Sonntag, 31. Oktober 2021

Amazone (Erato)

 

„Dans l’enfance, mes héroïnes volaient au-dessus des toits, dévalaient de vertes prairies en chantant, rêvaient sous des ciels pleins d’étoiles, s’élançaient à cheval avec une liberté et un courage qui me fascinent encore“, erinnert sich Lea Desandre. Kein Wunder, dass die Mezzo-Sopranistin für ihr Solo-Debüt bei Erato auf den Spuren der Amazonen wandelt. 

Das Programm, das sie auf diesem Album vorstellt, bietet eine Fülle von Entdeckungen und somit auch zahlreiche Weltersteinspielungen. Über die Qualität dieser Funde kann man nur staunen. Das mythische Volk, in dem die Kriegerinnen alle Macht haben, hat offensichtlich die Phantasie von vielen Librettisten und erstklassigen Opernkomponisten bewegt. 

Frauen, die ebenso selbstverständlich ihr Land regieren, wie sie in die Schlacht ziehen, und Männer, die nichts zu sagen haben – verkehrte Welt, ein reizvolles Sujet also, zumal für die Barockoper, die ohnehin gern mit komplexen Figuren und unklaren Situationen spielt. Lea Desandre zeigt, wie Komponisten die Amazonen mit musikalischen Mitteln darstellten. Die ausgewählten Arien sind sowohl technisch als auch darstellerisch anspruchsvoll. 

Die junge Sängerin bewältigt diese Herausforderungen versiert; ob virtuoser Koloraturgesang oder ausdrucksstarke Kantilene, jeder Ton überzeugt. Das gilt erst recht für jene Stücke, wo Desandre zugunsten des Szenischen auf Schönklang verzichtet und die Stimme als Mittel zur Charakterisierung der jeweiligen Figur einsetzt. 

Quasi als Bonus erscheinen auf dem Album zudem drei Stars der Barockszene als Ehrengäste: Cecilia Bartoli und Véronique Gens singen jeweils ein Duett mit Lea Desandre, und William Christie spielt auf dem Cembalo ein Werk von Louis Couperin. 

Das ist freundlich, aber nötig wäre dies nicht gewesen. Denn Desandre singt wirklich faszinierend, und auch das Ensemble Jupiter, das sie unter Leitung von Thomas Dunford begleitet, hat im Verlaufe des Programmes mehrfach Gelegenheit, Klasse zu demonstrieren. So wird die Folge der Arien immer wieder durch Sinfonien aus den Opern und andere Instrumentalstücke ergänzt. Inspirierend. 


"Denn Silbermann wird aus dem Werck erkennt" (Rondeau)


 Aus dem sächsischen Kleinbobritzsch stammte Gottfried Silbermann (1683 bis 1753). Das Orgelbauerhandwerk erlernte er im Elsass bei seinem Bruder Andreas. Doch weil er diesem nicht Konkurrenz machen wollte, kehrte er schließlich als Meister nach Sachsen zurück. In Frauenstein, wo er aufgewachsen war, baute er 1711 die erste Orgel in der Heimat - „weil Frauenstein mein Vaterland, Gott zu Ehren und der Kirche zu Liebe“, so schrieb Silbermann, und dies, ohne ein Honorar dafür einzufordern. 

Wenn das zutrifft, so war es dennoch eine kluge Investition. Denn das Instrument gefiel. Der junge Orgelbauer richtete seine Werkstatt im sächsischen Freiberg ein. Die große Orgel im dortigen Dom St. Marien wurde sein zweites Projekt. Und viele weitere Aufträge folgten; etwa 50 Orgeln errichtete der Meister mit seinen Gesellen. In Sachsen sind 31 davon erhalten geblieben. 

