Samstag, 29. Februar 2020

Classic Hauser (Sony)

Auch Stjepan Hauser wendet sich mit seinem ersten Solo-Album der populären Klassik zu. Begleitet wird der Cellist vom renommierten London Symphony Orchestra. Die Arrangements stammen von Robin Smith, der bereits mit Cher, Andrea Bocelli und Lionel Richie gearbeitet hat. Denn Hauser greift auf dieser CD, für die er schlicht den Titel „Classic“ wählte, weit über Repertoiregrenzen hinaus. „Das Album präsentiert eine Auswahl der schönsten und romantischsten Klassikmelodien“, unterstreicht Hauser, „geschrieben von den größten Komponisten, auf dem Cello gespielt, dem schönsten und romantischsten Instrument von allen.“
Im Mittelpunkt steht dabei das Werk Wolfgang Amadeus Mozarts. „Er hat so viele unglaublich schöne zweite Sätze geschrieben, dass mir die Auswahl schwer fiel“, so Hauser. „Letztlich haben wir uns für die langsamen Sätze seines Klarinettenkonzerts und des Klavierkonzerts Nr. 21 entschieden - beide sind sehr schlicht und anrührend. Außerdem ist das ›Lacrimosa‹ aus Mozarts Requiem zu hören, eine der traurigsten Melodien, die je geschrieben wurden, und eine der letzten, die er zu Papier brachte. Der Celloklang ist hier ungemein ergreifend.“
Eröffnet wird das Album allerdings mit einer berühmten Melodie aus Tschaikowskis Ballett Schwanensee. Und auch im weiteren Verlauf wird der Zuhörer so manches bekannte Stück wiederfinden, gefühlvoll arrangiert für Solo-Cello und Begleitorchester. Wie wunderbar das Cello singen kann, das demonstriert Hauser beispielsweise mit der Arie Lascia ch'io pianga aus Georg Friedrich Händels Oper Rinaldo. „Ich liebe dieses Stück heiß und innig“, bekennt Hauser. „Diese Arie ist wie gemacht für das Cello. Ich kann kaum glauben, dass sie in all den Jahrhunderten, seit es sie gibt, nie zuvor auf dem Cello gespielt wurde.“ Nun also, ganz ehrlich – das glauben wir auch nicht. Denn sie gehört von jeher zu den Favoriten im Hauskonzert-Repertoire. Selbst unser Geigenkind, eigentlich gar nicht dazu bereit, über das normale Pensum hinaus zu üben, hat dieses Stück einst selbst ausgesucht und mit Feuereifer einstudiert, um es in der Schule gemeinsam mit Klassenkameraden zu spielen. Egal – Musik begeistert! Und wer den Klang eines Violoncellos liebt, der wird diese klassische Blütenlese mögen, zumal nicht alle Stücke auf dem Album gleichermaßen populär sind. Nur schade, dass es so düster endet. Denn wenn nach Mozarts Lacrimosa noch Barbers Adagio for Strings erklingt, dann kann das einem final schon die Stimmung eintrüben.


Vivaldi: The four seasons (Sony)

Als 2Cellos haben Luka Šulić und Stjepan Hauser sich ihren Platz im Musikbusiness erobert. Die beiden Cellisten sind sowohl im Konzert als auch mit ihren Videos und Alben überaus erfolgreich. Über Genregrenzen hinweg haben sie das Publikum mit ihrem virtuosen Violoncellospiel begeistert. 
Nach sieben Jahren auf Tour mit 2Cellos haben sich die Musiker nun eine Auszeit für ein erstes Soloprojekt genommen. Und das führt nach all dem Crossover beide in eher klassische Gefilde. Luka Šulić hat sich dem bekanntesten Werk von Antonio Vivaldi gewidmet – und die Vier Jahreszeiten für Cello und Streichorchester arrangiert. 
„Während meiner ganzen Karriere habe ich immer versucht, neuen Zuhörerkreisen, die Musik, die ich liebe und mit der ich aufgewachsen bin, nahe zu bringen“, sagt der Musiker. „Vivaldis Vier Jahreszeiten sind ein Stück, das sofort jeder wiedererkennt und sie sind damit genau der richtige Einstieg in die klassische Musik.“ 
Mit dieser Einspielung erfüllt sich Luka Šulić einen Herzenswunsch. Denn schon als Kind hat der Cellist Vivaldis berühmte Violinkonzerte auf seinem Instrument gespielt. Und seine Ausbildung ist grundsolide; er hat an der Royal Academy of Music in London studiert. Ein bisschen Drive nimmt er aus dem Crossover mit in diese erste klassische Einspielung. Šulić interpretiert „seinen“ Vivaldi mit rhythmischer Präzision, und mit betörend schönem Ton. Der wunderbare Klang des Violoncellos steht den Vier Jahreszeiten ausgezeichnet. Begleitet wird Luka Šulić vom Kammerensemble Archi dell’Accademia di Santa Cecilia unter Leitung von Luigi Piovano. 

