Julius Röntgen (1855 bis 1932), entfernt verwandt mit dem berühmten Physiker, kam in Leipzig zur Welt. Sein Vater war Konzertmeister am Gewandhaus, und seine Mutter, eine Pianistin, entstammte der Musiker- dynastie Klengel – kein Wunder also, dass das Kind ebenfalls schon früh die Musikerlaufbahn einschlug.
Neben Eltern, Großeltern und Haus- lehrern unterrichtete den kleinen Julius kein geringerer als Carl Reinecke, Leiter des Gewandhaus- orchesters sowie Lehrer am Leipziger Konservatorium. Röntgen studierte schließlich in München Klavier bei Franz Lachner, einem Freund Franz Schuberts. Nach einigen Jahren, die er zumeist auf Konzertreisen verbracht haben dürfte, überlegte Röntgen dann, ob er sich in Wien oder in den Niederlanden niederlassen sollte.
Schließlich entschied er sich 1878 für eine Stelle als Klavierlehrer an einer privaten Musikschule in Amsterdam – womit er aber dauerhaft nicht zufrie- den war, da er die Qualität der Schüler ungenügend fand. 1884 gründete er daher gemeinsam mit Frans Coenen und Daniel de Lange das Amster- damsch Conservatorium. Er spielte Konzerte, und er wirkte auch an der Planung des Concertgebouws mit; die Leitung des Orchesters aber traute man ihm dann nicht zu. Und so komponierte er weiter Kammermusik, unterrichtete seine Schüler – und musizierte. Röntgen war unter anderem Klavierbegleiter des Sängers Julius Stockhausen und dessen Schülers Johannes Messchaert, des berühmten Geigers Carl Flesch, und des noch viel bekannteren Cellisten Pablo Casals.
Reisen führten ihn quer durch Europa; so spielte der Pianist regelmäßig in Wien, aber auch nach Nordeuropa zog es Röntgen. Im norwegischen Bergen besuchte er seinen Freund Edvard Grieg, und in Dänemark machte er gern Urlaub und pflegte etliche Freundschaften. 1920 wurde der Musiker niederländischer Staatsbürger. 1924 ging Röntgen in den Ruhestand, und zog sich nach Bilthoven bei Utrecht zurück, wo ihm einer seiner Söhne einen schicken Landsitz errichtete. Das Haus macht seinem Namen Gaudeamus alle Ehre. Dort schuf Röntgen noch eine Vielzahl von Kom- positionen, vom Lied bis zur Sinfonie, und er wurde von zahlreichen Musikerkollegen besucht.
In den letzten Jahren wurden, insbesondere durch das Engagement des Labels cpo, die Sinfonien von Julius Röntgen wiederentdeckt. Eine Auswahl aus seinem (ebenfalls sehr umfangreichen) Liedschaffen haben nun Robbert Muuse und Micha van Weers bei Challenge Classics vorge- stellt. Der Bariton und die Pianistin pflegen in ihrer langjährigen musika- lischen Partnerschaft nicht nur das gängige Liedrepertoire; sie suchen auch ständig nach weniger bekannten Werken, die aufführenswert sind.
Die Lieder von Julius Röntgen sind auf den Punkt gefasste Textvertonungen mit einem ausgesprochen sprechenden Klavierpart – und einige von ihnen sind sogar überaus witzig. Den Komponisten inspirierten nicht nur Klassiker wie Goethe und Nietzsche, sondern auch alte nieder- ländische Volkslieder, asiatische Texte oder aber der schräge Humor von Christian Morgenstern. Auf dieser CD sind unter anderem einige Galgen- lieder und Palmström-Lieder zu hören – Robbert Muuse und Micha van Weers scheinen besonders die ironische Seite an Röntgen zu schätzen, der aber alles auszudrücken verstand, vom Pathos bis zum wilden Gelächter. In diesem Werk gibt es ohne Zweifel noch viel zu entdecken; mit dieser Aufnahme haben Robbert Muuse und Micha van Weers eine Türe geöffnet, hinter der noch so mancher Schatz schlummert. Grandios!
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