In dieser Oper ist die Heldin mal nicht nur Opfer, sondern auch Täterin - und was für eine! Gaetano Donizetti (1797 bis 1848) macht in dieser Oper gemeinsam mit dem Librettisten Felice Romani frei nach Victor Hugo aus der histori- schen Lucrezia Borgia eine Har- pyie, die eine Spur von Leichen hinter sich herzieht - und es auch sonst mit den guten Sitten nicht so genau nimmt.
Kaum eine andere Heldin hat Männerphantasien derart beschäftigt wie die attraktive und gebildete Fürstin, der man(n) schon zu Leb- zeiten allerlei Ausschweifungen andichtete. Wie aufreizend der Gegenstand noch im 19. Jahrhundert war, das wird schon daran ersichtlich, dass die Premiere des Werkes 1833 an der Scala einen ziemlichen Skandal verursachte. Und da war die deftigste Szene, in der Lucrezias Opfer in ihren Särgen ausgestellt werden, bereits von der Zensur gestrichen. Die abschließende Bravourarie Era desso figlio mio hingegen, die Donizetti auf Drängen der Primadonna komponier- te und später eigenhändig wieder strich, bildet auch hier das Finale.
Vom Erbe Rossinis findet sich in dieser Oper überhaupt keine Spur mehr. Donizetti schlug hier ein neues Kapital auf, das allerdings ande- re fortschreiben mussten, weil der Komponist 1848 der Syphilis erlag. Lucrezia Borgia ist eine Perle des Belcanto, stark in der musikalischen Gestaltung und Charakterisierung, farben- und ideenreich. Man ver- meint mitunter, eine Partitur von Verdi vor sich zu haben; doch es ist genau anders herum - in den Opern Verdis hört man noch ein Echo Donizettis.
Die Sängerin Edita Gruberová hat ihr Rollendebüt als Lucrezia 2008 (!) in Barcelona gegeben. Man glaubt es kaum, doch das Geburtsjahr 1946 hört man ihr wirklich nicht an. Die Koloratursopranistin zeigt sich auch in dem vorliegenden Live-Mitschnitt aus dem Jahre 2010, der in der Kölner Philharmonie aufgezeichnet wurde, faszinierend gut in Form. Die Stimme sitzt, da gibt es nichts zu mäkeln. Die slowaki- sche Nachtigall ist ein Sängerwunder, und in Franco Vassallo hatte sie einen rabenschwarzen Don Alfonso an ihrer Seite. José Bros sang ihren Sohn Gennaro heroisch-pathetisch; kein Wunder, dass sich Lucrezia zu ihm hingezogen fühlt. Silvia Tro Santafé führte mit war- mem Mezzo als Maffio Orsini die Runde seiner Kumpane an; die Nebenrollen sind nicht überragend, aber solide besetzt. Zu hören sind zudem der Chor der Oper Köln und das WDR Rundfunkorchester Köln unter Andrej Jurkewitsch.
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