Donnerstag, 27. Februar 2020

Guillou: Organ Works Vol. 1 (MDG)

Kann man Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgsky eigentlich auch auf einer Orgel spielen? Warum nicht – schließlich bieten große Instrumente mit einer großen Anzahl höchst unterschiedlicher Register mindestens so viele Klangfarben wie ein Orchester. Auf dieser CD spielt Zuzana Ferjenčíková eine Orgeltranskription von Jean Guillou (1930 bis 2019), die weit mehr ist als eine bloße Übertragung von Mussorgskys Klavierzyklus auf die Orgel. Selbst über die populäre Orchesterfassung  von Maurice Ravel geht diese Version noch hinaus; Guillou beschränkt sich nicht auf eine einfache Transposition, er komponiert noch ein wenig mit, und schafft so tatsächlich ein Orgelwerk, das die Möglichkeiten des Instrumentes dann auch vollendet nutzt. 
Jean Victor Arthur Guillou stammt aus Angers. Dort übernahm er schon als Teenager Organistendienste; von 1945 bis 1954 studierte er dann am Conservatoire in Paris. Zu seinen Lehrern gehörten unter anderem Maurice Duruflé, Marcel Dupré und Olivier Messiaen. Anschließend unterrichtete Guillou in Lissabon, doch diese Stelle gab er 1958 auf und zog zur Behandlung einer Lungenerkrankung nach Berlin um. In diesen Jahren komponierte er, lernte die deutschen Orgeln kennen und spielte auch seine ersten Aufnahmen ein. 
1963 wurde er als Nachfolger von André Marchal Titularorganist an Saint-Eustache in Paris. Die Orgel, die sich heute dort befindet, wurde in den 80er Jahren nach seinen Vorstellungen durch die niederländische Firma Van den Heuvel erbaut. Guillou hat aber immer auch als Konzertorganist musiziert, Studierende unterrichtet, außerdem Konzepte für etliche Orgeln entwickelt und natürlich eigene Werke komponiert. Er war ein Orgelvirtuose von Format, und ein begnadeter Improvisator. 
Und er kannte keinen Ruhestand. Seinen Dienst an Saint-Eustache versah er bis zur Karwoche 2015. Am 18. April 2018 schenkte er sich ein Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie quasi zum Geburtstag; zum letzten Male musizierte er öffentlich in München im Oktober 2018. Jean Guillou starb am 26. Januar 2019 in Paris. 
Diese Aufnahme, eingespielt im Mai 2018 an der klangmächtigen Stahlhut/Jann Orgel von St. Martin, Dudelange/Luxemburg, hat er noch selbst mit betreut. Zuzana Ferjenčíková ist seine Schülerin; sie hat das Gesamtwerk des großen französischen Organisten ihm zu Ehren bereits 2013 in Saint-Eustache in einer Konzertreihe interpretiert. 
Für die erste CD der neuen Gesamteinspielung hat sie neben den Bildern einer Ausstellung noch drei weitere Werke von Jean Guillou ausgewählt: Zu Beginn erklingt die Fantaisie op.1 aus dem Jahre 1954, vom Komponisten seinem Lehrer Marcel Dupré gewidmet. Säya, ou L´Oiseau bleu op. 50 entstand aus einer Improvisation, die Guillou 1992 bei einem Konzert in Korea spielte. Hymnus op. 72 komplettiert das Programm. 
Neben der enormen musikalischen Qualität ist an dieser Stelle unbedingt auch die fabelhafte technische Qualität dieser Aufnahme zu erwähnen. Einmal mehr ist es dem audiophilen Label Dabringhaus und Grimm gelungen, Orgelmusik so aufzuzeichnen, dass man einen ausgezeichneten Klang- und Raumeindruck erhält. Chapeau! 

