Sonntag, 29. Juni 2014

Mendelssohn: A Midsummer Night's Dream (Decca)

Einmal mehr hat das Leipziger Gewandhausorchester unter Riccardo Chailly Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy aufge- führt. Bei dem Label Decca sind nun Mitschnitte der Konzerte aus dem Juni 2013 erschienen. Und wer romantische Orchesterklänge schätzt, dem sei diese CD ernsthaft empfohlen. Das Programm beginnt mit der Weltersteinspielung der Ouvertüre zu Ruy Blas – das war ein Theaterstück von Victor Hugo; Mendelssohn schätzte es gar nicht, er hat dieses Auftragswerk wohl auch eher widerwillig geschrieben und nie publiziert. 
Bekannt ist hingegen seine Musik zu Shakespeares Komödie Ein Sommernachtstraum. Das sind fünf stimmungsvolle Stücke, inklusive Waldesrauschen, Feenzauber, Übermut und Kapriolen. Das Gewand- hausorchester bezaubert mit seinem farbigen Klang und einer Transparenz, die beispielsweise die Holzbläser hinreißend zur Geltung kommen lässt. Mendelssohns berühmte Schauspielmusik wird ergänzt durch seine zwei ersten Klavierkonzerte. Hier ist als Solist Saleem Ashkar zu hören. Der Pianist musiziert einfühlsam, doch auch hin- reichend brillant und stets im Dialog mit dem Orchester. Schade nur, dass Chaillys Tage in Leipzig gezählt sind; er wechselt 2017 als Musikdirektors an das Teatro alla Scala in Mailand. 

Muffat: Componimenti Musicali (Naxos)

Gottlieb Muffat (1690 bis 1770) war der jüngste Sohn des berühm- ten Georg Muffat. Der Vater könnte zugleich der erste Lehrer des Kna- ben gewesen sein. Muffat junior erwies sich als ein begabter Schü- ler; im Alter von zehn Jahren soll der bereits dem Kaiser auf dem Cembalo vorgespielt haben. Nach dem Tode Georg Muffats zog der gerade einmal vierzehnjährige Gottlieb nach Wien zu seinen Brüdern. Dort wurde er Hofscholar an der kaiserlichen Hofkapelle und erhielt Unterricht unter anderem bei Hofkapellmeister Johann Jo- seph Fux. 1714 erhielt er seine erste Anstellung am Hof der Kaiserin- witwe Amalia Wilhelmina; 1717 wurde er durch den Kaiser zum Or- ganisten bestellt. Außerdem unterrichtete er die kaiserlichen Kinder. Zu seinen Schülern gehörte beispielsweise die spätere Kaiserin Maria Theresia. 
Muffat scheint ein brillanter Cembalist gewesen zu sein. Fux berichtet über ihn, er sei in der Oper und Kammermusik ein gefragter Begleiter gewesen; auch habe man bei Hofe seine Werke sehr geschätzt. Wer diese CD mit einer Auswahl seiner Kompositionen angehört hat, der wird sich erstaunt fragen, wieso ein solches Werk nur noch absoluten Insidern bekannt ist. Denn die Musik Muffats kann man Bach und Händel durchaus zur Seite stellen. Der Musiker, der Wien möglicher- weise niemals zu einer längeren Studienreise verlassen hat – ein Aufenthalt in Italien wird zwar vermutet, ließ sich aber bislang nicht belegen – bewegt sich flexibel zwischen dem deutschen, dem franzö- sischen und dem italienischen Stil. 
Händel schätzte Muffats Musik derart, dass er Zitate daraus in seinen eigenen Werken verwendete. Naoko Akutagawa, eine hervorragende Cembalistin aus Japan, spielt hier Ausschnitte aus seinen ebenso virtuosen wie noblen Suiten, die er unter dem Titel Componimenti Musicali 1739 in Augsburg veröffentlicht hat. Dazu erklingen zwei „Parthien“, das sind ebenfalls Suiten, in Weltersteinspielung. Unbe- dingt anhören, denn sowohl die Werke als auch die Interpretation setzen Maßstäbe. 

Mozart: Harmoniemusik (Coviello Classics)

Dass erfolgreiche Werke oftmals in neuen Arrangements aufgeführt werden, ist ein alter Hut. Es erscheint ein bisschen kurios, dass Andreas N. Tarkmann im Beiheft zu dieser CD meint, sich für seine Bearbeitungen rechtfertigen zu müssen. Denn von Bach bis Berlioz und von Haydn bis Henze haben viele Komponisten eigene oder auch fremde Musik bearbeitet. Auch Mozart hat das mehr als einmal getan, beispielsweise um beliebte Melodien aus seinen Opern in einem Arrangement für Bläser vermarkten zu können. Diese sogenannten Harmoniemusiken waren zu Mozarts Zeit sehr beliebt. So hat der Komponist seine eigene Bläserserenade KV 375 nachträglich zum Oktett gemacht. In dieser Fassung spielt sie auf dieser CD das Ensemble Prisma. Tarkmann hat Mozarts Sinfonie Nr. 1 sehr ansprechend für Bläser arrangiert. Auch ein Fragment, das wohl einmal ein Quintett für Klarinette, Bassett- horn und Streicher werden sollte, ergänzte er, wobei er aber auf allzu kühne Hinzufügungen verzichtet hat. Das berühmte Rondo Alla Turca erklingt als virtuoser Schluss. 

