Sonntag, 23. September 2012

Kapustin: Eight Concert Etudes, 24 Preludes in Jazz Style (Naxos)

Nikolai Girschewitsch Kapustin, Jahrgang 1937, gehört zu jenen russischen Komponisten, die eine ganz eigene, unverwechselbare Handschrift aufweisen. In seinen Werken kombiniert er klassische Formen mit Jazzklängen.
Zwar hat er in den 50er und 60er Jahren als Jazzpianist musiziert. Doch das fand Kapustin wenig reizvoll: "Ich war nie ein Jazz- musiker", sagt der Komponist. "Ich habe nie versucht, ein wahrer Jazzpianist zu sein, aber ich musste es sein, um des Komponierens willen. Ich interessiere mich nicht für Improvisation – und was wäre ein Jazzmusiker ohne Improvisation? Alle Improvisation meinerseits ist natürlich niedergeschrieben und sie ist dadurch viel besser geworden; es ließ sie reifen." 
Die georgische Pianistin Catherine Gordeladze, die mittlerweile in Deutschland lebt, stellt auf dieser CD zwei wichtige Klavierzyklen von Kapustin vor. Die Acht Konzertetüden op. 40 aus dem Jahre 1984 erinnern an Werke von Liszt und Chopin. Sie klingen harmonisch, enorm kraftvoll und energiegeladen; man ist geneigt zu sagen, damit führt Kapustin das Genre ins 21. Jahrhundert. Aber wahrscheinlich ist den wirklichen Experten, die sich für zeitgenössische Musik mehr erwärmen können als die Autorin dieses Blogs, diese Musik zu popu- lär. 
Das gilt erst recht für die 24 Präludien im Jazz-Stil op. 53 aus dem Jahre 1988. Sie nehmen eine Tradition auf, die wohl bei Chopin be- gann, der wiederum seine 24 Préludes op. 28 in der Auseinander- setzung mit Bachs Wohltemperirtem Clavier schuf. Anders als Bach, der chromatisch die Tonleiter "abarbeitete", folgte Chopin jedoch dem Quintenzirkel, und ließ auf jedes Stück in Dur eines in der parallelen Moll-Tonart folgen. Etliche Komponisten ließen sich davon inspi- rieren, so beispielsweise Alexander Skrjabin, Sergej Rachmaninoff und Dmitri Schostakowitsch. Kapustin aber findet einen ganz eigenen musikalischen Zugang, und das Resultat ist sehr beeindruckend. 
Ganz erstaunlich ist auch das Spiel der jungen Pianistin. Gordeladze überzeugt durch eine stupende Technik ebenso wie durch ihre zupackende, mitreißende Interpretation. Sie spielt Kapustin hörbar mit Vergnügen, und lässt diese komplexen Stücke swingen. In jeder Hinsicht eine Entdeckung! 

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