Johann Adam Hiller (1728 bis 1804), war ein musikalisches Phänomen. Nach einer Ausbildung am Gymna- sium in Görlitz, an der Dresdner Kreuzschule sowie dem anschließen- den Studium an der Universität in Leipzig wurde er 1754 zunächst Hauslehrer beim Grafen Brühl. Doch schon bald war er wieder in Leipzig: 1759 gründete er die erste deutsche Musikzeitschrift, Der musikalische Zeitvertreib. 1763 sorgte Hiller für die Wiederbelebung des wegen des Siebenjährigen Krieges zwischen- zeitlich eingestellten Großen Concerts. Er gründete eine Singschule, aus der berühmte Sängerinnen hervorgingen, sowie die Musikübende Gesellschaft, die zunächst im Apelschen Haus, später dann im Gewandhaus konzertierte. Damit war Hiller der erste Gewandhaus-Kapellmeister. Von 1789 bis 1801 wirkte Hiller zudem als Thomaskantor.
Hiller hatte enormen Erfolg als Singspielkomponist. Er hatte eine klare Meinung, was gute Musik sei – und vertrat sie auch entschieden. So gab er ab 1776 eine mehrteilige Sammlung Vierstimmige Motetten und Arien von verschiedenen Componisten zum Gebrauche der Schulen und anderer Gesangsliebhaber heraus, zunächst vor allem interessante Werke der Komponistengeneration nach Bach; aus seiner Amtspraxis als Thomas- kantor dann 1791 noch ergänzt um ein sechstes und letztes Heft, das auch liturgische Stücke und Begräbniskompositionen enthielt. Sie stammten fast alle von Hiller. Ansonsten sind etliche Beiträge enthalten vom Dresdner Kreuzkantor Gottfried August Homilius und vom Magdeburger Musik- direktor Johann Heinrich Rolle, sowie Werke des früheren Thomaskantors Gottlob Harrer, von Homilius' Amtsvorgänger Theodor Christlieb Rein- hold, dem Dresdner Organisten Christoph Ludwig Fehre, Johann Gottfried Weiske und Christian Friedrich Penzel, Kantoren in Meißen und in Merseburg. Auch Carl Heinrich Graun, Kapellmeister am Hofe Friedrichs des Großen, ist darin vertreten.
Die Motetten dieser Komponisten zeugen vom hohen Stand, den die Gattung – die zu Bachs Zeiten nur noch als Gelegenheitskomposition eine Rolle spielte – in der Kirchenmusik zu Hillers Zeiten wieder erlangt hatte. Im Gottesdienst ließ Bach Motetten aus dem Florilegium Portense singen; Hiller hingegen verbannte den „lateinischen Singsang, den Meister Bodenschatz zusammengeschleppt hat“, aus dem Gebrauch der Thomaner. Sein Urteil: „So schlecht und ohne Wahl auch diese Compilation gemacht, so fehlerhaft sie auch gedruckt ist. Resquiat in pace!“ Ein einziges Werk allerdings fand vor dem gestrengen Auge Hillers Gnade, eine Motette von Jacobus Gallus aus dem 16. Jahrhundert. Diese nahm Hiller, in überar- beiteter Form, in seine Kollektion auf.
Auch das Sächsische Vocalensemble hat sie in seine Auswahl aus Hillers vierstimmigen Motetten und Arien aufgenommen, die jüngst bei Carus erschienen ist. Der renommierte Dresdner Kammerchor, 1996 von Matthias Jung gegründet, zeichnet sich durch seinen schlanken, wasser- klaren Chorklang aus. Die Sängerinnen und Sänger bieten absolute Präzision und beeindruckende klangliche Homogenität. Eines macht die CD deutlich: Mitteldeutschland, mit seiner reichen und vor allem auch breiten Musiktradition, ist immer wieder für Entdeckungen gut.
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