Montag, 31. März 2014

Die helle Sonn leuchtet (cpo)

Das Kirchenlied ist ein Kind der Reformation. Luther hat selbst etliche Kirchenlieder geschrieben, denn er legte großen Wert darauf, dass der Christ nicht nur liest, sondern auch singt. Und so haben auch Luthers Zeitgenossen und alle späteren Generationen „ihre“ Kirchenlieder verfasst. Auf dieser CD hat das Ensemble Stimmwerck Melodien aus den ersten hundert- fünfzig Jahren dieser Tradition eingesungen. Der zeitliche Rahmen reicht von der Reformation bis zum Dreißigjährigen Krieg. Es sind bekannte Lieder wie O Haupt voll Blut und Wunden, Allein Gott in der Höh sei Ehr oder Wachet auf, ruft uns die Stimme, aber auch weniger geläufige sind dabei. Die Sätze stammen ebenfalls aus derselben Zeit; ihre Schöpfer sind namhafte Musiker wie „Urkantor“ Johann Walter, Michael Praetorius, Melchior Vulpius oder Heinrich Schütz. 
Vorgetragen werden sie durch Franz Vitzthum, Klaus Wenk, Gerhard Hölzle und Marcus Schmidl im Stil der damaligen Zeit; so könnte die Hofkapelle einer kleineren protestantischen Residenz im Gottesdienst geklungen haben. Die Gastmusiker lassen daher nicht nur Laute und Orgel, sondern auch Gamben und Zink ertönen. Das bringt Farbe, und sorgt zusätzlich für Abwechslung. Und das Label cpo veröffentlicht die Aufnahmen obendrein im allerbesten Surround-Sound. Sehr hörenswert! 

Hasse: Marc'Antonio e Cleopatra (Sono Luminus)

Im Jahre 1721 reiste ein junger deutscher Tenor nach Italien. Johann Adolf Hasse (1699 bis 1783) entstammte einer Organi- stendynastie aus Bergedorf, heute ein Teil von Hamburg. Er hatte am Hamburger Opernhaus am Gänse- markt und in Braunschweig im Opernhaus am Hagenmarkt gesun- gen, seine erste Oper komponiert, und fand, dass es nun Zeit war, bei den wirklichen Stars seiner Zeit in die Lehre zu gehen. 
Damit hatte er Erfolg, berichtet ein anderer Musiker, der ebenfalls in den Süden gegangen war, um seine Ausbildung zu vervollkommnen. „Herr Hasse nöthigte mich bey ihm zu wohnen: Wir wurden gute Freunde“, schreibt der Flötist Johann Joachim Quantz. „Er hatte bis dahin noch keine öffentliche Musik in Wälschland aufgeführet. Ein vornehmer neapolitanischer Bankier aber, ließ von ihm eine Serenate für zwo Personen in Musik bringen, welches er auch Zeit meiner Anwesenheit bewerkstelligte. Farinello und die Tesi sungen darinn. Durch diese Serenate erwarb sich Herr Hasse so vielen Beyfall, daß ihm gleich darauf die Musik, der im May dieses Jahres, auf dem königlichen Theater vorzustellenden Oper, zu verfertigen anvertrautet wurde. Und diese Oper hat ihm den Weg zu seinem künftigen Glücke gebahnet.“ 
Die „Serenata“ – eine damals sehr beliebte Gattung zwischen Solo- kantate und Oper – aus dem Jahre 1725 erzählt eine Geschichte, die damals jedem gebildeten Menschen bekannt war: Cleopatra und Marcus Antonius begegnen sich nach der verlorenen Schlacht von Actium. Die ägyptische Königin und der römische Feldherr wissen darum, dass ihre Situation ausweglos ist – was eine gute Gelegenheit ist, Gefühlen von Liebe und Leidenschaft bis hin zu Niedergeschlagen- heit, ja Verzweiflung in Duetten und Arien Ausdruck zu verleihen. 
Bei der Uraufführung wurde die Rolle des Marcus Antonius durch die Altistin Vittoria Tesi gesungen, die Cleopatra von dem Kastraten Carlo Broschi, bekannter unter dem Namen Farinelli. Entsprechend anspruchvoll sind die Partien – eine schwierige Aufgabe für die Sängerinnen Jamie Barton und Ava Pine, die Hasses Werk nun gemeinsam mit dem Ensemble Ars Lyrica Houston wieder aufgeführt haben. Matthew Dirst dirigierte die Konzerte vom Cembalo aus. Ein Mitschnitt ist als Weltersteinspielung bei Sono luminis erschienen. 

