Montag, 26. Oktober 2020

Apparatus Musico-Organisticus (Musikmuseum)


 Zwei ebenso klangschöne wie charaktervolle Orgeln aus dem Tirol hat Peter Waldner für diese Einspielung ausgewählt. Die historische Orgel der Pfarrkirche St. Blasius in Taufers (Münstertal) wurde von Johann Caspar Humpel 1709 errichtet, und 1807 durch Andreas Mauracher ergänzt. Weitere Umbauten erfolgten 1844 durch Alois Schönach sowie im Jahre 1952 durch Carl Schäfer. 2001 wurde das Instrument durch die Orgelbauwerkstatt Martin Vier restauriert und dabei in jenen guten Zustand gebracht, der auf dieser CD nun zu erleben ist. 

Die Orgel der reformierten Kirche San Flurin in Ramosch (Graubünden) wurde um 1680 von Carlo Prati angefertigt, wohl der bedeutendste Orgelbauer jener Zeit in der Region. Davon blieb aber nur das Pfeifenwerk erhalten, das Andreas Mauracher um 1800 in ein neu errichtetes Instrument übernahm. 1908 passte Jakob Metzler diese Orgel dem veränderten musikalischen Geschmack an. Die Restaurierung 1987 durch Arno Caluori berücksichtigte all diese Besonderheiten, und stellte im Wesentlichen den Zustand um 1800 wieder her. Sogar eine Balganlage mit zwei großen Keilbälgen wurde rekonstruiert. 

Wie sehr nicht nur die Tiroler Orgellandschaft, sondern auch die Musik, die in der Region beheimatet ist, durch die benachbarten Regionen mit geprägt wurde, das demonstriert Peter Waldner mit einer Auswahl barocker Orgelwerke aus Tiroler Quellen. So befindet sich in der Bibliothek des Klosters Marienberg oberhalb von Burgeis das einzige in Tirol erhaltene Exemplar von Georg Muffats Apparatus musico-organisticus

In Marienberg fanden sich auch fünf kunstvolle Fugen aus der Anmuthigen Clavier-Übung des Zittauer Komponisten Johann Krieger. Komplettiert wird das Programm durch eine Passacaglia seines Bruders Johann Philipp Krieger, sowie durch eine Canzona von Ingenuin Molitor aus dem Brixner Orgelbuch und ein anonymes Ricercare aus dem Stamser Orgelbuch

Mit dieser Musikauswahl gibt Peter Waldner nicht nur einen Einblick in das Repertoire, das zur Zeit der Entstehung beider Instrumente in der Region üblich war. Er stellt auch die beiden Orgeln mit ihren Klangmöglichkeiten aufs Beste vor. Rundum gelungen!


Samstag, 10. Oktober 2020

Lortzing: Opera Overtures (Naxos)

 

Dass die Opern von Gustav Albert Lortzing (1801 bis 1851) einstmals, neben den Werken von Mozart und Verdi, an deutschen Bühnen die meistgespielten waren, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Doch Lortzing war ein Theatermann, vom Scheitel bis zur Sohle, und er verstand sich darauf, sein Publikum gut zu unterhalten. Von seinen Werken erfreuen sich vor allem Der Wildschütz sowie Zar und Zimmermann bis zum heutigen Tage großer Beliebtheit. 

Auch unter den weniger populären Opern gibt es möglicherweise einiges, was der Wiederentdeckung lohnen würde – darauf lässt zumindest diese CD mit Ouvertüren schließen. Das Malmö Opera Orchestra unter Leitung von Jun Märkl jedenfalls macht neugierig auf Werke wie Undine, Hans Sachs oder Die Opernprobe. Hochinteressant! 


Mittwoch, 7. Oktober 2020

Baltikum (SWR Music)

 

Auf musikalische Entdeckungsreise begibt sich das SWR Vokalensemble unter Leitung von Marcus Creed. Der Chor hat in der Vergangenheit bereits, von Amerika über Russland bis Japan, eine ganze Reihe unterschiedlicher Musikkulturen erkundet. 

Die baltischen Länder sind ein lohnendes Ziel, denn sie haben eine grandiose Chortradition, und auch heute noch unglaublich viele sehr gute Chöre. Was also zeichnet zeitgenössische Chormusik aus dem Baltikum aus? Das SWR Vokalensemble präsentiert Werke vorwiegend jüngerer Komponisten aus Estland, Lettland und Litauen. Hierzulande bekannt ist Arvo Pärt, der auf der CD mit Ja ma kuulsin hääle den Schlusspunkt setzt. 

Zu hören sind außerdem Kompositionen von Maija Einfelde, Rytis Mažulis, Pēteris Vasks, Veljo Tormis, Andris Dzenītis und Justė Janulytė. Die ausgewählten Stücke sind durchweg höchst anspruchsvoll, und musikalisch ausgesprochen individuell gestaltet. Sie zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie allesamt den Chor und seinen ganz besonderen Klang in den Mittelpunkt stellen. Das SWR Vokalensemble zeigt einmal mehr seine Flexibilität, und bezaubert mit einer enormen Palette an Klangfarben. 


Dienstag, 6. Oktober 2020

Reflecting Beethoven - Herbert Schuch (Avi-Music)

 

„Zu viel Beethoven gibt es nicht!“, meint Herbert Schuch. Zum Beethoven-Jubiläumsjahr 2020 legt der Pianist deshalb allen Musikfreunden ein Album auf den Gabentisch, das drei Klaviersonaten des Komponisten in den Mittelpunkt stellt. Schuch hat dafür die Pathétique op. 13 sowie die Sonaten op 31 Nr. 1 und 2 – letztere bekannt unter „Der Sturm“ – ausgewählt. Diese kombiniert er mit Miniaturen, die mit Beethovens Musik korrespondieren. 

So erklingen nach der Klaviersonate op. 13 – für Schuch „ganz große italienische Oper mit schwerer Einleitung, großem Drama, Streitgespräch zweier Personen beim Seitenthema, dem Mittelsatz als Belcanto-Arie und dem Finale als Abschiedsszene“ – die Pathétique Variations von Mike Garson, dem langjährigen Keyboarder David Bowies. Sie erscheinen wie eine improvisierte Reflektion des großen Vorbildes aus heutiger Perspektive – oder vielleicht sollte man besser sagen „Perspektiven“? Denn der Stilpluralismus unserer zeitgenössischen Musik erzeugt viele Facetten, die höchst unterschiedliche Klangbilder auslösen. 

Coup de dés en échos von Henri Pousseur hat Schuch Beethovens Klaviersonate Nr. 16 vorangestellt. Damit setzt er einen Kontrast, denn dieses Stück ist ein modernes, von Pousseur John Cage gewidmet. Die Sturm-Sonate wiederum beantwortet Schuch mit Leander Ruprechts Sonata d-Moll (2nd Version); er macht darin aus Musik wieder Geräusch. Das ist in diesem Fall sogar witzig.


Sonntag, 4. Oktober 2020

John Williams in Vienna (Deutsche Grammophon)

 

Im Januar 2020 dirigierte John Williams erstmals die Wiener Philharmoniker – und sowohl die Presse als auch das Publikum gerieten darüber schier in Ekstase: „Besuch vom lieben Gott“, titelte beispielsweise der Standard. 

Es war ohne Zweifel ein Ereignis, und wer Karten bekommen hatte, der konnte sich freuen. Im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins erklangen im Konzert diesmal ausschließlich Werke des legendären amerikanischen Filmkomponisten – und als Stargast stand auch die Geigerin Anne-Sophie Mutter mit auf der Bühne. 

Die Musiker schätzen nicht nur Williams‘ Musik; sie waren auch von seiner hochprofessionellen Probenarbeit und von seiner präzisen Schlagtechnik begeistert gewesen, so wird berichtet. Die Blechbläser sollen darum gebeten haben, den Imperial March unbedingt mit ins Programm zu nehmen. Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit; auch der Komponist versicherte, die Arbeit mit den Wiener Philharmonikern sei für ihn „eine ganz besondere Ehre“

Die bekannten Melodien aus Filmen wie Star Wars, Indiana Jones, Jurassic Park wirken in dieser Aufnahme sehr edel; man vergisst beinahe, dass es sich nicht um sinfonische Musik, sondern eigentlich um Filmsoundtracks handelt. Die Kompositionen von John Williams haben aber durchaus das Format, um auch im Konzertsaal, ganz ohne Leinwand, das Publikum zu begeistern. Das spricht für die Qualität seiner Musik. 

