Die Historia de Compassione Gloriosissimae Virginis Mariae ist das älteste vollständig erhaltene Werk der Hamburger Musikge- schichte. Der Codex wurde im
15. Jahrhundert angefertigt, wie Experten festgestellt haben. Er trägt auf dem Innendeckel den Vermerk "ad usum Ecclesiae Cathedralis Hamburgensis", war also für den Gebrauch im Hambur- ger Dom bestimmt.
Das Manuskript verwendet die sogenannte gotische Notation. Sie dokumentiert zwar den melodischen Verlauf des Gesanges, enthält aber keinerlei Angaben über seine rhythmische Gestaltung.
Das Ensemble Amarcord, aus dem Thomanerchor hervorgegangen und mittlerweile ein fester Bestandteil des Leipziger Musiklebens, hat sich mit Unterstützung durch Godehard Joppich, einen der führenden Experten für gregorianischen Gesang in Deutschland, an eine Inter- pretation der drei Nocturnen gewagt.
Diese Gesänge der sogenannten Matutin, des klösterlichen Nacht- offiziums, bestehen jeweils aus drei Psalmen mit Antiphonen, gefolgt von drei Lesungen mit Antwortgesängen, den Responsorien. Dass es sich bei der Hamburger Historia nicht mehr um den ganz "klassischen" gregorianischen Gesang, wie er über die Jahrhunderte in den Klöstern Europas gepflegt wurde, handelt, verrät uns vor allem auch der Text. Er entstammt nicht mehr nahezu ausschließlich der Bibel, sondern er wurde anderen Formen der geistlichen Literatur entnommen. Bei dem Hamburger Werk handelt es sich sogar nicht mehr um Verse, sondern um Prosa. Sie beschreibt das Leiden der Gottesmutter im Angesicht des Kreuzes.
Die fünf Sänger von Amarcord stellen uns ein sehr fremdes, aber auch faszinierendes und wunderschönes Kunstwerk aus einer fernen Zeit vor. Sie singen harmonisch, gelassen, und geben den alten Melodien Raum und Zeit, zu klingen und zu wirken. Auf diese CD muss man sich einlassen - doch das lohnt sich.
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