Donnerstag, 27. März 2014

PicCollage (Talanton)

Die Piccoloflöte ist die Leiden- schaft der Leipziger Musikerin Gudrun Hinze. Sie hat gemeinsam mit Kollegen, die zumeist dem MDR Sinfonieorchester und dem Gewandhausorchester Leipzig angehören, eine CD eingespielt, um diese Passion weiterzugeben. „Feuerzauber, Hexentanz und ländliche Gewitter haben seit vielen Jahrhunderten Komponi- sten bei der Instrumentation ihrer Orchesterwerke zum Piccolo greifen lassen. Neben den funkensprühenden Eigenschaften meines kleinen Instrumentes gibt es aber auch noch die nahe Verwandtschaft zur irischen Penny Whistle mit ihrem schwebenden und romantischen Klang, die feingliedrige virtuose Klarheit und den spitzbübischen Witz, die in der Seele des Piccolos schlummern“, schwärmt Hinze im Beiheft zu dieser CD. In der Musik, die die Flötistin ausgewählt hat, kommen all diese Facetten zur Geltung. Musiziert wird zudem wunderbar. Meine Empfehlung - diese CD  ist wirklich hinreißend! 

Inspired by the Freemasons (Genuin)

Spuren, die Freimaurer in der Musik hinterlassen haben, sind das Thema einer interessanten CD mit Cellistin Katja Zakotnik und Piani- stin Naila Alvarenga-Lahmann. Bekannt ist, dass Joseph Haydn sowie Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart Mitglieder in Wiener Freimaurerlogen waren. Als Ludwig van Beethoven nach Wien kam, hatte der Kaiser die Freimaurerei bereits verboten. Die beiden Musikerinnen lassen Melodien aus Mozarts Freimaurer-Oper Die Zauberflöte erklingen – in Variationen, die Beethoven komponiert hat. 
Johann Nepomuk Hummel war ein Schüler Mozarts. Er heiratete Elisabeth Röckel, eine enge Freundin Beethovens; Trauzeuge war Antonio Salieri. Auch Hummel hat hörenswerte Variationen für Violoncello und Klavier geschrieben; es ist nicht nachvollziehbar, warum seine Werke im Konzertleben heute kaum noch eine Rolle spielen. 
Francesco Gemiani kam zu einer Zeit nach England, als die Freimau- rerei dort gerade Fuß fasste. Er war Gründungsmitglied einer kleinen, kulturell engagierten Loge, und ist auf dieser CD mit einer Sonate vertreten. Ein Freimaurer war auch Jean Sibelius. Die beiden Musikerinnen stellen die Vier Stücke op. 78 vor, ursprünglich für Violine und Klavier entstanden – und gar nicht düster. 

Mittwoch, 26. März 2014

Händel: Water Music, Concerto grosso op. 6,11 (MDG)

Als Georg Friedrich Händel den Auftrag erhielt, die Wassermusik zu komponieren, muss ihm dies wie ein Geschenk des Himmels erschienen sein. Denn soeben war er mit seiner Opern-Gesellschaft am Haymarket-Theater geschei- tert. Es war zugleich der erste Auftrag Georgs I. Der König freilich wusste, was er an dem Musiker hatte, denn Händel war bereits sein Kapellmeister gewesen, als er noch Kurfürst Georg Ludwig zu Hanno- ver war. 
Nachdem er 1714 den englichen Thron bestiegen hatte, lebte Georg I. eher bescheiden. Höfischer Glanz und Prunk waren seine Sache nicht. Als der King am 17. Juni 1717 das Schiff bestieg, um jene sagenhafte Bootspartie auf der Themse zu starten, die in die Musikgeschichte eingehen sollte, war dies möglicherweise seine Antwort auf die auf- wendige Hofhaltung seines Ältesten, des Prince of Wales. 
Händels Musik für diese prachtvolle Ausfahrt hat die Zeiten über- dauert. Sie gehört noch heute zu den absoluten Publikumsfavoriten, und wurde nun nebst dem Concerto grosso op. 6,11 HWV 329 durch die Hannoversche Hofkapelle bei Dabringhaus und Grimm einge- spielt. Dieses Ensemble begeistert sowohl durch Expertise in der historischen Aufführungspraxis als auch durch seine hinreißende Musizierlust. Mit dieser CD gibt es nun endlich sein Debüt im Bereich der Instrumentalmusik. 
Die Frage, in welcher Folge die einzelnen Tanzsätze aufzuführen seien, haben die Musiker pragmatisch entschieden – zugunsten der klang- lichen Abwechslung. Händel selbst schätzte Überraschungseffekte, und hat sie in seinen Werken gern eingesetzt. So hatte der Komponist seinerzeit eigens für die Wassermusik zwei Jagdhörner aus Deutsch- land importiert. Diese Instrumente, die gleich für zwei Leidenschaften des Adels standen, die Jagd und die musikalische Repräsentation, waren auf dem Kontinent bald sehr beliebt, in England aber damals noch unüblich. 

