Arthur Rubinstein, geboren 1887 in Lodz, kam als Zehnjähriger nach Berlin, und spielte dort dem berühmten Geiger Joseph Joachim vor. Dieser besorgte einen Mäzen, überwachte die Ausbildung des Knaben, und dirigierte höchstper- sönlich auch das Debüt des Wunderkindes im Jahre 1900, bei dem Rubinstein unter anderem das zweite Klavierkonzert von Saint-Saens und Mozarts Konzert A-Dur KV 488 spielte.
So begann eine großartige Pianistenkarriere, die fast gescheitert wäre. Denn der junge Mann reiste um die Welt, und gab ein Konzert nach dem anderen. Die vorliegende Kollektion enthält einige frühe Aufnahmen, die staunen lassen: Das soll der große Rubinstein sein? In junge Jahren sah der Pianist seinen Job offenbar ziemlich locker: „Ich bin ein Glücks- mensch, dass ich einen Beruf habe, der mir erlaubt, so viel unterwegs zu sein. Und dann wiederum kann ich von Glück sagen, dass ich Pianist bin. Ein großartiges Instrument, das Klavier, gerade groß genug, um es nicht mitnehmen zu können! Anstatt zu üben, kann ich lesen, essen, trinken und anderen Aktivitäten nachgehen. Bin ich nicht ein Glückspilz?“
Doch dieses unbeschwerte Leben hatte abrupt ein Ende, als Rubin- stein 1932 heiratete. Seine neue Rolle als Familienvater brachte ihn zur Besinnung - und ein Erlebnis, das er so schilderte: „Horowitz begeisterte Paris, er riß es mir buchstäblich unter den Händen weg. Ich sah in ihm einen neuen Liszt. Ich wollte alles hinwerfen. Bevor ich sterbe, will ich beweisen, wozu ich fähig bin, sagte ich mir. Ich ballte die Fäuste, was ich jedoch als Pianist nicht lange konnte, ich öffnete sie wieder und begann hart zu arbeiten. Ich hatte Rache zu nehmen - nicht an Horowitz, sondern an mir.“
Diese Verwandlung lässt sich anhand der Chopin-Aufnahmen nach- vollziehen, denn diese Sammlung enthält unter anderem Aufnahmen der Scherzi aus dem Jahre 1932, der Polonaisen aus 1934/35, der Nocturnes von 1936/37 sowie die Mazurkas von 1938/39. Insofern ist die Kompilation außerordentlich spannend.
Auch ansonsten erscheint sie mir eher von dokumentarischen Wert, als musikalisches Porträt eines großartigen Pianisten. Wer aber Chopins Werk kennenlernen will, der sollte sich eine andere Auf- nahme suchen - Rubinstein ist ohne Zweifel grandios, aber Chopin spielt man heute anders. Und das ist auch gut so.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen