Samstag, 3. Dezember 2016

Haydn: Die Jahreszeiten (Hänssler Classic)

Für eine Aufführung des Oratoriums Die Jahreszeiten von Joseph Haydn sind die Schwetzinger Festspiele der ideale Ort – denn das Schloss befindet sich in einem herrlichen Park. Und so erklang dort dieses Werk zum Eröff- nungskonzert im Jahre 1959, das ganz im Zeichen des 150. Todestages von Joseph Haydn stand. Die Aufnahme, an der unter Leitung von Hans Müller-Kray seinerzeit neben einer illustren Solistenriege der damalige Südfunk-Chor, heute SWR Vokalensemble Stuttgart, sowie der Chor des Hessischen Rundfunks, Frankfurt und das Südfunk-Sinfonieorchester, heute Radio-Sinfonie- orchester Stuttgart des SWR, mitgewirkt haben, ist nun bei Hänssler Classic erschienen. 
Das Leben des Menschen inmitten der Natur ist das Thema des Oratori- ums, das Haydn einst nach einer englischen Textvorlage schuf, die Baron Gottfried van Swieten ins Deutsche übersetzt hatte. Mit der Arbeit an diesen Werk begann der Komponist 1799 auf Drängen seines Freundes, der nicht nur Hofbibliothekar und Hobbydichter war, sondern auch der Sekretär einer adeligen Musikgesellschaft, die im Wiener Palais Schwarzenberg regelmäßig Oratorien aufführen ließ. Dort war bereits und mit großem Erfolg Haydns Schöpfung erklungen. 
Die Jahreszeiten sollten daran anknüpfen; allein die Arbeit zog sich hin. Denn der Textdichter hatte seine eigenen Vorstellungen davon, wie sein Werk vertonte werden sollte, und diese brachte er auch eifrig ein – der Komponist wiederum zeigte sich genervt von dem Text und von den Vorschlägen seines Freundes van Swieten, der die Lämmer hüpfen hören wollte. 
Er wehrte sich dagegen mitunter mit dem Haydn-typischen bärbeißigen Humor. Im dritten Teil, Der Herbst, beispielsweise gibt es ein Solo-Terzett mit Chorfuge („So lohnet die Natur den Fleiß, O Fleiß, o edler Fleiß“), über das Haydn seinerzeit meinte: „Ich bin allezeit fleißig gewesen, aber es ist mir niemals eingefallen, den Fleiß in Musik zu setzen.“ Da der Meister sich derart über den Text mokiert hat, wurde leider seinerzeit dieser Teil gestrichen. Und so fehlt er nun auch hier auf CD; ein Verlust, der aber zu verschmerzen ist, denn die Aufzeichnung ist ohnehin in erster Linie als Zeitdokument interessant. Derart riesige Chöre beispielsweise, die zwar stimmstark auftrumpfen, auf die Signale des Dirigenten offenbar nur äußerst träge reagieren, würde heute wohl niemand mehr für ein Haydn-Oratorium einsetzen. 
Bei allen Abstrichen faszinierend ist allerdings noch immer die Leistung der Solisten. Zu hören ist der Bass Kieth Engen als Pächter Simon, Agnes Giebel mit ihrem strahlenden Sopran singt seine Tochter Hanne, und der legendäre Fritz Wunderlich den jungen Bauern Lukas. Vor allem sie machten das Schwetzinger Eröffnungskonzert des Jahres 1959 zu jenem künstlerischen Großereignis, von dem die vorliegende Aufnahme einen lebhaften Eindruck vermittelt. 

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