Der Geburtstag von Carl Philipp Emanuel Bach jährte sich am
8. März 2014 zum dreihundersten Male. An diesem Tage erklang im Berliner Konzerthaus die Passions- kantate Die letzten Leiden des Erlösers – und bei Berlin Classics ist der Mitschnitt dieses Konzertes kürzlich, rechtzeitig vor Ostern, auf zwei CD erschienen. Unter der Leitung von Hartmut Haenchen musizierten „sein“ Kammer- orchester, dessen Namenspatron der große Bach-Sohn ist, der RIAS Kammerchor sowie eine große Schar renommierter Solisten.
„Die Musik hat höhere Absichten, sie soll nicht das Ohr füllen, son- dern das Herz in Bewegung setzen“, soll Carl Philipp Emanuel einmal im Gespräch geäußert haben. Damit kritisierte Bach junior nicht nur seinen Halbbruder Johann Christian, der im sogenannten „galanten“ Stil komponierte – er wendete sich zugleich gegen seinen langjährigen Dienstherrn, Friedrich den Großen, der die galante Musik schätzte, mit dem „empfindsamen“ Stil hingegen, den sein Cembalist derart offensiv vertrat, wenig anfangen konnte und auch wollte. Und wie geht es uns heute mit den Werken von Carl Philipp Emanuel Bach, der ja von Musikhistorikern gern in die Schublade der „Vorklassik“ gesteckt wird?
Im Konzert ist seine Musik nur sehr selten zu hören; in den Kirchen werden selbst die Passionen von Heinrich Schütz, dem Urvater der kunstvollen deutschen Kirchenmusik, öfter aufgeführt als die des Bach-Sohnes. Woran das liegt? Diese Aufnahme gibt eine mögliche Antwort auf diese Frage. Denn statt gerührt zeigt sich das Individuum gelangweilt. Trotz hervorragender Musiker zieht sich die Aufführung hin. Woran liegt es nur, dass die Arien eher peinlich als anrührend erscheinen? Am Text, in dem Anna Louise Karsch „reicht“ auf „neigt“ und „wach“ auf „schwach“ reimt? Dieses Libretto als „zeitgebunden“ zu bezeichnen, das ist sicherlich freundlich, aber es heilt seine Schwächen nicht: „Muster der Geduld und Liebe, / Möchten wir dir ähnlich sein! / Flöß' uns sanfte, sanfte Triebe / deines guten Geistes ein!“
Bachs Vertonung ist nicht dazu angetan, dass man solche Zeilen ignorieren kann, denn die Musik bietet nicht wirklich ein spannungs- volles Gegenstück zu diesen Worten. Einige Chöre allerdings wirken geradezu atemberaubend modern aufgrund ihrer harmonischen Gestaltung. Warum die Soli nicht gleichermaßen interessante Musik haben – wir werden es nicht mehr herausfinden.
Für dieses Konzert stand mit Christina Landshamer, Christiane Oelze, Anke Vondung, Maximilian Schmitt und Roman Trekel ein außer- ordentlich versiertes Solistenensemble zur Verfügung. Dennoch spricht mich die Aufnahme nicht an, an dieser Kantate kann ich so gar nichts reizvolles finden. Nach all den vielen großartigen Entdeckun- gen ist dies ein blasses Finale für eine langjährige künstlerische Partnerschaft. Denn dieses Jubiläumskonzert war zugleich eine der letzten Gelegenheiten, das engagierte Ensemble zu hören. In drei Tagen, am 1. Mai 2014, wird sich das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach mit einem Mozart-Konzert vom Podium verabschieden und auflösen. Was für ein Verlust!
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