Schon eine Weihegedicht für die Crostauer Orgel verweist darauf, wie einzigartig diese Instrumente sind: „Silbermann wird aus dem Werck erkennt“, meinte damals der Dichter. Denn die Orgeln, die er gebaut hat, haben einen unverwechselbaren Klang; Gottfried Silbermann zählt ohne Zweifel zu den bedeutendsten Orgelbauern überhaupt. 

Auf dieser CD präsentiert Lucas Pohle, Kantor an der Kirche in Crostau, „sein“ Hausinstrument, dessen Restaurierung durch die Hermann Eule Orgelbau GmbH 2016 er initiiert und begleitet hat. Zu hören sind Präludium und Fuge G-Dur BWV 541 von Johann Sebastian Bach, zwei der Schübler-Choräle (BWV 645 und 647) sowie die Sonate e-Moll BWV 528 – was dem Organisten Gelegenheit gibt, die Stärken des Instrumentes und die allermeisten Register ins beste Licht zu rücken. 

Drei Choralbearbeitungen sowie die Fantasie in f-Moll für Oboe und Orgel des Bach-Schülers Johann Ludwig Krebs machen deutlich, wie exzellent der Klang beider Instrumente harmoniert. Hier musiziert Pohle gemeinsam mit der Dresdner Oboistin Luise Haugk. Einen Glanzpunkt zum Schluss setzt die Solo-Kantate Geist und Seele wird verwirret BWV 35 – eine der wenigen Kantaten Bachs mit obligater Orgelstimme. Als Partner dafür hat Pohle die Altistin Britta Schwarz sowie das renommierte Dresdner Barockorchester gewählt. Ein schönes Programm, und ein gelungenes Orgelporträt. 

Freitag, 15. Oktober 2021

Bottesini: Revolution of Bass (Berlin Classics)

 

 „So eine Riesenkiste, die wirklich wunderbare Töne hervorbringen kann. Faszinierend!“, schildert Dominik Wagner seine erste Begegnung mit dem Kontrabass. Damals war er zehn Jahre alt, und spielte eigentlich Cello – doch den einstigen Wiener Sängerknaben hat die Faszination Kontrabass nicht wieder losgelassen. Den einzigartigen Klang dieses Instrumentes zu ergründen, den Ton differenziert gestalten zu können, daran arbeitet er seitdem. Und obwohl er noch immer studiert, konnte er bereits zahlreiche Preise gewinnen, unter anderem beim ARD Musikwettbewerb und dem Fanny Mendelssohn Förderpreis. Wagner ist zudem Echo Klassik Preisträger. 

Auch auf dieser CD frönt er seiner Leidenschaft: Die Kompositionen von Giovanni Bottesini – über dessen Lebensweg in diesem Blog bereits an anderer Stelle berichtet worden ist – sind Belcanto für Kontrabass. Dazu stellen sie höchste Anforderungen an die Spieltechnik; nicht umsonst gilt Bottesini, dessen 200. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern können, als „Paganini des Kontrabasses“. 

Wie schwierig es ist, aus diesen Noten tatsächlich Musik werden zu lassen, das allerdings wird der Hörer nicht merken, wenn er diese CD genießt. Das Programm beginnt mit dem Concerto Nr. 1 in fis-Moll, das Wagner gemeinsam mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn unter Leitung von Emmanuel Tjeknavorian interpretiert. Es ist ein ebenso virtuoses wie effektvolles Konzert, das man gern auch auf dem Konzertpodium öfter erleben würde. 

Zu hören sind weiter das Gran Duo Concertante für Violine, Kontrabass und Orchester sowie das Gran Duo Concertante über Themen aus Bellinis Oper I Puritani für Violoncello, Kontrabass und Orchester. Als Solisten musizieren hier an der Seite von Dominik Wagner Benjamin Schmid, Violine, und Jeremias Fliedl, Violoncello. 

Ebenso brillant gesetzt sind die Bonustitel, mit Can Çakmur am Klavier: Une bouche aimée und Tutto che il mondo serra, mit Sopranistin Ursula Langmayr, sowie das Allegretto Capriccio und die Rêverie für Kontrabass und Klavier. 