Dienstag, 18. Februar 2020

Schumann: Spanisches Liederspiel, Brahms: Liebesliederwalzer (Orfeo)

Ein Mitschnitt von einem wirklich grandiosen Liederabend: 1974 haben Edith Mathis, Brigitte Fassbaender, Peter Schreier und Walter Berry bei den Salzburger Festspielen Robert Schumanns Spanisches Liederspiel op. 74 und Johannes Brahms‘ Liebeslieder-Walzer op. 52 vorgetragen. Am Klavier begleitete das Solistenquartett zunächst Erik Werba, zu dem sich dann Paul Schilhawsky gesellte. Exzellente Interpreten, die ausgesprochen lebhaft gestalten und dazu noch mit einer Musizierlust agieren, die man selbst am Lautsprecher förmlich mitfühlen kann. Ein Zeugnis erstklassiger Gesangskultur – vielen Dank an das Label Orfeo, das diese Aufnahme nun wieder zugänglich macht. Hörgenuss vom Allerfeinsten.

Bruckner: Missa Solemnis (Accentus)

Dem Augustinerstift St. Florian war Anton Bruckner (1824 bis 1896) sehr verbunden. Nach dem Tode seines Vaters, der Dorfschullehrer war und erst 46 Jahre alt, wurde er dort 1837 Sängerknabe. Drei Jahre später verließ er das Stift und absolvierte eine Lehrerausbildung; 1845 kehrte er dann als Schulgehilfe an der Pfarrschule, Gehilfe des Stiftsorganisten sowie als Musiklehrer der Sängerknaben nach St. Florian zurück. Die Missa Solemnis komponierte Bruckner 1854 zum Amtsantritt des neuen Prälaten Friedrich Mayr. Doch Bruckner blieb, wie schon seit 1850, provisorischer Stiftsorganist. 1855 starb der Organist des Linzer Domes; Bruckner bewarb sich, und wurde dessen Nachfolger. 
St. Florian aber blieb Bruckner verbunden; in der Gruft der Stiftskirche wurde er auch begraben, und Bruckner-Verehrer aus aller Welt pilgern bis heute nach St. Florian. Die Werke allerdings, die Bruckner während seiner Zeit in St. Florian schuf, werden bis heute wenig beachtet – einige sind wohl noch nicht einmal ediert. Das ändert sich erst jetzt; so hat Benjamin-Gunnar Cohrs die Notenedition für dieses CD-Projekt erstellt. Der Rias Kammerchor präsentiert Bruckners Missa Solemnis in Weltersteinspielung, unter Leitung von Łukasz Borowicz gemeinsam mit der Akademie für Alte Musik und Johanna Winkel, Sophie Harmsen, Sebastian Kohlhepp und Ludwig Mittelhammer als vorzüglichem Solistenquartett. Die historische Aufführungspraxis schließt in diesem Falle auch die ergänzenden Propriumsvertonungen von Robert Führer, Joseph Eybler und Johann Baptist Gänsbacher mit ein, die von Cohrs in aufwendigen Archivrecherchen ausfindig gemacht und ebenfalls mit ediert wurden. So gibt diese CD in einzigartiger Weise Auskunft über die Klangwelt, in der sich Bruckner einst in St. Florian bewegte. Sehr spannend!  

Mozart: Piano Concertos Nos. 8 and 23 (Naxos)

Als Ignaz Lachner (1807 bis 1895) 1826 nach Wien kam, war Mozart schon mehr als 30 Jahre tot. Dennoch schätzten Kenner seine Werke noch sehr; so schrieb Ludwig van Beethoven Variationen über Themen Mozarts. Auch Lachner verehrte seine Musik; er schuf zu 12 von Mozarts 27 Klavierkonzerten Bearbeitungen für eine kleinere Besetzung. Auf dieser CD hat der französische Pianist Didier Castell-Jacomin zwei davon eingespielt, gemeinsam mit dem Streichquintett Wiener Kammersymphonie. Er hat dafür KV 246 ausgewählt, ein relativ frühes Werk mit Mannheimer Anklängen, und das vergleichsweise komplexe KV 488, entstanden 1786 – im gleichen Jahr wurde Le nozze di Figaro erstmals aufgeführt. 
Komplettiert wird das Programm durch Melodien aus Mozarts Oper Die Zauberflöte, arrangiert für Streichquartett und Kontrabass – wer diese reizvolle Bearbeitung angefertigt hat, das ist unbekannt. „Il est véritablement le résult d’une recontre musicale extraordinaire“, so schreibt Didier Castell-Jacomin im Beiheft.  „Je suis fier et honoré de vous livrer le résultat, car c’est également le tout premier enregistrement du quintette, et pour moi un tournant à l’aube de mes 50 ans. Je liens à preciser également que le concerto K.246 est un enregistrement en première mondiale.

Montag, 17. Februar 2020

Air Music (Deutsche Harmonia Mundi)

Mit ihrem aktuellen Album wendet sich die Capella de la Torre nach den Elementen Wasser und Feuer nun der Luft zu. Das Renaissance-Ensemble um Katharina Bäuml lässt kräftig die Winde wehen, wobei insbesondere der Westwind es englischen Komponisten angetan zu haben scheint. 
Die Musiker vergessen aber auch den Atem nicht, was eine menschliche und eine göttliche Dimension mit einschließt. Denn hat nicht Gott einst den Menschen mit seinem Atem belebt? Freilich gehören auch höchst irdische Seufzer in dieses Kapitel, und wie könnte man diese schöner besingen als mit Claudio Monteverdis Dolci miei sospiri
Die meisten Musikstücke allerdings, die die Capella de la Torre für diese CD ausgewählt hat, sind weit weniger bekannt. So erklingen Werke etwa von Michael Praetorius, Girolamo Frescobaldi oder Anthony Holborne, aber auch von Komponisten, deren Namen wohl nur einigen wenigen Experten etwas sagen. 
Die Musik allerdings sagt jedermann etwas – vor allem im dritten Kapitel, wo es um alles geht, was Flügel hat, Kanarienvögel beispielsweise, die Nachtigall oder Engel. Und von den mystischen Bewohnern der Lüfte bis hin zu allerlei Luftschlössern ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. 
Zu hören sind Instrumental- und Vokalstücke aus dem 15. bis frühen 17. Jahrhundert. Ein abwechslungsreiches Programm mit vielen reizvollen Entdeckungen, von der Capella de la Torre einmal mehr bestens präsentiert. Insbesondere Freunde historischer Bläserklänge werden verzückt lauschen. Bravi!

Telemann: Aller Augen warten auf dich (cpo)

Musik von Georg Philipp Telemann ist immer wieder hörenswert. Das gilt auch für diesen Mitschnitt von den Magdeburger Telemann-Festtagen 2016. Unter Leitung von Florian Heyerick präsentieren das Solistenensemble Ex Tempore und die renommierte Mannheimer Hofkapelle Kantaten des Komponisten aus einem Jahrgang, der auch als „Concerten-Jahrgang“ gilt. Denn Telemann, musikalisch stets auf der Höhe seiner Zeit, hatte diesen im italienischen Stil geschrieben, nachdem er zuvor einen Kantatenjahrgang im französischen Stil vorgelegt hatte. 
1716/17 entstanden dabei Kirchenmusiken von Advent bis zum 3. Pfingsttag. Die zweite Jahrgangshälfte von Trinitatis bis zum Ende des Kirchenjahres folgte dann aufgrund von Arbeitsüberlastung des Textdichters 1719/20. Ex Tempore und die Mannheimer Hofkapelle stellen auf dieser CD jeweils zwei Kantaten aus den beiden Jahrgangshälften vor, die in unterschiedlichem Maße durch das konzertierende Prinzip geprägt sind. Entdeckenswert und musikalisch lohnenswert sind sie alle – die Aufführung gehörte ohne Zweifel zu den Höhepunkten der Telemann-Festtage 2016. 

