anne-Sophie Mutter bei diesem Projekt zum ersten Mal gemeinsam. Beteiligt als Kammermusikpartner sind zudem Hwayoon Lee, Viola, Maximilian Hornung, Violoncello und Roman Patkoló, Kontrabass. Musiziert wird frisch und akzentuiert; festzustellen ist allerdings, dass die Geige und das Klavier sehr oft dominieren.
Auch in den beiden Zugaben zeigen Mutter und Trifonov, wie gut sie trotz des Generationen-Unterschieds miteinander harmonieren. „Es ist eine ganz eigene Literatur mit einem ganz besonderen Stil“, meint die Geigerin. Das Ave Maria beispielsweise hat Jascha Heifetz 1917 in sein Repertoire aufgenommen, und mehr als 200 Mal gespielt. „Das schöne Arrangement des Ständchens (..) bringt doch wunderbar die Einsamkeit, Dunkelheit und Melancholie zum Ausdruck, die über dem Lied liegen“, so Anne-Sophie Mutter. „Auch wenn Daniil, Franz Liszt und ich den Arrangeuren ein bisschen geholfen haben, um die Originale noch etwas besser durchscheinen zu lassen.“
Sonntag, 28. Januar 2018
Telemann: Lateinisches Magnificat (Christophorus)
Und noch ein Nachtrag zum Telemann-Jahr: Doch, tatsächlich – Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) hat einige wenige Werke mit Texten in lateinischer Sprache geschrieben. Das Ensemble Allabastrina unter Leitung von Elena Sartori hat diese Raritäten nun auf einer CD zusammengetragen. Laudate Jehovam omnes gentes TWV 7:25, eine Vertonung von Psalm 117, das elegante Deus judicium tuum TWV 7:7 nach Psalm 71, komponiert in französischem Stil während Telemanns Aufenthalt 1737/38 in Paris, und das Lateinische Magnificat TWV 9:17 werden ergänzt durch zwei klangvolle Concerti da Chiesa del Signor Telemann, appropriati all'orga- no dal Signor Walther.
von Ordonez: Symphonies (Deutsche Harmonia Mundi)
„In der Entfernung erfährt man nur von den ersten Künstlern, und oft begnügt man sich mit ihren Namen; wenn man aber diesem Sternen- himmel nähertritt und die von der zweiten und dritten Größe nun auch zu flimmern anfangen, und jeder auch als zum ganzen Sternbild gehörend hervortritt, dann wird die Welt weit und die Kunst reich.“ Was Goethe einst mit Blick auf die italienischen Maler und Bildhauer zu Papier brachte, das bezieht der Einführungstext für diese CD auf den Komponisten Karl von Ordoñez (1734 bis 1786) und auf sein Werk.
Auch wenn er in Wien zur Welt kam, so gehörte dieser dem niederen Adel Spaniens an. Aus diesem Grunde musste er sein Leben als kleiner Beamter fristen, denn eine Musikerlaufbahn hätte seinem Stand nicht entsprochen. Und so diente von Ordoñez brav als „Registrant beim niederösterreichi- schen Landrecht“ oder als „überzähliger Sekretär“, und pflegte die Musik als Leidenschaft und Hobby. Gestorben ist er leider relativ früh, in großer Armut und an Tuberkulose.
Karl von Ordoñez muss allerdings recht gut Geige gespielt haben, denn er musizierte in der Wiener Hofkapelle, und er war auch Mitglied der Tonkünstler-Societät, die eigentlich nur Berufsmusiker aufnahm. Außerdem schuf er zahlreiche Kompositionen; so sind allein mehr als 70 Sinfonien von ihm überliefert.
Eine Auswahl daraus präsentiert das Orchester L’Arte del Mondo unter Leitung von Werner Ehrhardt auf dieser mit Unterstützung von Bayer Kultur und in Koproduktion mit dem WDR entstandenen CD. In Weltersteinspielung erklingen die Sinfonien in B-Dur (Brown I:B2), C-Dur (Brown I:C13), f-moll (Brown I:F12) sowie D-Dur (Brown I:D5). Letztere, die Sinfonia Concertante Solenne, hat sieben Sätze, und ist auch durch ihre Besetzung mit Pauken und Trompeten außergewöhnlich. Vermutet wird, dass sie für einen feierlichen Gottesdienst geschaffen wurde. Das Siciliano zeichnet sich zudem durch einen Part für eine konzertante Solo-Violine aus; ob diesen von Ordoñez einst selbst gespielt hat, das freilich lässt sich heute nicht mehr beantworten.
L'Arte del Mondo musiziert für meinen Geschmack leider etwas rustikal; das klingt nicht durchweg schön, und dieser Zugriff wird den eleganten Werken, die man irgendwo bei Mozart und Haydn verorten würde, auch nicht wirklich gerecht. Schade.
Auch wenn er in Wien zur Welt kam, so gehörte dieser dem niederen Adel Spaniens an. Aus diesem Grunde musste er sein Leben als kleiner Beamter fristen, denn eine Musikerlaufbahn hätte seinem Stand nicht entsprochen. Und so diente von Ordoñez brav als „Registrant beim niederösterreichi- schen Landrecht“ oder als „überzähliger Sekretär“, und pflegte die Musik als Leidenschaft und Hobby. Gestorben ist er leider relativ früh, in großer Armut und an Tuberkulose.
Karl von Ordoñez muss allerdings recht gut Geige gespielt haben, denn er musizierte in der Wiener Hofkapelle, und er war auch Mitglied der Tonkünstler-Societät, die eigentlich nur Berufsmusiker aufnahm. Außerdem schuf er zahlreiche Kompositionen; so sind allein mehr als 70 Sinfonien von ihm überliefert.
Eine Auswahl daraus präsentiert das Orchester L’Arte del Mondo unter Leitung von Werner Ehrhardt auf dieser mit Unterstützung von Bayer Kultur und in Koproduktion mit dem WDR entstandenen CD. In Weltersteinspielung erklingen die Sinfonien in B-Dur (Brown I:B2), C-Dur (Brown I:C13), f-moll (Brown I:F12) sowie D-Dur (Brown I:D5). Letztere, die Sinfonia Concertante Solenne, hat sieben Sätze, und ist auch durch ihre Besetzung mit Pauken und Trompeten außergewöhnlich. Vermutet wird, dass sie für einen feierlichen Gottesdienst geschaffen wurde. Das Siciliano zeichnet sich zudem durch einen Part für eine konzertante Solo-Violine aus; ob diesen von Ordoñez einst selbst gespielt hat, das freilich lässt sich heute nicht mehr beantworten.
L'Arte del Mondo musiziert für meinen Geschmack leider etwas rustikal; das klingt nicht durchweg schön, und dieser Zugriff wird den eleganten Werken, die man irgendwo bei Mozart und Haydn verorten würde, auch nicht wirklich gerecht. Schade.
Donnerstag, 25. Januar 2018
Living on the edge (Genuin)
Das Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen – vorgetragen von einem Posaunen-Ensemble? Trombone Unit Hannover beweist auf dieser CD, dass so etwas möglich ist. Frederic Belli, Mateusz Dwulecki, Karol Gajda, Lars Karlin, Angelos Kritikos, Tomer Maschkowski, Tobias Schiessler, Mateusz Sczendzina und Michael Zühl haben neben dem Zyklus Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgski auch Musik aus Sergej Prokofjews Ballett Romeo und Julia sowie die populäre Feuerwerksmusik von Georg Friedrich Händel eingespielt. Dabei wurden sie unterstützt durch den Posaunisten Yuval Wolfson sowie Martin Hennecke, Dominik Minsch und Johannes Walter am Schlagzeug. Ein irrwitziges Programm – und trotzdem klingt das alles so soft, so entspannt und so rund, als wäre dieses Repertoire ein Spaziergang.
Doch ganz so einfach ist das offenbar nicht: „Leben an der Kante“, so haben die Mitglieder der Trombone Unit Hannover ihr zweites Album genannt. Veröffentlicht haben sie es fünf Jahre nach dem ersten, pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum des Bläserensembles. „Aus End-Zwanzigern sind Mitt-Dreißiger geworden, die Zahl der Familienväter ist von einem auf vier gestiegen und die Mitgliederzahl im ,Trombone Unit Kindergarten' hat sich ebenfalls von drei auf neun erhöht“, so beschreibt Frederic Belli die Veränderungen, die sich in diesem Zeitraum ergeben haben.
Eine Herausforderung ist es ohnehin, das Musizieren in einem Ensemble, dessen Mitglieder über ganz Deutschland verstreut leben und arbeiten. Und auch das Programm, das Trombone Unit sich für diese CD ausgesucht hat, ist ohne Zweifel „on the edge“. Verantwortlich ist dafür nicht zuletzt Lars Karlin, der Arrangeur. „Was die Stücke betrifft, die ich für die Trombone Unit geschrieben habe, so hätte ich sie niemals für irgendein anderes Ensemble schreiben können“, räumt der Posaunist ein. „Niemand hätte so etwas akzeptiert! Viele der späteren Arrangements sind so nah an der Grenze sowohl der musikalischen als auch der technischen Möglichkeiten, dass ich mich selbst frage, wie das enden soll.“
Seine Bearbeitungen, so Karlin, sollen möglichst wie das Original klingen – und so will der Musiker auch möglichst wenig aus der originalen Partitur weglassen. Das bringt für Blechbläser einige Probleme mit sich: „Diese Person ist verantwortlich für unmenschliche Höhen und Tiefen auf unseren Instrumenten, technische Passagen, die weder auf den ersten, noch auf den zweiten oder dritten Blick möglich zu sein scheinen“, so wiederum Frederic Belli. „Er schreibt als Anweisung in den Noten zum Beispiel ,Jetzt oder nie!' oder ,wenn der erste Alt stirbt, spiele die nächst höhere Stimme' oder ,spiele das hohe F nur, wenn Du die Kraft dazu hast :-)'.“
„Als Arrangeur der Trombone Unit versuche ich Musik zu schreiben, die für das Ensemble auf den ersten Blick immer zu schwer aussieht. Nach mehrmaligem Durchspielen wird dann klar, dass sie doch machbar und irgendwann für die Spieler sogar ganz normal ist. Mit der Zeit erkennen das auch die Ensemblemitglieder“, meint wiederum Karlin. „Die Grenzen sind immer fließend, wenn man bereit ist, das Ensemble ein wenig anzustoßen.“
Diese Neckereien verbergen ein wenig den Ehrgeiz, trotz aller Schwierigkeiten erstklassige Qualität zu erreichen. Und das hat schon auch seine Tücken, wie die Musiker verraten. So entstand die Bläserversion der Bilder einer Ausstellung seinerzeit für ein Konzert im Jahre 2009 auf Wunsch von Frederic Belli.
Karlin zweifelte sehr daran, dass Ravels bombastische Orchestrierung auf acht Posaunen zu übertragen sein wird. Versuch macht klug, so der Musiker: „Also besorgte ich mir die Partitur und fing an. Ich begann spät und arbeitete Tag und Nacht, eine ganze Woche lang. Frederic weckte mich jeden Morgen per Telefon, so dass ich mit dem Arrangieren fortfahren konnte. Die Transkription wurde rechtzeitig fertig... zwei volle Tage vor dem Konzert!“, erinnert sich Lars Karlin. „Ich werde gar nicht erst versuchen, das Gesicht von Tobias zu beschreiben,als er seine Partie der Altposaune I bei der ersten Probe übte. Unvergesslich...“ Der Aufwand freilich lohnt sich. Denn die Klangpracht, die das Ensemble aufbieten kann, ist unvergleichlich.
Doch ganz so einfach ist das offenbar nicht: „Leben an der Kante“, so haben die Mitglieder der Trombone Unit Hannover ihr zweites Album genannt. Veröffentlicht haben sie es fünf Jahre nach dem ersten, pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum des Bläserensembles. „Aus End-Zwanzigern sind Mitt-Dreißiger geworden, die Zahl der Familienväter ist von einem auf vier gestiegen und die Mitgliederzahl im ,Trombone Unit Kindergarten' hat sich ebenfalls von drei auf neun erhöht“, so beschreibt Frederic Belli die Veränderungen, die sich in diesem Zeitraum ergeben haben.
Eine Herausforderung ist es ohnehin, das Musizieren in einem Ensemble, dessen Mitglieder über ganz Deutschland verstreut leben und arbeiten. Und auch das Programm, das Trombone Unit sich für diese CD ausgesucht hat, ist ohne Zweifel „on the edge“. Verantwortlich ist dafür nicht zuletzt Lars Karlin, der Arrangeur. „Was die Stücke betrifft, die ich für die Trombone Unit geschrieben habe, so hätte ich sie niemals für irgendein anderes Ensemble schreiben können“, räumt der Posaunist ein. „Niemand hätte so etwas akzeptiert! Viele der späteren Arrangements sind so nah an der Grenze sowohl der musikalischen als auch der technischen Möglichkeiten, dass ich mich selbst frage, wie das enden soll.“
Seine Bearbeitungen, so Karlin, sollen möglichst wie das Original klingen – und so will der Musiker auch möglichst wenig aus der originalen Partitur weglassen. Das bringt für Blechbläser einige Probleme mit sich: „Diese Person ist verantwortlich für unmenschliche Höhen und Tiefen auf unseren Instrumenten, technische Passagen, die weder auf den ersten, noch auf den zweiten oder dritten Blick möglich zu sein scheinen“, so wiederum Frederic Belli. „Er schreibt als Anweisung in den Noten zum Beispiel ,Jetzt oder nie!' oder ,wenn der erste Alt stirbt, spiele die nächst höhere Stimme' oder ,spiele das hohe F nur, wenn Du die Kraft dazu hast :-)'.“
„Als Arrangeur der Trombone Unit versuche ich Musik zu schreiben, die für das Ensemble auf den ersten Blick immer zu schwer aussieht. Nach mehrmaligem Durchspielen wird dann klar, dass sie doch machbar und irgendwann für die Spieler sogar ganz normal ist. Mit der Zeit erkennen das auch die Ensemblemitglieder“, meint wiederum Karlin. „Die Grenzen sind immer fließend, wenn man bereit ist, das Ensemble ein wenig anzustoßen.“
Diese Neckereien verbergen ein wenig den Ehrgeiz, trotz aller Schwierigkeiten erstklassige Qualität zu erreichen. Und das hat schon auch seine Tücken, wie die Musiker verraten. So entstand die Bläserversion der Bilder einer Ausstellung seinerzeit für ein Konzert im Jahre 2009 auf Wunsch von Frederic Belli.
Karlin zweifelte sehr daran, dass Ravels bombastische Orchestrierung auf acht Posaunen zu übertragen sein wird. Versuch macht klug, so der Musiker: „Also besorgte ich mir die Partitur und fing an. Ich begann spät und arbeitete Tag und Nacht, eine ganze Woche lang. Frederic weckte mich jeden Morgen per Telefon, so dass ich mit dem Arrangieren fortfahren konnte. Die Transkription wurde rechtzeitig fertig... zwei volle Tage vor dem Konzert!“, erinnert sich Lars Karlin. „Ich werde gar nicht erst versuchen, das Gesicht von Tobias zu beschreiben,als er seine Partie der Altposaune I bei der ersten Probe übte. Unvergesslich...“ Der Aufwand freilich lohnt sich. Denn die Klangpracht, die das Ensemble aufbieten kann, ist unvergleichlich.
