Freitag, 20. November 2020

Joseph Haydn and his London Disciples (Genuin)


Als Joseph Haydn (1732 bis 1809) einst aus der ungarischen Provinz nach London kam, wurde er dort von der Gesellschaft begeistert gefeiert. Die Kompositionen des Musikers waren in Großbritannien bekannt und beliebt; unter den Neugierigen, die versuchten, den maestro persönlich zu treffen, waren auch etliche Kollegen. Viele behaupteten, Haydns Schüler gewesen zu sein – Rebecca Maurer hat für diese CD zwei Musiker aufgespürt, die wohl tatsächlich eine Verbindung zu dem Hochgeehrten hatten. 
Thomas Haigh, ein Geiger und Pianist aus Manchester, über den sonst nicht viel bekannt ist, hat neben eigenen Werken auch eine große Anzahl von Klavierarrangements populärer Musikstücke geschaffen. Mit Haydns Kompositionen hat er sich gründlich auseinandergesetzt, denn er hat etliche seiner Sinfonien und Ouvertüren für das Klavier bearbeitet. 
Rebecca Maurer stellt allerdings Werke vor, in denen Haigh in origineller Weise Vorbild und eigene musikalische Gedanken verbindet: Three Canzonetta’s of Dr. Haydn’s Arranged as Rondos for the Piano Forte sind kurz nach Haydns English Canzonettas um 1796 publiziert worden. Eine Fantaisie, veröffentlicht 1817, kombiniert muntere Tanzmelodien, Zitate aus Haydns Paukenwirbel-Sinfonie und Variationen über Gott erhalte Franz den Kaiser. Haydn war bekanntermaßen ein Mann von Humor; diese skurrile Zusammenstellung reicht aber weit über das hinaus, was er selbst in seinen Werken an musikalischen Scherzen versteckt hat. 
Christian Ignatius Latrobe (1758 bis 1836) traf Joseph Haydn 1791, und er widmete seinem Idol noch im gleichen Jahr die Three Sonatas for the Pianoforte op. 3. Rebecca Maurer hat für diese Einspielung daraus einen langsamen Satz der Sonata I in A Dur ausgewählt. Im Kontrast zu diesen Werken, die durchweg wohl eher für das häusliche Musizieren entstanden sind, interpretiert die Pianistin aber auch Haydns für den Konzertsaal bestimmte Sonaten in Es-Dur Hob. XVI:52 und C-Dur Hob. XVI:50. Es sind dies virtuose Werke, perfekt auf die damaligen Bedürfnisse der besten Pianisten Londons und auch auf die Möglichkeiten der englischen Instrumente abgestimmt. 
Wie faszinierend diese Musik einstmals geklungen hat, das demonstriert Rebecca Maurer mit dieser CD. Denn die international gefragte Hammerklavier-Virtuosin konnte für die Aufnahme ein originales Londoner Fortepiano von 1816 aus der Werkstatt von John Broadwood & Sons nutzen. Es befindet sich heute in Salzburg, in der Sammlung von Thomas Albertus Irnberger. Dort ist die Einspielung auch aufgezeichnet worden. 
Zuvor hatte sich Maurer mit dem Instrument ausgiebig vertraut gemacht, und seine Klangmöglichkeiten und Spieleigenschaften sorgsam erkundet. Das Ergebnis ist eine faszinierende, bis ins letzte Detail stilsichere und zudem mitunter augenzwinkernde Interpretation. Rebecca Maurer präsentiert sowohl die Musikstücke – überwiegend in Weltersteinspielungen – als auch das historische Instrument wunderbar. Hinreißend! 

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