Dienstag, 3. Januar 2012

Rameau: Pièces de Clavecin; Chassot (Genuin)

"Schon immer hat mich der Klang des Akkordeons fasziniert", sagt Viviane Chassot. "Allerdings gefiel mir die Musik, die darauf gespielt wurde, überhaupt nicht. Als ich entdeckte, dass es möglich ist, auf dem Akkordeon auch klassische Musik zu spielen, schien der Weg klar." Denn mittlerweile hat das Akkordeon auch seinen Raum an den Musikhochschulen und auf dem Konzertpodium erobert. 
Viviane Chassot hat in Bern bei Teodoro Anzelotti studiert; sie hat etliche Preise gewonnen, und ist eine gefragte Solistin. Nach ihrem Debüt bei Genuin, das sie mit So- naten von Joseph Haydn bestritten hat, wählte sie nun für diese CD einige der Pièces de Clavecin aus dem reichen Werk von Jean-Phi- lippe Rameau (1683 bis1744). "Vitalität, verspielte Leichtigkeit und Witz, aber auch die tiefe Ernsthaftigkeit lyrisch angelegter Sätze machen die Suiten abwechslungsreich und lassen sehr viel Spiel- freiheit und Fantasie zu", erläutert Chassot. "Dank dem breiten klanglichen und dynamischen Spektrum des Akkordeons lassen sich die verschiedenen Affekte sehr gut umsetzen. Wie es Rameau gelingt, in kürzester Zeit die verschiedensten Szenen, Bilder, Stimmungen und Charaktere zu skizzieren und auf den Punkt zu bringen, fasziniert mich." 
Rameaus Stücke sind Kabinettstückchen, Miniaturen, die beispiels- weise einen Hühnerhof lautmalerisch imitieren - und unversehens zu einem musikalischen Bild der Eitelkeit werden. Hörbar wird aber auch, dass dieses Laster den Menschen aus dem seelischen Gleich- gewicht bringt; diese Musik ist sprunghaft, unausgeglichen und voller Unruhe. Chassot hat sich für Les Cyclopes, Le Rappel des Oiseaux und Les Soupirs aus den Pièces de Clavecin von 1724 entschieden, und für die Suite in g-Moll/G-Dur, zu der unter anderem das berühmte L'En- harmonique gehört, und eine Suite in a-Moll/A-Dur aus den Nouvel- les Suites de Pièces de Clavecin von 1728. 
Auch wenn diese Werke ursprünglich für Cembalo entstanden sind, gelingt es der Musikerin ausgezeichnet, sie auf das Akkordeon zu übertragen. Dabei löst sie sich von der Vorstellung, das Original penibel umsetzen zu müssen. "Wichtig ist mir bei der Interpretation dieser Stücke der Kompromiss zwischen stilgerechter historischer Aufführungspraxis und den spezifischen klanglichen Möglichkeiten des Akkordeons", unterstreicht Chassot. "Die Flüchtigkeit eines Kielflügels wird auf dem Akkordeon zwar nie hörbar sein, da die Tonerzeugung nicht so unmittelbar stattfindet wie auf dem Cembalo. Dennoch kann auch der Klang des Akkordeons auf berührende Weise fragil sein." 
Der Hörer dieser CD wird dies erfreut bestätigen. Man staunt darüber, welche Lösungen die Akkordeonistin jeweils gefunden hat, das Klang- bild des Cembalos adäquat auf ihr Instrument zu übertragen. Ihr Spiel ist brillant, und ihr Umgang mit dem Instrument ist blitzgescheit - das macht die Aufnahme zu einem absoluten Hörvergnügen. Brava! 

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