Christoph Stradner, seit 2004 Erster Solocellist der Wiener Philharmoniker, bricht eine Lanze für die Moderne - die hier aller- dings sehr tonal-gemäßigt daher- kommt. "Mit der vorliegenden CD möchte ich die Aufmerksamkeit auf drei Meisterwerke für Violon- cello solo der 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts lenken, die meiner Meinung nach in unse- rem Konzertleben bisher zu wenig Beachtung gefunden haben", schreibt der österreichische Cellist in dem sehr informativen Beiheft. Dabei handelt es sich um die Sonate für Violoncello solo op. 28 von Eugène Ysaye (1858 bis 1931), die Suite für Cello solo op. 84 von Ernst Krenek (1900 bis 1991) und die Suite für Violoncello solo von Gaspar Cassadó (1897 bis 1966).
Um aufzuzeigen, wie sehr diese Werke allesamt noch in der Tradition des romantischen Virtuosentums stehen, kontrastiert Stradner diese Werke mit einer Cello-Transkription von Paganinis Caprice Nr. 24. Technisch ist dieses Stück ohne Zweifel eine Herausforderung - aber vom Charakter her passt es nicht so besonders gut zum sonoren Klang des großen Bruders der Violine, für die Paganini das Capriccio einst geschaffen hat.
Kreneks Suite aus dem Jahre 1939, ohne Zweifel das "modernste" der drei folgenden Werke, habe "die Art der Bezugnahme zwischen So- pran, Mittelstimme und Bass von Johann Sebastian Bach übernom- men", analysiert Stradner. "Dabei steht die Naturgewalt des Basses für das Irdische, während der Sopran das Philosophische, überir- disch Göttliche vermittelt. Zwischen diesen beiden Polen findet in den Mittelstimmen der Mensch mit all seinen offenen Fragen Platz. Als Interpret strebe ich eine Ausgewogenheit dieser drei Stimmlagen an." Der Cellist stellt jedoch fest, dass der Bass bei Krenek "zu wenig Zuwendung erhält", und fühlt sich bemüßigt, das zu korrigieren: "Der Mensch wurzelt nicht mehr wie bei Johann Sebastian Bach in der Natur, sondern muss sich verantwortungsvoll um diese sorgen."
Mit Paganinis Werk am engsten verwandt erscheint die Sonate von Ysaye aus dem Jahre 1923; allerdings setzt sie weniger auf virtuose Geläufigkeit als auf Klangfarben. Stradner spielt drei verschiedene Instrumente, um den individuellen Charakter der einzelnen Werke auch klanglich zu unterstreichen. Ob das nicht ein Luxusproblem ist, das mögen Cellisten entscheiden. --
Die Suite des Cellisten Cassadó, 1926 für Francesco von Mendelssohn komponiert, wirkt wie eine Verneigung vor seinen Lehrern Manuel de Falla und Maurice Ravel, doch sie ist Bach wesentlich näher als Paga- nini. Ein ganz erstaunliches Stück, das ich wirklich gern öfter im Konzert hören würde. Die beiden anderen Werke, da will ich ehrlich sein, finde ich für den Musiker interessanter als für den Zuhörer - auch wenn Stradner natürlich sein Handwerk versteht.
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