Montag, 24. März 2014

Music for a while - Improvisations on Purcell (Erato)

„In unserem neuen Album Music for a while wollten wir (..) die erstaunliche Aktualität von Henry Purcells Musik unterstreichen, indem wir uns in den Improvisa- tionen harmonisch und stilistisch konstant zwischen den Jahrhun- derten bewegen“, erläutert Christina Pluhar. „Die von Henry Purcell komponierten Basslinien und Melodien bleiben unange- tastet. Der Improvisationsstil der Instrumente hingegen wechselt das Jahrhundert. Der Zuhörer befindet sich in einem zeitlosen Musikraum.“ 
Ob er das will, das muss er freilich selbst entscheiden. Denn Purcell ist schon für sich großartig; solche Musik in die Moderne weiterzuführen, das kann auch in der Belanglosigkeit enden. Aber wahrscheinlich ver- kauft sich Crossover einfach besser als „Alte“ Musik. Es ist jedenfalls auffällig, dass derzeit etliche Musiker alte Meister im neuzeitlichen Klanggewand anbieten. In diesem Falle wurden die Modernitäten allerdings dezent und mit Noblesse gesetzt, es sind eher Pinseltupfen als schwungvolle breite Striche. 
Neben ihrem Ensemble L'Arpeggiata konnte Pluhar für dieses Projekt den renommierten Jazz-Klarinettisten Gianluigi Trovesi und den Grazer Jazz-Gitarristen Wolfgang Muthspiel gewinnen. Auch die Riege der Sänger ist durchaus beeindruckend. Zu hören sind Raquel Andue- za, Sopran, Vincenzo Capezzuto, Alto, sowie Philippe Jaroussky und Dominique Visse, Countertenor. 

Schumann: Bunte Blätter op.99, Albumblätter op.124; Koch (Genuin)

Erinnerungen an interessante Begegnungen in Stammbüchern festzuhalten, das war früher ein gern geübter Brauch. Im 19. Jahr- hundert, im Zeitalter der zele- brierten Häuslichkeit, waren die Alben offenbar allgegenwärtig. So wird es nicht verwundern, dass auch die musizierenden Romatiker dieses Ritual mit Eifer pflegten. 
Dievorliegende CD fasst Album- blätter zusammen, musikalische Skizzen und Miniaturen, die in erster Linie Robert Schumann, aber auch Johannes Brahms sowie seine weniger bekannten Zeitge- nossen Theodor Fürchtegott Kirchner (1823 bis 1903) und Woldemar Bargiel (1828 bis 1897) zu Papier gebracht haben. Gleichzeitig stellt Pianist Tobias Koch ein ganz besonderes Klavier vor: Der Flügel, der hier erklingt, stammt aus der Werkstatt von Johann Nepomuk Tröndlin (1790 bis 1862). Der stammte eigentlich aus Freiburg im Breisgau, entzog sich aber dem Wehrdienst durch die Flucht nach Wien. 1821 ging er nach Leipzig. Dort waren seine Instrumente hochgeschätzt; sie wurden sowohl durch die Schumanns als auch im Hause Mendelssohn gespielt. 
Das Exemplar, das hier präsentiert wird, hat die Fabrikationsnummer 284 und befindet sich heute im Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig. Der Hammerflügel klingt sehr hell, bisweilen klimperig, metallisch. Das reine Vergnügen ist das nicht, zumal auch Kochs Interpretationen in diesem Falle etwas oberflächlich bleiben. Schade. 

Rafael Aguirre - Guitar Recital (Naxos)

Rafael Aguirre gehört zu den welt- weit führenden Gitarrenvirtuosen. Er hat etliche internationale Wett- bewerbe gewonnen. Bei Naxos ist kürzlich seine zweite CD erschie- nen, mit Werken spanischer Komponisten sowie von den Klängen der iberischen Halbinsel beeinflusster Musik. So hat der Zauber spanischer Nächte offenbar Claude Debussy sehr beeindruckt, wie zwei Werke des Komponisten auf dieser CD zeigen. Aguirre spielt nicht nur temperamentvoll, son- dern auch sehr präzise und differenziert. Hörenswert! 

Pergolesi: Stabat Mater (Erato)

Rechtzeitig vor Ostern legt das Label Erato eines der schönsten Werke der Kirchenmusik in einer neuen Aufnahme vor – das Stabat Mater von Giovanni Battista Pergolesi (1710 bis 1736). Um es gleich vorwegzunehmen: Wer diese CD angehört hat, der wird kaum noch eine andere Einspielung gelten lassen. Dies ist ohne Zweifel die neue Referenzaufnahme. Und das liegt vor allem auch an den Sängern, die keine Schwierigkeiten damit haben, mit eigentlich der Oper entlehnten Ausdrucksmitteln für die angemessene Andacht zu sorgen. 
Die russische Sopranistin Julia Lezhneva harmoniert klanglich perfekt mit Countertenor Philippe Jaroussky. Es ist phänomenal, wie die beiden Sänger nicht nur ihre Verzierungen, sondern auch ihr Timbre aufeinander abstimmen. Wer die Partien nicht kennt, der hat mitunter Mühe, zu erkennen, wer gerade singt. 
Und weil's so schön ist, hat Barock-Experte Diego Fasolis die CD gleich noch durch zwei weitere Werke Pergolesis ergänzt: Das Confitebor tibi Domine und das üppig orchestrierte Laudate pueri Dominum; beide Stücke bieten nicht nur anspruchsvolle Solo-Partien, sondern auch dankbare Aufgaben für die Musiker des Ensembles I Barocchisti sowie den Coro della Radiotelevisione svizzera. Auf die nachfolgende Aufnahme der Missa Romana sowie des Dixit Dominus, die Fasolis im Beiheft ankündigt, darf man bereits gespannt sein. 

