Es gibt nicht viele Ensembles, die sich tatsächlich daran wagen können, die Kantaten und Motetten von Johann Sebastian Bach in solistischer Besetzung vorzutragen. Man benötigt dazu nicht nur extrem versierte Sänger, sondern auch sensible Instrumentalisten, die sich der kleinen Sängerschar geschmeidig anpassen, und einen musikalischen Leiter, der dazu in der Lage ist, auch kompliziertere Sätze gescheit zu strukturieren.
Ein gutes Beispiel dafür, wie es nicht funktioniert, gibt die Capella Craco- viensis mit ihrer Einspielung der Bach-Motetten bei Alpha. Wenn man diese Musik überzeugend vortragen will, genügt es leider nicht, atem- beraubend schnelle Koloraturen irgendwie singen zu können. Bachs geistliche Musik ist eben niemals nur Gesang, sie ist immer zugleich Textauslegung, sozusagen Predigt, in der Sprache der Musik formuliert. Dazu freilich wäre es schön, wenn man den Text auch verstehen könnte.
Das mitunter sehr komplexe kontrapunktische Stimmengeflecht sinnvoll zu ordnen, wäre die Aufgabe von Fabio Bonizzoni gewesen, der hier als Dirigent und künstlerischer Leiter grandios scheitert. Dirigieren heißt, Entscheidungen zu treffen – und nicht nur, das Tempo vorzugeben. Auch Klangfarben und dynamische Differenzierung beispielsweise könnten erfreuen; man könnte Stimmen hervor- und zurücktreten lassen, Akzente setzen, oder schlicht Forte und Piano singen und spielen lassen. Doch wer Struktur und Gestaltung erwartet, der wird bei dieser Aufnahme enttäuscht. Der Sopran ist zudem ganz klar die dominierende Stimme, jedenfalls dann, wenn er mitsingt – und wenn er mal nicht mitsingt, dann vermisst man ihn mitunter, schmerzlich. Danke, nein, das geht so gar nicht.
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