Sonntag, 28. Juli 2019

Albrecht Mayer - Longing for Paradise (Deutsche Grammophon)

Der Traum von einer harmonischen Welt kennzeichnet alle Werke, die Albrecht Mayer für seine jüngste Einspielung ausgesucht hat: „Wie reagiert man als emotionaler, fühlend-romantischer Komponist, wenn man mit der Kriegssituation und einer zerstörten Heimat konfrontiert wird?“, fragt sich der Oboist. „Dieser Gedanke und die damit verbundene Sehnsucht nach Schönheit vereint alle Stücke auf diesem Album.
Die Musik, die Mayer auf dieser CD zusammengetragen hat, ist alles andere als leichtgewichtig. So schrieb Richard Strauss (1864 bis 1949) kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs sein einziges Oboenkonzert, „ein Stück voller Schönheiten, vielleicht eine Ahnung vom Paradies“, begeistert sich Mayer. Der Komponist selbst nannte das Werk eine „Werkstattarbeit“, geschrieben, „damit das vom Taktstock befreite rechte Handgelenk nicht vorzeitig einschläft“
Die Nachkriegssituation spiegelt das Konzert für Oboe und kleines Orchester eher indirekt: „Das ist eines der wenigen Stücke von Strauss, bei denen ich nirgends den Ansatz einer Doppelbödigkeit erkennen kann“, meint Mayer. „Vielmehr verlangt dieses Stück ein Höchstmaß an Mühelosigkeit, womöglich schwebte Strauss selbst beim Komponieren so etwas wie die reine Fülle des Wohllauts vor.“ 
Albrecht Mayer spielt dieses Konzert, das von Anfang bis Ende höchste Anforderungen an den Solisten stellt, mit einem wunderschönen, runden Ton, herrlicher Kantilene und geradezu magischer Schwerelosigkeit. Er lässt den Hörer zu keinem Zeitpunkt daran denken, dass es sich dabei um eines der anspruchsvollsten Werke der gesamten Oboen-Literatur handelt. 
In den Bamberger Symphonikern unter Jakub Hrůša steht dem Oboisten dabei ein erstklassiges Orchester als Musizierpartner zur Seite. Man kennt sich, und man schätzt sich: Mayer begann dort seinerzeit 1990 als Solo-Oboist seine Karriere. 
An den Anfang seines Programmes, vor das Strauss-Konzert, stellte Mayer Edward Elgars (1857 bis 1934) Soliloquy. Dabei handelt es sich um eine Elegie, die lange Fragment geblieben ist. Erst 1967 erklang sie in einer vervollständigten Fassung von Gordon Jacob erstmals öffentlich – gespielt von Léon Goossens. 
Für diesen Oboenvirtuosen schrieb sein Bruder Eugène Goossens (1893 bis 1962) ein ebenfalls höchst anspruchsvolles Konzert, das Mayer am Schluss seiner CD platzierte. „Man stelle sich vor, Strawinksy hätte ein Konzert für Oboe geschrieben, mit einer Prise britischen Humors gewürzt und um einige regionale Klangzutaten ergänzt“, so beschreibt der Oboist diese Musik. 
Mein ganz persönlicher Favorit aber, neben dem Strauss-Konzert, ist die Neubearbeitung von Maurice Ravels (1875 bis 1937) Le Tombeau de Couperin für Oboe und Orchester. Das Arrangement stammt von Joachim Schmeißer, und es ist unglaublich gut. Ravel nutzte die Tradition, verstorbenen Musikern ein Tombeau, eine Trauermusik, zu schreiben. Doch in dem Stück geht es nur vordergründig um Couperin und die Musik des 18. Jahrhunderts. Denn Ravel schrieb es nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst; und jeder Satz ist einem gefallenen Kameraden gewidmet. 

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