Samstag, 22. März 2014

Bacharkaden (Carus)

Musikalische Bögen, die vom Werk Bachs ausgehen und dort auch wieder enden, haben das Calmus-Ensemble aus Leipzig und Musiker der Lautten Compagney um Wolfgang Katschner gemeinsam errichtet. „Ich habe hier in der Tat oft an das Alte Rathaus von Leipzig denken müssen mit seinen belebten Arkaden“, erläutert Ludwig Böhme, Bariton. „An der Marktseite wandelt man an den Schaufenstern entlang. Und so flanieren wir nun durch ein musikalisches Gewölbe, das ganz viel- fältige Bezüge zulässt.“ 
Platz ist zwischen den Chorälen des berühmten Thomaskantors, die die Pfeiler bilden, für Musik von Guillaume Dufay bis John Taverner – und für allerlei Experimente. Denn die Sänger übernehmen oftmals die Funktion der Orgel, was dem Ensemble mit seinem homogenen Klang ganz hervorragend gelingt. Die Musiker wiederum lassen nicht nur „alte“ Instrumente wie Blockflöte, Viola da gamba und Theorbe erklingen. Zu hören sind auch Marimba und Saxophon. Sie bringen weltliche Klänge in die geistliche Musik. „Der Glauben als Schirm des Daseins war einmal so selbstverständlich, dass man das gar nicht trennen konnte“, erklärt Katschner. „Gerade bei Bach, wo die gleiche Musik oft sowohl mit geistlichen als auch mit weltlichen Texten versehen ist. Wir knüpfen hier bewusst an, wenn wir die Choräle mit anderen musikalischen Zugängen verlebendigen.“ Wer der Meinung ist, dass diese Werke das nötig haben, und wer moderne Arrange- ments schätzt, der wird diese CD schätzen. 

Freitag, 7. März 2014

Beethoven: Piano Concerto No. 5 / Choral Fantasia; Brautigam (BIS)

Was für eine tolle CD! Zwar werden moderne Instrumente eingesetzt, aber Ronald Brautigam hat aus einer Vielzahl von Aufnahmen mit Nachbauten historischer Forte- pianos offenbar Klangvorstellun- gen mitgenommen, die sein Spiel am Steinway D deutlich beein- flussen. Darauf lässt sich auch das Norrköping Symphony Orchestra unter Andrew Parrott ein. Im Ergebnis entstand eine Interpreta- tion, die klar konturiert, ja geradezu kammermusikalisch wirkt, schlank und transparent.
Sehr gelungen erscheint auch die Chorfantasie mit ihren vielen Solopassagen. Beethoven hat, so scheint es, in seinen Variationen nahezu jede Instrumentengruppe einmal solistisch hervortreten lassen. Den Schlusschor nicht mit Menschenmassen, sondern mit einem Kammerchor zu besetzen, das erscheint im Kontext dieser Aufnahme nur zu schlüssig. Musiziert wird hervorragend. Natürlich könnte man beide Werke mitpfeifen, so oft hat man sie schon gehört. Aber was die Sänger und Musiker um Brautigam daraus machen, das klingt so frisch und unverbraucht, dass man atemlos lauscht. Bravi! 

Graun: Oboe Concertos (Accent)

„Das umfangreiche, erst 2006 von Christoph Henzel erstellte Graun-Werkverzeichnis dürfte wohl das einzige sein, das sich gleich zwei Komponisten widmet“, schreibt Bernhard Blattmann in dem informativen Beiheft zu dieser CD. „In ihm verzeichnet sind die Werke der beiden komponierenden Brüder Johann Gottlieb (1701 bis 1771) und Carl Heinrich Graun (1703 bis 1759).“ 
Sie wirkten beide die am Hof Friedrichs II. Ihre Werke sind oftmals nur in Abschriften überliefert, wo als Autor dann „Sign. Graun“ genannt ist – aber welcher? Diese Frage stellten sich aber schon ihre Zeitgenossen. Schon Johann Georg Pisendel, Konzertmeister am Dresdner Hof, meinte in einem Brief an seinen Kollegen Telemann: „Mit denen Herren Grauens wird gemeiniglich eine Confusion, die schönsten u feurigsten mit Douceur melierten Sinfonien sind nicht von dem berühmten Herrn CapellMr Graun, sondern von seinem Bruder dem ConcertMr.“ 
Oftmals lässt sich aber selbst die Autorschaft eines der beiden Brüder nicht zweifelsfrei nachweisen. Von solchen Authentizitätsfragen un- beeindruckt, hat die Oboistin Xenia Löffler auf dieser CD gemeinsam mit der Batzdorfer Hofkapelle einige Werke eingespielt, die zwar möglicherweise von umstrittener Echtheit, jedoch garantiert sehr reizvoll sind. Auch wenn es mit keinem Wort erwähnt wird – aber zumeist dürfte es sich um Weltersteinspielungen handeln. Musiziert wird gekonnt, wie man es bei den „Alte“-Musik-Enthusiasten um Stefan Maass mittlerweile erwartet. Eine gelungene CD, die ich nur empfehlen kann. 

