"Dass der zu seinen Lebzeiten gerühmte und gefeierte Mendelssohn nach seinem frühen Tod von vielen als musikalisches Leichtgewicht abqualifiziert wurde und bis ins 20. Jahrhundert der Rehabilitierung bedürfen sollte, ist mir immer unbegreiflich geblieben", meint Sebastian Knauer. Goethe hörte den Zwölfjährigen 1821 improvisieren, und fühlte sich an Mozart erinnert. Schon 1847, wenige Monate nach seiner Schwester Fanny, starb der Gewandhaus-Kapellmeister und Gründer der ersten Musikhochschule Deutschlands in Leipzig. Er hinterließ ein ebenso umfangreiches wie gehaltvolles Werk. "Und nicht nur als Komponist scheint mir Mendelssohn aller Ehren wert zu sein", resümiert Knauer; "auch seine übrigen Talente und Leistungen, ob als Dirigent, Pianist, Maler, Zeichner, Wiederentdecker Bachs oder Konservatoriumsgründer, und nicht zuletzt seine großen menschlichen Qualitäten verdienen größte Achtung."
Bei der Auswahl der Stücke für diese CD folgte Knauer offenkundig nicht stupide dem Werkverzeichnis, sondern seinem musikalischen Gespür: Er entschied sich für einige "Lieder ohne Worte", die er durch andere, mehr oder minder prominente, Werke des Komponisten ergänzte.
Die Folge ist in sich durchaus stimmig; Knauer gelingt ein großer Spannungsbogen, von g-Moll nach C-Dur, über die grandiosen "Variations sérieuses" op. 54 bis hin zum finalen "Rondo capriccioso" op. 14. Dass der Pianist sich mit Mendelssohns Schaffen grundlegend auseinandergesetzt hat, zeigt unter anderem die Tatsache, dass ihm so ganz nebenher noch vier Ersteinspielungen gelungen sind. Was hier zu hören ist, das ist keineswegs gefällige Salonmusik, keine Hausmusik für die höhere Tochter.
Knauer nimmt die "Lieder" überwiegend federleicht, scheut aber auch die große dramatische Geste nicht. Er rettet diese Musik damit vorm romantischen Puderzucker - und zeigt, wie elegant und exzellent strukturiert Mendelssohns Stücke sind. Knauer macht deutlich, dass diese Miniaturen ernst genommen werden wollen. So aber mag man den Mendelssohn hören. Bravo, gern mehr davon.
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