"Joh. Seb. Bachs Art das Clavier zu behandeln, ist von jedem, der das Glück gehabt hat, ihn zu hören, bewundert, und von allen, die selbst Ansprüche machen konn- ten, für gute Spieler gehalten zu werden, beneidet worden", be- richtet sein Biograph Johann Nikolaus Forkel. Im Falle von Bach senior sind damit vor allem Cem- balo und Clavichord gemeint; doch auch den Hammerflügel lernte der Musiker in seinen letzten Lebens- jahren noch kennen und schätzen.
Bach gehörte zudem zu den ersten Komponisten überhaupt, die das Cembalo in Konzerten als Solo-Instrument einsetzten. So adaptierte er zahlreiche Werke, die er ursprünglich für gänzlich andere Instru- mente geschrieben hatte, für das Cembalo, um sie mit dem Collegium musicum im Zimmermannischen Kaffeehaus aufzuführen. Es klingt ungewohnt, wenn der Hamburger Pianist Sebastian Knauer sie nun auf einem modernen Steinway vorträgt, und Puristen mögen sich darüber ärgern.
Aber Bach selber hätte es wohl ebenso gemacht. Die Frage also, ob es zulässig ist, Bach auch im Zeitalter des historisch korrekten Musi- zierens auf modernen Instrumenten zu spielen, stellt sich nicht. Ob Knauer aber eine spannende neue Sichtweise auf Bachs Werk gelingt, das ist die interessante Frage.
Der Pianist beantwortet sie, indem er auf Traditionen verweist - nicht zuletzt auf die seiner eigenen Familie. Dass er nebenher Bach nebst seinen Söhnen zu Quasi-Hamburgern erklärt, lässt schmunzeln. Er stellt zwei "Klavierkonzerte" des Thomaskantors neben Werke seiner Söhne Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) und Johann Christian Bach (1735 bis 1782). So macht der Pianist Entwicklung hörbar - vom Barock über den eher galanten Stil von Carl Philipp Emanuel Bach bis hin zum Werk seines Bruders und Schülers Johann Christian Bach, das schon deutlich auf die Frühklassik verweist.
Mit der strengen Form Johann Sebastian Bachs weiß Knauer jedoch eher wenig anzufangen. Er spielt brillant, stets durchsichtig und mit weichem, aber perlendem Ton. Doch man hat ein bisschen den Ein- druck, Examensstücke zu hören statt Musik, der sich der Interpret mit Leidenschaft und Verstand verschrieben hat. Diese Distanz ist auch beim Zürcher Kammerorchester festzustellen, das hier seine erste Aufnahme unter seinem neuen Chefdirigenten Sir Roger Norrington eingespielt hat. Sie schwindet erst bei den eher drama- tischen als mathematischen Werken der beiden Bach-Söhne; das Konzert von Johann Christian Bach scheint auch dem Solisten am meisten zu liegen. Hier beginnt der Flügel auf einmal zu singen, und die Kadenzen gefallen mir hier am besten.
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