Donnerstag, 6. März 2014

Bach - Katona Twins (Channel Classics)

Peter und Zoltán Katona, besser bekannt als die Katona-Zwillinge, gelten als derzeit weltbestes klassisches Gitarrenduo. Auf dieser CD haben sie Werke von Johann Sebastian Bach in Arrangements für Gitarre eingespielt. Dabei haben sie sich für die Französische Suite Nr. 5 BWV 816 und die Englische Suite Nr. 3 BWV 808 sowie zwei Solostücke entschieden, die man gemeinhin aufgrund ihrer Komplexität nicht der Laute, son- dern dem sogenannten Lautenwerk zuschreibt. Das war ein Instrument, das eher einem kleinen Cembalo ähnelte - allerdings mit einem bauchigen Resonanzkörper. 
Die Katona Twins sind brillante Gitarristen; technische Schwierig- keiten scheinen die beiden nicht zu kennen. Und daher bereitet es ihnen auch überhaupt keine Probleme, Bachs Werke solistisch oder im Duo vorzutragen. Sie musizieren bis ins kleinste Detail stimmig und wie aus einem Gedanken. Eine gelungene CD, die man gern anhört. 

Monteverdi: Heaven and Earth (Vivat)

Die Liebe in all ihren Facetten steht im Mittelpunkt des Monteverdi-Programmes, das das King's Con- sort auf dieser CD präsentiert. Es enthält etliche bekannte Stücke, ist abwechslungsreich, und wird vom Instrumentalensemble gekonnt begleitet. Zu hören sind dabei eine Vielzahl von Instrumenten, von der Violine bis zur Doppelharfe und von der Posaune bis zur Orgel. Somit ist auch ein breites Spek- trum an Klangfarben verfügbar – was den affektbetonten Vortrag der Sänger wirkungsvoll unter- streicht. 

Dienstag, 4. März 2014

Haydn - Beethoven: Cantatas ad honorem Austriae domus (Arco Diva)

Ein Herrscher zu sein, das hat mitunter Härten. So war noch vor 200 Jahren das Reisen ganz sicher kein Vergnügen. Doch auch höfische Feierlichkeiten brachten gelegentlich Herausforderungen mit sich – zum Beispiel dann, wenn Huldigungen der Untertanen anstanden. Wie anstrengend so etwas werden konnte, das belegt diese CD – und die Musik darauf stammt von Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven, und nicht etwa vom Oberlehrer Schmidt. 
Haydn schrieb sein Te Deum für Kaiserin Maria Theresia zwischen 1789 und 1800, auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Damals entstand auch beispielsweise Die Schöpfung. Die Gelegenheitskomposition brachte er routiniert zu Papier; sie ist angemessen pompös – und mit neun Minuten Spieldauer auch nicht zu lang. 
Beethovens Kantaten dagegen sind Frühwerke, die zumindest zu seinen Lebzeiten niemals aufgeführt wurden. Sie sind von üppiger Länge, und haben einen Text, den man heute wohl besser nicht verstehen möchte. Die Trauerkantate auf den Tod Josephs II. schrieb er im Alter von 19 Jahren; die Kantate auf die Erhebung Leopolds II. zur Kaiserwürde ein Jahr später. Zur Krönung dieses Kaisers war Wolfgang Amadeus Mozart, k.k. Kammermusiker, eigens nach Frankfurt/Main gereist. Er starb ein Jahr später, mitten in der Arbeit an seinem Requiem. So manche harmonische Wendung, die man in Beethovens Trauermusik findet, erscheint übrigens ähnlich in Mozarts Werk. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass es für derartige Stücke seinerzeit musikalische Konventionen gab; da wir heute aber nur noch einige wenige dieser Werke kennen, sind uns diese Stan- dards nicht mehr selbstverständlich präsent. 
Musikhistorisch betrachtet, sind die beiden Beethoven-Kantaten sehr interessant. Mit dem Adressaten dieser Werke bekommt man beim Anhören der Aufnahme dennoch Mitleid. Denn so könnte es ge- klungen haben, wenn Majestät einst unterwegs war in der Provinz, und sich lächelnd anhören musste, was die Untertanen so vortragen. Autsch! 

