Mittwoch, 18. März 2020

The Golden Age (Genuin)

Vor einiger Zeit hat Christoph Heesch bei Genuin eine CD veröffentlicht, die dann leider in meinem Regal liegen geblieben ist. Jetzt habe ich sie angehört – und beschlossen, trotzdem darüber zu schreiben, weil die Aufnahme rundum fasziniert. Der junge Cellist, der bei Jens Peter Maintz und Wolfgang Emanuel Schmidt studierte, konnte bereits etliche Wettbewerbe gewinnen. Bei diesem Projekt musiziert er unter Leitung von Jakob Lehmann gemeinsam mit dem Kammerorchester Eroica, dessen Solo-Cellist er auch ist. Und er hat dafür ein geradezu phänomenales Programm zusammengestellt: Heesch spielt vier Cellokonzerte aus den Jahren 1924/25, die jeweils für sich schon eine Sensation sind. 
Es war eine aufregende Zeit, in der spektakuläre Musik entstand. Die Kammermusik Nr.3 op. 36 Nr. 2 von Paul Hindemith (1895 bis 1963), das Konzert für Violoncello und Blasorchester von Jacques Ibert (1890 bis 1962), das Konzert für Violoncello und Kammerorchester op. 35 von Ernst Toch (1887 bis 1964) und das Concertino für Violoncello, Bläser, Klavier und Schlagzeug von Bohuslav Martinů (1890 bis 1959) hinterfragen Konventionen klassischer Musik, und suchen nach neuen Wegen des Musizierens. Allen gemeinsam ist das reduzierte „Orchester“, in dem nur einige wenige Musiker spielen. Die Grenzen zwischen den Gattungen und auch die Abgrenzung zwischen Solist und Orchester kommen ins Fließen. 
Daraus lässt sich auch für die heutige Zeit lernen, meint Heesch: „Es ist mir ein großes Anliegen, sie mit Blick auf die Werke dieser vier fantastischen Komponisten aus vollkommen unterschiedlichen Kulturkreisen, Schulen und Einflüssen zu betrachten. Bieten sie doch Inspiration und Ideen für die Zukunft – sowohl jedes für sich als auch alle zusammen. Die rhythmische Strenge bei Hindemith, die französisch-elegante Leichtigkeit von Ibert, die tiefe Empfindsamkeit bei Toch und die folkloristisch-kraftvolle Dramatik im Werk von Martinů ergänzen sich zu einer musikalisch revolutionären Klangidee. Durch die schlanke Besetzung entwickelt sich in allen vieren eine musikalische Transparenz, die es ermöglicht, aus dem sinfonischen ,Korsett‘ des Cellokonzertes in die viel intimere Kompositionsform des Solokonzertes zu wechseln.“  
Der inszenierte Auftritt des Solisten und die Trennung von Solo- und Orchesterpassagen, wie man dies aus romantischen Instrumentalkonzerten kennt, wird in diesen Stücken durch quasi kammermusikalisches Musizieren in unmittelbaren Dialog ersetzt. Dennoch sind diese vier Konzerte nicht weniger anspruchsvoll, sie sind virtuos, sperrig, herausfordernd – und Heesch musiziert grandios. Was für ein Ton, welch enorme Intensität – von diesem jungen Musiker wird man hoffentlich noch viel hören! 

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