Als Chopin 1838 zusammen mit George Sand nach Mallorca reiste, hatte er Bachs Wohltemperiertes Klavier im Gepäck - und erste Notizen für ein eigenes Werk: Die 24 Préludes op. 28, Charakter- stücke, über denen seitdem Pianisten und Musikwissenschaft- ler grübeln. So gaben Pianisten diesen Stücken diverse Untertitel, Alfred Cortot beispielweise von "Fieberhaftes Warten auf die Geliebte" bis "Vom Blut, von der Wollust und vom Tod". Und André Gides berühmte "Aufzeichnungen über Chopin" sind in erster Linie Notate zu den Préludes.
Die indisch-deutsche Pianistin Sheila Arnold gestaltet diese 24 Stücke sowie die Balladen Nr. 1 g-Moll op. 23 und Nr. 4 f-Moll op. 52, die sie voran- bzw. an den Schluss stellt, ausgesprochen souverän und ent- schieden. Konsequent spielt sie sich durch den Kosmos der Tonarten; sie gibt jedem Stück einen eigenen Charakter, nimmt aber Chopins Werke nicht als Grundmasse für eigene Reflexionen, sondern als das, was sie sind: Musik, und zwar enorm anspruchsvolle. Arnold musi- ziert auf einem Érard-Hammerflügel, gebaut in Paris 1839. Die Mechanik dieses Instruments nutzt die Pianistin, um musikalische Strukturen hörbar werden zu lassen - hier wird jedenfalls nichts überspielt oder zugelärmt, und jedes Rubato, jedes Zögern hat seine Funktion.
Das 17. Prélude, in b-Moll, Presto con fuoco, beispielweise dauert nur 01:07. Es beginnt mit sechs Akkorden wie Peitschenschlägen - und dann rast die rechte Hand unaufhaltsam wie ein Hurrikan in Wellen- bewegungen Tonleitern hinauf und hinab, und durch diverse Modu- lationen und Figurationen, zornig rhythmisch versetzt kommentiert durch die Linke im Bass. Schließlich aber gerät der Furor ins Straucheln; und dann finden sich beide Hände vereint in einer auf- steigenden chromatischen Passage - Schluss. Grandios!
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