Samstag, 28. Juni 2014

Sunfire - The Twiolins (Emotion Music)

„Ein Superhit, der die Zuhörer vom Hocker haut“ – unter diesem Motto suchten die Twiolins nun schon zum zweiten Male nach spannenden neuen Werken für Violinduo. Marie-Luise und Christoph Dingler hatten im Jahre 2009 zum ersten Male den Crossover Composition Award ausgelobt. 2012 ging der Wett- bewerb nun in die zweite Runde. Die beiden jungen Geiger, die schon als Kinder gemeinsam musizierten, konnten sich über knapp einhundert Einsendungen aus 16 verschiedenen Ländern freuen: „Nicht nur die Anzahl der Teilnehmer, sondern auch die Kreativität und der Ideenreichtum der Kompositionen ist im Vergleich zum Jahr 2009 angestiegen“, erklärt Marie-Luise Dingler. Eine Jury hat diese Werke begutachtet und sechs Finalisten für die Endrunde ausgewählt. 
Diese Stücke haben die Geschwister Dingler dann bei einem festlichen Konzert im Reiss-Engelhorn-Museum uraufgeführt. Das Publikum wiederum kürte die Preisträger. Mittlerweile haben die Twiolins die siegreichen Werke auch auf CD vorgelegt; ergänzt wurde das Pro- gramm um einige zusätzliche spektakuläre Werke, die im Umfeld des Wettbewerbes entstanden sind. Sieger 2012 wurde Johannes Söllner mit Doch Laub & Wolken unter Nacht, eine insbesonders harmonisch sehr spannende Komposition. Kurios erscheint die Tatsache, dass Tonio Geugelin, der Gewinner des zweiten Preises, zu dem Wettbe- werb mit Orient Express seine erste Komposition überhaupt ein- gereicht hat – und damit sogleich erfolgreich war. Schon die Titel lassen es vermuten: Die Auswahl ist bunt; zwar sind die Werke alle irgendwie modern und dynamisch, doch es ist erstaunlich, wie unterschiedlich die Komponisten das Violinduo einsetzen. Die Twiolins musizieren gekonnt und perfekt aufeinander abgestimmt. Virtuosität ist auch erforderlich, wenn man diese Musik vortragen will: „Die Stücke waren um einiges schwieriger als die Werke von vor drei Jahren, alle haben technische Höchstleistung von uns verlangt“, resümiert Marie-Luise Dingler. „Man weiß auch nie, ob die neuen Stücke beim Publikum ankommen. Der tosende Applaus nach dem Vorspielen aller Werke hat uns und die Fachjury dann aber in unserer Auswahl bestätigt.“ Und der nächste Crossover Composition Award findet 2015 statt. 

Sacred Verdi (Warner Classics)

Giuseppe Verdi (1813 bis 1901) ist bekannt als Opernkomponist. Weniger bekannt ist, dass er auch geistliche Musik geschrieben hat. Als im Jahre 1868 der Komponist Gioachino Rossini starb, schlug Verdi seinem Verleger Tito Ricordi ein einzigartiges Gemeinschafts- projekt vor: Die besten italieni- schen Komponisten der damaligen Zeit sollten zu Ehren Rossinis eine Messe schaffen. Verdi selbst übernahm das Libera me – auf dieser CD ist es in der Urfassung von 1890 zu hören; später ging es überarbeitet in sein Requiem ein. Das hatte Antonio Pappano bereits 2009 eingespielt und dafür viel Lob erhalten. Der Dirigent entschied sich nun, seine CD für das Verdi-Jahr durch die Quattro pezzi sacri sowie das Ave Maria für Sopran und Streicher zu komplettieren. Nicht auf der CD enthalten ist hingegen das Pater Noster, durch Verdi eigentlich dem Ave Maria zur Seite gestellt. Aber ein zweihundertzehnköpfiger Chor, mit allein fünfzig (!) Bässen, das war wohl auch für Warner Classics zu starker Tobak. 

Dienstag, 24. Juni 2014

Latin And Spanish Fantasies (Musicaphon)

Maximilian Mangold, Gitarre, und Mirjam Schröder, Harfe, musizie- ren seit 2006 zusammen. Das Duo hat sich in erster Linie der spani- schen Musik verschrieben. Der einzigartige Klang, der sich aus der Kombination der beiden Instru- mente ergibt, bezaubert nicht nur Publikum und Kritiker; er hat auch etliche Komponisten inspiriert. So enthält diese CD ausschließlich Werke, die für das Duo entstanden sind. Mangold und Schröder erweitern ihr Repertoire ständig und bringen jährlich mehrere Kompositionen zur Uraufführung. 

Devil's Trill (Passacaille)

