Beim ersten Anhören dieser CD ist man geneigt, den Countertenor Andreas Scholl einen Schönsinger zu schelten. Doch hört man seine Interpretationen der Bach-Kanta- ten BWV 82 Ich habe genug und BWV 169 Gott soll allein mein Herze haben sowie einiger ergän- zender Zugaben mehrfach an, wird man bald feststellen, dass sie klare Akzente setzen, und offensichtlich trotz allen Wohlklanges auch wohl- durchdacht sind.
"Ganz wichtig ist meiner Meinung nach, sich sehr viel Zeit für das Studium von Bachs Musik zu neh- men", erklärte der Sänger einmal in einem Aufsatz, der seine Erfah- rungen mit dem Werk des Komponisten zusammenfasst. "Man ist immer auf der sicheren Seite, wenn man ein Werk nahezu auswendig lernt und sich dann eine bestimmte Zeit lang immer wieder mit ihm befasst. Gerade in Rezitativen entdecke ich beständig neue Details und gewinne neue Einsichten und Ideen für eine Interpretation. (...) Insbesondere die Rezitative gewinnen unendlich, wenn man sie viele Male laut liest."
Diese Sorgfalt macht sich bemerkbar. Denn die Botschaft, die der Sänger und die Musiker des Kammerorchesters Basel um Julia Schröder vermitteln, kommt an - auch wenn Scholls Stimme heute nicht mehr ganz so brillant klingt wie bei jener legendären Aufnahme aus dem Jahre 1997 mit Philipp Herreweghe und dem Collegium Vocale, auf der er bereits drei Bach-Kantaten in herausragenden Interpretationen vorgestellt hat. Auch an der grandiosen Bach-Gesamteinspielung unter Ton Koopman hatte Scholl seinerzeit mitgewirkt. Mit dieser CD komplettiert Scholl nun seine Einspielungen der Bach-Kantaten für Altstimme; leider erfährt man aber nicht, wer die Solo-Oboe geblasen hat (sehr ordentlich), und wer die obligate Orgel gespielt hat (exzellent) - soviel Korrektheit sollte gerade ein großes Label wie Decca auszeichnen.
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