Sonntag, 10. Mai 2015

Bach: Constantin Emanuel sings from Schemellis Gesangbuch (Challenge Classics)

Liedern aus Schemellis Gesangbuch widmet Ton Koopman seine jüngste CD. Georg Christian Schemelli (um 1680 bis 1762) lernte 1695 bis 1700 an der Leipziger Thomasschule. 1707 wurde er Kantor in Treuenbrietzen, 1727 Hofkantor in Zeitz, wo er bis zu seinem Ruhestand wirkte. Bekannt ist er als Herausgeber eines Gesang- buches, zu dem auch Johann Sebastian Bach Beiträge lieferte – doch ist nicht sicher festzustellen, welche. Zwar sind sämtliche Lieder im Bach-Werkeverzeichnis gelistet. Neuere Forschungsergebnisse deuten aber darauf hin, dass nur die Lieder BWV 452, 478 und 505 tatsächlich von Bach stammen. Es wird angenommen, dass er bei anderen zumindest den bezifferten Bass hinzugefügt hat. 
Koopman schert sich um diese Debatte wenig. Er verweist darauf kurz im Beiheft, und wählt dann aus, was er lohnend findet, und was zu seinem jungen Sänger passt: Constantin Emanuel sei „één van de zeer weinige jongenssopranen die het epitheton ornans ,schattig' vorbij is, en die muzikaal iets te vertellen heeft“, lobt der Organist und Musikwissen- schaftler. Der junge Sänger klingt in der Tat nicht mehr „niedlich“, und er singt immer noch in Sopranlage, obwohl er bereits 15 Jahre alt ist. Das ist heute selten; zu Bachs Zeiten aber war das normal. 
Es wird nicht verblüffen, dass die längere sängerische Ausbildung, nicht durch den Stimmbruch unterbrochen, den Jungen das Singen schwieri- gerer Partien ermöglicht. Constantin Emanuel singt sehr ordentlich, auch wenn sein Timbre nicht immer angenehm ist. Seine Phrasierung ist intelligent, und – was ich besonders erfreulich finde – jedes Wort ist zu verstehen.  
Die Lieder, die auf dieser CD zu hören sind, waren für die häusliche An- dacht bestimmt; dennoch sind es eher kleine Arien als schlichte Choräle. Man mag sich also vorstellen, was unsere Altvorderen, die ihren Zeit noch nicht an Fernseher und Smartphones verschwendeten, einstmals zum Gebet und zum Zeitvertreib zu Hause musizierten. Und damit es nicht zuviel Gesang wird, spielt Koopman auf dieser CD nach einigen Liedern stets ein kurzes Orgelstück.

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