Montag, 3. März 2014

Schütz: Kleine geistliche Konzerte I (Carus)

„Anempfohlen sei, man möge sich beim Hören in Ruhe auf einige wenige der ‚Kleinen geistlichen Konzerte‘ beschränken, vielleicht vier oder fünf – dazwischen sei genügend Raum für nachklingen- de Stille“, empfiehlt Ludger Rémy in einem Geleitwort zu dieser CD. „Denn jedes Concert ist mehr als nur reine Musik: Es ist Verkündi- gung.“ 
Es ist dies die erste CD der neuen Schütz-Gesamteinspielung bei Carus, an der Hans-Christoph Rademann nicht mitgewirkt hat. Das hat der Aufnahme nicht gut getan. Festzustellen ist: Dem Ensemble hier fehlt es klar an Führung. Denn die Kleinen geistlichen Konzerte von Heinrich Schütz beziehen ihre Ausdrucksstärke gerade aus der untrennbaren Verknüpfung von Text und Musik, sie sind Exegese mit musikalischen Mitteln. 
Dazu allerdings muss der Hörer zu allererst den Text verstehen. Das fällt nicht leicht, wenn die Instrumente die Sänger übertönen. Zu hö- ren sind hier zudem Verzierungen, die das Wort nicht unterstreichen, sondern verwischen. An solchen kleinen Details stellt man fest, dass es dieser Interpretation an Sorgfalt und Tiefgründigkeit mangelt. Empfehlen kann ich die CD daher leider nicht; mittlerweile sind eine ganze Reihe ausdrucksstärkerer Aufnahmen auf dem Markt, und wer es nostalgisch möchte, dem sei beispielsweise die „originale“ Besetzung mit Knabenstimmen aus dem Dresdner Kreuzchor ans Herz gelegt. Sie singen mit jener Eindringlichkeit, die man bei den Profis hier vermisst. Von einer „Luxusbesetzung“, so wirbt das Label, darf man wohl mehr erwarten als saubere Töne. 

Waghalter: Violin Concerto (Naxos)

Ignatz Waghalter (1881 bis 1949) war das fünfzehnte von zwanzig Kindern einer jüdischen Musiker- familie. Er kam in Warschau zur Welt, und fiel schon im Kindesalter auf, weil er exzellent Geige und Klavier spielte. Als 17jähriger ging er heimlich nach Berlin, um sich dort als Musiker durchzuschlagen – und eine reguläre Ausbildung zu absolvieren. Er wurde ein Schüler von Philipp Scharwenka. Schließlich sorgte Joseph Joachim dafür, dass Waghalter an der Berliner Akademie der Künste bei Friedrich Gernsheim studieren konnte. 1902 erhielt der junge Komponist für seine Sonate für Violine und Pianoforte in f-Moll op. 5 den Mendelssohn-Preis. 
1907 wurde Waghalter unter Artur Nikisch Kapellmeister an der Komischen Oper Berlin; nach einer kurzen Zeit in Essen erhielt er schließlich 1912 das Amt des Chefdirigenten der neu eröffneten Deutschen Oper in Berlin. 1924/25 wurde Waghalter zum Musik- direktor der New Yorker Philharmoniker berufen. Doch der Kunstbetrieb in den USA erschien ihm zu stark kommerziell ausgerichtet. Eine Vertragsverlängerung lehnte er daher ab, und kehrte nach Deutschland zurück. 
Das war keine gute Idee; 1934 floh der Dirigent erst nach Prag und dann nach Wien. 1938, kurz nach dem Anschluss Österreich ans Dritte Reich, konnte Waghalter mit seiner Familie in die USA entkommen. Doch dort gelang es ihm nicht, an frühere Erfolge anzuknüpfen. Er war nun einer von vielen Flüchtlingen; als er 1949 einem Herzinfarkt erlag, wurde er in erster Linie von den Mit-Exilanten betrauert. Und das umfangreiche Werk Waghalters war bald vergessen. 
Das lag nicht zuletzt mit daran, dass der Musiker ein ganz entschiede- ner Verteidiger der Melodie war. Mit Atonalität und Adorno konnte er nichts anfangen; Waghalter fühlte sich der Tradition Schumanns und Brahms' verpflichtet. Das wiederum erschien in der Nachkriegs- zeit überholt und so unmodern, dass sich jahrzehntelang niemand mit dieser Musik befassen wollte. 
Für die Wiederentdeckung des Komponisten engagiert sich nun Violinistin Irmina Trynkos (waghalterproject.com). Sie hat mit dem Royal Philharmonic Orchestra unter Alexander Walker sowie mit dem Pianisten Giorgi Latsabidze wesentliche Werke Waghalters auf CD vorgestellt. Bei Naxos sind nun das inspirierende Violinkonzert op. 15 sowie die Rhapsodie für Violine und Orchester op. 9 in Welterst- einspielung erschienen. Die CD wird komplettiert durch die preisge- krönte Violinsonate des Komponisten, sowie zwei kleinere Stücke. Die Aufnahme ist ein wichtiger Beitrag zur Neubewertung der europäi- schen Musikgeschichte zwischen den Weltkriegen. 

