Samstag, 26. Dezember 2015

500 Years of Organ Music (Brilliant Classic)

Zu einer Reise durch 500 Jahre Orgel-Geschichte lädt Brilliant Classics ein. Das Label kann dabei auf eine große Anzahl hauseigener Orgelmusik-Veröffentlichungen zurückgreifen. Die Auswahl beginnt mit Werken von Meistern aus der Zeit der Renaissance. So enthält das nach Auffassung der Beiheft-Autoren älteste Manuskript mit Noten für ein Tasteninstrument, aus dem Bestand der Biblioteca Comunale Manfrediana di Faenza, Werke von Marco Antonio Cavazzoni (um 1490 bis um 1560). Auch beispielsweise Werke von Gregorio Strozzi (um 1615 bis nach 1687), Luzzasco Luzzaschi (1545 bis 1607), Schüler von Cipriano de Rore und Lehrer von Giovanni Frescobaldi, Michelangelo Rossi (1601/02 bis 1656), Tarquinio Merula (1595 bis 1665), Antonio de Cabezón (1510 bis 1566), Giromalo Frescobaldi (1583 bis 1643), Giovanni Maria Trabaci (um 1575 bis 1647), Andrea und Giovanni Gabrieli, Bernardo Pasquini (1634 bis 1710), Jan Pieterszoon Sweelinck (1562 bis 1621), Johann Jacob Froberger (1616 bis 1667), Georg Muffat (1653 bis 1704), Dieterich Buxtehude, sowie eine CD mit Werken von Nicolaus Bruhns, Heinrich Scheidemann, Samuel Scheidt und Johann Adam Reincken finden sich im ersten Abschnitt, der bis zum Frühbarock reicht. Enthalten ist auch eine CD mit Musik aus den John Reading Manuscripts of Dulwich College, eingespielt von Riccardo Bonci an der George England Orgel aus dem Jahre 1760 in der Christ's Capel of God's Gift, Dulwich, London. 
Sehr umfangreich ist der zweite Teil, der Musik vom Barock bis zur Wiener Klassik umfasst. Hier erklingen unter anderem Werke von Johann Kuhnau, Johann Gottfried Walther, Georg Böhm, Johann Sebastian Bach, Daniel Magnus Gronau (1700 bis 1747), Johann Gottfried Müthel (1728 bis 1788), Georg Friedrich Händel, Georg Philipp Telemann, Gottfried August Homilius, Carl Philipp Emanuel Bach, Ignazio Cirri (1711 bis 1787), František Xaver Brixi (1732 bis 1771), Padre Antonio Soler, Joseph de Torres (1670 bis 1738), Antonio Vivaldi, Domenico Alberti (1710 bis 1746), Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn, und Padre Davide da Bergamo (1791 bis 1863). 
Der folgende Teil mit Musik der Romantik bringt Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, August Gottfried Ritter (1811 bis 1885), Robert Schumann, Franz Liszt, Vincenzo Antonio Petrali (1830 bis 1889), Johannes Brahms, César Franck, Charles-Marie Widor, Félix Alexandre Guilmant, Max Reger, Edward Elgar und Georgi Alexandrowitsch Muschel (1857 bis 1934), einem russischen Komponisten, der auch sieben Werke für Orgel geschrieben hat. Die letzte Abteilung ist dem 20. Jahrhundert gewidmet und enthält Musik von Maurice Duruflé, Jehan Alain (1911 bis 1940), Hendrik Andriessen (1892 bis 1981), Olivier Messiaen und Arvo Pärt. 
Die Auswahl erscheint insgesamt sehr subjektiv; sowohl bei den Komponi- sten als auch bei den Interpreten und den Orgeln, die auf den 50 CD zu hören sind, überwiegt Italien. Wobei es seltsam erscheint, dass die lange Reihe der italienischen Komponisten mit Petrali endet – wie wäre es denn, beispielsweise, mit Marco Enrico Bossi? Und sollte es danach tatsächlich keinen einzigen bedeutenden Orgelkomponisten mehr in diesem Land gegeben haben? 
Auch sonst scheint die Auswahl mehr den Katalogen des Labels als der Musikgeschichte zu folgen. So sind Spanien, die Niederlande und England für mein Empfinden nicht angemessen vertreten, sowohl was die Orgel- werke als auch die Instrumente angeht. In Frankreich gab es auch schon sehr lange vor César Franck bedeutende Komponisten von Orgelmusik – und es gibt sie bis heute. Österreich ist ebenfalls ausgesprochen schmal berücksichtigt; Paul Hofhaimer (1459 bis 1537) beispielsweise fehlt, ebenso wie Anton Bruckner. 
In Deutschland gab es ein Buxheimer Orgelbuch, geschrieben um 1460/70, sowie den blinden Organisten Conrad Paumann (um 1410 bis 1473), der zunächst in Nürnberg tätig war und später im Dienst der Herzöge von Oberbayern in München wirkte. Er reiste bis nach Italien, wo er mit seinem Spiel großes Aufsehen erregte, und er hat zahlreiche Schüler ausgebildet. Mindestens ebenso lang wie die Liste der deutschen Organisten, die in dieser Edition vertreten sind, wäre eine Liste jener bedeutenden Musiker, die ich vermisse. 
Auch Osteuropa bleibt weitgehend ausgespart. Polen beispielsweise war aber stets gut katholisch. Da sollte sich nicht ein einziger Komponist von Rang und Namen finden lassen? Wie wäre es beispielsweise mit Feliks Nowowiejski (1877 bis 1946)? Und Nordeuropa ist in dieser Edition gar nicht vertreten. 
Insofern fasst die Kollektion auf insgesamt 50 CD Höhepunkte der Orgel-Editionen bei Brilliant Classics zusammen. Den Anspruch, 500 Jahre Orgelgeschichte repräsentativ abzubilden, kann sie nicht erfüllen – dazu fehlen schlicht zu viele wichtige Protagonisten, und auch enorm viele bedeutende Instrumente. Dennoch bietet diese Box Einspielungen von vielen guten, teils exzellenten Organisten und echte Entdeckungen. 

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