Herr Martucci habe sich als als exzellenter Pianist erwiesen, schrieb das Giornale di Napoli am 6. Juni 1874: "Er ist sehr jung und verspricht zu größter Berühmtheit zu gelangen. Liszt war im Saal und zeigte sich sehr zufrieden." Ein Biograph berichtete später, der junge Pianist sei fast in Ohnmacht gefallen, als er den berühmten Kollegen im Saal sitzen sah. Dass Giuseppe Martucci (1856 bis 1909) seinen Schreck schnell überwand und die Aufregung professionell meisterte, mag mit daran liegen, dass er bereits seit seinem achten Lebensjahr öffentlich auftrat.
Sein Vater, ein Trompeter und Militärkapellmeister, gab ihm ersten Unterricht; später studierte Martucci am Konservatorium San Pietro a Maiella in Neapel Klavier und Komposition. Ab 1871 konzertierte er als Pianist in Italien, England, Irland und Frankreich, oftmals gemein- sam mit dem Cellisten Alfredo Piatti. 1880 kehrte Martucci nach Nea- pel zurück. Er wurde Professor für Klavierspiel am Konservatorium und dirigierte zudem die Società Orchestrale di Napoli, die erst kurz zuvor gegründet worden war. Von 1886 bis 1902 leitete er das Liceo Musicale in Bologna, inklusive Orchester. Er setzte sich insbesondere für Brahms und Wagner ein, und dirigierte 1888 die italienische Erstaufführung von Wagners Oper Tristan und Isolde.
In erster Linie aber bereicherte er das Musikleben im auf Opern ver- sessenen Italien um etliche Werke, in denen überhaupt nicht gesun- gen wird. Martucci komponierte vor allem für Orchester, und zudem für die Kammermusik. Diese CD beweist, dass er sowohl am Klavier als auch auf dem Notenpapier ein Virtuose im besten Wortsinne war. Im Mittelpunkt dieser Aufnahme steht ohne Zweifel das Klavierkonzert Nr. 2 b-Moll op. 66 - ein groß angelegtes, vor Temperament geradezu überschäumendes und technisch zudem extrem anspruchsvolles Werk. Als Arturo Toscanini 1899 dieses Konzert mit Martucci am Klavier einstudierte, meinte er vor Beginn der Proben: "Ich bin gespannt, ob er mit all den Problemen, die er selbst geschrieben hat, zurechtkommt."
Pietro Massa jedenfalls, der das Konzert für Crystal Classics gemein- sam mit der Neubrandenburger Philharmonie unter Stefan Malzew eingespielt hat, kommt damit gut zurecht. Er spielt wirklich brillant, und so lässt sich auch mancher nicht so perfekte Ton aus dem Orche- ster aushalten. Schließlich handelt es sich um einen Live-Mitschnitt, da kann das durchaus passieren. Spannend ist die Aufnahme auch deshalb, weil sie das Notturno op. 70 Nr. 1 sowohl in der Orchester- als auch in der Klavierfassung enthält. Dieses Werk macht noch ein- mal deutlich, wie virtuos Martucci zu orchestrieren verstand, und wie souverän uns sensibel er mit Klangfarben arbeitete. Tema e variazio- ni op. 58 fällt dagegen insgesamt ein wenig ab. Aber grundsätzlich gehört Martucci in die erste Reihe der Virtuosen-Komponisten des ausklingenden 19. Jahrhunderts. Eine Entdeckung!
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