Diese CD dokumentiert das besondere Konzert – und vielleicht gelingt es bei nächster Gelegenheit, neben den phantastischen Filmmusiken auch einmal ein „richtiges“ Orchesterwerk von John Williams mit ins Programm zu nehmen. May the Force be with you! 


Staatskapelle Berlin - Legendary Eterna Recordings (Berlin Classics)

 

Die Staatskapelle Berlin feiert 450jähriges Bestehen – und Berlin Classics gratuliert mit einer 5-CD-Box zu diesem Jubiläum. Das Label hat dafür legendäre Aufnahmen des Orchesters mit Otmar Suitner und Günther Herbig herausgesucht. Sie wurden seinerzeit in der Christus-Kirche Berlin-Schöneweide aufgenommen, und bei Eterna als Schallplatte veröffentlicht. 

Für die Neuedition wurden diese Einspielungen nun neu von den Originalbändern remastert. Otmar Suitner leitete die Staatskapelle Berlin von 1964 bis 1990. Freuen darf man sich auf feinsinnige Interpretationen der Mozart-Ouvertüren ebenso wie auf Musik von Richard Strauss und Paul Dessau, die Suitner allesamt besonders schätzte. 

Neben Strauss‘ Symphonischer Phantasie aus Die Frau ohne Schatten wurde für diese Kollektion auch Penthesilea von Hugo Wolf sowie die Musik zu Kleists Das Käthchen von Heilbronn op. 17 von Hans Pfitzner ausgewählt; für beides hatte sich Suitner besonders eingesetzt. Zu hören sind zudem Bruckners Siebente und Mahlers Zweite; Günther Herbig, der in den 70er Jahren viele Konzerte mit der Staatskapelle dirigierte, wird ebenfalls mit einer CD geehrt. Darauf erklingen Mendelssohns Sommernachtstraum sowie die Orchestermusik Nr. 4 von Paul Dessau. 


Mirror Strings - Dedication

„Dedication“ heißt das neue Album der Mirror Strings. Das darf man durchaus wörtlich nehmen – denn alle Stücke wurden speziell für das Quartett geschrieben. Zugleich musizieren Luisa Marie Darvish Ghane und Johann Jacob Nissen, Gitarre, und Samuel Selle sowie Phillip Wentrup, Violoncello, brillant und mit Passion. Sie erkunden die Werke, die sich sowohl stilistisch als auch kulturell sehr voneinander unterscheiden, mit Hingabe. 


Ob le miroir magique von Shadi Kassaee, Kijiji von Volker Luft, Four Chords von Gulli Björnsson oder Wintermusik von Torben Maiwald – jeder Komponist bringt seine Persönlichkeit, sein individuelles Musikverständnis und sein ästhetisches Konzept mit ein. Sophia’s Flight heißt das Stück von Sebastian Sprenger, Tilman Hübner nannte sein Stück Quartett 7. Komplettiert wird das Programm durch Simone von Tristan Xavier Köster, Hypnosistum von Catalina Rueda und BraadiCardia von Maximilian Guth. 
Es ist ein abwechslungsreiches Programm, beinahe eine musikalische Weltreise: Minimal Music trifft auf afrikanische Musiktraditionen, persische Einflüsse begegnen Rock und Pop; Generationen und Ideen kommunizieren spannungsreich miteinander. Die Besetzung der Mirrorstrings macht vieles möglich – elegische Melodien ebenso wie wilde, rhythmusbetonte Stücke. Die Kombination aus Celli und Gitarren erweist sich als höchst flexibel und auch klanglich sehr attraktiv. Man staunt erneut, warum bislang noch niemand darauf gekommen ist. Bravi! Unbedingt anhören, es lohnt sich wirklich.