Dienstag, 23. Januar 2018
Geliebte Dorette. Spohr: Works for violin and harp (Stradivarius)
Diese CD lädt ein zum Ausflug in die Geschichte der Harfe, und zwar in eine Zeit, da die Hakenharfe von der Einfach-Pedalharfe abgelöst wurde. Letztere ermöglichte es, durch das Treten von Pedalen Harfensaiten beim Spielen zu verkürzen, und so ihren Ton bei Bedarf um einen Halbton zu erhöhen.
Maria Christina Cleary, die gemeinsam mit dem Geiger Davide Monti diese CD eingespielt hat, gehört zu den Spezialistinnen für solche historischen Instrumente. Sie hat in Leiden mit einer Arbeit zur Rekonstruktion der komplizierten Pedaltechniken für diese sogenannte Harpe organisée promoviert.
Angeregt wurde sie dazu durch ihre Beschäftigung mit Musikstücken, die Louis Spohr (1784 bis 1859) einst für seine Gattin komponierte – und die Cleary zunächst unspielbar fand. Dorothée Henriette Scheidler (1787 bis 1834), Tochter des Cellisten und Komponisten Johann David Scheidler, wuchs im thüringischen Gotha in einem unglaublich musikalischen Umfeld auf. Auch zwei ihrer Onkel musizierten wie ihr Vater in der (exzellenten) Hofkapelle, und ihre Mutter war dort als Sängerin engagiert.
Dorette, wie die junge Musikerin gerufen wurde, spielte Geige und Klavier. Ihr wichtigstes Instrument aber war die Harfe; sie galt als eine der besten Harfenistinnen ihrer Zeit. Im Oktober 1805 wurde Louis Spohr Konzertmeister am Gothaer Hof. Und schon bald fragte er seine adrette Kollegin: „Wollen wir so fürs Leben miteinander musizieren?“ Im Februar 1806 heirateten die beiden, und sie musizierten in der Tat sehr viel miteinander. Zahlreiche Werke widmete Spohr seiner Dorette, mit der er auch gemeinsam auf Konzertreisen ging.
Einige davon stellen Davide Monti und Maria Christina Cleary auf dieser CD vor. So erklingen die Sonate WoO 23 und die Grande Sonate pour La Harpe et la Violon op. 16. Die Sonate Concertante op. 115 und die Fantaisie sur des Thêmes de Händel at Abbé Vogler op. 118 sind auf dieser CD sogar zum ersten Male in Originaltonart zu hören.
Dazu nutzen die Musiker einen Effekt, den Spohr in seinen Memoiren wie folgt beschreibt: „Ich kam auf die Idee, die Harfe einen halben Ton tiefer als die Violine zu stimmen. Dadurch gewann ich zweierlei. Da nämlich die Geige am brillantesten in den Kreuztönen klingt, die Harfe aber am besten in den B-Tönen, wenn möglichst wenig Pedale getreten werden, so erhielt ich dadurch für beide Instrumente die günstigsten und effekt- vollsten Tonarten: für Geige nämlich D und G, für Harfe Es und As. (..) Ich schrieb daher von nun an alle meine Kompositionen für Harfe und Violine in solcher verschiedener Stimmung.“
Maria Christina Cleary, die gemeinsam mit dem Geiger Davide Monti diese CD eingespielt hat, gehört zu den Spezialistinnen für solche historischen Instrumente. Sie hat in Leiden mit einer Arbeit zur Rekonstruktion der komplizierten Pedaltechniken für diese sogenannte Harpe organisée promoviert.
Angeregt wurde sie dazu durch ihre Beschäftigung mit Musikstücken, die Louis Spohr (1784 bis 1859) einst für seine Gattin komponierte – und die Cleary zunächst unspielbar fand. Dorothée Henriette Scheidler (1787 bis 1834), Tochter des Cellisten und Komponisten Johann David Scheidler, wuchs im thüringischen Gotha in einem unglaublich musikalischen Umfeld auf. Auch zwei ihrer Onkel musizierten wie ihr Vater in der (exzellenten) Hofkapelle, und ihre Mutter war dort als Sängerin engagiert.
Dorette, wie die junge Musikerin gerufen wurde, spielte Geige und Klavier. Ihr wichtigstes Instrument aber war die Harfe; sie galt als eine der besten Harfenistinnen ihrer Zeit. Im Oktober 1805 wurde Louis Spohr Konzertmeister am Gothaer Hof. Und schon bald fragte er seine adrette Kollegin: „Wollen wir so fürs Leben miteinander musizieren?“ Im Februar 1806 heirateten die beiden, und sie musizierten in der Tat sehr viel miteinander. Zahlreiche Werke widmete Spohr seiner Dorette, mit der er auch gemeinsam auf Konzertreisen ging.
Einige davon stellen Davide Monti und Maria Christina Cleary auf dieser CD vor. So erklingen die Sonate WoO 23 und die Grande Sonate pour La Harpe et la Violon op. 16. Die Sonate Concertante op. 115 und die Fantaisie sur des Thêmes de Händel at Abbé Vogler op. 118 sind auf dieser CD sogar zum ersten Male in Originaltonart zu hören.
Dazu nutzen die Musiker einen Effekt, den Spohr in seinen Memoiren wie folgt beschreibt: „Ich kam auf die Idee, die Harfe einen halben Ton tiefer als die Violine zu stimmen. Dadurch gewann ich zweierlei. Da nämlich die Geige am brillantesten in den Kreuztönen klingt, die Harfe aber am besten in den B-Tönen, wenn möglichst wenig Pedale getreten werden, so erhielt ich dadurch für beide Instrumente die günstigsten und effekt- vollsten Tonarten: für Geige nämlich D und G, für Harfe Es und As. (..) Ich schrieb daher von nun an alle meine Kompositionen für Harfe und Violine in solcher verschiedener Stimmung.“
Montag, 22. Januar 2018
Godowsky: Studies on Chopin Op. 10 (Piano Classics)
Leopold Godowsky (1870
bis 1938) war selbst zu Lebzeiten, wo es an brillanten Pianisten
wahrlich nicht mangelte, ein Solitär.
Sein außergewöhnlicher Lebensweg – über den in diesem Blog bereits an anderer Stelle ausführlich berichtet wurde – und seine Neigung dazu, technisch durchaus anspruchsvolle Klaviermusik anderer Komponisten so zu bearbeiten, dass sie geradezu irrwitzig schwierig wird, sind einzigartig.
Ein gutes Beispiel dafür sind Godowskys Studien über die Etüden op. 10 von Frédéric Chopin. Diese Kompositionen, bescheiden getarnt als Fingerübungen, spielen mit Chopins Originalen. Es ist eine Musik, die ganz sicher von Chopin inspiriert ist, aber die Etüden letztendlich doch sehr frei weiterspinnt – und sie nebenher großzügig mit Höchstschwierig- keiten spickt. Godowskys Studien stellen höchste Anforderungen sowohl an die technischen Fertigkeiten als auch an die Ausdrucksfähigkeit eines Pianisten.
Emanuele Delucchi, Jahrgang 1987, hat diese halsbrecherisch komplexen Klavierwerke innerhalb von zwei Tagen im Studio eingespielt. Auf dieser CD präsentiert der vielfach preisgekrönte junge Musiker den Zyklus umfassend, und das bedeutet in diesem Falle inklusive sämtlicher Alternativ-Fassungen. Von einzelnen Etüden gibt es bis zu sieben Bearbeitungen, darunter auch zahlreiche Transkriptionen für die linke Hand, die zum kniffligsten Repertoire für Klavier überhaupt zählen. Es gibt nicht viele Instrumentalisten, die sich an dieses Repertoire überhaupt heranwagen.
Sein außergewöhnlicher Lebensweg – über den in diesem Blog bereits an anderer Stelle ausführlich berichtet wurde – und seine Neigung dazu, technisch durchaus anspruchsvolle Klaviermusik anderer Komponisten so zu bearbeiten, dass sie geradezu irrwitzig schwierig wird, sind einzigartig.
Ein gutes Beispiel dafür sind Godowskys Studien über die Etüden op. 10 von Frédéric Chopin. Diese Kompositionen, bescheiden getarnt als Fingerübungen, spielen mit Chopins Originalen. Es ist eine Musik, die ganz sicher von Chopin inspiriert ist, aber die Etüden letztendlich doch sehr frei weiterspinnt – und sie nebenher großzügig mit Höchstschwierig- keiten spickt. Godowskys Studien stellen höchste Anforderungen sowohl an die technischen Fertigkeiten als auch an die Ausdrucksfähigkeit eines Pianisten.
Emanuele Delucchi, Jahrgang 1987, hat diese halsbrecherisch komplexen Klavierwerke innerhalb von zwei Tagen im Studio eingespielt. Auf dieser CD präsentiert der vielfach preisgekrönte junge Musiker den Zyklus umfassend, und das bedeutet in diesem Falle inklusive sämtlicher Alternativ-Fassungen. Von einzelnen Etüden gibt es bis zu sieben Bearbeitungen, darunter auch zahlreiche Transkriptionen für die linke Hand, die zum kniffligsten Repertoire für Klavier überhaupt zählen. Es gibt nicht viele Instrumentalisten, die sich an dieses Repertoire überhaupt heranwagen.
Loewe: Balladen (Brilliant Classics)
Aus den Schatzkammern des VEB Deutsche Schallplatten Berlin – Alleinhersteller von Tonträgern in der DDR – stammen diese Aufnahmen von Balladen Carl Loewes (1796 bis 1869). Zu hören ist zunächst der Tenor Eberhard Büchner, begleitet am Klavier von Norman Shetler. Er singt Die Heinzelmännchen sowie Der verliebte Maikäfer; aufgezeichnet wurden diese heiteren Werke 1983.
Die nachfolgenden Balladen werden gesungen von Bassbariton Theo Adam, am Klavier zu hören ist hier Rudolf Dunckel. Die Einspielung stammt aus dem Jahre 1968, und sie enthält einige der bekanntesten Balladen Loewes wie Der Wirtin Töchterlein, Prinz Eugen, Der Nöck, Heinrich der Vogler, Tom der Reimer, Erlkönig, entstanden übrigens ein Jahr vor Schuberts Version, sowie Die Uhr. Die CD ist ausgesprochen hörenswert, denn die Interpretationen der beiden Sänger bleiben auch nach all den Jahren exquisit.
Die nachfolgenden Balladen werden gesungen von Bassbariton Theo Adam, am Klavier zu hören ist hier Rudolf Dunckel. Die Einspielung stammt aus dem Jahre 1968, und sie enthält einige der bekanntesten Balladen Loewes wie Der Wirtin Töchterlein, Prinz Eugen, Der Nöck, Heinrich der Vogler, Tom der Reimer, Erlkönig, entstanden übrigens ein Jahr vor Schuberts Version, sowie Die Uhr. Die CD ist ausgesprochen hörenswert, denn die Interpretationen der beiden Sänger bleiben auch nach all den Jahren exquisit.
Lieder im Volkston (Oehms Classics)
Gar nicht wenige jener Melodien, die wir heute als Volkslieder singen, haben in Wahrheit Komponisten erdacht. Johannes Brahms beispielsweise verdanken wir etliche „Volksweisen“. Und Der Mond ist aufgegangen, ein Lied, das selbst heute noch wirklich jeder kennt, hat Johann Abraham Peter Schulz nach einem Gedicht von Matthias Claudius geschrieben. Wer sich dafür interessiert, der kann beim Liederprojekt von Carus noch viele weitere Beispiele dafür finden, dass Volkslieder mitnichten uraltes Erbe sind.
Im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Gesangsvereine und der Sängerfeste, waren Lieder, die sich durch volksnahe Texte und Melodien von edler Einfachheit auszeichneten, sehr gefragt. Und so kam im Jahre 1903 die Berliner Zeitschrift „Die Woche“, erschienen von 1899 bis 1944 im Verlag August Scherl, auf die Idee, einen Kompositionswettbewerb auszuschreiben: Gesucht waren neue Lieder, und sie sollten „im Volkston“ erdacht sein, „im einfachsten Rahmen und mit den einfachsten Mitteln“.
Beim ersten Versuch schrieb die Redaktion gezielt Komponisten an und bat um Beiträge. Diese erschienen dann in einem Sonderheft, mit dem Titel „Im Volkston“ – und weil die Werke der Profis der Zeitschrift noch viel zu anspruchsvoll erschienen, lud „Die Woche“ beim zweiten Versuch einfach das Volk ein, sich zu beteiligen. Eine Jury wurde bestimmt, die aus 8.859 (!) Einsendungen 30 auswählte, die dann in einem zweiten Sonderheft veröffentlicht wurden. Das Publikum erhielt Stimmzettel in Postkartenform, und konnte somit seine Favoriten wählen, die schließlich mit Geldprämien ausgezeichnet wurden.
Die Resonanz war sagenhaft – mehr als 50.000 Stimmzettel schickten die Leser innerhalb kurzer Zeit an den Verlag. Und so erschien dann noch ein weiteres Sonderheft mit Wettbewerbsbeiträgen, die „wenig mehr dem Kunstlied zustrebten“. Auch dieser Zeitschrift lag eine Stimmzettel-Postkarte bei; allerdings scheint der Erfolg dieser dritten Edition nicht mehr so groß gewesen zu sein. Denn einen Nachfolger gab es dann nicht mehr.
Dieser Aktion hat sich jetzt das Label Oehms Classics angenommen. Es präsentiert auf CD die Lieder aus dem ersten „Die Woche“-Sonderheft von 1903 – mit Ausnahme eines Beitrages für vierstimmigen Chor. Er wurde durch Waldeinsamkeit von Max Reger ersetzt – ein Lied, das der Komponist seinerzeit für den Wettbewerb einschickte, das aber „bei der Preiskonkurrenz der Woche durchgefallen“ ist, wie der empörte Reger anmerkte.
Und weil der Komponist von seiner Idee so überzeugt war, veröffentlichte er in den kommenden Jahren in sechs Bänden insgesamt 60 Lieder unter dem Titel Schlichte Weisen. Darunter war sogar eines, das tatsächlich fast zu einem Volkslied wurde: Mariä Wiegenlied; heißgeliebt vielleicht gerade aufgrund seiner Finessen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die musikalische Qualität der auf diesem Album vorgestellten Lieder ist aber generell meistens überraschend hoch – trotz aller Kürze und trotz der Einschränkungen durch die Wettbewerbsbedingungen. Enthalten sind Werke unter anderem von Hans Pfitzner, Robert Kahn, Eugen d'Albert, Siegfried Ochs, Ludwig Thuille, Siegfried Wagner , Engelbert Humper- dinck oder Carl Reinecke.
Vorgetragen werden die Lieder mit großer Sorgfalt durch Regula Mühlemann, Sopran, Okka von der Damerau, Mezzosopran, Wolfgang Schwaiger, Bariton, und Tareq Nazmi, Bass. Am Klavier begleitet Adrian Baianu. Es ist dies eine wunderschöne Einspielung, von allen Beteiligten liebevoll gestaltet. Auf die Fortsetzung mit den Liedern im Volkston der Sonderhefte zwei und drei darf man schon heute gespannt sein. Und wer die Lieder nachsingen und -spielen möchte – genau dafür waren sie einst gedacht – der wird sich sehr über die begleitende Notenedition freuen.