Somit zeigt diese CD, wie ein Kaleidoskop, verschiedenste Facetten des Werkes des Jubilars. Und Wagner galoppiert mit seinem Kontrabass so leichtfüßig durch Bottesinis Virtuosenstücke, dass man nur staunen kann. Alles wirkt so einfach und so natürlich, und hat dabei so viel Ausdruck und Seele – großes Kompliment an die Musiker, sie spielen wirklich großartig; Dominik Wagner stehen alle Wege offen für eine Zukunft als Solist. 


Montag, 4. Oktober 2021

Bach: Harpsichord Concertos transcribed for Mandolin (Dynamic)


 „Risulta facile pensare come qualunque musicista desideri studiare ed eseguire la musica di Johann Sebastian Bach“, schreibt Davide Ferella im Beiheft zu dieser CD. Doch wer Mandoline spielt, der hat nicht das Glück, einfach Originalrepertoire aus dem Notenschrank nehmen zu können. 

Aus diesem Grunde hat Ferella geeignete Werke herausgesucht und transkribiert; seine Wahl fiel dabei auf die Cembalokonzerte des verehrten Meisters: „Il lavoro di transcrizione e rielaborazione è basato sugli originali per clavicembalo perché molto più adatti all’esecuzione con il mandolino. Basti pensare all’emissione sonora che in entrambi gli strumenti avviene mediante il pizzico della penna; ciò fa sì che la scrittura risulti particolarmente confacente allo strumento esaltandone peculiarità espressive oltre che tecniche.“ 

Die Cembalokonzerte, von Davide Ferella und den Musikern des Ensembles Profili Barocchi virtuos und mit Spielfreude vorgetragen, sind im Klang dem Original tatsächlich verblüffend ähnlich. Zu hören sind die Concerti BWV 1052 und 1055. Das Concerto BWV 1059 hat Ferella nach Kantatensinfonien aus Geist und Seele sind verwirret BWV rekonstruiert, wobei er den langsamen Satz aus dem Concerto BWV 1056 übernommen hat. 

Besonderes Highlight der Einspielung: Das Concerto 1060, für zwei Cembali; ursprünglich waren die Solo-Instrumente wahrscheinlich Oboe und Violine. Hier musiziert Ferella gemeinsam mit Dorina Frati. Rundum gelungen! Diese CD erfreut nicht nur Mandolinen-Enthusiasten. 


Sonntag, 3. Oktober 2021

Grand Tour (Genuin)


 Auf der sogenannten Kavalierstour reisten einstmals Sprösslinge aus gutem Hause quer durch Europa. Die angehenden Regenten lernten dabei fremde Sprachen und fremde Sitten kennen; sie erlebten allerlei Abenteuer und erhielten weltmännischen Schliff. 

Doch nicht nur den Adel, auch Musiker zog es in die Ferne: Von großen Meistern lernen, Vorbilder aus anderen Musikkulturen aufmerksam studieren, und daraus Inspiration und Anregung für das eigene Schaffen erfahren – insbesondere Italien war seinerzeit ein wichtiges Reiseziel, und Frankreich hatte ebenfalls viel zu bieten. 

Das Cicerone Ensemble nimmt uns mit auf eine musikalische Reise auf den Spuren von Komponisten, die ein selbst durch Europa gereist sind. Die drei jungen Musiker erweisen sich als ebenso kenntnisreiche wie leidenschaftliche Reiseführer. Thomas Wormitt, Traversflöte, Adrian Cygan, Violoncello, und Andreas Gilger, Cembalo, kombinieren musikwissenschaftliche Erkenntnisse und technische Exzellenz mit überraschenden Repertoire-Entdeckungen. Auf dieser CD präsentieren sie ein abwechslungsreiches Programm, das auch beim Zuhörer die Reiselust weckt. Mehr davon!