„Was die Menge seiner verfertigten Musikstücke betrifft, kann man ihn den zween so sehr fleißigen als berühmten Hrn. Componisten Scarlatti und Telemann an die Seite setzen“, schrieb Leopold Mozart (1719 bis 1787) einst in einem Selbstporträt für Marpurgs Beyträge zur Aufnahme der Musik aus dem Jahre 1757 – und er zählte auf, was er bislang geschrieben: „über dreißig große Serenaden (..) viele Concerte (..) unzählige Trios und Divertimenti (.. sowie) eine Menge von theatralischen Sachen“.
Der Musikfreund reibt sich verwundert die Augen – denn von all diesen Werken ist so gut wie nichts mehr aufzufinden. Auf CD erhältlich ist noch viel weniger. Erinnert sei hier an eine Doppel-CD mit drei Klaviersonaten und drei Klaviertrios, eingespielt von Christine Schornsheim, Sebastian Hess und Rüdiger Lotter ebenfalls bei Oehms Classics. Bekannt sind, neben der berühmten Violinschule, seine ausgesprochen humorvollen Sinfonien mit den Beinamen Die Bauernhochzeit und Jagdsinfonie, sowie Die musikalische Schlittenfahrt. Insgesamt sollen es einst allein knapp 50 Sinfonien gewesen sein – was für ein Verlust!
Mit dieser CD begibt sich nun die Bayerische Kammerphilharmonie unter Reinhard Goebel auf die Suche nach weiteren überlieferten Musikstücken aus diesem einstmals doch so umfangreichen Oeuvre. In Salzburg, wo Leopold Mozart von 1738 bis zu seinem Tode lebte, sind nur in der Dom-Bibliothek Autographe geistlicher Kompositionen von ihm erhalten. Und sollte der Musiker von seinen vielen Reisen tatsächlich so gar keine Noten mitgebracht haben? Wo sind sie hin, die Musikalien und die nachweislich ebenfalls reichhaltige Bibliothek von Vater Mozart? Es fand sich davon nicht ein einziges Stück, schreibt Goebel im Beiheft.
Und das verdanken wir offensichtlich seinen beiden Wunderkindern – Wolfgang Amadeus und Maria Anna „Nannerl“ Mozart, vernunftver- heiratet mit Johann Baptist Reichsfreiherr Berchtold von Sonnenburg. In einem Brief bat Wolfgang die Schwester, seine Partituren für ihn aus dem väterlichen Notenschrank zu nehmen – und ansonsten ging es ihm nur darum, eine möglichst hohe Summe aus dem Nachlass seines Vaters zu erhalten.
Schwester und Schwager scheinen gründlich aufgeräumt zu haben. Und so ist auf Abschriften angewiesen, wer sich für die Musik Leopold Mozarts interessiert; in den letzten Jahrzehnten wurden einige davon in Kollek- tionen süddeutscher sowie österreichischer Klöster und Adelshäuser aufgespürt – allerdings nicht sehr viele. In Bozen und Bern beispielsweise, berichtet Goebel, wurde zwei Oratorien entdeckt. Die Serenade in D-Dur für Solotrompete, Soloposaune, zwei Violinen, Viola, zwei Oboen, zwei Hörner und zwei Trompeten, Pauke und Basso fand sich in den 70er Jahren im Kloster Seitenstetten.
Mit diesem Stück eröffnet die Bayerische Kammerphilharmonie die CD. Für die beiden Solo-Bläser schrieb Leopold Mozart jeweils ein Einlage-Concer- tino von Format, wobei das Trompetensolo beinahe noch barock erscheint, wie das letzte Echo der Clarinbläserkunst. Gespielt werden die Concertini von Aljoscha Zierow, Trompete, und Fabrice Millischer, Posaune – und beide musizieren brillant. Das lässt sich auch von Carsten Carey Duffin und Philipp Römer sagen, die den Solopart im nachfolgenden Konzert für zwei Hörner, zwei Violinen, Viola und Basso übernommen haben.
Zum Schluss erklingt die Sinfonia G-Dur, datiert auf das Jahr 1769, als Kopie einst entdeckt in der Bibliothek des Klosters Lambach – was ihr den Namen „Neue“ Lambacher einbrachte; warum dieses qualitätvolle Opus in Vergessenheit geriet, das gehört zu den vielen Rätseln der Musikgeschich- te. Mit dieser CD jedenfalls legt die Bayerische Kammerphilharmonie unter Reinhard Goebel gewichtige Argumente für Rehabilitation eines Komponi- sten vor, der im Schatten seines Sohnes nur schwer wahrzunehmen ist – zu Unrecht, wie die Aufnahme beweist.
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