Ludger Rémy, international präsent als Dirigent "Alter" Musik sowie als Spezialist für historisch korrektes Musizieren auf Cembalo und Hammerklavier, spielt Bach. Das wäre nicht weiter erwähnens- wert, wenn der Musiker nicht zugleich ein Tabu gebrochen hätte: Rémy spielt Bachs Cello-Suiten auf dem Cembalo.
Und obwohl bekannt ist, dass Bach selbst eine Menge seiner Werke für Cembalo bearbeitet hat, und dass er beispielsweise Teile seiner Par- titen und Sonaten für Violine solo für Laute oder Clavier arrangiert hat, sieht der Musiker die Notwendigkeit, sich dafür in dem Beiheft umfangreich zu rechtfertigen.
So erzählt der Gründer des Ensembles Les Amis de Philippe, seit 1998 zudem Professor für Alte Musik an der Musikhochschule Dresden, in einem "Märchen", er habe bei der Suche nach Archivalien auf den Spuren der Gebrüder Graun im Pfarrarchiv einer sorbischen Gemein- de schon vor Jahren Fragmente der Suiten für Violoncello solo ge- funden - sieben doppelseitig beschriebene Blätter, die seiner Meinung nach beweisen, dass die Cellosuiten aus einem Werk für Tasteninstru- ment entstanden sind. Rémy hoffte, diese legendäre Urschrift ander- weitig aufspüren zu können. Das ist ihm bislang leider nicht gelungen. "Nun aber, 11 Jahr später und fünf Jahre nach meiner Entdeckung, lege ich hiermit eine aus den Südbrandenburger Fragmenten und den überlieferten Cellosuiten erstellte Fassung der Werke vor, die vermutlich einer Urschrift recht nahe kommt."
Dazu hat Rémy einerseits Bachs eigene Bearbeitungspraxis sorgsam studiert. Andererseits hat er sich gründlich mit musikhistorischen Quellen auseinandergesetzt, die zeigen, wie andere Cembalovirtuosen zur Zeit Bachs eine solche Aufgabe gelöst haben. "Unter gar keinen Umständen sollte den Adaptationen der Klang einer simplen Über- tragung anhaften, sondern es sollte Musik entstehen, die es zwar schon gab, die nun aber sehr speziell dem neuen Instrument Cemba- lo und seiner Klangwelt entspräche: nicht Cellosuiten sollten hörbar werden, sondern Cembalosuiten", beschriebt Rémy sein Ziel: "Es sollte nicht Bach als hehre Idee dominieren, sondern Bach auf dem Cembalo."
Diese Mimikry ist Rémy ziemlich perfekt gelungen, auch wenn man sich manchmal nicht ganz sicher ist, ob es nicht doch Carl Philipp Emanuel Bach ist, den man da hört. In jedem Falle hat sich der Musiker an ein hochinteressantes Experiment gewagt, und dafür eine sehr achtbare Lösung gefunden. Rémy lässt sich auf einem Clavicem- balo hören, das der Bremer Cembalobauer Martin Skowroneck nach deutschen Vorbildern aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschaffen hat. Er bringt das Instrument zum Singen - was für ein Cembalo, dessen Saiten ja gezupft werden, nicht eben typisch ist - und beeindruckt auch sonst mit seinem klugen, aber keineswegs emo- tionslosen Spiel. Ich finde das Experiment auf dieser Doppel-CD kühn, aber in jeder Hinsicht geglückt - und kann diese schöne Aufnahme nur empfehlen.
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