Sonntag, 7. Februar 2016

Keiser: Pomona (cpo)

Reinhard Keiser (1674 bis 1739) kam im mitteldeutschen Teuchern, einem Marktflecken zwischen Zeitz und Weißenfels, zur Welt. Sein Vater, ein Organist, verschwand kurz nach der Geburt des Knaben und ward nicht mehr gesehen, so dass das Kind wahrscheinlich allein bei seiner Mutter aufwuchs. 1685 wurde Keiser Schüler der Leipziger Thomasschule, wo er unter Thomaskantor Johann Schelle offenbar auch eine gediegene musikalische Ausbildung erhalten hat. 1693 wurde in Braunschweig seine vermutlich erste Oper aufgeführt; doch trotz Ernennung zum Cammer-Componisten ging Keiser 1704 nach Hamburg, wo er über viele Jahre mit seinen Opern den Spielplan prägte. 1728 wurde der Musiker Kantor am Hamburger Dom. 
Auch wenn die Hansestadt stets darauf bedacht war, ihre Unabhängigkeit zu betonen, so waren sich die Hamburger als gute Diplomaten doch nicht zu schade, ihre Nachbarn zu feiern, wenn es dazu Anlass gab. In der Oper am Gänsemarkt wurden daher auch Festopern aufgeführt – beispielsweise anlässlich von Krönungen, Siegesfeiern oder Geburtstagen. Gesponsert wurde dies übrigens vom Repräsentanten des jeweiligen Staates. So musste 1702 der dänische Resident Hans Statius von Hagedorn tief in die Tasche greifen, als mit Keisers Oper Der Sieg der fruchtbaren Pomona der Geburtstag Friedrichs IV., des Königs von Dänemark, festlich begangen wurde. Dazu waren nicht nur die „Standes-Persohnen“ eingeladen, sie wurden obendrein auf das Beste bewirtet – und die zweite und letzte Vor- stellung endete sogar mit einem Feuerwerk. 
Das Singe-Spiel, komponiert auf ein Libretto von Christian Heinrich Postel, ist witzig und auch ein wenig schlüpfrig, denn neben Königin Louise, Herzogin zu Mecklenburg-Güstrow, war Friedrich IV. noch zwei weiteren Damen „zur linken Hand“ angetraut; eine davon heiratete er 1721, keine drei Wochen nach dem Tode seiner Ehefrau. 
Pomona schildert einen Wettstreit der vier Jahreszeiten, repräsentiert von den entsprechenden Götterpaaren, der von Jupiter entschieden werden soll. Die Wetteifernden werden in ansprechenden Szenen vorgestellt. Dann erwarten sie den Schiedsspruch, was nicht ganz ohne Sticheleien abgeht, und zudem eine Vielzahl von Tänzen ermöglicht. Schließlich erscheint Jupiter – und preist das Geburtstagskind in den höchsten Tönen. Auch Königin Louise wird mit einbezogen – und da Jupiter Friedrich IV. nebst Gemahlin durch Vertumnus, den Gott der Verwandlungsfähigkeit, und Pomona, die Göttin der fruchttragenden Bäume und der Gärten, repräsen- tiert sieht, gewinnen diese auch den Wettstreit – wohl nicht umsonst haben sie zuvor ausgiebig die glückliche Ehe gepriesen. Abschließend gratulieren die Götter noch einmal mit Tanz und Gesang dem Königspaar. 
Für eine Barockoper ist das Werk kurz, und es gibt weder komplizierte Intrigen noch verzwickte Situationen nebst den entsprechenden affekt- betonten Arien. Hier ist alles nett, harmlos und kurzweilig; für Abwechs- lung sorgen in erster Linie die amüsanten musikalischen Einfälle des Komponisten sowie die höchst unterschiedlichen Charaktere, die Postel und Keiser auf die Bühne gebracht haben. Deshalb erfordert diese Oper ein ebenso umfangreiches wie versiertes Solistenensemble. Zu hören sind Melanie Hirsch als Pomona, Doerthe Maria Sandmann als Flora, Olivia Vermeulen als Ceres, Magdalene Harer als Vertumnus (Sopran!), Julian Podger als Mercurius, Knut Schoch als Zephyrus, Jan Kobow als Jasion und als Jupiter, Raimondis Spogis als Bacchus und Jörg Gottschick als Vulcanus. Es musiziert die Capella Orlandi Bremen unter Thomas Ihlenfeldt – und der Zuhörer darf sich über eine erstklassige, stilsicher gestaltete Aufnahme freuen. 

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