Rasante Läufe, schier unglaubliche Figurationen, Doppel- und Tripel- griffe – im Zeitalter der reisenden Virtuosen ließen sich Geiger immer neue Höchstschwierigkeiten ein- fallen, um Publikum anzulocken und zu beeindrucken. 
Dass die Geschichte der virtuosen Violinmusik aber schon lange vor Paganini, Viotti und Vieuxtemps begonnen hat, das beweist die vorliegende CD. Enrico Onofri präsentiert in seiner Einspielung mit dem Imaginarium Ensemble Kompositionen, die die künstleri- schen Ahnen des „Teufelsgeigers“ geschaffen haben. Die drei Italiener spielen auf historischen Instrumenten, wobei das Cembalo der moderne Nachbau eines italienischen Vorbilds aus dem 17. Jahr- hundert ist. Sie zeigen mit sehr viel Spielfreude, dass es dem barocken Geiger in erster Linie um den Ausdruck von Affekten gegangen ist. Diesem Ziel ordnete sich alles virtuose Rankenwerk unter; ein expressives messa di voce, kunstvolle Triller und ein perfekt geformter Klang waren den Musikern ebenso wichtig wie schwierige Doppelgriffe oder schnelle Passagen. In Briefen und mit Werken für ihre Schüler gaben sie ausführliche Anleitungen, wie all das gespielt werden sollte. Wie es sich anhörte, das demonstriert Onofri am Beispiel von zwei Sonate Accademiche aus der Feder von Francesco Maria Veracini (1690 bis 1778). Es erklingen zudem eine Sonate von Giovanni Mossi (1680 bis 1742) und eine Invention von Francesco Antonio Bonporti (1672 bis 1749). Und natürlich darf auch die berühmte Teufelstriller-Sonate von Giuseppe Tartini (1692 bis 1770) nicht fehlen.  

Montag, 23. Juni 2014

C.P.E. Bach: 6 organ sonatas (Challenge Classics)

Ton Koopman spielt die Orgel- sonaten von Carl Philipp Emanuel Bach. Was für ein Glücksfall! Denn der Cembalist und Organist hat sich auch mit dem Werk seines Vaters und etlicher Zeitgenossen intensiv beschäftigt. Seine Gesamt- einspielung der Orgelwerke von Johann Sebastian Bach gehört mit zu meinen absoluten Favoriten, weil Koopman dort tiefgreifendes Studium, technische Präzision und Perfektion und zugleich eine geradezu umwerfende Musikalität in wunderbarer Weise vereint. 
Wenn er nun also die Orgelsonaten des zweitältesten Bach-Sohnes vorträgt, dann versucht Koopman nicht, sie mit der romantischen Brille zu lesen. Sie klingen ohnehin „modern“ genug. Der Organist weiß er um die Tradition, aus der diese Werke erwachsen sind, und macht dies auch hörbar. Einmal mehr setzt Koopman mit seiner Aufnahme die Referenz, an der sich in Zukunft alle Nachfolger messen lassen müssen. Und er spielt das Instrument, für das zumindest vier der sechs Orgelsonaten entstanden sind: Anna Amalia, die jüngste Schwester von Friedrich dem Großen besaß eine Orgel des Orgel- bauers Peter Migendt. Sie wurde 1755 im Berliner Stadtschloss aufgestellt. Die Prinzessin spielte dieses Instrument selber. Es besaß einen für die damalige Zeit außergewöhnlichen Tonumfang – während, so Koopman, der höchste Ton der Orgeln seinerzeit d''' oder c''' war, reichte die Klaviatur dieser Orgel bis zum f''' – und Bach nutzt diese Spanne in seinen Orgelsonaten auch aus. 
Durch einen Zufall überstand diese sogenannte Amalien-Orgel Kriege und Nachkriegswirren; seit den 50er Jahren befindet sie sich in der Kirche zur frohen Botschaft in Berlin-Karlshorst. Und nach einer sorgsamen Restaurierung 2007 ist nun auch ihr originaler Klang wieder zu hören. 

Saxophone Cinema (MDG)

Was für ein Sound! In dem Ensem- ble Selmer Saxharmonic musi- zieren zwölf der besten klassischen Saxophonisten Deutschlands. Auf dieser CD sind sie mit Filmmusik zu hören, und zwar auf sämtlichen Instrumenten der Saxophon-Familie, vom Sopranino bis zum Bass. Dabei überraschen sie mit spektakulären Klangeffekten – man höre nur die „Mundharmonika“ in der berühmten Musik zu Spiel mir das Lied vom Tod, komponiert von Ennio Morricone. Doch auch die Titelmelodien von Paulchen Panther oder Star Wars kommen in der Bearbeitung für zwölf Saxophone grandios zur Geltung. Es ist kaum zu glauben, wie farbenreich und klanglich flexibel diese Instrumente hier präsentiert werden. Und die Musiker agieren unter der Leitung von Milan Turković wie aus einem Atem, der Effekt ist wirklich phänomenal – diese Aufnahme macht süchtig, unbedingt mehr davon! 

Freitag, 20. Juni 2014

Praise the Lord - Luthers Lieder auf dem Weg in die Welt (Carus)

