Als Bach nach Leipzig kam, war die Leipziger Oper schon Geschichte. Sie begann 1692 in einem Hinter- hof am Leipziger Brühl, und zwar auf Initiative von Nicolaus Adam Strungk (1640 bis 1700), der dafür ein Privileg von seinem Dienst- herrn, dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg III., erhielt. Musiziert wurde ausschließlich während der dreimal jährlich stattfindenden Messen; so konnte Strungk auch seinen Dienstpflichten als Hofkapellmeister in Dresden nachkommen. Allerdings scheint die Leipziger Oper finanziell nicht besonders erfolgreich gewesen zu sein; Strungks Biographen berich- ten, der Maestro habe kräftig Geld zusetzen müssen.
Nach Strungks Tod wurde das Unternehmen zwar von seinen Nach- kommen weitergeführt, lebte aber künstlerisch vom Engagement der Leipziger Studenten. So saßen auch Johann Friedrich Fasch, Johann Georg Pisendel, Christoph Graupner und Gottfried Heinrich Stölzel zeitweise dort im Orchestergraben. Georg Philipp Telemann und Johann David Heinichen, die damals ebenfalls in der Messestadt studierten, schrieben fleißig Stücke dafür.
Doch auch die Intrigen rings um den Spielbetrieb müssen erhebliches Format gehabt haben. Streitereien unter den Nachkommen Strungks – er hatte fünf Töchter, die wohl teilweise selbst als Sängerinnen auf der Bühne standen, und obendrein überwiegend mit Musikern ver- heiratet waren – führten endgültig 1720 zum Bankrott der Oper und zur Einstellung des Spielbetriebes.
Michael Maul, der eine Monographie über die Barockoper in Leipzig geschrieben hat, zählte immerhin 74 Opern, die zwischen Gründung und Untergang dort aufgeführt wurden. Doch die Musik, die seinerzeit erklang, galt lange als verloren. Zwar waren einige Textbücher vor- handen. Doch lediglich von einigen wenigen Arien waren auch Noten überliefert. Dann aber rückte eine Handschrift in den Blickpunkt der Forscher, die sich in der Musikbibliothek Leipzig befindet und auch seit langem bekannt war. Ihr Titel: Musicalische RüstKammer: / auff der Harffe aus allerhand schönen und lustigen / Arien, Menuetten, Sarabanden, Gigven / und Märschen, bestehend aus / allen Thonen. / 1719.
In dem Buch sind hundert kleine Musikstücke notiert, bei den meisten steht zudem Text, aber kein Urheber. Deshalb wurde lange vermutet, es handele sich um eine Sammlung von Modetänzen, denen ein Harfenspieler willkürlich deutsche Texte unterlegt hat. Jetzt haben Musikwissenschaftler genauer hingesehen - und festgestellt, dass die Texte aus den Libretti der Leipziger Opern stammen. So darf man davon ausgehen, dass jener unbekannte Harfenspieler seinerzeit in seinem Buch die beliebtesten Stücke zusammengetragen hat, die damals in Leipzig gesungen wurden - viele davon stammten von der Opernbühne. Der Tenor Jan Kobow und das United Continuo En- semble haben einige davon auf dieser CD wieder zum Klingen ge- bracht.
Sie sind amüsant bis frech, musikalisch nicht ohne Anspruch, und komödiantisch oftmals wahre Leckerbissen. Bachpreisträger Kobow lässt sich das nicht entgehen. Mit seiner unbändigen (und unüber- hörbaren) Spiellust gleicht er aus, dass das Continuo nur begrenzt Farbe und Abwechslung bringen kann. Jörg Meder, Viola da gamba und Violone, Axel Wolf, Theorbe, Dennis Götte, Erzlaute und Ba- rockgitarre, Bernward Jaime Rudolph, Barockgitarre, Zita Miki- janska, Cembalo und Margit Schultheiß, Harfe, musizieren routiniert. Doch die originalen Stimmen sind nun einmal verloren. Wie das Opernorchester zu Telemanns Zeiten tatsächlich besetzt war, und wie es geklungen hat, das wird sich über Vergleiche nur annähernd erkunden lassen. Insofern ist diese Rekonstruktion, gerade weil sie diese Leerstelle hörbar macht, durchaus gelungen.
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