Sonntag, 2. März 2014

Händel: Six Piano Concertos op. 4; Kirschnereit (cpo)

Auch Matthias Kirschnereit hat Händels Orgelkonzerte – in diesem Falle die sechs Konzerte op. 4 – eingespielt. Die Aufnahme setzt konsequent auf moderne Instru- mente – und ebenso konsequent auf eine historisch angemessene Musizierweise. „Dass Händel seine Orgelkonzerte ohne Pedal konzipierte, erleichtert deren Spielbarkeit auf dem Klavier“, meint Kirschnereit. Er beruft sich bei seiner Entscheidung für den Steinway zudem darauf, dass Händel selbst etliche seiner Werke für verschiedene Instrumente bearbeitet hat. 
Wenn man diese Aufnahme anhört, dann fragt man sich freilich, warum zuvor noch niemand diese Konzerte auf einem Flügel eingespielt hat – abgesehen von Ragna Schirmer, siehe oben, die aber mit dem musikalischen Material wesentlich freier verfahren ist. Kirschnereit hingegen bleibt möglichst dicht am Original. „Eine ,sprechende' Artikulation, kantables Spiel (für mich erschließt sich Händel besonders über seine Opern und Oratorien) wie auch der sparsame Gebrauch des rechten Pedals sind dieser Musik in hohem Maße angemessen“, beschreibt der Pianist im Beiheft sein Vorgehen. „Das Imitieren der einzelnen Orgelregister dürfte – wie überhaupt das innere Hören des menschlichen Gesanges und der unterschiedli- chen Orchesterinstrumente – eine Grundvoraussetzung darstellen.“ Umfangreiche Passagen der Orgelstimme sind nur fragmentarisch notiert bzw. mit Generalbass beziffert. „Hier einen Klaviersatz zu finden, der sinnvoll, klangschön und nicht allzu akademisch er- scheint, war eine besondere Herausforderung“, meint Kirschnereit, der von Haus aus kein Spezialist für „Alte“ Musik ist. 
Es ist dem Pianisten dennoch bestens gelungen. Seine Interpretation ist berückend elegant und rundum stimmig. Die Aufnahme dokumen- tiert zudem eine Musizierlust, die noch beim Anhören beschwingt. Die Deutsche Kammerphilharmonie Neuss unter Lavard Skou Larsen ist dem Solisten ein grandioser Musizierpartner. Wie sich Kirschnereit und das Orchester die Phrasen zuspielen, das ist wirklich sehr hörens- wert. Bravi! Und bitte mehr davon! Auf die Orgelkonzerte op. 7 darf man sich wohl schon jetzt freuen. 

Händel: Orgelkonzerte; Schirmer (Berlin Classics)

Nachdem sie bereits Händels Suiten eingespielt hat, wendet sich Ragna Schirmer nun auch den Orgelkonzerten des Komponisten zu. Georg Friedrich Händel hat sie für das Theater geschaffen, als Zwischenspiele. Sein Plan ging auf; die Pausenfüller erwiesen sich bald als der Renner. Das Publikum wollte die eingängigen Werke sogar zu Hause hören. Sie wurden dort auf dem Cembalo oder dem Spinett gespielt, mitunter mit Begleitung durch ein Streichquartett. 
Nun ist Ragna Schirmer keine Organistin. Sie hat daher die Orgel- konzerte zunächst auf das vertraute Klavier verlagert. „Es ist eine schwierige Aufgabe, von einem so voluminösen, lang klingenden Instrument wie der Orgel auf das doch eher filigrane Klavier zu übertragen“, meint die Musikerin. „Bloßes Ornamentieren und Verzieren reicht an vielen Stellen nicht aus, es bedarf größerer Ergänzungen und Verstärkungen.“ Unterstützt durch erfahrene Kollegen, hat Schirmer schließlich so manche kühne Idee verwirk- licht. So wurden Konzerte für Bläsertrio umgeschrieben. Das geht so weit, dass bei dem Konzert op. 4/4 die Bläser den Solopart komplett übernehmen, und Schirmer am Klavier die Rolle des Orchesters. Das Konzert HWV 296a wiederum spielt sie dann am Hammerflügel alleine. Es erklingt ein traumhaft gelungenes Instrument aus der Werkstatt von Matthias Arens und Martin Schwabe nach einem Vorbild von Anton Walter, Wien 1775. Als Wegbegleiter bei diesem Experiment konnte Schirmer das Händelfestspielorchester Halle/Saa- le gewinnen. 
Auf der zweiten CD nutzt die Musikerin einen modernen Konzert- flügel. Begleitet wird sie durch ihr eigens dafür gegründetes Kammerorchester DaCuore. Dem Steinway D entlockt Schirmer mitunter Klangfarben, die verblüffen. Die Solistin hält zwar den Ton erstaunlich schlank und die Strukturen durchhörbar. Aber generell sind die Interpretationen moderner, entfernen sich von der histo- risch informierten Aufführungspraxis. Das wird noch unterstrichen durch das Concertino des Franzosen Guillaume Connesson. Dieses Werk bezieht sich auf Themen aus den Orgelkonzerten. Es ist eine Auftragskomposition der Händel-Festspiele Halle für Ragna Schirmer. 
Die dritte CD wagt vollends den Schritt in die Moderne, denn hier wurde der Orchesterpart ausgewählter Orgelkonzerte von Stefan Malzew für ein Jazz-Ensemble arrangiert. Schirmer spielt den Orgelpart auf einer Hammond B3 von 1957. „Ganz bewusst habe ich barocke Artikulation auf diesem doch eher aus der Popularmusik bekannte Tasteninstrument zu imitieren versucht“, berichtet die Pianistin. Sie spielt so brillant, dass man ihr gern auch durch dieses Experiment folgt; das Ergebnis haut mich allerdings, um es mal so salopp zu sagen, nicht vom Hocker. Denn diese Jazz-Version ist durchaus Kaufhaus-kompatibel. Als Begleitmusik beim Shoppen zu enden, das wiederum haben Händels Werke nicht verdient. 

