Mit über hundert Einspielungen im Katalog gehören Vivaldis Vier Jahreszeiten zu den beliebtesten Werken der „klassischen“ Musik überhaupt. Warum also noch eine weitere Aufnahme auf den Markt bringen?
„Der Schwerpunkt unseres Ansat- zes liegt also auf dem Erzählenden, auf Basis unseres Wissens um historische Aufführungspraxis, ergänzt um ein freies, intuitives Klangempfinden und Gesanglich- keit“, begründet Daniel Sepec im Beiheft, warum er gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilhar- monie Bremen dennoch eine eigene Version vorstellt. Der Geiger, der für seine Interpretation von Bibers Rosenkranzsonaten bereits den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik erhalten hat, setzt auf Klangbilder. So sollen Harfe, Cembalo und Laute im langsamen Satz des Konzertes L'Autunno einen „vernebelten Klang“ erzeugen, denn die Dorfbewohner liegen alkoholisiert herum. Der Betrunkene im ersten Satz wird durch unrhythmisches Spiel vorgeführt. Wer freilich die Geschichte kennt, die Vivaldi in seiner Musik erzählt, der kann leicht zu der Meinung gelangen, dass hier mitunter überzeichnet wird.
Die Einspielung hat allerdings durchaus auch interessante Aspekte. Denn Sepec verwendet nicht die übliche, 1725 in Amsterdam im Druck erschienene Version als Quelle, sondern eine Fassung, die sich im sogenannten Manchester-Manuskript findet. Spannend ist diese Variante, weil sie offenbar älter ist als der Druck – und weil sie in etlichen Details abweicht. Insgesamt wirkt diese Version farbiger, runder, fertiger; das macht diese Aufnahme sehr reizvoll.
Auch die Zugabe wird dem Hörer Freude bereiten: Sepec spielt ge- meinsam mit Florian Donderer La Follia, eine nicht ganz brave Sonate für zwei Violinen und Basso continuo. Um den Charakter dieses Werkes – Follia bedeutet soviel wie Verrücktheit oder Wahn- sinn – hervorzuheben, haben die Musiker das Continuo verstärkt, und Schlagwerk hinzugefügt. Das passt sehr schön, aber es reicht letzten Endes doch nicht ganz bis zur Ekstase.
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