Alfredo Piatti (1822 bis 1901) gehörte zu den führenden Violoncello-Virtuosen des
19. Jahrhunderts. Ersten Musik- unterricht erhielt er von seinem Vater, dann lernte er bei seinem Großonkel Gaetano Zanetti das Cello-Spiel. Schon mit acht Jahren half er im Orchester des Theaters in seiner Heimatstadt Bergamo aus. Mit zehn Jahren bewarb er sich am Konservatorium in Mailand - und durfte bei Vincenco Merighi studieren.
1834 gab er in Mailand sein Debüt; 1838 ging Piatti gemeinsam mit seinem Vater auf eine erste Europa-Konzertreise. Es wird berichtet, dass diese finanziell in einem ziemlichen Desaster endete: Piatti er- krankte, und geriet derart in Geldnot, dass das Cello verkauft werden musste. Die Heimreise nach Bergamo bezahlte dem jungen Virtuosen ein Freund.
Ein gemeinsames Konzert mit Franz Liszt, zu dem der berühmte Musiker den jungen Kollegen eingeladen hatte, spielte Piatti wenig später auf einem geborgten Instrument. Liszt gab Piatti daraufhin ein Cello von Nicolò Amati, und er ermunterte ihn, nach Paris zu gehen. Dort gab er ein Jahr später, 1844, sein Debüt - und gleich darauf auch in London, wo er mehrfach gemeinsam mit Felix Mendelssohn Bartholdy auftrat.
Auch wenn Piatti von 1859 bis 1898 Erster Cellist und Solist der Pa- riser Samstags- und Montagskonzerte war, wurde dennoch die bri- tische Hauptstadt sein Lebensmittelpunkt. Dort war er als Cellist wie als Musikpädagoge hochangesehen. Er spielte unter anderem in dem Londoner Popular Concerts sowie mit Joseph Joachim, Louis Ries und Ludwig Strauss bei der Beethoven Quartet Society. Piatti unter- richtete an der Royal Academy of Music; zu seinen Schülern gehörten unter anderem Robert Hausmann, William Edward Whitehouse und Hugo Becker.
Piatti hat für sein Instrument etliche Werke komponiert; auf dieser CD hat die koreanisch-kanadische Cellistin Soo Bae das Capriccio sopra un tema della Niobe di Pacini, op. 22 und die Dodici Capricci, op. 25 eingespielt. Sämtliche Capricen stellen höchste Anforderungen an Fingerfertigkeit wie Musikalität des Solisten - man stelle sich die Paganini-Capricen vor, nur eben eine Generation später, und für den großen Bruder der Violine geschrieben. Nun sind Partien für das Violoncello üblicherweise etwas behäbiger - diese hier freilich sind es nicht, und sie klingen stellenweise, als wollte Piatti ein ganzes Orche- ster imitieren.
Nahezu alles, was es an technischen Schwierigkeiten gibt, findet sich in diesen zwölf Stücken vereint. Soo Bae schlägt sich wacker. Man hört ihrer Interpretation aber an, dass es hier um Höchstschwierig- keiten geht. Ob es derzeit einen Solisten gibt, der in der Lage ist, diese Werke mit spielerischer Leichtigkeit vorzutragen, das ist eine interessanten Frage.
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