Samstag, 1. März 2014

Mozart: Concert Arias; Villazón (Deutsche Grammophon)

Nicht alle Arien von Wolfgang Amadeus Mozart sind so bekannt, dass man die Melodien mitpfeifen könnte. Das mag zum einen daran liegen, dass nicht alle Opern des Komponisten gleichermaßen populär sind. Einige hat er ohnehin niemals fertiggestellt. Zum anderen aber hat Mozart auch Einlage-Arien für Opern anderer Komponisten geschrieben. Es gab damals regelrechte „Koffer-Arien“, maßgeschneidert als Bravour- stücke für berühmte Solisten, damit sich die reisenden Sänger vor dem Publikum von ihrer besten Seite präsentieren konnten. Arien sind auch speziell für Konzerte entstanden. 
„Als ich in einem Münchner Musikgeschäft nach Partituren von Don Giovanni und Così fan tutte suchte, fiel mir eine Ausgabe von Mozarts Konzert-Arien für Tenor in die Hände“, berichtet Rolando Villazón. „Damals kam mir sofort die Idee, sie einzuspielen. Als ich dann einige Zeit später, im Mai 2011, die Titelrolle in Massenets Werther am Royal Opera House in London übernahm, fragte ich den Dirigenten Antonio Pappano, ob er Lust habe, diese Stücke mit mir aufzunehmen.“ 
Pappano hatte – und so entstand dann die vorliegende CD mit dem London Symphony Orchestra und zehn Arien, die so abwechslungs- reich sind wie das Leben selbst. Darunter findet sich Mozarts aller- erstes Vokalwerk überhaupt, das er 1765 während seines Aufenthal- tes in London geschrieben hat – damals war er neun Jahre alt – wie eine Huldigung an einen Erzbischof oder eine Arie, mit der Mozart einen Sänger für sich einnehmen wollte. Komische Stücke sind darunter, leidenschaftliche und erhabene. Es sind überwiegend Werke des jungen Mozart; doch sie sind durchweg ausdrucksstark und an- spruchsvoll. 
Villazón hat Vergnügen an den Einfällen Mozarts. Hörbar wird dies insbesondere bei Con ossequio, con rispetto, wo der Sänger lautstark mit Komplimenten um sich wirft – und beiseite halblaut das aus- spricht, was seine Figur wirklich denkt. Stimmlich gefällt er mir am besten dort, wo Villazón ganz schlicht singt, ohne Hochdruck und ohne Verdi-Pathos. Das London Symphony Orchestra begleitet inspiriert. 

L'après-midi des flutes (MDG)

Was für ein Sound! Wenn die
14 Berliner Flötisten musizieren, zumeist Solisten der führenden Berliner Orchester, dann ist das ein großartiges Erlebnis. Das Ensemble hat sich 1996 um Andreas Blau formiert. Der Soloflötist der Berliner Philharmoniker hatte die Idee, die Riege der im Orchester üblichen Flöten, vom Piccolo bis zur Alt-, mitunter auch zur Bass-Querflöte, durch Instrumente in der ganz tiefen Lage zu ergänzen. Sie sehen futuristisch aus – und ermöglichen es den Musikern, sich auch an sinfonische Werke zu wagen. 

Auf dieser CD sind Stücke aus der Zeit des Fin de Siècle zu hören. Das Programm reicht von dem berühmten Hummelflug aus der Oper Das Märchen vom Zaren Saltan von Nikolai Rimski-Korsakow über die Bläserserenade op. 7, die einst dem jungen Richard Strauss eine Stelle als zweiter Kapellmeister der Meininger Hofkapelle einbrachte, bis hin zu jener Serenade, mit der sich seinerzeit Antonin Dvorák Brahms empfahl. Emil Nikolaus von Reznicek (1860 bis 1945) ist vertreten mit der Ouvertüre zu seiner Oper Donna Diana – ein charmantes Stück, das im Zusammenhang mit der Fernsehsendung „Erkennen Sie die Melodie“ bekannt geblieben ist. 
Am besten aber gefallen mir die vier Werke von Claude Debussy; die Bearbeitung für die 14 Berliner Flötisten lässt ein ganzes Spektrum von Klangfarben aufscheinen. Nie zuvor hat das Prélude à l'après-midi d'un Faune so geflirrt und gefunkelt; man hört förmlich, wie die Sonnenstrahlen durch die Blätter blinzeln und die Gräser flüstern. Auch das berühmte Claire de lune wirkt wie verzaubert. Das ist wirklich beeindruckend – bravi, und mehr davon!