Mit dieser CD verweist der Stadt- singechor Halle/Saale auf Tradi- tionen, die die Hallorenstadt geprägt haben. Denn sie war einst ein Zentrum des Pietismus. Dort gründete der Theologe August Hermann Francke (1663 bis 1727) eine Anstalt zur Betreuung von Armen und Waisen. Diese soge- nannten Franckeschen Stiftungen, einst vor den Toren gelegen, heute eine kleine Stadt mitten in der Stadt, trugen ganz entscheidend dazu bei, dass Halle in ganz Europa als „neues Jerusalem“ gerühmt wurde. 
Im Hallenser Waisenhaus wurden Lieder gesungen – natürlich die aus der Feder Martin Luthers, aber auch die kunstvollen Vertonungen durch Johann Walther (1496 bis 1570). Der kursächsische Hofkapell- meister gilt als „Urkantor“ der Reformation. Hundert Jahre später entstand eine neue Art von Kirchenliedern. Sie war weniger für den Gottesdienst als vielmehr für die häusliche Andacht bestimmt und reflektierte die persönliche Beziehung des Christen zu Christus – was dem Geist des Pietismus sehr nahe lag. 
Insbesondere die Lieder Paul Gerhardts (1607 bis 1676) wurden von den Hallensern sehr geschätzt. Francke und sein Mitarbeiter Johann Anastasius Freylinghausen schufen auch eigene Lieder, die den frommen Lebenswandel so erfolgreich lobten, dass die örtlichen Drucker es kaum schafften, ausreichend Gesangbücher zu liefern – so groß war die Nachfrage. Und die Pietisten verbreiteten dieses Liedgut weltweit; diese CD zeigt anhand von Beispielen aus dem englisch- sprachigen Raum, wie die Ideen aus Mitteldeutschland singend bis in die Neue Welt gelangten. Der Stadtsingechor zu Halle, einer der ältesten Knabenchöre Deutschlands, derzeit unter Leitung von Frank-Steffen Elster, hat gemeinsam mit der Lautten Compagney Berlin unter Wolfgang Katschner sowie einem Solistenquartett eine Auswahl Kirchenlieder aus dieser Tradition eingespielt. 

Montag, 16. Juni 2014

Prayer - Voice & Organ (Deutsche Grammophon)

Das aktuelle Album von Magdalena Kozená enthält Musik aus (fast) ganz Europa und aus einem Zeitraum, der vom Barock bis ins 20. Jahrhundert reicht. Die Mezzosopranistin hat gemeinsam mit dem Organisten Christian Schmitt geistliche Lieder und Arien zusammengetragen, die zumeist weniger für den Vortrag im Gottesdienst als vielmehr für die häusliche Andacht geschrieben worden sind. Von Johann Sebastian Bach bis zu Giuseppe Verdi, von Hugo Wolf bis zu Maurice Duruflé und von Franz Schubert bis zu Antonín Dvorák und vom Ave Maria bis zum Kaddisch reicht die Spannbreite der Werke, die für diese CD ausgewählt worden sind. 
Sie sind weniger virtuos als vielmehr innig und besinnlich, was für einen Sänger aber eine besondere Herausforderung darstellt. Denn es gibt kaum etwas schwierigeres, als ein „simples“ Strophenlied gut vorzutragen. Kozená meistert diese Herausforderung bestens – ins- besondere dort, wo es doch so etwas wie eine Handlung zu gestalten gilt. Die Sängerin kann zudem ein berückendes Piano aufbieten. Faszinierend! 

Mortale, che pensi? (Destino Classics)

Einmal mehr hat das Ensemble Atalante um Erin Headley eine Entdeckungsreise in das römische Musikleben zur Zeit des 17. Jahr- hunderts unternommen. Dabei haben die Sänger und Musiker erneut Kantaten aufgespürt, die es wert sind, dem Archivschlaf ent- rissen zu werden. Sie stammen von den Komponisten Luigi Rossi (1597 bis 1653), Giacomo Carissimi (1605 bis 1674), Alessandro Stradella (1639 bis 1682), Domenico Mazzocchi (1592 bis 1665) und Giovanni Antonio Leone. Über letzteren weiß man nicht viel mehr als den Namen; bei einem weiteren Autor nicht einmal diesen. Das ist aber alles nicht wichtig, denn die Musik, die Atalante hier wieder- entdeckt hat, ist grandios. Mehr davon! Wünschenswert wäre zugleich eine Noten-Edition. Denn nur so gelangen diese Werke tatsächlich zurück auf das Konzertpodium.

Brahms: Ein deutsches Requiem (Hänssler Profil)

Ein deutsches Requiem von Johannes Brahms gehört zu jenen Werken, die wieder und wieder eingespielt werden. Diese Auf- nahme mit dem Schleswig-Holstein Festival Chor Lübeck und dem Kammerorchester Basel unter Rolf Beck erträgt man aufgrund der herausragenden Solisten. Christia- ne Karg ist ein Ereignis, und Thomas E. Bauer singt ebenfalls sehr hörenswert. Das Beiheft ist sorgsam erstellt und enthält einen lesenwerten Aufsatz von Dr. Gerald Felber über Brahms' Musik. Ansonsten ist über diese CD leider nicht viel Positives zu berichten – Lautstärke ersetzt halt nicht innere Spannung, und auch dieser Chor hat Probleme mit der Höhe. Schade. 

Mittwoch, 11. Juni 2014

Johann Christoph Friedrich Bach: Sonatas for traverso & fortepiano (Glossa)

Johann Christoph Friedrich Bach (1732 bis 1795) soll unter den Söhnen des Thomaskantors derjenige gewesen sein, der am besten Cembalo spielte. Der dritte von sechs überlebenden Söhnen Johann Sebastian Bachs ging im Frühjahr 1750, gerade einmal 18 Jahre alt, als „Cammer-Musicus“ an den Hof des Grafen Wilhelm zu Schaumburg-Lippe. Dort wirkte der „Bückeburger Bach“ bis an sein Lebensende. Er machte die Hof- kapelle seines Dienstherrn zu einem exzellenten Orchester, heiratete die Hofsängerin, war mit Johann Gottfried Herder befreundet – der dann allerdings zu Bachs Leidwesen 1776 nach Weimar berufen wurde – und komponierte zahlreiche Werke. 
Leider interessierte sich zunächst kaum jemand für seine Musik, weil sein Lebenslauf und sein eher regionales Wirken so gar nicht zum Genie-Kult der Romantik passten. Und im Zweiten Weltkrieg sind dann viele seiner Manuskripte verloren gegangen. Umso erfreulicher ist es, dass nun bei Glossa eine sehr hörenswerte Einspielung wieder erhältlich ist, die im Juni 2004 in Pisa aufgezeichnet wurde. 
Marcello Gatti und Giovanni Togni spielen einige seiner Sonaten für Clavier mit Begleitung einer Flöte oder Violine, hier in der Besetzung mit Traversflöte, sowie eine Sonate per Flauto traverso o Violino, Violoncello e Cembalo concertato (o Piano-Forte), mit Giovanna Barbati am Violoncello. Es ist eine bezaubernde Aufnahme wunder- voller, feinsinniger Musikstücke – sensibel, ohne kitschig zu werden. Herrliche Melodien, vielfältige Wendungen und musikalische Ideen – und was für ein harmonisches Musizieren! Diese CD hört man gern immer wieder. Bravi!  

Songs and Pictures (Genuin)

„Lieder und Bilder“ nennt Michail Mordwinow seine CD mit Schubert-Transkriptionen von Franz Liszt und dem Zyklus Bilder einer Aus- stellung von Modest Mussorgski. „Die Werke auf dieser CD weisen zahlreiche Gemeinsamkeiten auf“, erklärt der Pianist im Beiheft: „Der Liszt-Zyklus der zwölf Lied- transkriptionen wie Mussorgskis Zyklus sind ungefähr zur selben Zeit entstanden, sie setzen beide eine große Virtuosität des Pianisten voraus, sie nutzen beide die klanglichen, klangfarblichen und dynamischen Möglichkeiten des Flügels voll aus, und natürlich handelt es sich in beiden Fällen um Programmmusik.“ 
Liszt schrieb mehr als 140 Bearbeitungen von Liedern anderer Komponisten. Man kann sich heute kaum vorstellen, dass die Werke von Franz Schubert damals wenig bekannt waren. Beim Publikum waren Liszts Miniaturen sehr beliebt, so dass er sie in seinen Programmen häufig spielte. Es wird berichtet, dass 1840 bei einem Konzert in Leipzig ein Teil der Zuhörer auf die Stühle gestiegen sein soll, als Liszt seine Erlkönig-Bearbeitung vortrug. Sie wollten sein Klavierspiel nicht nur hören, sondern auch sehen. 
Verwundern wird das nicht, denn der Virtuose hat in seinen Arrange- ments die ohnehin schon komplexen Werke Schuberts mitunter noch einmal deutlich aufpoliert. Zum einen hat er natürlich die Gesangs- stimme in den Klaviersatz integriert. Zum anderen verstärkte er die Wirkung durch Füllstimmen, Oktavierungen, Tonverdoppelungen und ähnliche Kunstkniffe; die geradezu orchestralen Effekte, die er damit erzielte, haben auch seine Nachfolger beeindruckt. Mussorgskis Bilder einer Ausstellungen wiederum sind so reich an Klangfarben, dass etliche Komponisten dadurch zu Orchesterversionen inspiriert wurden. 
Mordvinov, wie er im Englischen geschrieben wird, zündet auf seiner CD ein pianistisches Feuerwerk. Der junge Pianist gestaltet sorgsam, für meinen Geschmack gelegentlich etwas zu romantisch, und durchdacht. Er musiziert auf einem Bechstein, was einen etwas helleren, weicheren Klang bringt und zu seiner Interpretation sehr gut passt. Mordwinow bringt die zarten Töne zum Leuchten; er scheut aber auch die dramatische Zuspitzung nicht - und sein Erlkönig ist wirklich gruselig. 

Montag, 9. Juni 2014

Your tuneful voice - Handel Oratorio Arias (Vivat)

Was die Besetzung von Partien in seinen Werken anging, war Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) offenbar flexibel. Es ist belegt, dass dieselben Rollen von Tenören, Kastraten und Countertenören, ja, gelegentlich sogar von Altistinnen gesungen wurden. Beweise dafür liefert Donald Burrows in einem faszinierenden Aufsatz im Beiheft zu dieser CD. Dem Komponisten war es offenbar egal, ob es ein italienischer oder ein englischer Sänger war, ob er von der Opernbühne oder aus einem Kirchenchor kam, ja, selbst das Geschlecht war zweitrangig, wenn die einzige wichtige Voraussetzung stimmte: a tuneful voice, eine klangvolle Stimme sollte erklingen. Countertenor Iestyn Davies verfügt zweifels- frei über eine solche. Auf dieser CD singt er Arien aus Händels Orato- rien. Begleitet wird er dabei durch The King's Consort. 

