Mit dem Ensemble Vocal Concert Dresden wendet Peter Kopp sich einmal mehr einem interessanten und bislang wenig beachteten Kapitel der Musikgeschichte zu: Die Herrnhuter Brüdergemeine feiert im nächsten Jahr nicht nur 300jähriges Bestehen, sie wird auch wird UNESCO-Weltkulturerbe.
Ab 1722 siedelten sich Böhmische Brüder, Anhänger einer vorreformatorischen Bewegung in Böhmen und Mähren, nachdem sie in der Heimat verfolgt worden waren, in der Oberlausitz auf einem Gut des Grafen Zinzendorf an. Dort gründeten sie eine Kolonie in der Obhut des Herrn Jesus – Herrnhut.
Damit legten sie den Grundstein für ein noch heute lebendiges Zentrum des Glaubens, mit höchst internationaler Ausstrahlung. Der Brüdergemeinde gehören heute weit über eine Million Menschen an. In Tansania leben derzeit die meisten Mitglieder der „Moravian Church“. Herrnhuter Missionare wirken weltweit, von Dänemark bis Südafrika, von Nepal bis Albanien und von Grönland und Alaska bis in die Karibik.
Mit den Gläubigen zogen ihre Lieder in die Welt. Denn die Brüdergemeine war von Anfang an eine singende Gemeinde. Und so bauten die „Moravians“ musikalische Brücken zwischen Europa und der Neuen Welt. Faszinierend ist dabei die Tatsache, dass bereits im 18. Jahrhundert Kompositionen, die in fernen Gebieten entstanden, wieder nach Deutschland gelangten und dort in das Repertoire aufgenommen wurden. Eine Ahnung davon vermittelt diese CD mit weihnachtlichen Klängen.
Den Aufnahmen sind intensive Recherchen in Archiven der Herrnhuter Brüdergemeine in der Oberlausitz, aber auch in Übersee vorangegangen. Bei fast allen Werken handelt es sich um Weltersteinspielungen. Einige Stücke wurden eigens für das Programm rekonstruiert. Somit gibt die CD einen einmaligen Einblick in die Herrnhuter Musik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Und das ist ebenso spannend wie erstaunlich.
Denn Zinzendorf betrachtete das Singen als eine Gabe des Heiligen Geistes, und viele Lieddichter und Komponisten leisteten Beiträge zu dieser „Liederpredigt“. Im Gottesdienst der Herrnhuter wurde so recht von Herzen musiziert; insbesondere die Blechbläser beeindruckten und wurden Vorbild auch für „normale“ evangelische Gemeinden – Posaunenchöre sind noch heute in ganz Deutschland beliebt und weit verbreitet.
In ihren „Singstunden“ entwickelten die Herrnhuter zudem einen kreativen Umgang mit überlieferten Gesängen: Oft wurden nicht Strophen einzelner Lieder fortlaufend gesungen, sondern thematisch zusammengehörige Verse; aneinandergefügt wurden dabei manchmal sogar einzelne Zeilen verschiedener Lieder. Doch nicht nur die versammelte Gemeinde musizierte; regelmäßig trafen sich auch ein Sängerchor oder aber das Collegium musicum. Sie haben natürlich auch erfolgreiche Werke von bekannten Komponisten aufgeführt, wie Homilius, Händel oder Haydn.
Was also in der Brüdergemeine erklang, das konnte sich wahrlich hören lassen: „Die Herrnhuter haben Musices von allen Instrumenten unter sich, die theils für Virtuosen passieren können, und wird man in mancher Fürstlichen Capelle keine so solide Music antreffen“, schrieb ein Zeitgenosse.
Diese musikalische Welt also bringt Peter Kopp, mittlerweile Rektor der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle (Saale), in diesem Jahr in die heimatlichen Stuben. Im Mittelpunkt des Programmes steht eine Christ-Nachts-Music für das Jahr 1765 von Christian Gregor (1723 bis 1801). Er war Organist, Prediger und Administrator; als solcher besuchte er auch Glaubensbrüder in Nordamerika. Schließlich wurde er zum Bischof ernannt. Die Musik in der Herrnhuter Brüdergemeine prägte er auch als Herausgeber eines Gesangbuches. Seine Christ-Nachts-Music zeigt sehr schön exemplarisch, wie damals in Herrnhut solche Musiken zusammengestellt worden sind – und wer beim Anhören bekannte Melodien entdeckt, der irrt sich keineswegs.
Auch die anderen Beispiele, die Kopp ausgewählt hat, sind durchweg hörenswert. Er präsentiert mit dem Vocal Concert Dresden, dem Dresdner Instrumental-Concert und einer ganzen Reihe musikalischer Gäste festliche weihnachtliche Musik, Pauken und Trompeten inklusive, vollkommen abseits des vertrauten Repertoires. Was für eine Entdeckung!
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