1731, am Karfreitag, wurde in Leipzig die Markus-Passion von Johann Sebastian Bach erstmals aufgeführt. Dies wissen wir, weil uns ein Abdruck des Textes überliefert ist. Er stammt, wie auch das Libretto der Matthäus-Passion, von Christian Friedrich Henrici, bekannter unter seinem Pseudonym Picander. Aus dem Jahre 1744 ist ein weiterer Textdruck vorhanden; ein Vergleich ergibt, dass Bach sein Werk für diese Aufführung überarbeitet und um zwei Arien ergänzt hat.
Die Texte sind vor allem deshalb für uns heute so interessant, weil von Bachs Markus-Passion keine einzige Note auf uns gekommen ist. Weder die Partitur noch irgendeine Stimme war aufzuspüren. Bekannt ist allerdings, dass Bach etliche seiner Kompositionen mehrfach verwendete; das sogenannte Parodieverfahren wurde seinerzeit viel genutzt. Dabei erhielt eine Arie oder ein Chor einfach einen neuen Text – fertig!
Die Bach-Forschung hat daher akribisch geprüft, welche Werke des Komponisten zu Picanders Texten passen könnten. Und sie hat festgestellt, dass der Eingangs- und der Schlusschor sowie drei Arien wahrscheinlich in der Trauerode Lass, Fürstin, lass noch einen Strahl BWV 198 zu finden sind. Mit aufmerksamem Blick konnten so vier der acht Arien sowie die meisten Choräle identifiziert werden.
Es hat zudem etliche Versuche gegeben, die fehlenden Teile zu ergänzen – modern, historisierend oder unter Rückgriff auf originale Musik von Bach und seinen Zeitgenossen. Kirchenmusikdirektor Andreas Fischer, Kantor und Organist an der Hauptkirche St. Katharinen in Hamburg, legt auf dieser Doppel-CD nun seine Version vor. Dieser Fassung liegen durchweg und ausschließlich Kompositionen Bachs zugrunde, auch bei den Rezitativen.
Sie haben in diesem Passionsoratorium besonderes Gewicht, weil der Gang der Handlung nur selten durch Arien unterbrochen wird. Ähnlich bedeutend sind aber die Choralstrophen; sie beziehen die Gemeinde in das Heilsgeschehen quasi mit ein. Und es sind ziemlich viele – eine dankbare Aufgabe für die Hamburger Cantorey St. Catharinen.
Für sein Experiment konnte Andreas Fischer zudem das renommierte Ensemble Bell' arte Salzburg gewinnen, das von der Geigerin Annegret Siedel geleitet wird. Der Zuhörer darf sich darüber freuen; man lausche nur den Gambenpartien, die von den Musikern wirklich großartig gespielt werden. Und auch das Solistenquintett ist mit Katherina Müller, Jan Börner, Matthias Bleidorn, Manfred Bittner und Richard Logiewa überzeugend besetzt.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen