Mittwoch, 17. Februar 2010

Gesualdo: Responsoria; De labyrintho (Stradivarius)

Don Carlo Gesualdo, Fürst von Venosa, ist nicht zuletzt aufgrund der wenigen Fakten, die über sein Leben bekannt sind, ein dankbarer Forschungsgegenstand. Denn er ertappte 1590 seine Ehefrau in flagranti - was offenbar weder die Ehebrecherin noch ihr Liebhaber und wohl auch nicht die kleine Tochter überlebten.
Gesualdo lebte mit seiner Schuld weiter, noch 23 Jahre lang - und je älter er wurde, desto mehr plagten ihn offensichtlich Depressionen. 
"Il canto dell'ombra", der Gesang des Schattens, lautet das Motto dieser CD - und das trifft das Wesen dieser ergreifenden Musik nur zu gut. 
Tod und Leben begegnen sich nicht nur in der Kombination von Teilen aus der Totenmesse mit Abschnitten aus der Ostersonntags- liturgie, wie sie für diese Aufnahme gewählt wurde. Dieselbe Spannung, das Ausharren zwischen Zeit und Ewigkeit, prägt auch die einzelnen Responsorien Gesualdos mit ihren halsbrecherischen harmonischen Rückungen und ihrer kühnen musikalischen Auslegung des Textes. Die Sänger von De labyrintho, geleitet von Walter Testolin, sind den Herausforderungen dieses extremen Repertoires jederzeit gewachsen. Das will etwas heißen - wagen sie sich doch in die Fußstapfen des Hilliard Ensembles, dem eine atemberaubende Einspielung der Oster-Responsorien gelungen ist. Der Chorgesang von De labyrintho klingt nicht ganz so rund und in sich gekehrt; das liegt aber in der Natur der Sache, denn in dem Ensemble, das sich ganz der Renaissance-Musik verschrieben hat, sind die hohen Stimmen mit Frauen besetzt. 
Mit Überraschungen muss man bei einem Chor, der einen solchen Namen wählt, wohl rechnen. "Patientia est ornamentum custodia et protectio vitae", mahnt das Booklet. Ansonsten ist es leider nicht besonders informativ. Warum die CD nur die Responsorien, nicht aber die Vorsängerverse dazu enthält, bleibt so ein Geheimnis. Statt dessen bringt die CD vier meditative Stücke für Viola da Gamba, von und mit Vittorio Ghielmi, die vom Gestus her wie ein Echo des Gesungenen wirken. Und zum Abschluss, wenn keiner mehr damit rechnet - und in der Trackliste auch nicht verzeichnet - folgt ein weiteres Stück von Carlo Gesualdo, wie die Auflösung eines musikalischen und theologischen Rätsels: Das Ave, dulcissima Maria aus dem Sacrarum Cantionum quinque vocibus Liber Primus, denke ich. Oder?

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