Dienstag, 9. August 2016

van Eyck: Engels Liedt (Carpe Diem)

Dass diese CD entstanden ist, ver- danken wir einem Zufall: „Am Abend des zweiten Aufnahmetages zu der Kammermusik-CD ,John come kiss me now' (..) übte ich für mich allein in der Kirche, in der die Aufnahme stattfand, auf der Blockflöte für den kommenden Tag. Jonas, der Produ- zent der CD, räumte noch einige Kabel auf, dann war es ganz still“, berichtet Gerald Stempfel. „Irgend- wann machte ich eine Pause, um mir Tee zu kochen. Jonas stand noch immer gedankenverloren vor der Kirche. Als er mich kommen sah, sagte er, dass, als er mich üben hörte, ihm die Idee zu einer van Eyck-Auf- nahme gekommen war – er hatte vor seinem inneren Ohr die Lachrymae-Variationen (..) gehört.“ 
Der Fluyten Lust-hof des Jacob van Eyck (um 1590 bis 1657) gehört für Stempfel zu den zentralen Werken, die ihn von Kindesbeinen an motiviert haben und ihn darin bestärkt haben, dass es seine Berufung ist, Blockflöte zu spielen. So kam es, dass nach dem Abschluss der Kammermusik-Auf- nahmen in einer einzigen Nacht spontan diese Einspielung aufgezeichnet worden ist. Sie transportiert, wie kaum eine andere CD des Labels von Jonas Niederstadt, über die reine Musik hinaus auch die besondere Atmosphäre, die Aura jener Sommernacht in der Klosterkirche Auhausen. Man hört sogar die Glocke schlagen. 
Jacob van Eyck, von Geburt an blind, war ein berühmter Glockenspieler und ein gesuchter Glockenexperte. Er lebte im niederländischen Utrecht. Auch als Flötenvirtuose erfreute er sich größter Beliebtheit, so dass ihm 1649 die Stadt sogar die Bezüge erhöhte – unter der Bedingung, dass er gelegentlich auf dem Janskerkhof, dem alten Utrechter Friedhof, für die Passanten musizieren solle. Im Fluyten Lust-hof, der bis dato größten Sammlung von Musik für ein Soloinstrument überhaupt, sind etliche seiner Werke veröffentlicht worden. 
Gerald Stempfel stellt auf dieser CD nicht nur bedeutende Werke aus dem Fluyten Lust-hof vor; er zeigt auch, wie unterschiedlich Blockflöten klingen können – und das nicht nur, weil er Instrumente in verschiedenen Stimmlagen verwendet, vom Garkleinflötlein über Sopran- und Altblock- flöte bis hin zu Tenorblockflöten. Auch ein Gemshorn – das ist eine Flöte, die aus einem Kuh-Horn gefertigt wird – sowie eine Einhandflöte sind zu hören. Etliche dieser Instrumente hat Stempfel selbst angefertigt. 
Sein Flötenspiel ist hochvirtuos, und Umgang mit van Eycks Musik ist sehr persönlich und individuell. Die Werke des Meisters sind Gerald Stempfel offenbar so präsent, dass man den Eindruck hat, diese Variationen entstehen gerade jetzt, als Improvisationen beim Spielen. Und dann schlägt die Glocke zur Mitternacht – mehr Intensität geht wirklich nicht. 

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