Carl Philipp Emanuel Bach: Piano Concertos (Hänssler Classic)

Weil ich meine meisten Arbeiten für gewisse Personen und fürs Publikum habe machen müssen, so bin ich dadurch allezeit mehr gebunden gewesen, als bey den wenigen Stücken, welche ich bloß für mich verfertigt habe. Unter allen meinen Arbeiten, insbeson- ders fürs Clavier, sind blos einige (…) Concerte, welche ich mit aller Freiheit und zu meinem eignen Gebrauch gemacht habe.“ Mit diesen Worten zitiert Michael Rische Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788). Der Pianist wendet ihnen daher seine Aufmerksam- keit zu, denn er will dem „Hamburger“ Bach zu mehr Geltung im Konzertleben verhelfen. „Mit anderen Worten: Alle Freiheiten, die den Personalstil Emanuel Bachs ausmachen, hat er sich in den Klavierkonzerten genommen, da er sie fast ausschließlich für sich selbst geschrieben hat“, merkt Rische an. „Das ist eine in die Auge fallende Parallele zu Mozart, dessen Klavierkonzerte ebenfalls überwiegend an ihn selbst adressiert sind – und die in einer ebenso erstaunlichen Anzahl vorliegen.“ Es sind immerhin 53 Kompositio- nen; Rische spielt sie gemeinsam mit dem agilen Leipziger Kammer- orchester unter Morten Schuldt-Jensen für Hänssler Classic ein. Ich habe zwei CD mit den Klavierkonzerten Wq. 23, 112/1 und 31 sowie 17, 43/4 und 14 angehört – und finde es erstaunlich, wie modern diese Musik wirkt. Von wegen „Rokoko-Beat“! Rische arbeitet auf dem Konzertflügel gezielt die klassischen Bezüge heraus. „Emanuel“ Bach hingegen soll auf dem Cembalo und, in kleinerem Kreise, auf dem Clavichord konzertiert haben. Das würde freilich gänzlich andere Klangfarben und Effekte bringen. 

Wilhelm Friedemann Bach: Sinfonias (Brilliant Classics)

Wilhelm Friedemann Bach (1710 bis 1784), der älteste der Bach-Söhne, galt als schwierig und wohl auch ein wenig verlottert. Nach dem Tode des Musikers, der zu den ersten „echten“ Freiberuflern seines Standes gehörte, hielt sich das Interesse an seinem Schaffen sehr in Grenzen. Die meisten seiner Werke sind nie im Druck erschie- nen. Und nun sind etliche davon nicht mehr auffindbar. So wurden die Manuskripte von fünf Sinfonien Wilhelm Friedemann Bachs in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrt. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs sind sie verschwunden. 
In mühsamer Arbeit ist es dennoch gelungen, einige dieser Werke zu rekonstruieren. Hartmut Haenchen hat insgesamt sechs Sinfonien und eine Suite mit dem Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach eingespielt. Sie zeigen Wilhelm Friedemann Bach als einen Kompo- nisten, den man als Vorboten der Romantik betrachten kann – der aber auch dazu neigt, Phrasen wieder und wieder zu repetieren; mitunter wirkt das wie eine Orchester-Etüde. Die CD, die aus den 90er Jahren stammt, ist nun bei Brilliant Classics wieder verfügbar. 

Michael Haydn: Divertimenti (Accent)

Einmal mehr präsentiert Piccolo Concerto Wien reizvolle Werke aus der Zeit der Wiener Klassik. Das ist durchaus ein Vergnügen. Denn die Komponisten jeder Tage waren deutlich experimentierfreudiger, als wir heute denken. Nicht das Streichquartett oder das Klavier- trio waren das Maß aller Dinge – viel spannender fanden es die Musiker seinerzeit offenbar, Klangeffekte zu erproben. 
Das führte zu schier unglaublichen Besetzungen. So erklingen auf dieser CD mit Werken von Michael Haydn (1737 bis 1806) ein Quartett für Violine, Englischhorn, Violoncello piccolo und Kontrabass, ein Divertimento für Viola, Violoncello und Violone sowie ein Divertimento für Oboe, Viola und Violone. Geradezu konventionell besetzt erscheint da das Diverti- mento für konzertierende Violine, konzertierendes Violoncello und Violone. Pierluigi Fabretti, Oboe und Englischhorn, Daniel Sepec, Violine, Johanna Gamerith, Viola, Kristin von der Goltz, Violoncello und Roberto Sensi, Kontrabass und musikalische Leitung, entfesseln ein wahres Feuerwerk an Klangfarben und Ausdrucksnuancen. Bravi! 

Sonntag, 8. Juni 2014

Musik am Gothaer Hof: Andreas Romberg (Es-Dur)

Andreas Jakob Romberg (1767 bis 1821) ist einst in einem Zuge mit Haydn, Mozart und Beethoven genannt worden. Er entstammte einer Musikerdynastie, und begann seine musikalische Laufbahn ge- meinsam mit seinem fast gleich- altrigen Cousin Bernhard Rom- berg. Die beiden Wunderkinder konzertierten als Geiger und als Cellist, tatkräftig unterstützt auf ihren Konzertreisen durch die Väter. 
1790 traten sie schließlich in die Bonner Hofkapelle ein, in der damals etliche außergewöhnliche Talente musizierten. Dort begegneten sie beispielsweise dem jungen Ludwig van Beethoven, Anton und Josef Reicha, dem Geiger Franz Josef Ries und dem Hornisten und späteren Musikverleger Nikolaus Simrock. Napoleons Truppen setzten dem allerdings ein Ende: 1793 gingen die Rombergs nach Hamburg, wo sie sehr erfolgreich waren. Andreas Romberg wurde mittlerweile auch als Komponist gefeiert – nur seine Opern fielen beim Publikum stets durch. Reisen führten Romberg nach Italien, nach Wien und nach Paris. Doch der Krieg machte den Musikern das Leben schwer. 1812 kam der Konzert- betrieb in Hamburg gänzlich zum Erliegen. 
In dieser Situation entschied sich Romberg, als Nachfolger von Louis Spohr die Konzertmeisterstelle am Gothaer Hof anzunehmen. 1815 trat er seinen Dienst dort an; 1821 starb er. Seine Musik, obwohl zu Lebzeiten weithin präsent, geriet in Vergessenheit. Das mag mit durch den Genie-Kult bedingt sein, der die Plätze auf dem Olymp (und in den Konzertprogrammen) limitiert und einer Handvoll Auserwählter zugewiesen hat. Rombergs Musik jedenfalls hat daran keinen Anteil, ein „Kleinmeister“ war er nicht. Es ist daher schade, dass Aufnahmen seiner Werke zu den Raritäten gehören. 
Das unterstreicht eine CD, die jüngst bei dem Label Es-Dur erschienen ist. Die Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl unter Hermann Breuer hat dafür einige Werke Rombergs eingespielt. Nicht nur als Kompo- nisten, sondern auch als Violinvirtuosen zeigt ihn beispielsweise das Potpourri A-Dur nach Melodien von Mozarts Oper Don Giovanni für Violine und Orchester. Den attraktiven Solopart hat Antje Weithaas übernommen. Notenmaterial hat die Arbeitsstelle Andreas Romberg an der Universität seiner Geburtsstadt Vechta bereitgestellt. Das Engagement der Forscher um Professor Dr. Karlheinz Höfer lässt darauf hoffen, dass zuverlässige Editionen in Zukunft auch anderen Werke Rombergs zu einer Wiederentdeckung verhelfen – seine Musik ist jede Mühe wert. 

