Joseph Kelemen, Hauptorganist an St. Johann Baptist in Neu-Ulm, befasst sich seit vielen Jahren mit süddeut- scher Orgelmusik. In dieser Box präsentiert er auf sechs CD eine Werkauswahl bedeutender Orgel- meister des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Region, um die es dabei geht, erstreckte sichseinerzeit vom heutigen Süddeutschland über die deutsch- sprachigen Gebiete Österreichs und der Schweiz sowie vom Elsaß bis hin nach Polen.
Bei allen Unterschieden eint die süddeutsche Orgelmusik ihre Orientierung am Vorbild Italien, berichtet Kelemen im Beiheft zu dieser Box: „Auch der süddeutsche Orgelbau zeigt Anlehnungen an Italien. Wie ihre italienische Schwester – ebenso wie das italienische Cembalo – ist die süddeutsche Orgel in der Regel einmanualig; ihr Pedal beschränkt sich im Umfang auf 1½ Oktaven und wird vornehmlich für Stütztöne zur Verstärkung der Basslinie eingesetzt. Die Diskrepanzen zum norddeutschen Orgelbau sind deutlich – hier finden wir meist mehrere Manuale und eine ausgebaute Pedalklaviatur von zwei Oktaven. Der Klang süddeutscher Orgeln wird oft als ,süß' beschrieben, wogegen das norddeutsche Instrument eher ,schneidend festlich' anmutet.“
Selbstverständlich hat Kelemen für seine Einspielungen passende Instrumente ausgesucht. Musik aus dem Buxheimer Orgelbuch, niedergeschrieben um 1460, spielt der Organist an einem Instrument in der St. Andreaskirche Soest-Ostönnen, erbaut von einem unbekannten Meister um 1425, einer der ältesten spielbaren Orgeln der Welt, sowie an der Ebert-Orgel von 1558 der Hofkirche Innsbruck. Für die Werke von Hans Leo Hassler (1564 bis 1612) wählte er die Orgel der Stiftskirche Klosterneuburg von Johann Freundt 1642 sowie die Günzer-Orgel von 1609 der Kirche St. Martin in Gabelbach bei Augsburg.
Die CD, die dem Schaffen von Johann Caspar Kerll (1627 bis 1693) gewidmet ist, entstand an der Egedacher-Orgel aus dem Jahre 1708 – sie enthält auch noch etliche Register des Vorgängerinstrumentes von Andreas Putz (1633) – die sich im Prämonstratenserstift Schlägl in Oberösterreich befindet. Bei der Einspielung der Musik von Johann Pachelbel (1653 bis 1706) entschied sich Kelemen für die Orgel in St. Petri, Erfurt-Büßleben, erbaut 1702 von Georg Christoph Stertzing, und die Crapp-Orgel von 1712 in der ehemaligen Klosterkirche zu Pappenheim im Altmühltal.
Gleich zwei CD enthalten Werke von Georg Muffat (1653 bis 1704). Für diese Aufnahmen nutzte der Organist noch einmal die Freundt-Orgel der Stiftskirche Klosterneuburg, und die Orgel der Abteikirche St. Mauritius in Ebersmünster bei Schlettstadt im Elsaß. Sie wurde in den Jahren 1730-32 von Andreas Silbermann angefertigt, und gehört zu den am besten erhaltenen Instrumenten dieses berühmten Orgelbauers.
Somit stellt Joseph Kelemen nicht nur wichtige Komponisten jener Zeit aus dem süddeutschen Raum und einige ihrer Werke vor. Er verbindet dies mit einer Auswahl klangschöner und charakteristischer historischer Orgeln. Mit ihren sehr unterschiedlichen Klangwelten, die Kelemen gekonnt in den Mittelpunkt stellt, sind sie die eigentlichen Stars dieser Aufnahmen. Und natürlich musiziert der Organist brillant und sehr differenziert. Hinreißend!
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