Im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Gesangsvereine und der Sängerfeste, waren Lieder, die sich durch volksnahe Texte und Melodien von edler Einfachheit auszeichneten, sehr gefragt. Und so kam im Jahre 1903 die Berliner Zeitschrift „Die Woche“, erschienen von 1899 bis 1944 im Verlag August Scherl, auf die Idee, einen Kompositionswettbewerb auszuschreiben: Gesucht waren neue Lieder, und sie sollten „im Volkston“ erdacht sein, „im einfachsten Rahmen und mit den einfachsten Mitteln“.
Beim ersten Versuch schrieb die Redaktion gezielt Komponisten an und bat um Beiträge. Diese erschienen dann in einem Sonderheft, mit dem Titel „Im Volkston“ – und weil die Werke der Profis der Zeitschrift noch viel zu anspruchsvoll erschienen, lud „Die Woche“ beim zweiten Versuch einfach das Volk ein, sich zu beteiligen. Eine Jury wurde bestimmt, die aus 8.859 (!) Einsendungen 30 auswählte, die dann in einem zweiten Sonderheft veröffentlicht wurden. Das Publikum erhielt Stimmzettel in Postkartenform, und konnte somit seine Favoriten wählen, die schließlich mit Geldprämien ausgezeichnet wurden.
Die Resonanz war sagenhaft – mehr als 50.000 Stimmzettel schickten die Leser innerhalb kurzer Zeit an den Verlag. Und so erschien dann noch ein weiteres Sonderheft mit Wettbewerbsbeiträgen, die „wenig mehr dem Kunstlied zustrebten“. Auch dieser Zeitschrift lag eine Stimmzettel-Postkarte bei; allerdings scheint der Erfolg dieser dritten Edition nicht mehr so groß gewesen zu sein. Denn einen Nachfolger gab es dann nicht mehr.
Dieser Aktion hat sich jetzt das Label Oehms Classics angenommen. Es präsentiert auf CD die Lieder aus dem ersten „Die Woche“-Sonderheft von 1903 – mit Ausnahme eines Beitrages für vierstimmigen Chor. Er wurde durch Waldeinsamkeit von Max Reger ersetzt – ein Lied, das der Komponist seinerzeit für den Wettbewerb einschickte, das aber „bei der Preiskonkurrenz der Woche durchgefallen“ ist, wie der empörte Reger anmerkte.
Und weil der Komponist von seiner Idee so überzeugt war, veröffentlichte er in den kommenden Jahren in sechs Bänden insgesamt 60 Lieder unter dem Titel Schlichte Weisen. Darunter war sogar eines, das tatsächlich fast zu einem Volkslied wurde: Mariä Wiegenlied; heißgeliebt vielleicht gerade aufgrund seiner Finessen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die musikalische Qualität der auf diesem Album vorgestellten Lieder ist aber generell meistens überraschend hoch – trotz aller Kürze und trotz der Einschränkungen durch die Wettbewerbsbedingungen. Enthalten sind Werke unter anderem von Hans Pfitzner, Robert Kahn, Eugen d'Albert, Siegfried Ochs, Ludwig Thuille, Siegfried Wagner , Engelbert Humper- dinck oder Carl Reinecke.
Vorgetragen werden die Lieder mit großer Sorgfalt durch Regula Mühlemann, Sopran, Okka von der Damerau, Mezzosopran, Wolfgang Schwaiger, Bariton, und Tareq Nazmi, Bass. Am Klavier begleitet Adrian Baianu. Es ist dies eine wunderschöne Einspielung, von allen Beteiligten liebevoll gestaltet. Auf die Fortsetzung mit den Liedern im Volkston der Sonderhefte zwei und drei darf man schon heute gespannt sein. Und wer die Lieder nachsingen und -spielen möchte – genau dafür waren sie einst gedacht – der wird sich sehr über die begleitende Notenedition freuen.
Samstag, 20. Januar 2018
Abel: Symphonies op. 7 (cpo)
Eine Sinfonie von Carl Friedrich Abel (1723 bis 1787) wurde lange für ein Werk von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) gehalten. Der Achtjährige hatte sie 1764 bei seinem Aufenthalt in London eigenhändig kopiert, um sich zu üben und daran zu lernen. Insbesondere der Mittelsatz dieser Sinfonie scheint das Wunderkind tief beeindruckt zu haben.
Michael Schneider spürt mit seinem Ensemble La Stagione Frankfurt solch musikalischen Verwandt- schaften nach. Die Auseinander- setzung mit dem Schaffen Abels führt in ein interessantes Kapitel der Musikgeschichte: Ursprünglich waren Sinfonien Vorspiele, Ouvertüren, die die Aufmerksamkeit des Publikums erwecken und auf ein nachfol- gendes, gewichtiges Werk lenken sollten. Zum Ende des 18. Jahrhunderts aber wurde die Sinfonie zu einem selbständigen und höchst bedeutenden Genre; bereits in der Wiener Klassik erlebte sie in der erneuerten Form eine erste Blütezeit.
Die vorliegende Aufnahme mit den sechs Sinfonien op. VII führt uns zu den Anfängen dieser Entwicklung: „Was Abels Sinfonien so unver- wechselbar macht unter denen seiner Zeitgenossen, sind also nicht deren Kopfsätze in (später so genannter) Sonatenform, auch nicht seine Finalsätze, die ausnahmslos und meist in Rondoform geradezu volkstümliche Tänze wie schnelle Kontretänze oder Menuette darstellen: es sind vielmehr seine langsamen Mittelsätze, die – zumeist als Andante bezeichnet und häufig in ,sempre piano'-Dynamik – eine neue und durchaus eigene Musiksprache sprechen“, schreibt Michael Schneider im Beiheft zu dieser CD. „Und von diesen sind es auch nicht in erster Linie jene galanten oder empfindsamen Beispiele wie die aus den Sinfonien G-Dur oder C-Dur , sondern die geradezu ,hymnischen' liedartigen Sätze für Streicher alleine wie die aus den in Sinfonien B-Dur und F-Dur.“
Die Musiker von La Stagione Frankfurt verstehen ihr Metier, und sie präsentieren Abels Sinfonien hinreißend. Dabei betont Schneider besonders die Tatsache, dass diese Werke kontinentale und englische Traditionen verbinden. Falls sich aber nun jemand für Musikgeschichte nicht interessiert – man kann diese Einspielung auch einfach so genießen. Es lohnt sich!
Michael Schneider spürt mit seinem Ensemble La Stagione Frankfurt solch musikalischen Verwandt- schaften nach. Die Auseinander- setzung mit dem Schaffen Abels führt in ein interessantes Kapitel der Musikgeschichte: Ursprünglich waren Sinfonien Vorspiele, Ouvertüren, die die Aufmerksamkeit des Publikums erwecken und auf ein nachfol- gendes, gewichtiges Werk lenken sollten. Zum Ende des 18. Jahrhunderts aber wurde die Sinfonie zu einem selbständigen und höchst bedeutenden Genre; bereits in der Wiener Klassik erlebte sie in der erneuerten Form eine erste Blütezeit.
Die vorliegende Aufnahme mit den sechs Sinfonien op. VII führt uns zu den Anfängen dieser Entwicklung: „Was Abels Sinfonien so unver- wechselbar macht unter denen seiner Zeitgenossen, sind also nicht deren Kopfsätze in (später so genannter) Sonatenform, auch nicht seine Finalsätze, die ausnahmslos und meist in Rondoform geradezu volkstümliche Tänze wie schnelle Kontretänze oder Menuette darstellen: es sind vielmehr seine langsamen Mittelsätze, die – zumeist als Andante bezeichnet und häufig in ,sempre piano'-Dynamik – eine neue und durchaus eigene Musiksprache sprechen“, schreibt Michael Schneider im Beiheft zu dieser CD. „Und von diesen sind es auch nicht in erster Linie jene galanten oder empfindsamen Beispiele wie die aus den Sinfonien G-Dur oder C-Dur , sondern die geradezu ,hymnischen' liedartigen Sätze für Streicher alleine wie die aus den in Sinfonien B-Dur und F-Dur.“
Die Musiker von La Stagione Frankfurt verstehen ihr Metier, und sie präsentieren Abels Sinfonien hinreißend. Dabei betont Schneider besonders die Tatsache, dass diese Werke kontinentale und englische Traditionen verbinden. Falls sich aber nun jemand für Musikgeschichte nicht interessiert – man kann diese Einspielung auch einfach so genießen. Es lohnt sich!
Freitag, 19. Januar 2018
24. Festliche Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung (Naxos)
Eine Auswahl schöner Stimmen bietet alljährlich im Spätherbst die Deutsche Oper Berlin für ein ganz besonderes Benefiz-Event auf: Die Festliche Operngala sammelt Spenden für die Deutsche Aids-Stiftung – 2017 schon zum 24. Male. Und erneut hat Naxos den Live-Mitschnitt umgehend auf zwei CD veröffentlicht. Wer sie erwirbt, der leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Spendensumme.
Eröffnet wurde die Operngala am 4. November 2017 durch das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter Leitung von Giacomo Sagripanti; es erklingt allerdings die Ouvertüre zu Nabucco von Giuseppe Verdi und nicht, wie es auf dem Cover zu lesen ist, La gazza ladra von Giacomo Rossini. Das bleibt aber die einzige Panne, die zu vermelden ist.
Die Liste der Mitwirkenden ist, wie üblich, lang. Zu hören sind Sofia Fomina, Salome Jicia, Alisa Kolosova, Lisette Oropesa, Annika Schlicht, Golda Schultz, Iván Ayón Rivas, Thomas Blondelle, Ismael Jordi, Vitalij Kowaljow, Thomas Lehman, Jorge De León, Christoph Pohl und Alexander Vinogradov, und natürlich der Chor der Deutschen Oper Berlin.
Die Moderation übernahm einmal mehr Max Raabe. Er fasst zwischen den einzelnen Stücken die Opernhandlungen in wenigen Sätzen zusammen, und sorgt damit immer wieder für Lacher im Publikum. Oper ist halt eine ernste Angelegenheit – aber nicht nur.
Eröffnet wurde die Operngala am 4. November 2017 durch das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter Leitung von Giacomo Sagripanti; es erklingt allerdings die Ouvertüre zu Nabucco von Giuseppe Verdi und nicht, wie es auf dem Cover zu lesen ist, La gazza ladra von Giacomo Rossini. Das bleibt aber die einzige Panne, die zu vermelden ist.
Die Liste der Mitwirkenden ist, wie üblich, lang. Zu hören sind Sofia Fomina, Salome Jicia, Alisa Kolosova, Lisette Oropesa, Annika Schlicht, Golda Schultz, Iván Ayón Rivas, Thomas Blondelle, Ismael Jordi, Vitalij Kowaljow, Thomas Lehman, Jorge De León, Christoph Pohl und Alexander Vinogradov, und natürlich der Chor der Deutschen Oper Berlin.
Die Moderation übernahm einmal mehr Max Raabe. Er fasst zwischen den einzelnen Stücken die Opernhandlungen in wenigen Sätzen zusammen, und sorgt damit immer wieder für Lacher im Publikum. Oper ist halt eine ernste Angelegenheit – aber nicht nur.
Telemann's Poland (Ayros)
Noch ein Nachtrag zum Telemann-Jubiläumsjahr 2017 – und zwar ein bedeutender. Denn auf dieser CD spürt das Orkiestra Czasów Zarazy, geleitet von Paweł Iwaszkiewicz, musikalischen Einflüssen nach, die zwar immer wieder benannt werden, aber bislang noch nie mit einer entsprechenden Einspielung dokumentiert wurden.
Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) widmete 1739 in seiner Autobiographie, die er für Johann Matthesons „Grundlage einer Ehrenpforte“ (Hamburg 1740) zu Papier brachte, einen ganzen Abschnitt den Jahren 1705 bis 1708, die er als Kapellmeister im Dienste des Reichsgrafen Erdmann II. von Promnitz in Sorau verbrachte. „Als der Hof sich ein halbes Jahr lang nach Plesse, einer oberschlesischen, promnitzischen Standesherrschafft, begab, lernete ich so wohl daselbst, als in Krakau, die polnische und hanakische Musik, in ihrer wahren barbarischen Schönheit kennen“, berichtet Telemann. „Sie bestund, in gemeinen Wirtshäusern, aus einer um den Leib geschnalleten Geige, die eine Terzie höher gestimmet war, als sonst gewöhnlich, und also ein halbes dutzend andre überschreien konnte; aus einem polnischen Bocke; aus einer Quintposaune, und aus einem Regal. An ansehnlichen Oertern aber blieb das Regal weg; die beiden erstern hingegen wurden verstärckt: wie ich denn einst 36. Böcke und 8. Geigen beisammen gefunden habe.
Man sollte kaum glauben, was dergleichen Bockpfeiffer oder Geiger für wunderbare Einfälle haben, wenn sie, so offt die Tantzenden ruhen, fantaisiren. Ein Aufmerckender könnte von ihnen, in 8. Tagen, Gedancken für ein gantzes Leben erschnappen. Gnug, in dieser Musik steckt überaus viel gutes; wenn behörig damit umgegangen wird. Ich habe, nach der Zeit, verschiedene große Concerte und Trii in dieser Art geschrieben, die ich in einen italiänischen Rock, mit abgewechselten Adagi und Allegri, eingekleidet.“
Zitiert wird dies gern, aber konkret im Notenbestand auf die Spurensuche gegangen ist bislang niemand. Wie sehr die Inspiration durch die polnischen Klänge Telemanns Musik tatsächlich beeinflusst hat, zeigt nun dieses CD-Projekt. Seine Grundlage ist ein Manuskript, das 1987 in der Rostocker Universitätsbibliothek entdeckt wurde. Es besteht aus zwei Stimmbüchern, für Violine und Fagott, und trägt den Titel Danse Polonié de Tellemann. Die Handschrift wurde unter TWV 45 in das Werkver- zeichnis des Komponisten aufgenommen. Und das war es dann auch schon, weil das musikalische Material zunächst keinen attraktiven Eindruck machte.
„Neugierig auf die bislang unbekannte Quelle der polnischen Musik sind wir zum Schluss gekommen, der Sache nachzugehen und die Musikidee zu rekonstruieren, die dieser Handschrift zugrunde gelegt wurde“, schreibt Maciej Kaziński im Beiheft. Die Musiker lesen Telemanns Noten als Skizze, als Notat von Tanzthemen – und sie entschieden sich für eine Besetzung, wie sie Telemann beschrieben hat.
Zu hören sind Paweł Iwaszkiewicz, Dudelsack („Bock“), Olena Yeremienko, Violine, Witold Broda, Fiedel, Piotr Wawreniuk, Posaune, Maciej Kaziński, Violone, und Mirosław Feldgebel, Regal: Die klassisch ausgebildeten Musiker spielen zusammen mit Musikanten, die wiederum ihre traditionellen Instrumenten ebenfalls virtuos beherrschen, und dazu sehr lebendig und witzig improvisieren.
Das Ergebnis ist einzigartig und wirklich hinreißend. Es sind nicht nur die Klangeffekte, die nachvollziehen lassen, warum Telemann einst von dem, was er da in den polnischen Wirtshäusern und auf den Tanzböden erlauschte, derart fasziniert war. Großartig! Dies ist ohne Zweifel eine der interessantesten und auch der schönsten Einspielungen zum Telemann-Jubiläum – unbedingt anhören!
Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) widmete 1739 in seiner Autobiographie, die er für Johann Matthesons „Grundlage einer Ehrenpforte“ (Hamburg 1740) zu Papier brachte, einen ganzen Abschnitt den Jahren 1705 bis 1708, die er als Kapellmeister im Dienste des Reichsgrafen Erdmann II. von Promnitz in Sorau verbrachte. „Als der Hof sich ein halbes Jahr lang nach Plesse, einer oberschlesischen, promnitzischen Standesherrschafft, begab, lernete ich so wohl daselbst, als in Krakau, die polnische und hanakische Musik, in ihrer wahren barbarischen Schönheit kennen“, berichtet Telemann. „Sie bestund, in gemeinen Wirtshäusern, aus einer um den Leib geschnalleten Geige, die eine Terzie höher gestimmet war, als sonst gewöhnlich, und also ein halbes dutzend andre überschreien konnte; aus einem polnischen Bocke; aus einer Quintposaune, und aus einem Regal. An ansehnlichen Oertern aber blieb das Regal weg; die beiden erstern hingegen wurden verstärckt: wie ich denn einst 36. Böcke und 8. Geigen beisammen gefunden habe.
Man sollte kaum glauben, was dergleichen Bockpfeiffer oder Geiger für wunderbare Einfälle haben, wenn sie, so offt die Tantzenden ruhen, fantaisiren. Ein Aufmerckender könnte von ihnen, in 8. Tagen, Gedancken für ein gantzes Leben erschnappen. Gnug, in dieser Musik steckt überaus viel gutes; wenn behörig damit umgegangen wird. Ich habe, nach der Zeit, verschiedene große Concerte und Trii in dieser Art geschrieben, die ich in einen italiänischen Rock, mit abgewechselten Adagi und Allegri, eingekleidet.“
Zitiert wird dies gern, aber konkret im Notenbestand auf die Spurensuche gegangen ist bislang niemand. Wie sehr die Inspiration durch die polnischen Klänge Telemanns Musik tatsächlich beeinflusst hat, zeigt nun dieses CD-Projekt. Seine Grundlage ist ein Manuskript, das 1987 in der Rostocker Universitätsbibliothek entdeckt wurde. Es besteht aus zwei Stimmbüchern, für Violine und Fagott, und trägt den Titel Danse Polonié de Tellemann. Die Handschrift wurde unter TWV 45 in das Werkver- zeichnis des Komponisten aufgenommen. Und das war es dann auch schon, weil das musikalische Material zunächst keinen attraktiven Eindruck machte.
„Neugierig auf die bislang unbekannte Quelle der polnischen Musik sind wir zum Schluss gekommen, der Sache nachzugehen und die Musikidee zu rekonstruieren, die dieser Handschrift zugrunde gelegt wurde“, schreibt Maciej Kaziński im Beiheft. Die Musiker lesen Telemanns Noten als Skizze, als Notat von Tanzthemen – und sie entschieden sich für eine Besetzung, wie sie Telemann beschrieben hat.
Zu hören sind Paweł Iwaszkiewicz, Dudelsack („Bock“), Olena Yeremienko, Violine, Witold Broda, Fiedel, Piotr Wawreniuk, Posaune, Maciej Kaziński, Violone, und Mirosław Feldgebel, Regal: Die klassisch ausgebildeten Musiker spielen zusammen mit Musikanten, die wiederum ihre traditionellen Instrumenten ebenfalls virtuos beherrschen, und dazu sehr lebendig und witzig improvisieren.
Das Ergebnis ist einzigartig und wirklich hinreißend. Es sind nicht nur die Klangeffekte, die nachvollziehen lassen, warum Telemann einst von dem, was er da in den polnischen Wirtshäusern und auf den Tanzböden erlauschte, derart fasziniert war. Großartig! Dies ist ohne Zweifel eine der interessantesten und auch der schönsten Einspielungen zum Telemann-Jubiläum – unbedingt anhören!
Donnerstag, 18. Januar 2018
Richter: Sinfonias, Sonatas & Oboe Concertos (Christophorus)
Franz Xaver Richter (1709 bis 1789) stammte aus Mähren und wirkte zunächst als Bassist. 1740 wurde er erst Vizekapellmeister und später auch Kapellmeister am Hofe des Kemptener Fürstabtes; 1746 erhielt er eine Anstellung in der berühmten Mannheimer Hofkapelle des Kurfürsten Karl Theodor, wo er es immerhin bis zum Cammercompo- siteur brachte. 1769 wurde Richter dann Kapellmeister des Straßburger Münsters – was damals ein bedeutendes Amt darstellte; die Kapelle dort war die zweitgrößte in Frankreich. Soweit die trockenen Fakten.
Die vorliegende CD zeigt uns Richter als einen Komponisten, der vielerlei Einflüsse in sein Schaffen integrierte. In seinen Werken spiegeln sich italienische Vorbilder, herausragendes kontrapunktisches Können, frühklassische Klarheit und Eleganz, Vergnügen an der Kantilene, und auch so manche musikalische Innovation, die wir heute der Mannheimer Schule zurechnen.
Zu hören sind drei Sinfonien, zwei Triosonaten und ein faszinierendes Oboenkonzert, das einen dauerhaften Platz im Repertoire durchaus verdient hätte. Das Capricornus Consort Basel präsentiert Richters Musik inspiriert und mit sehr viel Charme. Den Oboenpart spielt Xenia Löffler mit Präzision und wunderbarem Ausdruck. Wenn es um die historische Aufführungspraxis geht, ist diese Musikerin derzeit unübertrefflich.
Die vorliegende CD zeigt uns Richter als einen Komponisten, der vielerlei Einflüsse in sein Schaffen integrierte. In seinen Werken spiegeln sich italienische Vorbilder, herausragendes kontrapunktisches Können, frühklassische Klarheit und Eleganz, Vergnügen an der Kantilene, und auch so manche musikalische Innovation, die wir heute der Mannheimer Schule zurechnen.
Zu hören sind drei Sinfonien, zwei Triosonaten und ein faszinierendes Oboenkonzert, das einen dauerhaften Platz im Repertoire durchaus verdient hätte. Das Capricornus Consort Basel präsentiert Richters Musik inspiriert und mit sehr viel Charme. Den Oboenpart spielt Xenia Löffler mit Präzision und wunderbarem Ausdruck. Wenn es um die historische Aufführungspraxis geht, ist diese Musikerin derzeit unübertrefflich.
Montag, 15. Januar 2018
Arve Tellefsen plays Ole Bull (Simax)
Ole Bornemann Bull (1810 bis 1880) und Edvard Grieg waren die ersten Musiker aus Norwegen, die weltweit berühmt wurden. Bereits im Kindesalter glänzte Ole Bull mit seinem Geigenspiel. Dennoch sollte er Pfarrer werden, aber die Eignungs- prüfung zum Theologiestudium bestand er nicht – und so wurde letztendlich doch die Musik sein Lebensinhalt.
Als Geiger kam er weit herum. So hörte er 1831 in Paris Niccolò Paganini, was ihn sehr beeindruckte (und wohl auch dazu motivierte, seine Technik zu verbessern). Auch den deutschen Violinvirtuosen Louis Spohr besuchte Bull; Konzertreisen führten ihn nach Irland und England sowie in die USA.
Der norwegische Geiger Arve Tellefsen engagiert sich seit vielen Jahren, um das Schaffen seines Landsmannes wieder einer größeren musikali- schen Öffentlichkeit nahezubringen. So hat er zum 200. Geburtstag von Ole Bull im Jahre 2010 eine CD mit Werken des Jubilars eingespielt.
Das Programm enthält einige Stücke für Violine und Orchester; hier ist Tellefsen zusammen mit dem Trondheim Symphony Orchestra unter Leitung von Eivind Aadland sowie mit einem Streicherensemble zu hören. So erklingen das Nocturne for fiolin og orkester aus dem Jahr 1842 oder das Adagio Sostenuto, der zweite Satz aus Bulls Violinkonzert in e-Moll, entstanden 1840/41.
Im Jahre 1873 trat Ole Bull gemeinsam mit dem Pianisten Edvard Grieg in Boston auf. Tellefsen hat für diese CD zwei Stücke von Grieg herausge- sucht, die damals auf dem Programm standen. Und er hat eine Vielzahl kleinerer Stücke zusammengetragen, um dem Hörer einen Eindruck von jenem speziellen Klang zu geben, der Bulls Werken offenbar zu eigen ist: Bulls Musik ist ausgesprochen virtuos, und melodiös-melancholisch. Es sind romantische Miniaturen von einem ganz eigenen Charakter – und man kann Tellefsen gar nicht dankbar genug dafür sein, dass er auf diese musikalischen Schätze aufmerksam macht.
Als Geiger kam er weit herum. So hörte er 1831 in Paris Niccolò Paganini, was ihn sehr beeindruckte (und wohl auch dazu motivierte, seine Technik zu verbessern). Auch den deutschen Violinvirtuosen Louis Spohr besuchte Bull; Konzertreisen führten ihn nach Irland und England sowie in die USA.
Der norwegische Geiger Arve Tellefsen engagiert sich seit vielen Jahren, um das Schaffen seines Landsmannes wieder einer größeren musikali- schen Öffentlichkeit nahezubringen. So hat er zum 200. Geburtstag von Ole Bull im Jahre 2010 eine CD mit Werken des Jubilars eingespielt.
Das Programm enthält einige Stücke für Violine und Orchester; hier ist Tellefsen zusammen mit dem Trondheim Symphony Orchestra unter Leitung von Eivind Aadland sowie mit einem Streicherensemble zu hören. So erklingen das Nocturne for fiolin og orkester aus dem Jahr 1842 oder das Adagio Sostenuto, der zweite Satz aus Bulls Violinkonzert in e-Moll, entstanden 1840/41.
Im Jahre 1873 trat Ole Bull gemeinsam mit dem Pianisten Edvard Grieg in Boston auf. Tellefsen hat für diese CD zwei Stücke von Grieg herausge- sucht, die damals auf dem Programm standen. Und er hat eine Vielzahl kleinerer Stücke zusammengetragen, um dem Hörer einen Eindruck von jenem speziellen Klang zu geben, der Bulls Werken offenbar zu eigen ist: Bulls Musik ist ausgesprochen virtuos, und melodiös-melancholisch. Es sind romantische Miniaturen von einem ganz eigenen Charakter – und man kann Tellefsen gar nicht dankbar genug dafür sein, dass er auf diese musikalischen Schätze aufmerksam macht.
Samstag, 13. Januar 2018
Handel: Works for Keyboard (Audax)
In vielen Anekdoten wird beschrie- ben, wie Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) das Publikum durch sein Spiel an Tasteninstrumenten begeisterte. So soll Domenico Scarlatti, als er den Musikerkollegen beim Karneval in Venedig, verborgen hinter einer Maske, auf einem Cembalo spielen hörte, ausgerufen haben, dies sei entweder der Sachse oder der Teufel.
Für sein erstes Soloalbum hat Philippe Grisvard das Cembalo-Werk Händels erkundet. Auf der CD zeigt er, dass dieses Œuvre erstaunlich viele Facetten hat. Dazu kombiniert er Händels Kompositionen mit Musikstücken wichtiger Wegbegleiter: Friedrich Wilhelm Zachow (1663 bis 1712), Organist der Marienkirche in Halle/Saale, war Händels Lehrer. Und die Werke Johann Kriegers (1651 bis 1735) hat Händel in seiner Jugend ebenso sorgfältig studiert wie etwa die Musik von Pachelbel oder Strungk. Grisvard zeigt durch die geschickte Kombination von Musik- stücken, wie dieses Umfeld das Schaffen Händels geprägt hat.
Johann Mattheson (1681 bis 1764) war dann in Hamburg ein Weggefährte und Rivale des Komponisten. Und William Babell (1690 bis 1723) hat 1717 in seinen Suits of the most celebrated lessons collected and fitted to the harpsichord or the spinnet Ausschnitte aus Opern unter anderem von Händel in einer Art und Weise veröffentlicht, die vermuten lässt, dass diese Sammlung auch Einblick in die Verzierungs- und Improvisations- praxis des Meisters gewährt.
Außerdem nutzt Philippe Grisvard die beiden Kollektionen, die John Ward als Raubkopien gedruckt hat, sowie Händels eigene Veröffentlichungen, die eine finale Fassung der illegal verbreiteten Werke anbieten. Inspiriert zeigt sich der Cembalist zudem von einer Fassung der acht Suiten und der sechs Fugen Händels, die der Wiener Organist Gottlieb Muffat 1736 ediert hat, „mises dans une autre applicature pour la facilité de la main“.
Doch diese Angabe trügt, wie Grisvard einräumt, „car s'il vrai que Muffat e tenté de rendre la lecture des pièces plus aisée et de contrebalancer certains défauts de clarté dûs sans doute à la hâte dans laquelle Handel avait préparé son édition, la profusion d'agréments qu'il ajoute au texte original redouble le niveau de difficulté des pièces, et remet sérieusement en cause le type de tempo que l'on imaginerait ordinairement aujourd'hui pour certains de ces mouvements. Vette interprétation des huit grandes suites est une autre source majeure sur la pratique de l'ornementation: Muffat a choisi de noter à la française les ornements là oû Handel les avait laissés à la discrétion de l'exécutant.“ Grisvard betont, dass diese Lesart vermutlich dem sehr nahe kommt, was Händel selber spielte.
Dennoch entschied er sich bei dieser Auswahl gegen Muffats Version: „J'ose espérer qu'un jour, un claveciniste plus téméraire que moi consacrera un disque entier à ce cycle de Muffat, trop longtemps resté dans l'ombre...“ Grisvard musiziert zupackend, frisch und munter; mitunter wünscht man sich ein wenig mehr Eleganz. Aber insgesamt ist dieses Album mit seinen vielen Querverweisen sehr interessant und ausgesprochen abwechslungsreich.
Für sein erstes Soloalbum hat Philippe Grisvard das Cembalo-Werk Händels erkundet. Auf der CD zeigt er, dass dieses Œuvre erstaunlich viele Facetten hat. Dazu kombiniert er Händels Kompositionen mit Musikstücken wichtiger Wegbegleiter: Friedrich Wilhelm Zachow (1663 bis 1712), Organist der Marienkirche in Halle/Saale, war Händels Lehrer. Und die Werke Johann Kriegers (1651 bis 1735) hat Händel in seiner Jugend ebenso sorgfältig studiert wie etwa die Musik von Pachelbel oder Strungk. Grisvard zeigt durch die geschickte Kombination von Musik- stücken, wie dieses Umfeld das Schaffen Händels geprägt hat.
Johann Mattheson (1681 bis 1764) war dann in Hamburg ein Weggefährte und Rivale des Komponisten. Und William Babell (1690 bis 1723) hat 1717 in seinen Suits of the most celebrated lessons collected and fitted to the harpsichord or the spinnet Ausschnitte aus Opern unter anderem von Händel in einer Art und Weise veröffentlicht, die vermuten lässt, dass diese Sammlung auch Einblick in die Verzierungs- und Improvisations- praxis des Meisters gewährt.
Außerdem nutzt Philippe Grisvard die beiden Kollektionen, die John Ward als Raubkopien gedruckt hat, sowie Händels eigene Veröffentlichungen, die eine finale Fassung der illegal verbreiteten Werke anbieten. Inspiriert zeigt sich der Cembalist zudem von einer Fassung der acht Suiten und der sechs Fugen Händels, die der Wiener Organist Gottlieb Muffat 1736 ediert hat, „mises dans une autre applicature pour la facilité de la main“.