Scarlatti: Vespro della Beata Vergine (Rondeau)

Das Werk, das die Vokalakademie Berlin unter Frank Markowitsch für ihr CD-Debüt ausgewählt hat, gibt es eigentlich gar nicht: Die Marien- vesper von Alessandro Scarlatti (1660 bis 1725) ist eine Kompila- tion von Jörg Jacobi, der Psalm- vertonungen und Motetten des Komponisten dazu zusammen- gefügt hat. Dieses Verfahren ist nicht ungewöhnlich, denn genauso wurde das seinerzeit gehandhabt. Doch der Titel Vespro della Beata Vergine lässt an das Vorbild Monteverdi denken – und in dieser Liga spielt Scarlatti ganz eindeutig nicht. Auch sonst bieten die Profis, die 2006 für die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik als Innsbruck Festival Chorus gecastet worden sind, nicht wirklich eine Leistung, die mitreißt. Vokalakade- mie und Vokalquintett Berlin singen solide, aber wenn man bedenkt, mit welchem Aufwand die Mitwirkenden ausgewählt und betreut wurden, dann ist die Aufnahme eine ziemliche Enttäuschung. Schade. 

Samstag, 7. Juni 2014

Sauret: Music for Violin and Piano (Naxos)

Der Geiger Émile Sauret (1852 bis 1920) wude sowohl in Europa als auch in Amerika gefeiert. Er galt als Wunderkind, und konnte diese Karriere in späteren Jahren fortsetzen. Er war aber nicht nur als Violinist ein Genie, wie diese CD beweist. Der Virtuose schrieb auch mehr als hundert Werke für sein Instrument, die leider nach seinem Tod in Vergessenheit geraten sind. Das mag mit daran liegen, dass sie technisch ziemlich anspruchsvoll sind. Doch hervorragende Geiger gab und gibt es viele – erstaunlich, dass bislang niemand diese Musik für sich entdeckt hat. Die amerikanische Violinistin Michi Wiancko zeigt gemeinsam mit Pianistin Dina Vainshtein, was den Musiker- kollegen da entgangen ist. Es sind Klänge, die eine ganz besondere Atmosphäre zaubern, ätherisch, schwebend, spielerisch. Den beiden Musikerinnen sei für diese Entdeckung gedankt. Unbedingt anhören, es lohnt sich! Wie schön wäre es, wenn Saurets Stücke wieder öfters im Konzert erklingen würden. 

Homilius: Musik an der Dresdner Frauenkirche (Carus)

Zum 300. Geburtstag von Gott- fried August Homilius legt Carus eine Jubiläums-CD vor. Sie enthält eine Auswahl stimmungsvoller Aufnahmen aus Dresden, wo Ho- milius einst zunächst als Organist an der Frauenkirche und später dann als Kreuzkantor wirkte. Die Kruzianer sind zu hören, unter ihrem jetzigen Kantor Roderich Kreile und begleitet vom Dresdner Barockorchester. Die Virtuosi Saxoniae mit dem legendären Trompeter Ludwig Güttler musizieren gemeinsam mit dem Sächsischen Vocalensemble. Mitgewirkt haben zudem zahlreiche renommierte Vokal- und Instrumentalsolisten, wie beispielsweise Organist Friedrich Kircheis, der seit vielen Jahren gemeinsam mit Güttler konzertiert. 
Bei der Zusammenstellung der CD konnte Carus aus seinem reich- haltigen Fundus an Homilius-Aufnahmen schöpfen. Der Verlag und sein Label engagieren sich schon seit längerem stark für den Komponisten und sein Werk. Wenn man heute von einer Homilius-Renaissance spricht, dann ist diese Wiederentdeckung des wohl bedeutendsten protestantischen Kirchenmusikers zwischen Bach und Mendelssohn dem Hause Carus zu verdanken. 

