Dienstag, 31. Mai 2011

Il primo uomo - Arias for Nicolini; Egorov (Deutsche Harmonia Mundi)

"He acted to Perfection, and did not sing much inferior. His Variations in the Airs were excellent", schwärmte der Komponist John Galliard über einen Sänger, der zu Lebzeiten europaweit einer der ganz großen Stars war: Nicolo "Nicolini" Grimaldi (1673 bis 1732) war primo uomo assoluto - ein Kastrat, dessen Stimme in  Umfang und Klang so einzigartig war, dass große Komponisten wie Händel und Scarlatti bedeutende Partien eigens für ihn schrieben. 
Mit zwölf Jahren debütierte Nicolini in Neapel. Seine ersten Erfolge hatte er als Sopranist in Opern von Francesco Provenzale und Alessandro Scarlatti. 1699 debütierte er in Rom, 1700 in Venedig, und während auf den Bühnen Europas sein Stern empor stieg, wurde seine Stimme immer tiefer. 1708 kam Nicolini nach England, wo das Publikum zuvor offenbar noch keine Kastraten erlebt hatte. So wurde er nicht nur gefeiert, sondern auch bespöttelt - doch die Euphorie überwog spätestens, nachdem Nicolini 1711 bei der Uraufführung von Händels Oper Rinaldo die gleichnamige Titelpartie übernommen hatte. Dem Sänger gelang es innerhalb von drei Jahren, das verwöhn- te und eher skeptische britische Publikum für die italienische Oper zu begeistern.  
Diese CD stellt vier wichtige Opernpartien Nicolinis vor, die er von den Anfängen seiner Karriere bis 1715 gesungen hat: Rinaldo und Amadigi von Händel sowie Tigrane und die Partie des Icilio aus La Caduta de' Decemviri von Scarlatti, mit der seine Gesangskarriere begann. Auf der Bühne stand er bis an sein Lebensende; 1732, mit
58 Jahren, hatte er die Hauptrolle in Salustia übernommen, der ersten Oper von Giovanni Battista Pergolesi, doch während der Pro- ben erkrankte der Sänger und starb. 

Seine Zeitgenossen lobten sein Auftreten ebenso wie seinen Gesang. So nannte der Dichter Joseph Addison Nicolini "the greatest perfor- mer in dramatic Music that is now living or that perhaps ever appeared on a stage." Das sind hohe Ansprüche für das Debüt des jungen russischen Countertenors Dmitri Jegorow, der auf der vor- liegenden CD gemeinsam mit dem Orchester La Stagione Frankfurt unter Michael Schneider musiziert. Der Sänger stammt aus St. Pe- tersburg und hat an der Chorschule der Staatlichen St. Petersburger Glinka-Kapelle eine Ausbildung zum Organisten, Chorleiter und Kirchenmusiker absolviert. Diese solide musikalische Basis hat er dann noch durch ein Gesangsstudium in Mainz bei Professorin Claudia Eder ergänzt. 
Jegorow hat eine angenehme, warm timbrierte Stimme, die er sehr gezielt führen und einfärben kann. Sein Stimmumfang ist enorm, die Geläufigkeit vielleicht hier und da noch ausbaufähig. Aber die Intensität, mit der er beispielsweise das legendäre Cara sposa gestaltet, beeindruckt. So hofft man, dass dem jungen Sänger eine Karriere beschieden sein möge, die jener Nicolinis ähnelt - möge er klug mit seinen Ressourcen umgehen; sie sind ohne Zweifel beacht- lich. 

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