Dienstag, 18. Oktober 2011

Haydn: String Quartets, Leipziger Streichquartett (MDG)

"Man darf aber nur halber Kenner seyn, um das Leere, die seltsame Mischung vom comischen und ernsthaften, tändelnden und rührenden, zu merken, welche allenthalben herrscht. Die Fehler gegen den Satz, besonders gegen den Rhythmus, und meistentheils eine große Unwissenheit des Con- trapunkts, ohne den noch keiner ein gutes Trio gemacht hat, sind in allen diesen sehr häufig", lästerte der Berliner Johann Christoph Stockhausen 1771 in seinem Criti- schen Entwurf einer auserlesenen Bibliothek für die Liebhaber der Philosophie und der schönen Wissenschaften über Joseph Haydn und einige seiner Kollegen. 
Der solcherart Geschmähte antwortete - mit den Quartetten op. 20, in denen er geradezu exemplarisch archaische und moderne Stilelemen- te kombiniert. Dort finden sich der gestrenge Kontrapunkt, und auch die klassische Polyphonie - doch was Haydn damit anfängt, das ist schon sehr hörenswert. So schuf Haydn eine Fuge im 6/8-Takt, mit fein verästelten Themen, die eher quirlig als erhaben wirken. In der Summe wirken seine Stücke wie ein großes Gelächter, dass er über den Kritiker anstimmt. 
Das Leipziger Streichquartett hat diese Werke im September 2010 im Rahmen der Gesamtausgabe sämtlicher Haydn-Quartette für das audiophile Label Dabringhaus & Grimm eingespielt. Dort sind sie kürzlich als Vol. 4 der CD-Serie erschienen. Folge drei, die bereits seit Februar im Handel ist, enthält drei der sogenannten Erdödy-Quar- tette op. 76 - Nr. 2, 3 und 4, mit den Beinamen Quinten- und Kaiser- quartett sowie Sonnenaufgang
Das Leipziger Streichquartett, bestehend aus Stefan Arzberger und Tilman Büning, Violine, Ivo Bauer, Viola, und Matthias Moosdorf, Violoncello, gehört ohne Zweifel zu den besten derartigen Formatio- nen Deutschlands. Die Musiker zelebrieren "ihren" Haydn allerdings beinahe wie einen Beethoven. Sie spielen exzellent, und das wird ihnen ohne Zweifel viel Kritikerlob eintragen. Ich muss allerdings gestehen, dass mir eine weniger glatte Version, die auch Haydns musikalische Scherze mit einem Augenzwinkern statt in Marmor gemeißelt nimmt, noch besser gefallen hätte. 

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