Doch diese Angabe trügt, wie Grisvard einräumt, „car s'il vrai que Muffat e tenté de rendre la lecture des pièces plus aisée et de contrebalancer certains défauts de clarté dûs sans doute à la hâte dans laquelle Handel avait préparé son édition, la profusion d'agréments qu'il ajoute au texte original redouble le niveau de difficulté des pièces, et remet sérieusement en cause le type de tempo que l'on imaginerait ordinairement aujourd'hui pour certains de ces mouvements. Vette interprétation des huit grandes suites est une autre source majeure sur la pratique de l'ornementation: Muffat a choisi de noter à la française les ornements là oû Handel les avait laissés à la discrétion de l'exécutant.“ Grisvard betont, dass diese Lesart vermutlich dem sehr nahe kommt, was Händel selber spielte.
Dennoch entschied er sich bei dieser Auswahl gegen Muffats Version: „J'ose espérer qu'un jour, un claveciniste plus téméraire que moi consacrera un disque entier à ce cycle de Muffat, trop longtemps resté dans l'ombre...“ Grisvard musiziert zupackend, frisch und munter; mitunter wünscht man sich ein wenig mehr Eleganz. Aber insgesamt ist dieses Album mit seinen vielen Querverweisen sehr interessant und ausgesprochen abwechslungsreich.
Donnerstag, 11. Januar 2018
Popper: High School of Violoncello Playing op. 73 (Paladino Music)
Wenn man diese Aufnahmen hört, dann will man es kaum glauben: Was Martin Rummel hier spielt, das sind Etüden – und zwar hochgradig vertrackte. David Popper (1843 bis 1913) gehört zu den besten Cellisten aller Zeiten. Er begann seine Karriere als Orchestermusiker; 1868 wurde er Solocellist der Wiener Philharmoniker. Doch schon bald waren seine Konzertverpflichtungen so umfangreich, dass er diese Stelle wieder aufgab.
Auch als Komponist war Popper sehr erfolgreich; doch nachdem er dann an die Königliche Akademie für Musik in Budapest berufen wurde, konzentrierte er sich vor allem darauf, seine Studenten zu unterrichten, und sie bestmöglich auf das Berufsleben vorzubereiten. Zu diesem Zweck schrieb er in den Jahren 1901 bis 1905 jene 40 Etüden, die dann als Hohe Schule des Violoncellospiels op. 73 bekannt geworden sind.
„Sie sind die erste Sammlung von Etüden für unser Instrument,die den neuen Anforderungen des Repertoires und der konstanten Verbesserung der Spieltechnik in jener Zeit gerecht werden“, erläutert Rummel, der übrigens auch die Neuausgabe dieser Werke bei Bärenreiter als Herausgeber betreut hat. „Die Großtat besteht aus meiner Sicht darin, sich in jeder Etüde auf ein oder zwei technische Schwierigkeiten zu konzentrieren (..) Dieselbe kompositorische und instrumentale Geschicklichkeit, die Popper in vielen seiner für das Konzertleben geschriebenen Stücke zur Erzeugung von musikalischen oder virtuosen Effekten beweist, nützt er in der Hohen Schule des Violoncellospiels an vielen Stellen, alles möglichst vertrackt oder unbequem zu schreiben – lediglich das Ziel im Auge, den Spieler möglichst umfassend mit allen denkbaren Schwierigkeiten, die weniger celloerfahrene Komponisten ausbrüten könnten, zu konfrontieren.“
Auch als Komponist war Popper sehr erfolgreich; doch nachdem er dann an die Königliche Akademie für Musik in Budapest berufen wurde, konzentrierte er sich vor allem darauf, seine Studenten zu unterrichten, und sie bestmöglich auf das Berufsleben vorzubereiten. Zu diesem Zweck schrieb er in den Jahren 1901 bis 1905 jene 40 Etüden, die dann als Hohe Schule des Violoncellospiels op. 73 bekannt geworden sind.
„Sie sind die erste Sammlung von Etüden für unser Instrument,die den neuen Anforderungen des Repertoires und der konstanten Verbesserung der Spieltechnik in jener Zeit gerecht werden“, erläutert Rummel, der übrigens auch die Neuausgabe dieser Werke bei Bärenreiter als Herausgeber betreut hat. „Die Großtat besteht aus meiner Sicht darin, sich in jeder Etüde auf ein oder zwei technische Schwierigkeiten zu konzentrieren (..) Dieselbe kompositorische und instrumentale Geschicklichkeit, die Popper in vielen seiner für das Konzertleben geschriebenen Stücke zur Erzeugung von musikalischen oder virtuosen Effekten beweist, nützt er in der Hohen Schule des Violoncellospiels an vielen Stellen, alles möglichst vertrackt oder unbequem zu schreiben – lediglich das Ziel im Auge, den Spieler möglichst umfassend mit allen denkbaren Schwierigkeiten, die weniger celloerfahrene Komponisten ausbrüten könnten, zu konfrontieren.“
Dienstag, 9. Januar 2018
Alessandro Scarlatti Collection (Brilliant Classics)
Eine dicke Box mit Werken von Alessandro Scarlatti (1660 bis 1725) veröffentlicht dieser Tage Brilliant Classics. Der Neapolitaner war einer der wichtigsten und erfolgreichsten Vokalmusik-Komponisten des ausgehenden Barocks – Grund genug, in diesem Blog endlich einmal ausführlicher über ihn zu berichten.
Scarlatti, der einer Musikerdynastie entstammte, kam auf Sizilien zur Welt. 1672 zog die Familie um nach Rom; dort erhielt Alessandro 1678 erstmals eine Anstellung als Kirchenkapellmeister, und heiratete. Ein Jahr später erklang im Palazzo Bernini seine erste Oper, und auch mit seinen Solokantaten begeisterte Scarlatti den römischen Adel. Königin Christine von Schweden, die in Rom lebte, ernannte ihn zu ihrem Hof- kapellmeister. 1683/84 wurde er Kapellmeister am Hofe des Vizekönigs in Neapel, wo er bis 1702 wirkte. Für diesen sowie für verschiedene andere Gönner komponierte er unter anderem etwa 40 Opern, und dazu eine Vielzahl anderer Musikstücke.
1703 kehrte er nach Rom zurück; zu diesem Zeitpunkt waren Opern- aufführungen in der Heiligen Stadt bereits vom Papst verboten worden. Und so widmete sich Scarlatti in Rom in erster Linie der geistlichen Musik. Im Karneval 1707 versuchte der Komponist aber, mit zwei Opern das Publikum in Venedig zu begeistern. Dabei verwendete er französische Vorbilder, was beim Publikum wenig Begeisterung auslöste.
Ab 1708 regierten nicht mehr die Spanier, sondern die Österreicher als Vizekönige in Neapel, und Scarlatti wurde erneut Hofkapellmeister. Von 1717 bis 1722 hielt sich der Komponist wohl überwiegend in Rom auf; seinen Lebensabend allerdings verbrachte er in Neapel. Scarlatti hatte neun Söhne; der bekannteste davon ist sicherlich Domenico Scarlatti, ebenfalls Komponist und Cembalist.
Zu Lebzeiten war Scarlatti berühmt insbesondere für seine Opern; im Laufe seines Lebens schuf er mehr als hundert dieser Werke. In dieser Box sind sie nicht mit enthalten. Die 30 CD bieten ansonsten einen umfassenden Überblick über das Schaffen des Komponisten. So sind allein auf sechs CD Werke für Tasteninstrumente zu finden, eingespielt auf Cembalo und Orgel von Francesco Tasini. Umfangreich vertreten sind auch die Oratorien Scarlattis; zu hören sind hier teilweise namhafte Solisten und Ensembles, wie der Nederlands Kamerkoor unter Harry van der Kamp, La Stagione unter Michael Schneider, oder das Alessandro Stradella Consort unter Estévan Velardi. Letzteres überrascht sogar mit mehreren Weltersteinspielungen, was man in einer solchen Sammelbox eher nicht vermutet hätte.
Einspielungen der Geistlichen Konzerte op. 2 und einer Auswahl an Kammerkantaten runden das Angebot an Vokalmusik ab. Wenn man bedenkte, dass Scarlatti fast 800 derartiger Kantaten geschrieben hat, dann ahnt man, wie vieles da in Zukunft noch zu entdecken sein wird.
Das Ensemble Insieme Strumentale di Roma unter Giorgio Basso kombiniert auf seiner CD zwei Kantaten, gesungen von der Altistin Gabriella Martellacci, mit zwei Flötenkonzerten und zwei Sonate a quattro. Letztere gelten als Vorläufer des Streichquartettes. Auf den beiden ersten CD erklingen zudem die zwölf Sinfonie di concerto grosso (1715). Zu hören ist hier die Capella Tiberina.
Scarlatti, der einer Musikerdynastie entstammte, kam auf Sizilien zur Welt. 1672 zog die Familie um nach Rom; dort erhielt Alessandro 1678 erstmals eine Anstellung als Kirchenkapellmeister, und heiratete. Ein Jahr später erklang im Palazzo Bernini seine erste Oper, und auch mit seinen Solokantaten begeisterte Scarlatti den römischen Adel. Königin Christine von Schweden, die in Rom lebte, ernannte ihn zu ihrem Hof- kapellmeister. 1683/84 wurde er Kapellmeister am Hofe des Vizekönigs in Neapel, wo er bis 1702 wirkte. Für diesen sowie für verschiedene andere Gönner komponierte er unter anderem etwa 40 Opern, und dazu eine Vielzahl anderer Musikstücke.
1703 kehrte er nach Rom zurück; zu diesem Zeitpunkt waren Opern- aufführungen in der Heiligen Stadt bereits vom Papst verboten worden. Und so widmete sich Scarlatti in Rom in erster Linie der geistlichen Musik. Im Karneval 1707 versuchte der Komponist aber, mit zwei Opern das Publikum in Venedig zu begeistern. Dabei verwendete er französische Vorbilder, was beim Publikum wenig Begeisterung auslöste.
Ab 1708 regierten nicht mehr die Spanier, sondern die Österreicher als Vizekönige in Neapel, und Scarlatti wurde erneut Hofkapellmeister. Von 1717 bis 1722 hielt sich der Komponist wohl überwiegend in Rom auf; seinen Lebensabend allerdings verbrachte er in Neapel. Scarlatti hatte neun Söhne; der bekannteste davon ist sicherlich Domenico Scarlatti, ebenfalls Komponist und Cembalist.
Zu Lebzeiten war Scarlatti berühmt insbesondere für seine Opern; im Laufe seines Lebens schuf er mehr als hundert dieser Werke. In dieser Box sind sie nicht mit enthalten. Die 30 CD bieten ansonsten einen umfassenden Überblick über das Schaffen des Komponisten. So sind allein auf sechs CD Werke für Tasteninstrumente zu finden, eingespielt auf Cembalo und Orgel von Francesco Tasini. Umfangreich vertreten sind auch die Oratorien Scarlattis; zu hören sind hier teilweise namhafte Solisten und Ensembles, wie der Nederlands Kamerkoor unter Harry van der Kamp, La Stagione unter Michael Schneider, oder das Alessandro Stradella Consort unter Estévan Velardi. Letzteres überrascht sogar mit mehreren Weltersteinspielungen, was man in einer solchen Sammelbox eher nicht vermutet hätte.
Einspielungen der Geistlichen Konzerte op. 2 und einer Auswahl an Kammerkantaten runden das Angebot an Vokalmusik ab. Wenn man bedenkte, dass Scarlatti fast 800 derartiger Kantaten geschrieben hat, dann ahnt man, wie vieles da in Zukunft noch zu entdecken sein wird.
Das Ensemble Insieme Strumentale di Roma unter Giorgio Basso kombiniert auf seiner CD zwei Kantaten, gesungen von der Altistin Gabriella Martellacci, mit zwei Flötenkonzerten und zwei Sonate a quattro. Letztere gelten als Vorläufer des Streichquartettes. Auf den beiden ersten CD erklingen zudem die zwölf Sinfonie di concerto grosso (1715). Zu hören ist hier die Capella Tiberina.
Cantata per Flauto (Tyxart)
„Singen ist das
Fundament zur Music in allen Dingen. Wer die Composition ergreifft /
muß in seinen Sätzen singen. Wer auf Instrumenten spielt / muß des
Singens kündig seyn. Also präge man das Singen jungen Leuten
fleißig ein“, reimte einst Georg Philipp Telemann. Über
Jahrhunderte betonten Musiker wie Musiktheoretiker, dass auch für
Instrumentalisten die Imitation der menschlichen Stimme das Ideal
darstellt.
Auf dieser CD singt nun Tabea Debus mit ihren Blockflöten. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. So beginnt die CD mit einer Cantata per Flauto von Johann Adolph Hasse (1699 bis 1783). Dieser beherrscht es in der Tat großartig, seine Stücke sanglich zu gestalten – kein Wunder, denn er war mit Faustina Bordoni verheiratet, einer berühmten Opernsängerin, für die Hasse auch komponierte.
Zwei Stücke von Adam Jarzębski erweisen sich als Diminuitionen, kunst- volle Auszierungen von Gesangsstücken. Außerdem bietet das Programm Variationen über ein Lied des englischen Lautenisten John Dowland von Jacob van Eyck, Konzerte von Domenico Natale Sarro und Georg Philipp Telemann, An Evening Hymn von Henry Purcell sowie zwei zeitgenössische Kompositionen von Calliope Tsoupaki und Thorsten Töpp. Diese lassen dann auch die Musiker singen.
Die junge Blockflötistin Tabea Debus musizierte bei diesem Aufnahme- projekt gemeinsam mit Hongxia Cui, Katrin Ebert, Kerstin Fahr, Barock- violine, Johanna Brückner, Barockviola, Lea Rahel Bader, Barockcello und Viola da gamba, Niklas Sprenger, Kontrabass, Kohei Ota, Theorbe und Barockgitarre sowie Johannes Lang, Cembalo und Orgel. Schon an dieser umfangreichen Liste ist zu ersehen, dass dieses Ensemble weit mehr leistet, als nur einen Continuo-Part. Sie machen diese CD ausgesprochen abwechslungs- und farbenreich; allerdings wünscht man sich gelegentlich etwas mehr Sensibilität von begleitenden Streichern, damit die Flöte gebührend zur Geltung kommt.
Auf dieser CD singt nun Tabea Debus mit ihren Blockflöten. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. So beginnt die CD mit einer Cantata per Flauto von Johann Adolph Hasse (1699 bis 1783). Dieser beherrscht es in der Tat großartig, seine Stücke sanglich zu gestalten – kein Wunder, denn er war mit Faustina Bordoni verheiratet, einer berühmten Opernsängerin, für die Hasse auch komponierte.
Zwei Stücke von Adam Jarzębski erweisen sich als Diminuitionen, kunst- volle Auszierungen von Gesangsstücken. Außerdem bietet das Programm Variationen über ein Lied des englischen Lautenisten John Dowland von Jacob van Eyck, Konzerte von Domenico Natale Sarro und Georg Philipp Telemann, An Evening Hymn von Henry Purcell sowie zwei zeitgenössische Kompositionen von Calliope Tsoupaki und Thorsten Töpp. Diese lassen dann auch die Musiker singen.
Die junge Blockflötistin Tabea Debus musizierte bei diesem Aufnahme- projekt gemeinsam mit Hongxia Cui, Katrin Ebert, Kerstin Fahr, Barock- violine, Johanna Brückner, Barockviola, Lea Rahel Bader, Barockcello und Viola da gamba, Niklas Sprenger, Kontrabass, Kohei Ota, Theorbe und Barockgitarre sowie Johannes Lang, Cembalo und Orgel. Schon an dieser umfangreichen Liste ist zu ersehen, dass dieses Ensemble weit mehr leistet, als nur einen Continuo-Part. Sie machen diese CD ausgesprochen abwechslungs- und farbenreich; allerdings wünscht man sich gelegentlich etwas mehr Sensibilität von begleitenden Streichern, damit die Flöte gebührend zur Geltung kommt.
Montag, 8. Januar 2018
Seitz: Concertos for Violin and Piano Nos. 1-5 (Naxos)
Friedrich Seitz (1848 bis 1918), Sohn eines Landwirtes aus Günthersleben bei Gotha, erlernte das Geigenspiel in Sondershausen bei Karl Wilhelm Uhlrich und in Dresden bei Hofkon- zertmeister Johann Christoph Lauterbach. 1869 begann er seine Laufbahn als Geiger am Sonders- häuser Hoforchester – das damals von Max Bruch geleitet wurde.
1876 wurde er Konzertmeister in Magdeburg, wo er auch eine Musik- schule gründete. Ab 1884 war er zudem Dirigent des Dessauer Hoforchesters.
Seitz gehört außerdem zu den prägenden Persönlichkeiten in der Geschichte der Bayreuther Festspiele nach Richard Wagner: Ab 1888 wirkte er als Konzertmeister des Festspielorchesters auf dem grünen Hügel. Auch als reisender Violinvirtuose war der Musiker sehr gefragt. 1908 trat er schließlich wegen eines Nervenleidens in den Ruhestand, wobei er auch weiterhin komponierte und Violinunterricht gab. Seine bekannteste Geigenschülerin war übrigens Filmdiva Marlene Dietrich.
Für den Unterricht schrieb Friedrich Seitz eine ganze Reihe von Konzerten für Violine und Klavier. Sie werden noch heute von Violinpädagogen rege genutzt, denn sie bieten schöne Melodien, und solistische Aufgaben von höchst unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. So kann der Lehrende seinem Geigenschüler aus den Seitz-Konzerten immer wieder ein Pensum zuweisen, dass zu dessen Leistungsstand gewissermaßen maßgeschneidert passt.
Wer Geige spielen gelernt hat, der kennt daher üblicherweise Seitz' Schülerkonzerte – und sie sind der Grund dafür, dass der Name dieses Geigers noch heute präsent ist. Wie charmant diese Werke klingen können, wenn sie Könner spielen, das zeigt eine Einspielung aus dem Hause Naxos: Geigerin Hyejin Chung stellt auf dieser CD gemeinsam mit dem Pianisten Warren Lee die ersten fünf Seitz-Konzerte vor, und sie präsentiert die kleinen Kostbarkeiten liebevoll und mit schönem Ton.
1876 wurde er Konzertmeister in Magdeburg, wo er auch eine Musik- schule gründete. Ab 1884 war er zudem Dirigent des Dessauer Hoforchesters.
Seitz gehört außerdem zu den prägenden Persönlichkeiten in der Geschichte der Bayreuther Festspiele nach Richard Wagner: Ab 1888 wirkte er als Konzertmeister des Festspielorchesters auf dem grünen Hügel. Auch als reisender Violinvirtuose war der Musiker sehr gefragt. 1908 trat er schließlich wegen eines Nervenleidens in den Ruhestand, wobei er auch weiterhin komponierte und Violinunterricht gab. Seine bekannteste Geigenschülerin war übrigens Filmdiva Marlene Dietrich.
Für den Unterricht schrieb Friedrich Seitz eine ganze Reihe von Konzerten für Violine und Klavier. Sie werden noch heute von Violinpädagogen rege genutzt, denn sie bieten schöne Melodien, und solistische Aufgaben von höchst unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. So kann der Lehrende seinem Geigenschüler aus den Seitz-Konzerten immer wieder ein Pensum zuweisen, dass zu dessen Leistungsstand gewissermaßen maßgeschneidert passt.
Wer Geige spielen gelernt hat, der kennt daher üblicherweise Seitz' Schülerkonzerte – und sie sind der Grund dafür, dass der Name dieses Geigers noch heute präsent ist. Wie charmant diese Werke klingen können, wenn sie Könner spielen, das zeigt eine Einspielung aus dem Hause Naxos: Geigerin Hyejin Chung stellt auf dieser CD gemeinsam mit dem Pianisten Warren Lee die ersten fünf Seitz-Konzerte vor, und sie präsentiert die kleinen Kostbarkeiten liebevoll und mit schönem Ton.
Go East! (Avi-Music)
Zunächst waren da die Acht Walzer op. 6 von Paul Hindemith, berichten Gülru Ensari und Herbert Schuch. Das türkisch-deutsche Duo, auch außermusikalisch ein Paar, spielte diese Stücke eine Weile morgens, vor dem eigentlichen Üben, vierhändig vom Blatt. Und die beiden Pianisten fanden die Nähe dieser frühen Werke Hindemiths zu den Walzern op. 39 von Johannes Brahms verblüffend.
So entstand die Idee, diese Walzer für eine CD einzuspielen – Brahms und Hindemith sorgsam miteinander verflochten; so kann man beim Zuhören den Ähnlichkeiten nachsinnen. „Wir haben lange experimentiert, bis wir mit der Reihenfolge zufrieden waren“, erläutert Gülru Ensari. „Wir wollten auch den reizvollen Kontrast ausspielen, den es zwischen der ungebrochenen Natürlichkeit des Walzers bei Brahms und dessen ironischer Verwandlung bei bei Hindemith gibt. Das sieht man ganz deutlich im Notenbild. Da steht dann ,viel langsamer spielen' oder ,großes Ritardando'.“
Ergänzt haben die beiden Pianisten ihr Programm durch zwei türkische Tänze, die Özkan Manav eigens für sie komponiert hat, und durch Le Sacre du printemps in der Fassung für Klavier zu vier Händen von Igor Strawinsky.
Somit zieht sich die Blickrichtung nach Osten wie ein Roter Faden durch das Programm: Brahms und Hindemith ließen sich bei ihren Walzern von ungarischen Volksweisen inspirieren. Die beiden Stücke von Özkan Manav beruhen ebenfalls auf Volksliedern. Und Strawinsky, der in Paris lebte, verwendete für seine Ballettmusik Melodien aus seiner russischen Heimat.
Ensari und Schuch spielen dieses Werk tatsächlich vierhändig, auf einem Klavier – auch wenn Klavierduos üblicherweise zwei Instrumente verwenden. „Ich mag aber diese Nähe auf 88 tasten, wir spüren sofort jede rhythmische Verzögerung des anderen und können uns darauf einstellen“, erläutert die Pianistin. „Und es ist unglaublich, sich vorzustellen, dass vor über 100 Jahren Strawinsky und Debussy in einem Privatkonzert auch an einem Flügel dieses Stück zum ersten Mal aufgeführt haben.“
Gülru Ensari und Herbert Schuch haben die ursprüngliche Version allerdings noch kräftig aufgepeppt – so haben sie an etlichen Stellen zusätzliche Orchesterstimmen integriert, und sie spielen auch Stichnoten mit. Außerdem haben sie mit Tamburin und Guiro nachgeholfen, „weil es überlagernde rhythmische Strukturen mit sehr besonderen Klangfarben gibt, die auf dem Klavier so gar nicht darstellbar sind“, so Schuch.
Das Ergebnis ist dann wirklich ein Kracher. So radikal, so rhythmus- betont-archaisch und zugleich so detailreich habe ich Le Sacre du printemps auf dem Klavier noch nicht gehört. Die beiden Pianisten musizieren, als ob sie außer den Noten auch noch gegenseitig ihre Gedanken lesen könnten – genial! und wirklich große Klavierkunst.
So entstand die Idee, diese Walzer für eine CD einzuspielen – Brahms und Hindemith sorgsam miteinander verflochten; so kann man beim Zuhören den Ähnlichkeiten nachsinnen. „Wir haben lange experimentiert, bis wir mit der Reihenfolge zufrieden waren“, erläutert Gülru Ensari. „Wir wollten auch den reizvollen Kontrast ausspielen, den es zwischen der ungebrochenen Natürlichkeit des Walzers bei Brahms und dessen ironischer Verwandlung bei bei Hindemith gibt. Das sieht man ganz deutlich im Notenbild. Da steht dann ,viel langsamer spielen' oder ,großes Ritardando'.“
Ergänzt haben die beiden Pianisten ihr Programm durch zwei türkische Tänze, die Özkan Manav eigens für sie komponiert hat, und durch Le Sacre du printemps in der Fassung für Klavier zu vier Händen von Igor Strawinsky.
Somit zieht sich die Blickrichtung nach Osten wie ein Roter Faden durch das Programm: Brahms und Hindemith ließen sich bei ihren Walzern von ungarischen Volksweisen inspirieren. Die beiden Stücke von Özkan Manav beruhen ebenfalls auf Volksliedern. Und Strawinsky, der in Paris lebte, verwendete für seine Ballettmusik Melodien aus seiner russischen Heimat.
Ensari und Schuch spielen dieses Werk tatsächlich vierhändig, auf einem Klavier – auch wenn Klavierduos üblicherweise zwei Instrumente verwenden. „Ich mag aber diese Nähe auf 88 tasten, wir spüren sofort jede rhythmische Verzögerung des anderen und können uns darauf einstellen“, erläutert die Pianistin. „Und es ist unglaublich, sich vorzustellen, dass vor über 100 Jahren Strawinsky und Debussy in einem Privatkonzert auch an einem Flügel dieses Stück zum ersten Mal aufgeführt haben.“
Gülru Ensari und Herbert Schuch haben die ursprüngliche Version allerdings noch kräftig aufgepeppt – so haben sie an etlichen Stellen zusätzliche Orchesterstimmen integriert, und sie spielen auch Stichnoten mit. Außerdem haben sie mit Tamburin und Guiro nachgeholfen, „weil es überlagernde rhythmische Strukturen mit sehr besonderen Klangfarben gibt, die auf dem Klavier so gar nicht darstellbar sind“, so Schuch.
Das Ergebnis ist dann wirklich ein Kracher. So radikal, so rhythmus- betont-archaisch und zugleich so detailreich habe ich Le Sacre du printemps auf dem Klavier noch nicht gehört. Die beiden Pianisten musizieren, als ob sie außer den Noten auch noch gegenseitig ihre Gedanken lesen könnten – genial! und wirklich große Klavierkunst.
Samstag, 6. Januar 2018
Tesori d'Italia (Deutsche Grammophon)
„Tesori d’Italia“ suchte Albrecht Mayer für seine aktuelle CD. Und dafür musste der Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker nicht einmal weit reisen. Denn die begehrten Schätze aus Italien fand er in Dresden, einer Stadt, die nicht umsonst Elbflorenz genannt wird.
Sie ist aber nicht nur durch italienische Architekten dazu geworden, sondern auch dank einer Vielzahl italienischer Künstler, die im Umkreis des sächsischen Hofes wirkten. So engagierten die sächsischen Kurfürsten für Oper und Hofkapelle gern Virtuosen aus dem Süden. Begabte deutsche Musiker hingegen schickten sie nach Italien, wo sie von den besten Meistern lernen sollten – ein Modell, das über Generationen hinweg ausgezeichnet funktionierte, von Heinrich Schütz bis zu dem Geiger Johann Georg Pisendel.
Dieser studierte bei Antonio Vivaldi, und aus Italien brachte er nicht nur viele Noten, sondern auch gute Kontakte mit, von denen die Hofmusik sehr profitierte. Die Notensammlung des legendären Konzertmeisters der Dresdner Hofkapelle befindet sich heute in den Beständen der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Sie wurde überliefert, weil sie einst in einem Schrank eingeschlossen und vergessen worden ist. Heute werden die Bestände aus diesem „Schranck No: II“ durch Musikhistoriker ebenso gern genutzt wie durch Musiker.
Albrecht Mayer hat dort eine Abschrift des Oboenkonzertes in C-Dur RV 450 von Antonio Vivaldi gefunden, sowie ein Oboenkonzert in a-Moll von Domenico Elmi (um 1676 bis 1744), das hier in Weltersteinspielung erklingt. Aus „Schranck No: II“ stammt zudem das Oboenkonzert in Es-Dur von Giovanni Alberto Ristori (1692 bis 1753), einem Organisten, Kapellmeister und Komponisten, der ebenfalls am Dresdner Hof wirkte.
Giuseppe Sammartini (1695 bis 1750) war der Sohn eines französischen Oboenvirtuosen, und spielte auch selbst dieses Instrument hervorragend. Er wurde in Italien geboren, ging aber später nach London, wo er unter anderem in Händels Opernorchester musizierte, und hoch angesehen war. Mayer hat für seine CD gleich drei Oboenkonzerte von Sammartini ausgewählt. In Weltersteinspielung zu hören ist das Konzert in C-Dur op. 8 Nr. 4.
Außerdem erklingt das Oboenkonzert in g-Moll op. 8 Nr. 5 sowie ein weiteres Konzert in C-Dur ohne Opuszahl. Es ist „in einer Abschrift aus dem 18. Jahrhundert erhalten, die sich der musikliebende schwedische Baron Patrick Alströmer (..) für seine private Notenbibliothek anfertigen ließ“, berichtet Mayer in einem ausführlichen Text im Beiheft. Die beiden anderen Konzerte befinden sich in den Beständen der British Library. Und die Edition des Vivaldi-Konzertes, die für diese Einspielung verwendet wurde, beruht auf einem Manuskript, das in der Biblioteca nazionale universitaria di Torino aufbewahrt wird.
An der weiten Verbreitung dieser Musikstücke kann man noch heute erkennen, wie sehr die Werke italienischer Komponisten seinerzeit in ganz Europa geschätzt und begehrt wurden. Mayer hat eine Auswahl derartiger musikalische Kostbarkeiten zusammengestellt, die man auch heute noch gern hört. „Um dabei intensiv in das spezielle Flair Italiens eintauchen zu können, suchte ich mir als meine Wegbegleiter Musiker, die die Welt kennen, aber italienisch denken, lachen und fühlen“, schreibt der Oboist – „und ich fand sie mit I Musici di Roma, jenem Ensemble, das schon in meiner Kindheit eine Instanz auf dem Gebiet des italienischen Barock- repertoires war.“
Nun hat sich aber seitdem die Welt weiter gedreht, und wer Barockmusik als solche hören möchte, der wird heute wohl kaum noch dieses Ensemble dafür wählen. Wer allerdings italienische Lebensfreude und Musizierlust erleben möchte, und wer bei der Oboe insbesondere musikalischen Aus- druck und schöne Töne schätzt, der wird diese CD lieben. Denn Albrecht Mayer ist wirklich ein vortrefflicher Oboist.
Sie ist aber nicht nur durch italienische Architekten dazu geworden, sondern auch dank einer Vielzahl italienischer Künstler, die im Umkreis des sächsischen Hofes wirkten. So engagierten die sächsischen Kurfürsten für Oper und Hofkapelle gern Virtuosen aus dem Süden. Begabte deutsche Musiker hingegen schickten sie nach Italien, wo sie von den besten Meistern lernen sollten – ein Modell, das über Generationen hinweg ausgezeichnet funktionierte, von Heinrich Schütz bis zu dem Geiger Johann Georg Pisendel.