Donnerstag, 5. Juni 2014

Hoffmann: Missa / Miserere (cpo)

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776 bis 1822) ist ohne Zweifel einer der ganz großen Schriftsteller der deutschen Romantik. Der Jurist und spätere preußische Kammergerichtsrat liebäugelte allerdings zeitlebens mit einer ganz anderen Muse. Nicht nur seine Figuren wie der Kapellmeister Johannes Kreisler bezeugen seine Leidenschaft für die Musik. Auch seine Namenswahl – eigentlich hatte Hoffmann die Vornamen Ernst Theodor Wilhelm – sowie viele eigene Kompositionen geben Auskunft darüber, wo er seine Vorbilder sah. 
Hoffmann, obwohl selbst evangelisch, hat seine Kirchenmusik kurioserweise für den Gebrauch im katholischen Gottesdienst geschrieben. Entsprechend prächtig klingt sie auch, mitunter wie eine Kombination aus Mozart und Palestrina – doch es ist keine Kopie der großen Meister, es bleibt immer Hoffmann. Der Romantiker war ein versierter Komponist; man staunt, dass er mit seinen Werken zu Lebzeiten nicht mehr Erfolg hatte. Dass er musikalisch durchaus eigene Wege ging, zeigt nun eine CD aus dem Hause cpo. Sie enthält die Messe in d-Moll sowie das Miserere, in einer sehr schönen Einspielung mit einer handverlesenen Sängerriege sowie dem WDR Rundfunkchor und dem WDR Sinfonieorchester Köln unter Rupert Huber. 

Dienstag, 3. Juni 2014

Carl Philipp Emanuel Bach: Harpsichord Concertos (Brilliant Classics)

Johann Sebastian Bach entband das Cembalo von seiner Begleit- funktion und wies ihm solistische Aufgaben zu. Das war seinerzeit neu und spektakulär. Anders aber als bei seinem Vater, dessen Cem- balokonzerte aller Wahrschein- lichkeit nach Transkriptionen früherer Musikstücke für andere Instrumente waren, sind die Werke von Carl Philipp Emanuel Bach Originalkompositionen. Es sind Vorgänger jener Klavierkonzerte, die mit der Wiener Klassik und der Romantik endgültig ihren Platz als Dominante im Konzertleben erobern sollten. 
Weit mehr als sechzig Cembalokonzerte hat Carl Philipp Emanuel Bach geschrieben. Der renommierte Cembalist Pieter-Jan Belder hat mit seinem Ensemble Musica Amphion drei markante Exemplare eingespielt. Die Aufnahmen entstanden im September 2013 im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks in Köln. Sie waren bisher nur in der Carl Philipp Emanuel Bach Edition erhältlich und liegen nun auch als separate CD vor. 

Symphonic Dances (Genuin)

Sinfonische Tänze hat die Sächsi- sche Bläserphilharmonie unter Leitung von Thomas Clamor auf ihrer jüngsten CD zusammen- gefasst. Die Auswahl ist umfassend; sie reicht von Mussorgskis Ballett der Küken in ihren Eierschalen bis zu Offenbachs Can-Can, vom legendären Mambo No. 8 bis hin zu Strauss' Tritsch Tratsch Polka und von Brahms' Ungarischen Tänzen bis hin Chatschaturjans Säbeltanz. Die Bläser musizieren mit Leiden- schaft; der Zuhörer wird an dieser musikalischen Weltreise garantiert sein Vergnügen haben. 

Pleyel: Streicher-Raritäten (Ars Produktion)

„Dann sind dermalen Quartetten heraus von einem gewissen Pleyel, dieser ist ein Scolar von Joseph Haydn“, schrieb Wolfgang Ama- deus Mozart 1784 in einem Brief an seinen Vater nach Salzburg. „Wenn sie selbige noch nicht kennen, dann suchen Sie sie zu bekommen; es ist der Mühe werth. Sie sind sehr gut geschrieben und sehr angenehm. Er wird seinen Meister gleich herauskennen. Gut und glücklich für die Musik, wenn Pleyel seiner Zeit imstande ist, uns Haydn zu remplacieren.“ Wenn man bedenkt, wie selten Mozart positiv über einen Mitmusiker urteilte, dann wiegt dieses Lob gleich noch viel schwerer – zumal der Briefschreiber Haydn sehr schätzte und verehrte. 
Dennoch hat die Musikgeschichtsschreibung Ignaz Joseph Pleyel (1757 bis 1831) zum Leichtgewicht erklärt und seine Werke dem Vergessen anheimgegeben. Dass dies ein Fehler war, davon kann sich jeder leicht überzeugen, wenn er sich diese CD anhört. Die jüngste Folge der Pleyel-Edition bietet Raritäten in Ersteinspielungen. Das Janácek Quartett, unterstützt durch Bohuslav Matousek und Miloslav Jelínek, musiziert mit schönem Ton und in geistiger Harmonie. Zu hören ist das Streichquartett Ben 352 – mit nur einer Violine, aber dafür mit zwei Bratschen und Violoncello. Das Streichsextett in F-Dur Ben261 besetzte Pleyel mit zwei Violinen, zwei Bratschen, Violoncello und Kontrabass. Das Ergebnis ist ein satter Sound, wie man heute sagen würde. Und wunderbar gelungen, mit zauberhaften musika- lischen Einfällen, ist das Werk obendrein. Den Abschluss macht das Quintett Ben 287, ein Spätwerk Pleyels, das ungedruckt geblieben ist. Es hat einen enormen Umfang und beeindruckt durch eine kühne Kombination aus Kontrapunkt und Moderne. Unbedingt anhören!