Der Kastrat Filippo Elisi, der in London am King's Theatre sang und Bach aus Mailand kannte, sorgte dafür, dass die Leitung des Hauses bei dem Komponisten zwei Opern in Auftrag gab. Also ging Johann Christian Bach 1762 nach London, wo er zunächst am King's Theatre dirigierte, und dann im nächsten Jahr vertragsgemäß seine Opern präsentierte - Orione und Zanaida.
Bereits im Juli 1763 schrieb Bach an seinen verehrten Lehrer Padre Martini, dass er nicht nach Italien zurückkehren werde. Das Organi- stenamt am Mailänder Dom gab er auf. Denn Königin Charlotte war auf den jungen Musiker aufmerksam geworden, und hatte ihn als music master engagiert. In dieser Position unterrichtete er die Queen im Gesang, komponierte für sie, organisierte und leitete die Kammer- konzerte des Königspaares, begleitete das Flötenspiel des Königs und überwachte die Ausbildung der Prinzessinnen und Prinzen. Der "Londoner Bach" war zeitweise zudem erfolgreich als Pianist und, gemeinsam mit dem Gambenvirtuosen Carl Friedrich Abel, als Konzertveranstalter. Dass das Geschäft als Impresario nicht ohne Risiko war, hatte allerdings schon Händel erleben müssen. So blieb Johann Christian Bach von Rückschlägen nicht verschont; auch einige seiner Opern fielen beim Publikum durch.
Zanaida allerdings, seine 1763 uraufgeführte zweite Londoner Oper, war ein großer Erfolg. Dieses Werk von Johann Christian Bach galt jedoch lange als verschollen. Bekannt waren lediglich das Libretto, die Ouvertüre und ein paar Arien - bis ein New Yorker Reeder und Kunstsammler dem Leipziger Bach-Archiv für zehn Jahre seine Privatsammlung überließ. In dem Konvolut, das mehr als tausend Dokumente umfasste, fand sich auch die verloren geglaubte auto- graphe Partitur.
Das französische Ensemble Opera Fuoco unter Leitung von David Stern hatte Zanaida kurzfristig einstudiert, und auf dem Interna- tionalen Bachfest 2011 im barocken Goethe-Theater Bad Lauchstädt vorgestellt. Das Werk erklang auch im Théatre de Saint-Quentin-en-Yvelines. Aus dem Live-Mitschnitt von zwei Vorstellungen dort entstand die vorliegende Weltersteinspielung, die bei dem Label Zig Zag Territoires erschienen ist. Die Handlung der Oper ist hanebüchen, Kabale und Liebe. Zur Festigung des soeben geschlossenen Friedens soll der persische König Tamasse Zanaida heiraten, die Tochter des türkischen Sultans Soliman. Doch der Herrscher liebt eine andere - Osira, die Tochter des türkischen Botschafters Mustafa, die als Geisel an seinem Hof lebt. Was also tun ? Schnell ist ein Ausweg gefunden: Zanaida wird beschuldigt, einen Anschlag auf den Herrscher geplant zu haben. Das wiederum erfährt Mustafa, der nun seinerseits bei der Hinrichtung der Braut Tamasse töten will. Doch Zanaida wirft sich dazwischen. Und so kommt es, wie es kommen muss. Das Brautpaar heiratet, und alle vertragen sich wieder miteinander - wobei man wissen sollte, dass es noch fünf Nebenfiguren gibt, die zum Geschehen ihre eigenen Intrigen und Liebeshändel beisteuern.
Obwohl die Geschichte im exotischen Lande spielt, hat sich Bach davor gehütet, eine der damals modernen "Janitscharenmusiken" zu schreiben. Seine Oper ist durchweg elegant und durchaus traditionell, Rezitative und Arien wechseln in steter Folge. Aber die Arien sind vergleichsweise kurz und schlicht, auf allzu virtuose Koloraturen und auf das Da-capo-Modell verzichtete der Komponist. Und am Ende eines jeden Aktes erklingt ein wundervolles Ensemble - kein Wunder, dass Leopold Mozart seinen achtjährigen Sohn, der in London Bachs Werke gehört haben dürfte, ermuntert hat, sich diesen Stil zum Vorbild zu nehmen.
David Stern und das von ihm 2003 gegründete Orchester Opera Fuoco musizieren routiniert und sängerfreundlich. Die Sänger sind durchweg sehr jung; das ist heutzutage zwar weithin üblich, doch die Schwächen einer solchen Nachwuchstruppe sind halt auch unüber- hörbar. Die amerikanische Sopranistin Sara Hershkowitz in der Rolle der Zanaida ist richtig gut, der Rest klingt eher nach Stadttheater, irgendwo in der Provinz. Wer sich dennoch für die Namen der Sänger interessiert, der steht zudem vor einer Knobelaufgabe. Im Beiheft sieht man zwar einige Fotos, und auch einige Namen sind genannt, aber eine Besetzungsliste bleibt das Büchlein schuldig. Trotzdem sei die Aufnahme hier empfohlen, weil diese Oper eine Rarität ist und wohl auch bleiben wird - denn einfach sind die Partien der neun Solisten nicht, der Orchesterpart stellt ebenfalls hohe Anforderungen, und auch die Handlung spricht nicht gerade dafür, dass dieses Werk sich einen Platz im Repertoire erobern wird.
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