Dieser studierte bei Antonio Vivaldi, und aus Italien brachte er nicht nur viele Noten, sondern auch gute Kontakte mit, von denen die Hofmusik sehr profitierte. Die Notensammlung des legendären Konzertmeisters der Dresdner Hofkapelle befindet sich heute in den Beständen der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Sie wurde überliefert, weil sie einst in einem Schrank eingeschlossen und vergessen worden ist. Heute werden die Bestände aus diesem „Schranck No: II“ durch Musikhistoriker ebenso gern genutzt wie durch Musiker.
Albrecht Mayer hat dort eine Abschrift des Oboenkonzertes in C-Dur RV 450 von Antonio Vivaldi gefunden, sowie ein Oboenkonzert in a-Moll von Domenico Elmi (um 1676 bis 1744), das hier in Weltersteinspielung erklingt. Aus „Schranck No: II“ stammt zudem das Oboenkonzert in Es-Dur von Giovanni Alberto Ristori (1692 bis 1753), einem Organisten, Kapellmeister und Komponisten, der ebenfalls am Dresdner Hof wirkte.
Giuseppe Sammartini (1695 bis 1750) war der Sohn eines französischen Oboenvirtuosen, und spielte auch selbst dieses Instrument hervorragend. Er wurde in Italien geboren, ging aber später nach London, wo er unter anderem in Händels Opernorchester musizierte, und hoch angesehen war. Mayer hat für seine CD gleich drei Oboenkonzerte von Sammartini ausgewählt. In Weltersteinspielung zu hören ist das Konzert in C-Dur op. 8 Nr. 4.
Außerdem erklingt das Oboenkonzert in g-Moll op. 8 Nr. 5 sowie ein weiteres Konzert in C-Dur ohne Opuszahl. Es ist „in einer Abschrift aus dem 18. Jahrhundert erhalten, die sich der musikliebende schwedische Baron Patrick Alströmer (..) für seine private Notenbibliothek anfertigen ließ“, berichtet Mayer in einem ausführlichen Text im Beiheft. Die beiden anderen Konzerte befinden sich in den Beständen der British Library. Und die Edition des Vivaldi-Konzertes, die für diese Einspielung verwendet wurde, beruht auf einem Manuskript, das in der Biblioteca nazionale universitaria di Torino aufbewahrt wird.
An der weiten Verbreitung dieser Musikstücke kann man noch heute erkennen, wie sehr die Werke italienischer Komponisten seinerzeit in ganz Europa geschätzt und begehrt wurden. Mayer hat eine Auswahl derartiger musikalische Kostbarkeiten zusammengestellt, die man auch heute noch gern hört. „Um dabei intensiv in das spezielle Flair Italiens eintauchen zu können, suchte ich mir als meine Wegbegleiter Musiker, die die Welt kennen, aber italienisch denken, lachen und fühlen“, schreibt der Oboist – „und ich fand sie mit I Musici di Roma, jenem Ensemble, das schon in meiner Kindheit eine Instanz auf dem Gebiet des italienischen Barock- repertoires war.“
Nun hat sich aber seitdem die Welt weiter gedreht, und wer Barockmusik als solche hören möchte, der wird heute wohl kaum noch dieses Ensemble dafür wählen. Wer allerdings italienische Lebensfreude und Musizierlust erleben möchte, und wer bei der Oboe insbesondere musikalischen Aus- druck und schöne Töne schätzt, der wird diese CD lieben. Denn Albrecht Mayer ist wirklich ein vortrefflicher Oboist.
Brescianello: Concerti à 3 (Coviello Classics)
Giuseppe Antonio Brescianello (um 1690 bis 1758) kam im Jahr 1715 im Gefolge der Kurfürstin aus Venedig an den Münchner Hof. Belegt ist zudem, dass er nach gut einem Jahr als Director Musices an den württembergischen Hof wechselte, wo er zunächst für die fürstliche Kammermusik zuständig war. In Stuttgart verbrachte er den Rest seines Lebens.
Allerdings wollte der ehrgeizige junge Violinvirtuose schon bald auch Hof- kapellmeister werden. Das Problem: Es gab bereits einen Kapellmeister, und so sah der Herzog wenig Anlass, den Italiener zu befördern. Doch dann kam 1719 auch noch Reinhard Keiser nach Stuttgart, ein gefeierter Opernkomponist, der ebenfalls eine solche Anstellung zu erringen trachtete.
Dass dies zu Auseinandersetzungen führte, kann man sich leicht vorstellen. Die Streitigkeiten beendete Herzog Eberhard Ludwig, indem er im Februar 1721 Brescianello zum Oberkapellmeister ernannte. Keiser kehrte nach Hamburg zurück. Und unter Brescianello soll die württembergische Hofmusik eine künstlerische Blütezeit erlebt haben.
Das Ensemble Der musikalische Garten, hervorgegangen aus der Schola Cantorum Basiliensis, einer höchst renommierten Ausbildungsstätte im Bereich der „Alten“ Musik, hat sich auf die Spurensuche begeben und Werke gefunden, die man auch heute noch mit Vergnügen anhört. So sind in der Bibliothek des Conservatorio Statale di Musica Luigi Cherubini in Florenz 12 Concerti à 3 von Brescianello überliefert, von denen auf dieser CD die ersten sechs erklingen.
Heiter und elegant spielen Germán Echeverri Chamorro und Karoline Echeverri Klemm, Violine, Annekatrin Beller, Violoncello, und Daniela Niedhammer, Cembalo, diese Werke, die durchweg dem Muster der italienischen Sonata da chiesa folgen. Aus heutiger Sicht sind es Triosonaten, bei denen meistens die beiden Geigen miteinander wetteifern – nur die Sonata seconda ähnelt eher einem Solokonzert; dort gibt es sogar eine Kadenz für die erste Geige. Auffällig ist zudem, dass die Bassstimme oftmals ebenfalls recht anspruchsvoll gestaltet ist, sie reicht über eine reine Begleitstimme weit hinaus.
So erweist sich diese Einspielung erneut als ein hübscher Farbtupfer in der Kollektion des Musikalischen Gartens; auf weitere Blütenlesen dieses Ensembles darf man gespannt bleiben.
Allerdings wollte der ehrgeizige junge Violinvirtuose schon bald auch Hof- kapellmeister werden. Das Problem: Es gab bereits einen Kapellmeister, und so sah der Herzog wenig Anlass, den Italiener zu befördern. Doch dann kam 1719 auch noch Reinhard Keiser nach Stuttgart, ein gefeierter Opernkomponist, der ebenfalls eine solche Anstellung zu erringen trachtete.
Dass dies zu Auseinandersetzungen führte, kann man sich leicht vorstellen. Die Streitigkeiten beendete Herzog Eberhard Ludwig, indem er im Februar 1721 Brescianello zum Oberkapellmeister ernannte. Keiser kehrte nach Hamburg zurück. Und unter Brescianello soll die württembergische Hofmusik eine künstlerische Blütezeit erlebt haben.
Das Ensemble Der musikalische Garten, hervorgegangen aus der Schola Cantorum Basiliensis, einer höchst renommierten Ausbildungsstätte im Bereich der „Alten“ Musik, hat sich auf die Spurensuche begeben und Werke gefunden, die man auch heute noch mit Vergnügen anhört. So sind in der Bibliothek des Conservatorio Statale di Musica Luigi Cherubini in Florenz 12 Concerti à 3 von Brescianello überliefert, von denen auf dieser CD die ersten sechs erklingen.
Heiter und elegant spielen Germán Echeverri Chamorro und Karoline Echeverri Klemm, Violine, Annekatrin Beller, Violoncello, und Daniela Niedhammer, Cembalo, diese Werke, die durchweg dem Muster der italienischen Sonata da chiesa folgen. Aus heutiger Sicht sind es Triosonaten, bei denen meistens die beiden Geigen miteinander wetteifern – nur die Sonata seconda ähnelt eher einem Solokonzert; dort gibt es sogar eine Kadenz für die erste Geige. Auffällig ist zudem, dass die Bassstimme oftmals ebenfalls recht anspruchsvoll gestaltet ist, sie reicht über eine reine Begleitstimme weit hinaus.
So erweist sich diese Einspielung erneut als ein hübscher Farbtupfer in der Kollektion des Musikalischen Gartens; auf weitere Blütenlesen dieses Ensembles darf man gespannt bleiben.
Freitag, 5. Januar 2018
Goldberg Variations - Aulos Quartett (MDG)
Die sogenannten Goldberg-Variatio- nen BWV 988 gehören zu den bekanntesten Werken von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) überhaupt. Experten vermuten, dass die Clavier Übung bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veraende- rungen vors Clavicimbal mit 2 Manualen, so der tatsächliche Titel, eigentlich der vierte Teil von Bachs Tastenmusik-Kompendium Clavier Übung ist.
Weil diese Komposition so beliebt, aber auf einem modernen (ein- manualigen) Klavier gar nicht so einfach zu spielen ist, existieren mittlerweile zahlreiche Bearbeitungen. Eine besonders reizvolle stellt das Züricher Aulos Quartett auf einer CD vor, die bei Dabringhaus und Grimm erschienen ist. Sie stammt von Martin Gebhardt, und beruht ihrerseits auf einer Fassung für zwei Klaviere von Josef Gabriel Rheinberger aus dem Jahre 1883. Dieser „beabsichtigte mit seiner Arbeit eine weitere Verbreitung des Werkes, sowie dessen Aufführung im grossen Konzertsaal“, schreibt der Oboist im Beiheft. „Aus diesem Anlass hatte er zwei- und dreistimmige Passagen gleichermassen behutsam wie kunstvoll ergänzt.“
Diese Idee wurde durch das Aulos Quartett klug genutzt: Die Aufteilung der Stimmen auf vier Instrumente – Martin Gebhardt, Oboe, Roswitha Kilian, Violine, Miriam Moser, Tenor-Oboe und Rebecca Firth, Violoncello – erweist sich als ein Kunstkniff, der ganz erstaunlich zur Wahrnehm- barkeit der kontrapunktischen Strukturen beiträgt. Auch die gemischte Besetzung mit Streichern und Bläsern sorgt für Transparenz. Die beiden Oboen, vor allem auch die in der tiefen Lage, sorgen zudem für einen äußerst interessanten, farbenreichen Gesamtklang. Sehr hörenswert!
Weil diese Komposition so beliebt, aber auf einem modernen (ein- manualigen) Klavier gar nicht so einfach zu spielen ist, existieren mittlerweile zahlreiche Bearbeitungen. Eine besonders reizvolle stellt das Züricher Aulos Quartett auf einer CD vor, die bei Dabringhaus und Grimm erschienen ist. Sie stammt von Martin Gebhardt, und beruht ihrerseits auf einer Fassung für zwei Klaviere von Josef Gabriel Rheinberger aus dem Jahre 1883. Dieser „beabsichtigte mit seiner Arbeit eine weitere Verbreitung des Werkes, sowie dessen Aufführung im grossen Konzertsaal“, schreibt der Oboist im Beiheft. „Aus diesem Anlass hatte er zwei- und dreistimmige Passagen gleichermassen behutsam wie kunstvoll ergänzt.“
Diese Idee wurde durch das Aulos Quartett klug genutzt: Die Aufteilung der Stimmen auf vier Instrumente – Martin Gebhardt, Oboe, Roswitha Kilian, Violine, Miriam Moser, Tenor-Oboe und Rebecca Firth, Violoncello – erweist sich als ein Kunstkniff, der ganz erstaunlich zur Wahrnehm- barkeit der kontrapunktischen Strukturen beiträgt. Auch die gemischte Besetzung mit Streichern und Bläsern sorgt für Transparenz. Die beiden Oboen, vor allem auch die in der tiefen Lage, sorgen zudem für einen äußerst interessanten, farbenreichen Gesamtklang. Sehr hörenswert!
Telemann: Trio Sonatas (Berlin Classics)
Und noch ein Nachtrag zum Thema Telemann: Blockflötist Erik Bosgraaf hat jüngst bei Berlin Classics eine CD mit Triosonaten des Komponisten veröffentlicht. Auch wenn das Repertoire des niederländischen Musikers vom Mittelalter bis in die Gegenwart reicht, schätzt der Flötenvirtuose doch die Werke von Georg Philipp Telemann ganz besonders: „Kein anderer Barockkomponist dieses Kalibers gibt mir so ein Gefühl von Freiheit. Telemann lädt einen ein.“
Und so hat Bosgraaf mittlerweile zahlreiche Musikstücke seines Favoriten auf CD eingespielt – von den Solo-Fantasien über die Sonaten mit Basso continuo, die Suiten und die Konzerte für Solo-Blockflöte und bis hin zu den Doppelkonzerten. Der Flötist spielt diese Musik lebhaft, klar strukturiert und anmutig. Das gilt auch für seine neueste Aufnahme, die im Haydnsaal des Schlosses Eszterházy im ungarischen Fertöd entstanden ist. Dabei arbeitete Bosgraaf mit dem exzellenten Geiger Dmitry Sinkovsky („Telemann ist immer gut. Dieser Mann hat niemals eine schlechte Note geschrieben.“), dem Cellisten Balázs Máté und der Cembalistin Alexandra Koreneva zusammen, einer Spezialistin für historische Aufführungspraxis. Sie alle musizieren sehr inspiriert, es ist wirklich eine Freude.
Und so hat Bosgraaf mittlerweile zahlreiche Musikstücke seines Favoriten auf CD eingespielt – von den Solo-Fantasien über die Sonaten mit Basso continuo, die Suiten und die Konzerte für Solo-Blockflöte und bis hin zu den Doppelkonzerten. Der Flötist spielt diese Musik lebhaft, klar strukturiert und anmutig. Das gilt auch für seine neueste Aufnahme, die im Haydnsaal des Schlosses Eszterházy im ungarischen Fertöd entstanden ist. Dabei arbeitete Bosgraaf mit dem exzellenten Geiger Dmitry Sinkovsky („Telemann ist immer gut. Dieser Mann hat niemals eine schlechte Note geschrieben.“), dem Cellisten Balázs Máté und der Cembalistin Alexandra Koreneva zusammen, einer Spezialistin für historische Aufführungspraxis. Sie alle musizieren sehr inspiriert, es ist wirklich eine Freude.
Donnerstag, 4. Januar 2018
Telemann at Café Zimmermann (Winter & Winter)
Ein Nachtrag zum Telemann-Jubil- äumsjahr 2017: Das Schweizer Ensemble Die Freitagsakademie hat eine sehr schöne CD im Gedenken an Georg Philipp Telemann (1681 bis 1767) veröffentlicht. Die Einspielung, erschienen bei dem Label Winter & Winter, soll an das Café Zimmer- mann in Leipzig erinnern. Denn an der Pleiße hat Telemann mit seinem aus Studenten bestehenden Colle- gium Musicum seine überaus erfolg- reiche Musikerlaufbahn begonnen.
Nach drei Jahren freilich war die Studienzeit Telemanns vorbei: 1704 erhielt der junge Musiker, der eigentlich Jurist werden sollte, seine erste Anstellung als Hofkapellmeister des Grafen von Promnitz, in Sorau in der Niederlausitz. Die Freitagsakademie präsentiert ein etwas oboenlastiges, aber ansonsten außerordentlich hörenswertes Programm aus zwei Ouverture-Suiten, einer Sonate, einer Triosonate und einem bezaubern- den Konzert für Oboe d'amore. Die Musiker zeigen einmal mehr, dass Telemann heute noch immer der am stärksten unterschätzte Komponist der Barockzeit ist.
Nach drei Jahren freilich war die Studienzeit Telemanns vorbei: 1704 erhielt der junge Musiker, der eigentlich Jurist werden sollte, seine erste Anstellung als Hofkapellmeister des Grafen von Promnitz, in Sorau in der Niederlausitz. Die Freitagsakademie präsentiert ein etwas oboenlastiges, aber ansonsten außerordentlich hörenswertes Programm aus zwei Ouverture-Suiten, einer Sonate, einer Triosonate und einem bezaubern- den Konzert für Oboe d'amore. Die Musiker zeigen einmal mehr, dass Telemann heute noch immer der am stärksten unterschätzte Komponist der Barockzeit ist.
Wagner: Der Ring ohne Worte (Oehms Classics)
Dass Hansjörg Albrecht für diese Aufnahme die Staatskapelle Weimar als Partner gewählt hat, hat gleich mehrere Gründe. Da wäre zum einen die Beziehung zwischen Franz Liszt und Richard Wagner, die dem Residenzstädtchen seinerzeit gleich mehrere Uraufführungen Wagner- scher Werke bescherte, und im Beiheft von Dr. Eva Gesine Baur ebenso amüsant wie detailliert beschrieben wird. Wussten Sie schon, beispielsweise, dass das Festspiel- haus eigentlich im Weimarer Park an der Ilm entstehen sollte?
Da ist zum anderen die Staatskapelle Weimar selbst, ein bedeutendes thüringisches Orchester mit einer Tradition, die bis in das Jahr 1491 zurückreicht. Hansjörg Albrecht hat mit diesem Klangkörper bereits bei seiner Einspielung von Orchesterliedern Walter Braunfels' zusammen- gearbeitet.
Seine ganz persönliche Auseinandersetzung mit Richard Wagners Ring des Nibelungen reicht allerdings weiter zurück. So wurde 2006, ebenfalls bei Oehms Classics, Der Ring als Orgeltranskription veröffentlicht – von Albrecht gespielt auf den beiden Instrumenten der Kirche St. Nikolai in Kiel. Auch andere Werke, die eigentlich für Orchester komponiert wurden, hat der Dirigent und Konzertorganist in Form von Orgeltranskriptionen präsentiert.
Der Ring ohne Worte wurde am 9. und 10. Oktber 2016 als Live-Mitschnitt in der Neuen Weimarhalle aufgezeichnet. Die Symphonische Dichtung mit Orchesterszenen aus dem Ring des Nibelungen erklang in der Version von Lorin Maazel. Der Maestro komprimierte in seiner Fassung das beinahe 15 Stunden lange Original Wagners auf gut 70 Minuten Spieldauer. Dabei folgte er strikt dem Ablauf des Geschehens, vom Rheingold-Vorspiel bis zum Finale der Götterdämmerung, und fügte wichtige Szenen aneinander, ohne auch nur einen Takt hinzuzufügen. Die Gesangspartien wird man nicht vermissen; die Figuren werden durch Instrumente angedeutet – Sieglinde beispielsweise durch die Flöte, Fafner durch die Bassklarinette.
Wer nun aber ein Spiel mit Klangfarben erwartet, wie man das von den Orgeltranskriptionen kennt, der wird enttäuscht. Denn Albrecht dirigiert erstaunlich zurückhaltend. Ihn interessiert Substanz, nicht Bombast. So ist diese Einspielung eher puristisch als dramatisch geraten. Langweilig freilich ist das nicht.
Da ist zum anderen die Staatskapelle Weimar selbst, ein bedeutendes thüringisches Orchester mit einer Tradition, die bis in das Jahr 1491 zurückreicht. Hansjörg Albrecht hat mit diesem Klangkörper bereits bei seiner Einspielung von Orchesterliedern Walter Braunfels' zusammen- gearbeitet.
Seine ganz persönliche Auseinandersetzung mit Richard Wagners Ring des Nibelungen reicht allerdings weiter zurück. So wurde 2006, ebenfalls bei Oehms Classics, Der Ring als Orgeltranskription veröffentlicht – von Albrecht gespielt auf den beiden Instrumenten der Kirche St. Nikolai in Kiel. Auch andere Werke, die eigentlich für Orchester komponiert wurden, hat der Dirigent und Konzertorganist in Form von Orgeltranskriptionen präsentiert.
Der Ring ohne Worte wurde am 9. und 10. Oktber 2016 als Live-Mitschnitt in der Neuen Weimarhalle aufgezeichnet. Die Symphonische Dichtung mit Orchesterszenen aus dem Ring des Nibelungen erklang in der Version von Lorin Maazel. Der Maestro komprimierte in seiner Fassung das beinahe 15 Stunden lange Original Wagners auf gut 70 Minuten Spieldauer. Dabei folgte er strikt dem Ablauf des Geschehens, vom Rheingold-Vorspiel bis zum Finale der Götterdämmerung, und fügte wichtige Szenen aneinander, ohne auch nur einen Takt hinzuzufügen. Die Gesangspartien wird man nicht vermissen; die Figuren werden durch Instrumente angedeutet – Sieglinde beispielsweise durch die Flöte, Fafner durch die Bassklarinette.
Wer nun aber ein Spiel mit Klangfarben erwartet, wie man das von den Orgeltranskriptionen kennt, der wird enttäuscht. Denn Albrecht dirigiert erstaunlich zurückhaltend. Ihn interessiert Substanz, nicht Bombast. So ist diese Einspielung eher puristisch als dramatisch geraten. Langweilig freilich ist das nicht.
Mittwoch, 3. Januar 2018
Franck: Offertoires & Pièces posthumes (Aeolus)
Noch einmal Orgelmusik von César Franck – diesmal allerdings eingespielt an einer großen französischen romantischen Orgel: Elke Völker widmet sich auf dieser CD ausgewählten Frühwerken des belgischen Wahl-Franzosen. Es handelt sich dabei um weniger bekannte Stücke, die aber belegen, wie aus einem exzellenten Pianisten innerhalb von zwei Jahrzehnten ein versierter Organist wurde, der die Entwicklung der Orgelmusik entscheidend mit beeinflusste.
Zugleich stellt die Organistin ein Instrument vor, das auf Aufnahmen eher selten zu hören ist: Die Orgel der neogotischen Basilika Notre-Dame in Bonsecours, nördlich von Rouen, wurde 1857 durch Aristide-Cavaillé-Coll errichtet. Der Orgelbauer ergänzte das Instrument 1879 durch ein selbstständiges Pedal mit vier Registern. In späteren Jahren erfolgten weitere Veränderungen, die der Orgel einen deutlich sinfonischeren Charakter gaben und das Instrument erneut erweiterten. Seit 1997 steht die Orgel unter Denkmalschutz; 1999/2000 wurde sie restauriert, und ist heute wieder in dem Zustand, den Cavaillé-Coll in den Jahren 1888/89 hergestellt hatte, mit 29 Registern auf drei Manualen - von denen eines ein Koppelmanual ist - und Pedal. Allerdings wurde dabei der erweiterte Tonumfang aus dem 20. Jahrhundert beibehalten. Ein grandioses Instrument, und eine großartige Einspielung! Elke Völker musiziert sehr hörenswert, und auch technisch ist die Aufnahme exzellent.
Zugleich stellt die Organistin ein Instrument vor, das auf Aufnahmen eher selten zu hören ist: Die Orgel der neogotischen Basilika Notre-Dame in Bonsecours, nördlich von Rouen, wurde 1857 durch Aristide-Cavaillé-Coll errichtet. Der Orgelbauer ergänzte das Instrument 1879 durch ein selbstständiges Pedal mit vier Registern. In späteren Jahren erfolgten weitere Veränderungen, die der Orgel einen deutlich sinfonischeren Charakter gaben und das Instrument erneut erweiterten. Seit 1997 steht die Orgel unter Denkmalschutz; 1999/2000 wurde sie restauriert, und ist heute wieder in dem Zustand, den Cavaillé-Coll in den Jahren 1888/89 hergestellt hatte, mit 29 Registern auf drei Manualen - von denen eines ein Koppelmanual ist - und Pedal. Allerdings wurde dabei der erweiterte Tonumfang aus dem 20. Jahrhundert beibehalten. Ein grandioses Instrument, und eine großartige Einspielung! Elke Völker musiziert sehr hörenswert, und auch technisch ist die Aufnahme exzellent.
Dienstag, 2. Januar 2018
Images and Mirrors (Genuin)
Nachtrag in Sachen Sächsische Bläserphilharmonie: Auf der siebenten CD des Ensembles bei Genuin ist Musik zu entdecken, die sich durch Hintergründigkeit auszeichnet. Unter der Leitung von Thomas Clamor spielt das einzige zivile professionelle Blasorchester Deutschlands Werke, die teilweise mit Witz überraschen, und teilweise mit Tiefe.
So beginnt die CD mit einem Marsch von Paul Hindemith (1895 bis 1963), der in seiner Suite Symphonic Metamorphosis kleine Stücke des Freischütz-Komponisten Carl Maria von Weber aufgreift und zu einem der glanzvollsten Orchesterwerke des 20. Jahrhunderts umformt. Der Marsch ist das brillante Finale.
Vom schlichten Ländler bis zum Jazz-Funkrock und vom Bierzeltvergnü- gen bis zum derben Unwetter reicht das wohl aberwitzigste Violoncello- konzert der Musikgeschichte, geschaffen für das Streichinstrument und ein Bläserensemble von Friedrich Gulda (1930 bis 2000). Es handelt sich dabei um eine Ansammlung von Imitaten und Zitaten; ein alpenglühender Spaß, von Gulda geschaffen einst nicht ohne Hintersinn für den jungen Heinrich Schiff. Peter Bruns wagt sich an den Solopart dieses Werkes. Er nimmt die Brüche an, die das Konzert wie ein Kaleidoskop wirken lassen – und vergleicht man diese mit den vielen bereits verfügbaren Einspielun- gen, dann begeistert sie durch ihrer Verspieltheit und Heiterkeit.
Ist dieser Kracher, beim Publikum übrigens sehr beliebt, absolviert, dann folgt wie zur Belohnung die wohl schönste Kantilene von Heitor Villa-Lobos (1887 bis 1959), die Nr.5 aus den Bachianas Brasileiras, in einem Arrangement für Cello und Saxophonquartett. Hier musiziert Peter Bruns mit dem Saxophon-Ensemble clair-obscur. Diesem Quartett ist auch Jeu de Cartes gewidmet, eine Suite von Bart Picqueur (*1972), die auf dieser CD in Weltersteinspielung zu hören ist. Das Saxophonquartett ergänzt dabei den Klang der Sächsischen Bläserphilharmonie um interessante Farben – und glänzt natürlich auch solistisch.
So beginnt die CD mit einem Marsch von Paul Hindemith (1895 bis 1963), der in seiner Suite Symphonic Metamorphosis kleine Stücke des Freischütz-Komponisten Carl Maria von Weber aufgreift und zu einem der glanzvollsten Orchesterwerke des 20. Jahrhunderts umformt. Der Marsch ist das brillante Finale.
Vom schlichten Ländler bis zum Jazz-Funkrock und vom Bierzeltvergnü- gen bis zum derben Unwetter reicht das wohl aberwitzigste Violoncello- konzert der Musikgeschichte, geschaffen für das Streichinstrument und ein Bläserensemble von Friedrich Gulda (1930 bis 2000). Es handelt sich dabei um eine Ansammlung von Imitaten und Zitaten; ein alpenglühender Spaß, von Gulda geschaffen einst nicht ohne Hintersinn für den jungen Heinrich Schiff. Peter Bruns wagt sich an den Solopart dieses Werkes. Er nimmt die Brüche an, die das Konzert wie ein Kaleidoskop wirken lassen – und vergleicht man diese mit den vielen bereits verfügbaren Einspielun- gen, dann begeistert sie durch ihrer Verspieltheit und Heiterkeit.
Ist dieser Kracher, beim Publikum übrigens sehr beliebt, absolviert, dann folgt wie zur Belohnung die wohl schönste Kantilene von Heitor Villa-Lobos (1887 bis 1959), die Nr.5 aus den Bachianas Brasileiras, in einem Arrangement für Cello und Saxophonquartett. Hier musiziert Peter Bruns mit dem Saxophon-Ensemble clair-obscur. Diesem Quartett ist auch Jeu de Cartes gewidmet, eine Suite von Bart Picqueur (*1972), die auf dieser CD in Weltersteinspielung zu hören ist. Das Saxophonquartett ergänzt dabei den Klang der Sächsischen Bläserphilharmonie um interessante Farben – und glänzt natürlich auch solistisch.
Montag, 1. Januar 2018
Chopin: Valses (Gramola)
Frédéric Chopin gilt neben Johann Strauss (Vater) und Joseph Lanner als einer der „Väter“ des modernen Walzers. Während die Melodien der beiden Wiener Komponisten in erster Linie das tanzende Publikum auf Bällen unterhalten sollten, ent- zückten Chopins Werke allerdings die Zuhörer in den Pariser Salons.
Der bulgarische Pianist Martin Ivanov, geboren 1990 in Plovdiv, hat für sein Debüt-Album eine Auswahl dieser Perlen der Klavierliteratur zusammengestellt. Neben den heiteren und brillanten Walzern in Dur-Tonarten berücksichtigte er auch fünf Werke in Moll-Tonarten, die stärker durch die für Chopin charakteristische Melancholie geprägt sind.
Das aber sollte grundsätzlich nichts daran ändern, dass diese Stücke in erster Linie Walzer sind, und auch als solche gespielt werden müssen. Bei aller Virtuosität sollte doch der Tanz erkennbar bleiben; und ein Rubato setzt ein Grundtempo voraus. Es vollends gefühlig verschwimmen zu lassen, wird dem Werk Chopins meiner Ansicht nach nicht gerecht. Tut mir leid, aber diese Einspielung zeigt mir zu viel Streben nach Ausdruck und Originalität, und zu wenig Ringen um die musikalische Substanz. Meinen Geschmack trifft Ivanov nicht.
Der bulgarische Pianist Martin Ivanov, geboren 1990 in Plovdiv, hat für sein Debüt-Album eine Auswahl dieser Perlen der Klavierliteratur zusammengestellt. Neben den heiteren und brillanten Walzern in Dur-Tonarten berücksichtigte er auch fünf Werke in Moll-Tonarten, die stärker durch die für Chopin charakteristische Melancholie geprägt sind.
Das aber sollte grundsätzlich nichts daran ändern, dass diese Stücke in erster Linie Walzer sind, und auch als solche gespielt werden müssen. Bei aller Virtuosität sollte doch der Tanz erkennbar bleiben; und ein Rubato setzt ein Grundtempo voraus. Es vollends gefühlig verschwimmen zu lassen, wird dem Werk Chopins meiner Ansicht nach nicht gerecht. Tut mir leid, aber diese Einspielung zeigt mir zu viel Streben nach Ausdruck und Originalität, und zu wenig Ringen um die musikalische Substanz. Meinen Geschmack trifft Ivanov nicht.