British Classics (Genuin)

Bläsermusik hat in Großbritannien eine lange Tradition. Von der Bergmannskapelle bis zum kammermusikalischen Ensemble – das Repertoire ist breit und abwechslungsreich. Auf dieser CD präsentiert die Sächsische Bläserphilharmonie eine attraktive Werkauswahl, vom Frühbarock bis in die klassische Moderne. Es erklingt Musik von William Byrd und Henry Purcell, geschickt arrangiert für sinfonische Bläserbesetzung. Auch die Feuerwerksmusik von Georg Friedrich Händel darf da nicht fehlen. Sie entstand einst aus Anlass der Beendigung des österreichischen Erbfolgekrieges – und der König hatte angeordnet: „no fiddles“. Der Komponist befolgte diese Vorgabe; später fügte er allerdings Streicher hinzu, und diese Fassung wird auch meist gespielt. Umso spannender ist es, wenn die Bad Lausicker Profis unter Leitung von Chefdirigent Thomas Clamor nun das Original in seiner ganzen Pracht zelebrieren. 
Unangefochten im Mittelpunkt der Einspielung steht allerdings das Tuba-Konzert von Ralph Vaughan Williams (1872 bis 1958). Solist Andreas Martin Hofmeir demonstriert, wie melodiös und federleicht doch dieses schwergewichtige Instrument klingen kann. Ein ganz besonderes Vergnügen, zumal auch die Sächsische Bläserphilharmonie ihren Part in Bestform gestaltet. Komplettiert wird das Programm durch die First Suite for Military Band, op. 28 von Gustav Holst, uraufgeführt 1929, und zwei bekannte Werke von Edward Elgar – die Enigma-Variation IX, Nimrod, und natürlich erklingt zum Schluss der Marsch Pomp and Circumstance

Freitag, 7. Februar 2020

Il Carnevale di Venezia (Tudor)

Am Pariser Konservatorium waren bei seiner Gründung 1795 zwölf Klarinettenlehrer beschäftigt, die mehr als hundert Schüler unterrichteten. Die Absolventen waren gefragt. Denn das Instrument, für das sich nicht nur Mozart begeisterte, konnte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, vom Mannheimer Vorbild ausgehend, rasch in ganz Europa etablieren. So waren zeitweise mehr als 50.000 Kla- rinettisten allein in der Militärmusik beschäftigt. In vielen Orchestern musizierten exzellente Solisten, für die zahlreiche Kompositionen entstanden. 
Aus der Vielzahl dieser Konzertstücke, Variationen und Arrangements hat Hans Stadlmair gemeinsam mit dem Klarinettenvirtuosen Eduard Brunner (1939 bis 2017) eine attraktive Auswahl zusammengestellt, und 1988 mit dem Münchner Kammerorchester eingespielt. Zu hören sind Werke von Domenico Cimarosa, Gaetano Donizetti, Saverio Mercadante und Gioacchino Rossini – und ebenso temperamentvolle Variationen über ein venezianisches Volkslied, das hierzulande mit dem Text „Mein Hut, der hat drei Ecken“ populär ist. Sie stammen allerdings nicht von einem italienischen Komponisten, sondern von Hans Stadlmair. 
Eduard Brunner musiziert souverän; er war ein versierter Interpret, und technisch wie musikalisch jeder Herausforderung gewachsen. Mit Stadlmair und dem Münchner Kammerorchester verband ihn eine langjährige künstlerische Partnerschaft. 

Montag, 3. Februar 2020

Bach Kantaten (Ricercar)

Nach ihrer hochgelobten Einspielung von  Motetten der Vorfahren von Johann Sebastian Bach widmet sich das Ensemble Vox Luminis unter Leitung von Lionel Meunier nunmehr Kantaten und geistlichen Konzerten der Bach-Familie.  Aus dem sogenannten Altbachischen Archiv, in dem das musikalische Wirken der Musikerdynastie Bach bewahrt wurde, wurden dafür fünf Kompositionen ausgewählt. Zu hören sind Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ und Herr, der König freuet sich von Johann Michael Bach (1648 bis 1694), Ich danke dir Gott von Heinrich Bach (1615 bis 1692) und Die Furcht des Herrn sowie Herr, wende dich und sei mir gnädig von Johann Christoph Bach (1641 bis 1703). Außerdem erklingt die frühe Arnstädter Fassung der Kantate Christ lag in Todesbanden BWV 4 von Johann Sebastian Bach (1642 bis 1750). 
Einmal mehr erweist sich hier Vox Luminis als eines der weltweit besten Ensembles für „Alte“ Musik.  Seine Aufnahmen sind immer wieder ein Erlebnis – phänomenal! 

Sonntag, 2. Februar 2020

Johann Bernhard Bach: Orchestral Suites (Audite)

Noch einmal Bach – Johann Bernhard Bach (1676 bis 1749). Er war der Sohn des Erfurter Stadtmusikanten Johann Aegidius Bach, ein Cousin zweiten Grades von Johann Sebastian Bach, und er musizierte ab 1703 als Cembalist in der Hofkapelle des kunstsinnigen Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach und dazu, als Nachfolger seines Onkels Johann Christoph, als Organist an der Georgenkirche. 
In Eisenach wirkte von 1708 bis 1712 auch Georg Philipp Telemann als Konzert- und Kapellmeister, und er schwärmte noch Jahre später davon: „Ich muß dieser Capelle, die am meisten nach frantzösischer Art eingerichtet war, zum Ruhm nachsagen, daß sie das parisische, so sehr berühmte Opern-Orchester übertroffen habe.“
Einen Eindruck von diesem einzigartigen musikalischen Universum vermittelt uns nun das Thüringer Bach Collegium. Auf dieser CD präsentiert das Ensemble um Konzertmeister Gernot Süßmuth vier Orchestersuiten, einst komponiert für die Eisenacher Hofkapelle. Drei davon wurden als Aufführungsmaterialien von Bachs Leipziger Collegium musicum überliefert; eine weitere fand sich in Form einer Partitur, die offenbar aus dem Umfeld des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel stammt. 
Es sind anspruchsvolle Werke, voll Eleganz und voll Überraschungen. Das Thüringer Bach Collegium bringt diese musikalischen Brillanten mit ganz enormer Musizierlust so recht zum Funkeln. Entstanden sind diese Aufnahmen übrigens in der Eisenacher Georgenkirche. Eine hinreißend schöne Einspielung – und man darf gespannt weitere Entdeckung des Ensembles. 

Samstag, 1. Februar 2020

Bach: Trumpet Concertos (Berlin Classics)

Wie würde das klingen, wenn Johann Sebastian Bach Trompetenkonzerte geschrieben hätte? 
Matthias Höfs hat es ausprobiert – und sechs bekannte Konzerte des berühmten Barockmusikers für Trompete adaptiert. So erklingt das Konzert BWV 974, nach Alexandro Marcello, ursprünglich für Oboe, aber bei Bach mit einem reich ausgezierten langsamen Satz – denn auf dem Cembalo lassen sich Töne nicht gut lang aushalten. Höfs spielt mit seiner Piccolotrompete Bachs Fassung: „Das fand ich sehr reizvoll“, meint der Musiker: „Es sind sehr berühmte Verzierungen.“ 
Das Concerto nach Italiaenischem Gusto BWV 971, entstanden für Cembalo solo, hat Höfs in seiner Bearbeitung des ersten Satzes quasi nachträglich orchestriert. Kontraste und Klangeffekte, wie sie Bach mit den Manualen und Registern seines Cembalos erzielen konnte, liefert hier das Streicher-Tutti – eine attraktive Variante, die auch Bach sicherlich gefallen hätte. 
Der Thomaskantor bearbeitete seinerzeit selbst seine Konzerte, um sie an die zur Verfügung stehenden Instrumente anzupassen. Für die wöchentlichen Auftritte mit dem Collegium musicum im Zimmermannschen Kaffeehaus setzte er besonders auf das Cembalo. Aus Bachs Arrangements wurden mittlerweile etliche Konzerte rekonstruiert, die ursprünglich offenbar für eine ganz andere Besetzung geschrieben wurden. 
Höfs erkundet nun gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, ob diesen Konzerten nicht auch Blechbläserglanz steht. Die Musiker um Konzertmeisterin Sarah Christian waren ihm dabei inspirierende Partner. So kann der Trompeter mit diesem Album auch Skeptiker überzeugen: Es funktioniert, dank der Möglichkeiten des modernen Instrumentes, und auch deshalb, weil Matthias Höfs es wirklich großartig spielt. 
Man kommt aus dem Staunen gar nicht heraus. Denn der Musiker beeindruckt nicht nur durch technische Perfektion, sondern auch durch seinen betörend schönen, enorm wandlungsfähigen Ton und durch grandiose Stilsicherheit. „Die Solopartien der Vivaldi-Konzerte kann man zwar fast im Original spielen, aber mir waren manche Repetitionspassagen zu gleichförmig“, sagt der Trompeter. „Schon Bach hat einige figuriert. Ich habe den Solopart etwas freier gestaltet.“ Und wie! Unbedingt anhören, es lohnt sich.